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Schwebende Wirksamkeit, Unwirksamkeit


Schwebende Wirksamkeit und Unwirksamkeit im deutschen Recht

Die Begriffe schwebende Wirksamkeit und schwebende Unwirksamkeit besitzen im deutschen Zivilrecht eine zentrale Bedeutung bei der rechtlichen Beurteilung von Rechtsgeschäften, die noch unter einem Genehmigungsvorbehalt stehen. Ihre Anwendung findet hauptsächlich im Minderjährigenrecht sowie im Bereich der Vertretungsmacht und betrifft insbesondere das Zustandekommen, die Bindungswirkungen und die endgültige Wirksamkeit beziehungsweise Unwirksamkeit von Verträgen oder einseitigen Rechtsgeschäften unter bestimmten Voraussetzungen.


Definition und Grundlagen

Begriffserklärung

Schwebende Wirksamkeit bezeichnet einen Zustand, in dem ein Rechtsgeschäft zwar bereits abgeschlossen, seine vollständige Wirksamkeit jedoch noch von der nachträglichen Zustimmung (Genehmigung) eines hierzu Berechtigten abhängt. In dieser Phase ist das Rechtsgeschäft rechtlich nicht voll wirksam, aber auch nicht vollständig unwirksam.

Schwebende Unwirksamkeit beschreibt entsprechend die Unsicherheit, ob das Rechtsgeschäft letztlich wirksam oder unwirksam bleibt, bis über die Genehmigung entschieden wird.

Abgrenzung zu anderen Wirksamkeitszuständen

  • Wirksam: Das Rechtsgeschäft entfaltet sofort die gewollten Rechtsfolgen.
  • Unwirksam: Das Rechtsgeschäft hat keinerlei rechtliche Bindungskraft.
  • Schwebend wirksam / unwirksam: Das Rechtsgeschäft ist vorläufig in der Schwebe; die Rechtslage ist bis zur Entscheidung über die Genehmigung unklar.

Schwebende Wirksamkeit im Minderjährigenrecht

Minderjährige und ihre beschränkte Geschäftsfähigkeit

Gemäß §§ 104 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sind Minderjährige nur bedingt geschäftsfähig:

  • Geschäftsunfähige Kinder (§ 104 Nr. 1 BGB): Rechtsgeschäfte sind nichtig.
  • Beschränkt geschäftsfähige Minderjährige (§ 106 BGB): Sie können unter bestimmten Voraussetzungen wirksam Verträge abschließen.

Rechtsgeschäfte mit Genehmigungsvorbehalt (§ 108 BGB)

Schließt ein beschränkt geschäftsfähiger Minderjähriger ein Rechtsgeschäft ab, das nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt, ist dieses schwebend unwirksam, solange die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters fehlt:

  • Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter: Wird das Rechtsgeschäft nachträglich genehmigt, wird es rückwirkend wirksam (§ 108 Abs. 1 BGB).
  • Verweigerung der Genehmigung: Das Rechtsgeschäft bleibt unwirksam.

Beispiel:
Ein 16-Jähriger kauft ein Fahrrad auf Ratenzahlung. Da der Vertrag für den Minderjährigen nicht ausschließlich vorteilhaft ist, bedarf es der Zustimmung der Eltern. Bis diese erfolgt, ist der Vertrag schwebend unwirksam.


Schwebende Wirksamkeit bei Vertretung ohne Vertretungsmacht

Außermittels der Vertretungsmacht abgeschlossene Geschäfte (§ 177 BGB)

Handelt ein Vertreter ohne Vertretungsmacht im Namen eines anderen, ist das Rechtsgeschäft ebenfalls schwebend unwirksam, bis der Vertretene seine Entscheidung über die Genehmigung trifft:

  • Genehmigung des Vertretenen: Das Geschäft wird rückwirkend wirksam (§ 177 Abs. 1 BGB).
  • Verweigerung der Genehmigung: Das Geschäft ist endgültig unwirksam (§ 177 Abs. 2 BGB).

Schutzmechanismen zugunsten Dritter

Der Gesetzgeber hat Schutzmechanismen für die Vertragspartner vorgesehen, damit diese nicht unbegrenzt im Unklaren gelassen werden:

  • Widerrufsmöglichkeit (§ 109 BGB): Der Vertragspartner kann das Angebot widerrufen, solange keine Erklärung über die Genehmigung erfolgt ist.
  • Aufforderung zur Erklärung (§ 177 Abs. 2 BGB): Der andere Teil kann eine Frist setzen und nach Ablauf ohne Erklärung gilt die Genehmigung als verweigert.

Rechtsfolgen der schwebenden Wirksamkeit und Unwirksamkeit

Verpflichtungen während der Schwebezeit

Während der Schwebezeit entstehen grundsätzlich weder Rechte noch Pflichten. Beide Parteien sind an den Vertrag nicht fest gebunden. Der Vertragspartner hat jedoch die Möglichkeit, die Vertragslage durch Widerruf oder Fristsetzung aufzulösen.

