Begriff und Grundlagen der Securitisation
Die Securitisation (deutsch: Verbriefung) ist ein komplexes, rechtlich reguliertes Finanzierungsinstrument, bei dem illiquide Vermögenswerte (zum Beispiel Kreditforderungen oder andere Forderungen) in handelbare Wertpapiere umgewandelt werden. Dieser Prozess ermöglicht es Unternehmen, Banken und anderen Institutionen, bislang nicht handelbare Forderungen zu liquidieren und dem Kapitalmarkt zugänglich zu machen. Die rechtlichen Anforderungen und Rahmenbedingungen dieses Instruments sind insbesondere durch europäische und nationale Regelwerke geprägt.
Rechtliche Grundlagen der Securitisation
Allgemeiner rechtlicher Rahmen
Die rechtlichen Vorgaben zur Securitisation werden im Wesentlichen durch europäische Verordnungen wie die Verbriefungsverordnung (Verordnung (EU) 2017/2402) sowie ergänzende Gesetzgebungen auf nationaler Ebene bestimmt. Zentral ist das Ziel, Transparenz, Investorenschutz und die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten. Die Securitisation ist außerdem von bankaufsichtsrechtlichen Bestimmungen, bilanziellen Vorgaben sowie zivilrechtlichen Grundsätzen im Schuldrecht geprägt.
Europäische Verbriefungsverordnung
Die im Januar 2019 in Kraft getretene Verbriefungsverordnung schafft einen einheitlichen, harmonisierten Rechtsrahmen für Securitisationstransaktionen in der Europäischen Union. Die Verordnung regelt unter anderem die Anforderungen an Transparenz, die Informationspflichten, das Risikomanagement und spezifische Anforderungen für sogenannte STS-Verbriefungen (simple, transparent and standardised).
Nationales Recht
In Deutschland und anderen Mitgliedsstaaten bestehen ergänzende Vorschriften zur Umsetzung europäischer Vorgaben, beispielsweise im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), im Kreditwesengesetz (KWG) und im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Darüber hinaus spielen steuerliche Regelungen eine wichtige Rolle.
Struktur und Ablauf einer Securitisation
Beteiligte Parteien
Typischerweise sind an einer Securitisation folgende Parteien beteiligt:
- Originator: Die Institution, die die Forderungen einbringt (z.B. Bank).
- Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle, SPV): Rechtlich eigenständige Gesellschaft, die die Forderungen erwirbt und Wertpapiere auf deren Basis emittiert.
- Investoren: Erwerben die durch die Forderungen gedeckten Wertpapiere.
- Servicer: Übernimmt das Forderungsmanagement im Auftrag der Zweckgesellschaft.
Vertragliche Grundlagen
Die rechtliche Ausgestaltung umfasst regelmäßig mehrere Verträge:
- Forderungsverkaufsvertrag (true sale oder synthetischer Verkauf)
- Treuhand- und Sicherheitenverträge
- Emissionsbedingungen für die Wertpapiere
- Serviceverträge
- ggf. Zahlungsmodalitäten und Sicherungsvereinbarungen
Besonderes Augenmerk liegt auf der rechtlichen Trennung (Trennungsprinzip) zwischen Originator und Zweckgesellschaft, um eine sogenannte Insolvenzferne der übertragenen Forderungen zu gewährleisten.
Rechtliche Besonderheiten und Risiken bei Securitisation
Übertragung von Forderungen
Die Übertragung der Forderungen an die Zweckgesellschaft erfolgt häufig mittels Abtretung (Zession). Rechtlich muss sichergestellt werden, dass die Abtretung wirksam erfolgt, insbesondere unter Berücksichtigung des Abtretungsverbots (§ 399 BGB) und etwaiger Zustimmungserfordernisse.
