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Schwerbehinderte Menschen


Definition und rechtlicher Status von schwerbehinderten Menschen

Schwerbehinderte Menschen sind Personen mit einer Behinderung, deren Grad der Behinderung (GdB) mindestens 50 beträgt und die ihren Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Arbeitsplatz rechtmäßig im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch (SGB IX) haben. Die rechtliche Definition richtet sich maßgeblich nach § 2 Abs. 2 SGB IX. Personen mit einem niedrigen GdB, ab 30, können auf Antrag mit schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne diese Gleichstellung keinen geeigneten Arbeitsplatz erlangen oder behalten können (§ 2 Abs. 3 SGB IX).

Grad der Behinderung (GdB)

Der Grad der Behinderung bemisst sich nach den Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen im täglichen Leben. Die Feststellung erfolgt durch die Versorgungsämter beziehungsweise die zuständigen Behörden der Länder nach Maßgabe der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV). Die Bewertung erfolgt in Zehnerschritten zwischen 20 und 100. Ein GdB von 50 oder mehr gilt als maßgeblicher Schwellenwert für die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch.

Feststellungsverfahren

Antragstellung

Das Feststellungsverfahren wird durch einen schriftlichen Antrag bei der zuständigen Behörde, meist dem Versorgungsamt bzw. Integrationsamt, eingeleitet. Betroffene geben alle für die Prüfung erforderlichen Angaben und Unterlagen, insbesondere ärztliche Befunde, an.

Ermittlungsverfahren

Die Behörde prüft die angegebenen Tatsachen, ersucht ggf. nach ärztlicher Schweigepflichtentbindung um weiterführende Informationen bei behandelnden Medizinern und trifft eine Gesamtbewertung der Beeinträchtigungen.

Feststellungsbescheid und Ausweis

Die Entscheidung erfolgt durch einen Bescheid. Bei einem GdB von mindestens 50 wird ein Schwerbehindertenausweis ausgestellt, der die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen ermöglicht.

Rechte und Nachteilsausgleiche schwerbehinderter Menschen

Arbeitsplatzbezogene Rechte

Sonderkündigungsschutz

Nach § 168 SGB IX ist die Kündigung arbeitsvertraglicher Verhältnisse schwerbehinderter Menschen nur wirksam, wenn zuvor die Zustimmung des Integrationsamts eingeholt wurde. Dieser besondere Kündigungsschutz dient der Sicherung des Arbeitsverhältnisses gegen Benachteiligungen.

Zusatzurlaub

Nach § 208 SGB IX steht schwerbehinderten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein zusätzlicher bezahlter Urlaub von fünf Arbeitstagen im Kalenderjahr zu (bei einer Fünf-Tage-Woche; bei anderen Verteilungen anteilig).

Arbeitsplatzausstattung und Beschäftigungshilfen

Arbeitgeber sind verpflichtet, den Arbeitsplatz behinderungsgerecht einzurichten und – soweit erforderlich und zumutbar – durch technische oder organisatorische Maßnahmen anzupassen. Das Integrationsamt oder die Agentur für Arbeit können finanzielle Leistungen zur behinderungsgerechten Ausstattung gewähren.

Freistellung zur Wahrnehmung von Rechten

Schwerbehinderte Arbeitnehmer können sich für erforderliche Termine zur Feststellung durch das Versorgungsamt, für ärztliche Untersuchungen oder zur Wahrnehmung von gerichtlichen oder behördlichen Terminen freistellen lassen.

Teilhabe am Arbeitsleben und Gleichstellung

Schwerbehinderte Menschen haben Anspruch auf Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben, hierzu zählen Leistungen zur Rehabilitation, technische Hilfsmittel, begleitende Hilfen sowie spezielle Programme zur Förderung der Beschäftigung.

Personen mit einem GdB von mindestens 30, jedoch weniger als 50, können auf Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gleichgestellt werden, wenn dies zur Sicherung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes notwendig ist (§ 2 Abs. 3 SGB IX).