Rückabwicklung im Fall der Verweigerung

Leistungen, die im Vertrauen auf das endgültige Zustandekommen bereits erbracht wurden, sind nach den allgemeinen Regeln über das Rechtsgrundlose Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) zurückzugewähren.

Rückwirkende Wirksamkeit bei Genehmigung

Die Genehmigung wirkt grundsätzlich ex tunc, also rückwirkend auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Das Geschäft gilt dann als von Anfang an wirksam zustande gekommen.


Anwendungsbereiche und Beispiele

Typische Fallgruppen

  • Verträge von Minderjährigen ohne Zustimmung der Eltern (§§ 107, 108 BGB)
  • Verträge im Namen eines anderen ohne Vertretungsmacht (§§ 177, 179 BGB)
  • Fälle der Nachgenehmigung bei doppelter Immobilienübertragung (§ 185 BGB)

Exemplarisches Beispiel

Ein dreizehnjähriges Kind bestellt ohne Zustimmung der Eltern im Internet Waren. Der Kaufvertrag ist so lange schwebend unwirksam, bis die Eltern diesen genehmigen. Stimmen sie zu, wird der Vertrag wirksam; lehnen sie ab, bleibt der Vertrag unwirksam.


Abgrenzung zur Nichtigkeit

Schwebende Unwirksamkeit darf nicht mit der Nichtigkeit verwechselt werden. Nichtig ist ein Rechtsgeschäft, dem von Anfang an die rechtliche Wirksamkeit fehlt (z. B. wegen Formmangels, Gesetzesverstoß). Schwebende Unwirksamkeit bietet dagegen die Chance, das Geschäft nachträglich durch Zustimmung wirksam werden zu lassen.


Relevanz in der Praxis

In der Praxis kommt der schwebenden Wirksamkeit besondere Bedeutung zu, um Geschäftspartner durch den Schwebezustand zu schützen, insbesondere im Minderjährigenschutz sowie bei der Vertretung. Zugleich wird der Grundsatz der Rechtssicherheit durch die Möglichkeit des Widerrufs und der Fristsetzung gewährleistet.


Literaturhinweise und weiterführende Vorschriften

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), speziell §§ 104 ff., 107 ff., 177 ff., 185 BGB
  • Palandt, BGB-Kommentar, aktuelle Auflage
  • Münchener Kommentar zum BGB, aktuelle Auflage

Fazit

Die schwebende Wirksamkeit und Unwirksamkeit sind essenzielle Begriffe des Zivilrechts. Sie gewährleisten einen Interessenausgleich zwischen Geschäftsfreiheit und dem Schutz besonders schutzwürdiger Personen. Ihre Kenntnis ist grundlegend für das Verständnis von Vertragsrecht und den verschiedenen Stadien der Wirksamkeit von Rechtsgeschäften im deutschen Zivilrecht.

Häufig gestellte Fragen

Wer kann die schwebende Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts herbeiführen oder beseitigen und wie funktioniert dies rechtlich?

Die schwebende Unwirksamkeit tritt ein, wenn ein Rechtsgeschäft zunächst nicht voll wirksam ist, weil es an einer erforderlichen Zustimmung oder Genehmigung einer bestimmten Person oder Behörde fehlt. Dieser Zustand besteht insbesondere bei beschränkt geschäftsfähigen Personen (vgl. §§ 107ff. BGB), Vertretungsfällen ohne Vertretungsmacht (§ 177 BGB) oder bei bestimmten gesellschaftsrechtlichen Vorgängen. Die schwebende Unwirksamkeit kann durch die Genehmigung seitens des Zustimmungserforderlichen (z. B. Erziehungsberechtigte, Vertretene) beendet werden. Mit dieser nachträglichen Genehmigung entfaltet das Geschäft volle Wirksamkeit („ex tunc“ Wirkung – Rückwirkung). Wird die Genehmigung jedoch endgültig verweigert, ist das Geschäft von Anfang an unwirksam. Solange der Schwebezustand andauert, bleibt das Geschäft rechtlich „hängend“, d.h. keine Partei ist voll gebunden, es können jedoch Nebenwirkungen wie z.B. schwebende Verpflichtungen zur Unterlassung von Verfügungen entstehen.

Welche rechtlichen Folgen ergeben sich während des Zeitraums der schwebenden Unwirksamkeit für die beteiligten Parteien?

Während der schwebenden Unwirksamkeit ist das Rechtsgeschäft weder wirksam noch völlig unwirksam. Die Parteien sind an das Geschäft nur bedingt gebunden. Insbesondere hat der Empfänger keine gesicherte Rechtsposition und kann aus der schwebenden Wirksamkeit grundsätzlich keine Rechte oder Pflichten gegen die andere Partei geltend machen. Der Vertrag ist so lange „in der Schwebe“, bis die Genehmigung erteilt oder abschlägig beschieden wird. Dennoch können sich bestimmte Nebenpflichten ergeben: Beispielsweise dürfen die Parteien keine rechtlichen oder tatsächlichen Veränderungen vornehmen, die den Zustand des schwebend unwirksamen Geschäfts beeinflussen könnten. Darüber hinaus besteht regelmäßig ein schutzwürdiges Interesse des zustimmungsberechtigten Dritten – etwa, im Fall eines Minderjährigen, Schutz vor nachteiligen Vertragsschlüssen.