Insolvenzrechtliche Behandlung
Ziel der Securitisation ist die Befreiung der übertragenen Vermögenswerte aus der Insolvenzmasse des Originators. Dazu muss die Übertragung insolvenzfest gestaltet sein („true sale“). Synthetische Verbriefungen hingegen erfassen lediglich das Kreditrisiko, nicht das Eigentum an den Assets.
Anleger- und Gläubigerschutz
Durch umfangreiche Offenlegungs-, Risiko- und Transparenzpflichten werden die Interessen der Investoren geschützt. Diese Mindestanforderungen sind Teil der Verbriefungsverordnung und umfassen insbesondere regelmäßig aktualisierte Informationen zu den strukturierten Produkten und den dahinterliegenden Forderungen.
Aufsichtsrechtliche Anforderungen
Securitisation unterliegt umfangreichen aufsichtsrechtlichen Anforderungen, insbesondere durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA). Banken müssen unter anderem Eigenkapitalunterlegungen für gehaltene Verbriefungspositionen vornehmen (Basel III/Basel IV).
Steuerliche Aspekte
Die steuerrechtliche Behandlung betrifft die Bewertung der Forderungsübertragung, die Besteuerung der Zweckgesellschaft und potenzielle Umsatzsteuerpflichten. Hier sind die jeweiligen nationalen Steuergesetze und die Rechtsprechung maßgeblich.
Typen der Securitisation
True Sale Securitisation
Bei der True Sale Securitisation werden die Forderungen tatsächlich und rechtlich endgültig auf das SPV übertragen, wodurch eine vollständige Trennung vom Originator erfolgt.
Synthetische Securitisation
Im Rahmen der synthetischen Verbriefung bleibt der Originator weiterhin Inhaber der Forderungen; lediglich das Kreditrisiko wird über Kreditderivate auf das SPV übertragen.
STS-Verbriefung
Besondere Anforderungen gelten für sogenannte STS-Verbriefungen, die aufgrund der erhöhten Transparenz und Standardisierung von regulatorischen Erleichterungen profitieren. Voraussetzungen hierfür sind unter anderem standardisierte Strukturen und klare Regeln zur Due Diligence.
Anforderungen an Due Diligence, Transparenz und Offenlegung
Sämtliche an einer Securitisation beteiligten Parteien unterliegen erweiterten Sorgfalts-, Transparenz- und Offenlegungspflichten. Der Originator und die Zweckgesellschaft müssen Investoren und Aufsichtsbehörden umfassend informieren über:
- Struktur und Beteiligte der Verbriefung
- Bewertungsgrundlagen der Forderungen
- Risiken und Zahlungsflüsse
- Laufende Performance-Berichte
Die Einhaltung dieser Pflichten ist Voraussetzung für die Zulässigkeit und Einstufung der Verbriefung sowie für den rechtlichen Investorenschutz.
Fazit und Bedeutung der Securitisation im Recht
Die Securitisation stellt ein zentral reguliertes Instrument zur Refinanzierung ganz unterschiedlicher Forderungen und Finanzierungsstrukturen im europäischen und internationalen Kapitalmarkt dar. Der umfangreiche rechtliche Rahmen sorgt für klare Voraussetzungen hinsichtlich Transparenz, Risikoverteilung und Schutz der beteiligten Parteien. Neben wirtschaftlichen Vorteilen birgt Securitisation auch rechtliche Herausforderungen, insbesondere im Bereich Insolvenzschutz, Anlegerschutz und aufsichtsrechtlicher Compliance.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten für Verbriefungstransaktionen in Deutschland?