Nachteilsausgleiche im Alltag

Besondere Nachteilsausgleiche gewähren schwerbehinderten Menschen Erleichterungen im Alltag. Dazu zählen steuerliche Vergünstigungen, Vergünstigungen im Nahverkehr, kostenfreie oder ermäßigte Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel mit entsprechender Wertmarke, Parkerleichterungen sowie weitere Vergünstigungen, die im Schwerbehindertenausweis durch Merkzeichen dokumentiert sind.

Steuerliche Vergünstigungen

Das Einkommensteuergesetz (§ 33b EStG) gewährt einen Pauschbetrag für Menschen mit einem GdB ab 50. Weitere steuerliche Erleichterungen betreffen Fahrtkosten, Haushaltsdienste und betreuungsbedingte Aufwendungen.

Verkehrsrechtliche Erleichterungen

Je nach Merkzeichen im Ausweis (z.B. „B“ für Begleitperson, „G“ für erhebliche Gehbehinderung, „aG“ für außergewöhnliche Gehbehinderung) bestehen Ansprüche auf unentgeltliche Beförderung oder Nutzung von Behindertenparkplätzen.

Sonstige Nachteilsausgleiche

Weitere Nachteilsausgleiche betreffen unter anderem Ermäßigungen im Kulturbereich, Steuerentlastungen für technische Hilfsmittel, Vorteile beim Wohnberechtigungsschein sowie bevorzugte Optionen beim Bezug von Sozialleistungen.

Pflichten und Verpflichtungen von Arbeitgebern

Beschäftigungspflicht

Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen sind verpflichtet, mindestens fünf Prozent der Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen (§ 154 SGB IX). Bei Nichterfüllung der Pflicht ist eine Ausgleichsabgabe zu leisten, deren Höhe gestaffelt ist.

Meldungspflicht

Arbeitgeber müssen jährlich der Agentur für Arbeit die Erfüllung der Beschäftigungsquote melden (§ 163 SGB IX).

Präventionspflicht

Vor einer Kündigung, welche durch Gründe im Zusammenhang mit der Behinderung veranlasst ist, besteht eine Präventionspflicht. Arbeitgeber, Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung haben nach § 167 Abs. 1 SGB IX eng zusammenzuarbeiten.

Rehabilitation und Teilhabe

Rehabilitationsträger

Verschiedene Träger, wie die gesetzliche Rentenversicherung, Unfallversicherung, Krankenkassen und die Bundesagentur für Arbeit, tragen je nach Zuständigkeit die Kosten für erforderliche Leistungen zur Teilhabe.

Leistungen zur Teilhabe

Zu den wichtigsten Maßnahmen zählen medizinische Rehabilitation, berufliche Integration, soziale Teilhabe sowie Unterstützungsleistungen für die selbstbestimmte Lebensführung.

Besonderheiten im Sozialrecht und Schutzmechanismen

Diskriminierungsverbot

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sowie § 164 Abs. 2 SGB IX verbieten jede Benachteiligung schwerbehinderter Menschen aufgrund ihrer Behinderung, insbesondere im Berufs- und Arbeitsleben.

Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung

In Betrieben und Dienststellen mit mindestens fünf schwerbehinderten Beschäftigten ist eine Schwerbehindertenvertretung zu wählen (§ 177 SGB IX). Diese nimmt besondere Schutz- und Beteiligungsrechte wahr, zum Beispiel bei personellen Einzelmaßnahmen.

Rechtsschutz und Widerspruchsmöglichkeiten

Rechtsweg

Gegen Entscheidungen im Feststellungsverfahren ist Widerspruch möglich. Im weiteren Verlauf besteht die Möglichkeit der Klage vor den Sozialgerichten.

Beratungs- und Unterstützungsangebote

Eine umfassende Beratung und Vertretung bieten Verbände und Organisationen im Bereich der Behindertenhilfe sowie kommunale Beratungsstellen.

Quellen

  • Sozialgesetzbuch IX (SGB IX)
  • Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV)
  • Einkommensteuergesetz (EStG)
  • Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Hinweis: Diese Darstellung bietet einen umfassenden Überblick über die rechtlichen Aspekte schwerbehinderter Menschen in Deutschland und berücksichtigt die wichtigsten Regelungen, Pflichten und damit verbundenen Rechte. Für konkrete Einzelfragen empfiehlt sich die Orientierung an den jeweils aktuellen gesetzlichen Regelungen und behördlichen Informationen.