In welchen Fallkonstellationen tritt schwebende Unwirksamkeit typischerweise auf?

Typische Fallkonstellationen für schwebende Unwirksamkeit sind vor allem bei Verträgen mit beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen relevant, sofern kein lediglich rechtlicher Vorteil vorliegt und keine Zustimmung des gesetzlichen Vertreters erteilt wurde (§ 108 BGB). Häufig anzutreffen ist der Schwebezustand auch bei Verträgen, die von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht abgeschlossen wurden (§ 177 BGB). Auch im Gesellschaftsrecht oder bei bestimmten genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften (z.B. Grundstücksveräußerungen mit behördlicher Zustimmungspflicht) kann der Schwebezustand eintreten. In all diesen Fällen hängt die weitere Wirksamkeit maßgeblich von der nachträglichen Genehmigung durch den Berechtigten ab.

Wie unterscheidet sich schwebende Unwirksamkeit von absoluter Unwirksamkeit juristisch?

Die schwebende Unwirksamkeit bezeichnet einen vorläufigen Zustand, bei dem das Rechtsgeschäft unter dem Vorbehalt einer Genehmigung steht. Im Gegensatz dazu ist ein absolut unwirksames Geschäft von Anfang an und ohne Möglichkeit der Heilung wirkungslos (z.B. wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB oder Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB). Während bei schwebend unwirksamen Geschäften die nachträgliche Bestätigung durch den Berechtigten zur Wirksamkeit führen kann, bleibt ein absolut unwirksames Geschäft dauerhaft ungültig, unabhängig von nachfolgenden Handlungen der Parteien.

Welche Fristen und Formerfordernisse sind bei der Genehmigung eines schwebend unwirksamen Rechtsgeschäfts zu beachten?

Für die Genehmigung eines schwebend unwirksamen Rechtsgeschäfts gibt es teilweise besondere Fristen und Formerfordernisse, die abhängig von der jeweiligen gesetzlichen Grundlage sind. So kann beispielsweise die andere Partei dem Genehmigungsberechtigten nach § 177 Abs. 2 BGB eine Frist zur Erklärung setzen; wird innerhalb dieser Frist keine Genehmigung erteilt, gilt das Geschäft als verweigert. Je nach Vertragsart können auch bestimmte Formvorschriften einzuhalten sein (z.B. Schriftform beim Grundstückskaufvertrag, § 311b BGB). Die Einhaltung dieser Fristen und Formen ist entscheidend, da die verspätete oder formwidrige Genehmigung keine rechtliche Wirkung entfalten kann.

Können schwebend unwirksame Rechtsgeschäfte rückgängig gemacht werden und wenn ja, wie?

Ein schwebend unwirksames Rechtsgeschäft kann vor der Genehmigung durch die dafür berechtigte Partei oder auch durch die Gegenseite widerrufen/zurückgezogen werden (§ 109 BGB für den Minderjährigen; § 178 BGB für den Vertreter ohne Vertretungsmacht). Erfolgt ein solcher Widerruf rechtzeitig – also bevor die Genehmigung erklärt wurde -, so wird das Geschäft endgültig unwirksam und es entstehen keine Rechte und Pflichten aus dem Vertrag. Nach der Genehmigung ist die Rückgängigmachung nur noch durch die für wirksame Geschäfte vorgesehenen Rechtsbehelfe (z.B. Anfechtung, Rücktritt) möglich.

Welche Bedeutung hat die schwebende Unwirksamkeit im wirtschaftlichen und gesellschaftsrechtlichen Kontext?

Im wirtschaftlichen und gesellschaftsrechtlichen Kontext spielt die schwebende Unwirksamkeit eine erhebliche Rolle, da sie Investitionen, Geschäftsabschlüsse und gesellschaftliche Umstrukturierungen temporär blockieren kann. Unternehmen müssen bei Verträgen, bei denen eine Genehmigung Dritter erforderlich ist (z.B. bei Geschäftsführern ohne hinreichende Vertretungsmacht), die Rechtsunsicherheit während der Schwebephase einkalkulieren. Dies kann Auswirkungen auf Zahlungsflüsse, Buchungen, und Kreditwürdigkeitsüberprüfungen haben. Im Gesellschaftsrecht kann z.B. der Eintritt eines Gesellschafters so lange „schwebend unwirksam“ bleiben, bis die Gesellschaftsversammlung zustimmt. Solche Unsicherheiten müssen bei der Vertragsgestaltung und Risikobewertung stets berücksichtigt werden.