Verbriefungstransaktionen („Securitisations“) unterliegen in Deutschland einem komplexen Zusammenspiel nationaler und europäischer Vorschriften. Zentrale Rechtsquellen sind insbesondere die EU-Verbriefungsverordnung (Verordnung (EU) 2017/2402 – „Securitisation Regulation“), das Kreditwesengesetz (KWG), das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) sowie verschiedene aufsichtsrechtliche Rundschreiben und Verlautbarungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die Verbriefungsverordnung setzt europaweite Mindestanforderungen an Transparenz, Risikobeteiligung, Due Diligence und strukturelle Merkmale von Verbriefungen fest. Im deutschen Recht muss darüber hinaus geprüft werden, welche sachenrechtlichen und schuldrechtlichen Normen bei der True-Sale-Übertragung der zugrunde liegenden Forderungen greifen, etwa §§ 398 ff. BGB (Abtretung) und mögliche insolvenzrechtliche Risiken nach der Insolvenzordnung (InsO). Steuerrechtlich sind ebenfalls vielfältige Aspekte, etwa im Hinblick auf Umsatzsteuer, Gewerbesteuer sowie die Grunderwerbsteuer und Quellensteuer, zu berücksichtigen.
Wie wird rechtlich zwischen „True Sale“- und „Synthetic“-Verbriefungen unterschieden?
Rechtlich ist die zentrale Unterscheidung, ob das Kreditrisiko durch tatsächliche Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den zugrunde liegenden Vermögenswerten auf eine Zweckgesellschaft (True Sale) oder durch Abschluss von Kreditderivaten oder Garantien (Synthetic) übertragen wird. Bei True Sale steht die sachen- und schuldrechtliche Übertragung (§ 398 BGB) im Vordergrund, einschließlich Prüfung der Wirksamkeit der Abtretung, etwaiger Abtretungsverbote (§ 399 BGB) sowie insolvenzrechtlicher Aspekte (Absonderungsrechte, „bankruptcy remoteness“). Synthetic Verbriefungen basieren dagegen auf derivativen Instrumenten (i.d.R. Credit Default Swaps) oder Garantien, bei denen die originären Forderungen im Eigentum des Originators verbleiben. Rechtlich relevant sind hier insbesondere die Ausgestaltung und Wirksamkeit der Kreditderivatverträge, deren Bilanzierung sowie aufsichtsrechtliche Anrechnung nach KWG und CRR.
Welche Anforderungen bestehen an die Offenlegung und Transparenz nach der Securitisation Regulation?
Die Verbriefungsverordnung verlangt umfassende Offenlegungspflichten gegenüber Investoren, Aufsichtsbehörden und gegebenenfalls auch der Öffentlichkeit (Transparenzregister). Gemäß Art. 7 Securitisation Regulation sind Angaben zu Struktur, Risiken, Zahlungsströmen und den zugrunde liegenden Aktiva zu machen. Spezielle standardisierte Berichtsvorlagen (Templates) sind einzusetzen, deren Inhalt und Fristen in Durchführungsverordnungen präzisiert werden. Hinzu kommen Berichtspflichten über wesentliche Ereignisse, Daten zu den Darlehen sowie regelmäßige Investor Reports. Bei Nicht-Einhaltung drohen strenge Sanktionen, Unwirksamkeit des Erwerbs und aufsichtsrechtliche Konsequenzen, etwa bei der Bemessung der Eigenmittelunterlegung durch Investoren.
Wie ist die Risikobeteiligungspflicht („Risk Retention“) rechtlich ausgestaltet?
Originatoren, Sponsoren oder ursprüngliche Kreditgeber müssen nach Art. 6 der Securitisation Regulation dauerhaft ein bedeutendes wirtschaftliches Interesse („skin in the game“) von mindestens 5% an den verbriefen Risiken behalten. Rechtlich ist genau zu prüfen, auf welche Weise das „Retention Requirement“ erfüllt werden kann (vertikale/ horizontale Tranche, First-Loss Piece usw.) und wer in welchem Umfang verpflichtet ist. Verstöße gegen diese Pflicht führen zu aufsichtsrechtlichen Sanktionen und können die Anrechenbarkeit/Privilegierung der Verbriefung für Banken und Versicherungen ausschließen. Die Dokumentation von Art und Umfang des Risk Retention ist daher zentraler Vertragsbestandteil und bei Due Diligence sowie Reporting nachzuweisen.