Häufig gestellte Fragen

Welche besonderen Rechte haben schwerbehinderte Menschen am Arbeitsplatz?

Schwerbehinderte Menschen genießen nach dem Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) besonderen arbeitsrechtlichen Schutz. Zu ihren wichtigsten Rechten zählen der besondere Kündigungsschutz, der Anspruch auf Zusatzurlaub, Anspruch auf eine behinderungsgerechte Beschäftigung und Ausstattung des Arbeitsplatzes sowie das Recht auf Teilzeitarbeit oder andere Erleichterungen, soweit dies für die gesundheitliche Situation erforderlich ist. Der besondere Kündigungsschutz bedeutet, dass ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis eines schwerbehinderten Menschen grundsätzlich nur mit Zustimmung des Integrationsamtes kündigen darf. Der Zusatzurlaub beträgt in der Regel eine Arbeitswoche pro Kalenderjahr zusätzlich zum gesetzlichen Mindesturlaub. Außerdem besteht ein Anspruch darauf, dass der Arbeitsplatz sowie die Arbeitsumgebung so gestaltet werden, dass sie den Bedürfnissen des schwerbehinderten Menschen gerecht werden und eine gleichberechtigte Teilhabe ermöglichen. Arbeitgeber werden zudem durch verschiedene Fördermöglichkeiten unterstützt, wenn sie schwerbehinderte Menschen beschäftigen. Zudem besteht für Unternehmen mit mindestens 20 Arbeitsplätzen die Pflicht, mindestens 5 % dieser mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen, ansonsten ist eine Ausgleichsabgabe zu zahlen.

Welche Nachteilsausgleiche stehen schwerbehinderten Menschen im öffentlichen Leben zu?

Im öffentlichen Leben erhalten schwerbehinderte Menschen verschiedene Nachteilsausgleiche, die sich aus unterschiedlichen gesetzlichen Grundlagen, vor allem dem SGB IX und dem Sozialgesetzbuch XII (SGB XII), ergeben. Dazu zählen unter anderem Vergünstigungen oder kostenlose Leistungen im Nah- und Fernverkehr, etwa durch die Ausstellung des sogenannten „Schwerbehindertenausweises“ und entsprechender Wertmarken. Sie profitieren von steuerlichen Erleichterungen in Form von Freibeträgen und können, je nach Merkzeichen im Ausweis, weitere Vergünstigungen wie Parkerleichterungen, unentgeltliche Beförderungen oder Ermäßigungen bei öffentlichen Veranstaltungen erhalten. Weiterhin besteht ein Anspruch auf Hilfen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, wie zum Beispiel die Kostenübernahme für Assistenzleistungen oder spezielle Rehabilitationsmaßnahmen. Die Nachteilsausgleiche werden im Einzelnen durch die im Schwerbehindertenausweis eingetragenen Merkzeichen bestimmt (z.B. „G“ für erhebliche Gehbehinderung, „aG“ für außergewöhnliche Gehbehinderung, „Bl“ für Blindheit).

Wie wird der Grad der Behinderung (GdB) festgestellt und welche Bedeutung hat er?

Die Feststellung des Grades der Behinderung erfolgt durch die zuständige Versorgungsverwaltung auf Antrag der betroffenen Person. Maßgeblich hierfür sind die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) und die dort verankerten Anhaltspunkte (Versorgungsmedizinische Grundsätze). Ärzte und Sachverständige bewerten auf Basis der gesundheitlichen Beeinträchtigungen, inwiefern diese zu Einschränkungen der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben führen. Der GdB wird in Zehnerschritten zwischen 20 und 100 festgestellt. Ab einem GdB von 50 gilt eine Person als schwerbehindert. Die Höhe des GdB ist entscheidend für die Inanspruchnahme verschiedener Rechte und Nachteilsausgleiche, etwa im Arbeitsleben, bei steuerlichen Erleichterungen oder bei Vergünstigungen im öffentlichen Leben. Gegen Entscheidungen über die Feststellung des GdB kann Widerspruch eingelegt werden; im Streitfall ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet.