Welche rechtlichen Besonderheiten gelten im Insolvenzfall des Originators oder der Zweckgesellschaft?
Die Insolvenzsicherheit ist ein zentrales Strukturierungsziel jeder Verbriefung. Rechtlich muss sichergestellt werden, dass die übertragenen Vermögenswerte im Insolvenzfall des Originators nicht zur Insolvenzmasse zählen („Trennungsprinzip“, „bankruptcy remoteness“). In Deutschland ist hierzu eine wirksame, vollständige Abtretung nach § 398 BGB erforderlich, ggf. ergänzt um „True Sale“-Legal Opinions. Bei der Zweckgesellschaft (SPV) sind insolvenzrechtliche Regelungen zur Absonderung (§§ 47, 48 InsO) sowie zur Insolvenzantragspflicht und Gläubigerschutz zu beachten. Ferner müssen „claw back“-Risiken nach § 130-146 InsO (Anfechtungstatbestände) ausreichend geprüft und minimiert werden.
Welche Auswirkungen haben bestehende Vertragsbeschränkungen, insbesondere Abtretungsverbote, auf die Übertragbarkeit der Aktiva?
Abtretungsverbote gemäß § 399 BGB können im Rahmen der Forderungsabtretung (Zession) rechtliches Hindernis sein. Ihre Wirksamkeit ist anhand der jeweiligen Vertragsklausel und einschlägiger § 354a HGB (Erleichterung bei Geldforderungen im kaufmännischen Verkehr) zu prüfen. Ein Verstoß gegen ein wirksames Abtretungsverbot führt grundsätzlich dazu, dass die Forderung nicht wirksam an das SPV übertragen wird – mit weitreichenden Folgen für die Struktur und Werthaltigkeit der Verbriefungstransaktion. Daher sind Legal Due Diligence und Anpassung der Vertragswerke (z.B. Einholung von Schuldnerzustimmungen) regelmäßig erforderlich.
Wie werden Wertpapierprospekt- und Vermögensanlagenvorschriften bei Verbriefungen angewandt?
Im Rahmen von Verbriefungen gelten insbesondere die Vorschriften der EU-Prospektverordnung (Verordnung (EU) 2017/1129) und ggf. das Vermögensanlagengesetz (VermAnlG), wenn die emittierten Wertpapiere öffentlich angeboten werden. Bei öffentlichen Platzierungen ist regelmäßig ein gebilligter Wertpapierprospekt erforderlich, der detaillierte Informationen über die Struktur und Risiken der Verbriefung enthalten muss. Auch hier bestehen enge Verzahnungen mit den Offenlegungsanforderungen der Securitisation Regulation. Bei rein privaten Platzierungen oder bei Investoren, die als „Qualified Investors“ im Sinne des europäischen Rechts gelten, bestehen teilweise Erleichterungen von diesen Anforderungen.
Welche aufsichtsrechtlichen Anforderungen und Genehmigungen sind bei der Durchführung einer Verbriefung zu beachten?
Die Durchführung einer Verbriefung durch regulierte Institute (Banken, Versicherungen) löst prüfungs- und anzeigepflichtige Sachverhalte nach dem KWG und der CRR aus. Originatoren müssen insbesondere gegenüber der BaFin und ggf. der Europäischen Zentralbank alle notwendigen Dokumentationen und Meldungen einreichen. Besondere Anforderungen bestehen bei der Übertragung von Kreditforderungen im Rahmen der MaRisk, Großkreditvorschriften und der Mindestanforderungen an das Risikomanagement. In Einzelfällen kann die Strukturierung oder Geschäftstätigkeit der SPV eine BaFin-Erlaubnispflicht auslösen, etwa wenn die SPV als Finanzdienstleistungsinstitut einzustufen ist. Eine gründliche rechtliche Prüfung ist daher im Vorfeld jeder Verbriefung unverzichtbar.