Wann besteht Anspruch auf eine Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen?

Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 30, aber weniger als 50, können auf Antrag bei der Agentur für Arbeit schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder behalten können. Die Gleichstellung sorgt insbesondere dafür, dass diese Personen ebenfalls den besonderen Kündigungsschutz genießen und Fördermöglichkeiten des Integrationsamtes sowie weitere Nachteilsausgleiche, die sich auf den Arbeitsplatz beziehen, beanspruchen können. Ein Anspruch auf Zusatzurlaub besteht für gleichgestellte behinderte Menschen jedoch nicht, ebenso wenig gelten andere Vorteile ausschließlich für schwerbehinderte Menschen (mit GdB 50 oder mehr), wie bestimmte steuerliche Vergünstigungen.

Haben schwerbehinderte Menschen ein Recht auf Teilzeitbeschäftigung oder eine behinderungsgerechte Arbeitszeitgestaltung?

Schwerbehinderte Menschen haben nach § 164 SGB IX ein besonderes Recht auf Arbeitszeitverkürzung. Sie können verlangen, dass ihre tägliche oder wöchentliche Arbeitszeit entsprechend ihren gesundheitlichen Bedürfnissen verringert wird, sofern keine dringenden betrieblichen Gründe oder Arbeitsorganisation dagegensprechen. Auch die Verteilung der Arbeitszeit kann auf Antrag behinderungsgerecht gestaltet werden, etwa durch flexible Beginn- und Endzeiten oder längere Pausen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, das Verlangen des schwerbehinderten Arbeitnehmers zu prüfen und eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen. Dabei muss er die Belange des Arbeitnehmers besonders berücksichtigen, es sei denn, die betrieblichen Gründe überwiegen. Kommt kein Einvernehmen zustande, entscheidet im Streitfall das Integrationsamt oder das Arbeitsgericht.

Welche Rolle spielt die Schwerbehindertenvertretung im Betrieb?

Betriebe und Dienststellen mit mindestens fünf schwerbehinderten oder diesen Gleichgestellten Wahlberechtigten sind verpflichtet, eine Schwerbehindertenvertretung zu wählen. Diese hat die Aufgabe, die Interessen der schwerbehinderten Menschen im Betrieb zu vertreten. Dazu gehören die Beratung, Unterstützung bei Anträgen und Gesprächen mit dem Arbeitgeber sowie die Überwachung der Einhaltung der zugunsten schwerbehinderter Menschen geltenden gesetzlichen Vorschriften und tariflichen Regelungen. Die Schwerbehindertenvertretung ist bei personellen Maßnahmen (Versetzung, Umsetzung, Kündigung, Einstellungen etc.) zwingend zu beteiligen und unterliegt vergleichbaren Rechten wie ein Betriebsrat. Ihre Nichtbeteiligung kann zur Unwirksamkeit bestimmter Maßnahmen führen. Ebenso arbeitet sie eng mit dem Betriebsrat bzw. Personalrat, dem Arbeitgeber und dem Integrationsamt zusammen.

Können schwerbehinderte Menschen steuerliche Vorteile nutzen?

Ja, schwerbehinderte Menschen haben Anspruch auf verschiedene steuerliche Vergünstigungen nach dem Einkommensteuergesetz (EStG). Am wichtigsten ist der sogenannte Behinderten-Pauschbetrag, der abhängig vom Grad der Behinderung gestaffelt ist und jährlich geltend gemacht werden kann. Darüber hinaus können bestimmte Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden, zum Beispiel Kosten für eine notwendige Haushaltshilfe, Pflegeleistungen, Hilfsmittel oder behinderungsbedingte Fahrtkosten. Auch ein Freibetrag für das Kfz kann gewährt werden, wenn das Merkzeichen „G“, „aG“, „Bl“ oder „H“ im Schwerbehindertenausweis vermerkt ist. Eltern von behinderten Kindern können ebenfalls steuerliche Vorteile in Anspruch nehmen, etwa durch den übertragbaren Behinderten-Pauschbetrag. Die genauen Voraussetzungen und die Höhe der Freibeträge richten sich nach dem Einkommensteuergesetz sowie den entsprechenden Verwaltungsvorschriften.