Begriff und Einordnung: Schwangerschaftsabbruch (Abtreibung)
Der Schwangerschaftsabbruch, umgangssprachlich auch Abtreibung genannt, bezeichnet die vorzeitige Beendigung einer bestehenden Schwangerschaft, bevor das Ungeborene lebensfähig ist. Der Begriff umfasst sowohl medizinisch indizierte als auch nicht medizinisch begründete Eingriffe. Gemäß deutschem Recht sowie im internationalen Vergleich ist der Schwangerschaftsabbruch ein umfassend reguliertes Rechtsinstitut, das zahlreiche straf-, zivil- und verwaltungsrechtliche Aspekte berührt.
Rechtliche Grundlagen des Schwangerschaftsabbruchs in Deutschland
Strafrechtliche Regelung nach dem StGB
Das deutsche Strafgesetzbuch (StGB) enthält in den §§ 218 ff. StGB detaillierte Vorschriften zum Schwangerschaftsabbruch. Gemäß § 218 Abs. 1 StGB wird derjenige, der eine Schwangerschaft abbricht oder durchführt, grundsätzlich mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Dabei gilt der Grundsatz, dass ein Schwangerschaftsabbruch im Regelfall strafbar ist. Allerdings sehen die Vorschriften Ausnahmen und Voraussetzungen vor, unter denen eine Straffreiheit oder ein Absehen von Strafe möglich ist.
Straffreie Schwangerschaftsabbrüche (Indikationen)
Eine Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs ist unter besonderen Umständen möglich:
1. Beratungsregelung (§ 218a Abs. 1 StGB)
Ein Schwangerschaftsabbruch bleibt straflos, wenn
- die Schwangere den Abbruch verlangt,
- der Eingriff innerhalb von zwölf Wochen nach Empfängnis erfolgt,
- eine nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) vorgeschriebene und nachgewiesene Beratung stattgefunden hat,
- der Eingriff von einem Arzt oder einer Ärztin durchgeführt wird und
- zwischen dem Abschluss der Beratung und dem Abbruch mindestens drei Tage vergangen sind.
2. Medizinische Indikation (§ 218a Abs. 2 StGB)
Liegt eine Lebensgefahr oder schwerwiegende Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustands der Schwangeren vor, ist ein Schwangerschaftsabbruch auch nach der zwölften Woche nach Empfängnis straffrei, sofern das Risiko nicht auf andere Weise abzuwenden ist.
3. Kriminologische Indikation (§ 218a Abs. 3 StGB)
Ein Schwangerschaftsabbruch bleibt ebenfalls straffrei, wenn die Schwangerschaft auf einer Straftat (z.B. Vergewaltigung – § 177 StGB) beruht und der Abbruch innerhalb von zwölf Wochen nach Empfängnis durchgeführt wird.
4. Notstandsregelung (§ 218a Abs. 4 StGB)
Grundsätzlich gilt für den ausführenden Arzt oder die Ärztin: Nach § 34 StGB kann, sofern eine Gefährdung der Schwangeren droht, ein Schwangerschaftsabbruch auch außerhalb der genannten Fristen im Einzelfall gerechtfertigt sein.
Beratungspflicht nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG)
Nach § 218a Abs. 1 StGB ist die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs grundsätzlich nur nach Inanspruchnahme einer anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatung (§§ 5-7 SchKG) rechtmäßig. Die Beratung verfolgt das Ziel, die Schwangere zu unterstützen, zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr die gesetzlichen sowie sozialen Hilfen aufzuzeigen. Das Beratungszertifikat ist Voraussetzung für einen straflosen Abbruch nach der Beratungsregelung.
Zivilrechtliche Aspekte
Einwilligung und Geschäftsfähigkeit
Ein Schwangerschaftsabbruch bedarf der wirksamen Einwilligung der Schwangeren. Minderjährige benötigen unter Umständen die Zustimmung der gesetzlichen Vertretung (§§ 1626 ff. BGB). Die Aufklärungspflichten des durchführenden Arztes oder der Ärztin richten sich nach § 630e BGB und der ärztlichen Berufsordnung.
Schadensersatzrechtliche Ansprüche
Kommt es im Zusammenhang mit einem Schwangerschaftsabbruch zu ärztlichen Behandlungsfehlern oder einer fehlerhaften Aufklärung, können zivilrechtliche Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld entstehen (§§ 823 ff. BGB).
Verwaltungsrechtliche und sozialrechtliche Aspekte
Kostenübernahme und Finanzierung
Die Kostentragung für einen Schwangerschaftsabbruch richtet sich nach der jeweiligen Indikation. Im Rahmen der medizinischen und kriminologischen Indikation übernehmen die Krankenkassen die Kosten (§ 24b SGB V). Bei einem Abbruch nach der Beratungsregelung besteht ein Anspruch auf Übernahme der Kosten auf Antrag, soweit die Schwangere bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschreitet (§ 19 SchKG).
Meldepflichten und Statistik
Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, Schwangerschaftsabbrüche anonymisiert an die zuständige Behörde zu melden (§ 18 SchKG). Ziel ist eine bundesweite Statistik zur Erfassung und Analyse des Schwangerschaftsabbruchgeschehens.
Europäische und internationale Rechtslage
Europäische Union
Im europäischen Vergleich bestehen erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Zulässigkeit, Indikation und Zugangsvoraussetzungen zum Schwangerschaftsabbruch. In vielen Mitgliedstaaten wird ebenfalls zwischen Indikations- und Fristenregelungen unterschieden, die deutlich unterschiedliche sozial- und strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.
Internationale Entwicklungen
Schwangerschaftsabbrüche unterliegen weltweit sehr unterschiedlichen Regelungen, von liberalen bis hin zu stark restriktiven Gesetzen. Völkerrechtliche Vorgaben, etwa aus den Menschenrechtskonventionen oder der WHO, verpflichten Staaten zur Berücksichtigung der reproduktiven Rechte der Frau, lassen aber nationale Spielräume.
Verfassungsrechtliche Grundlagen in Deutschland
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) wird das ungeborene Leben durch das Grundgesetz geschützt (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Zugleich sind die Rechte und die Selbstbestimmung der Schwangeren zu berücksichtigen. Das Bundesverfassungsgericht hat daher die Beratungsregelung bestätigt, aber die Notwendigkeit gesellschaftlicher Hilfen für Schwangere eingefordert (BVerfGE 88, 203 – 1993).
Ablauf und Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs
Ein Schwangerschaftsabbruch darf in Deutschland nur durch eine Ärztin oder einen Arzt vorgenommen werden. Es sind unterschiedliche medizinische Methoden zulässig, deren Durchführung durch gesetzliche Vorgaben und berufsrechtliche Regelungen begrenzt ist. Bei jedem Abbruch sind die Beratungspflichten, Fristen und Nachweispflichten zu beachten.
Zusammenfassung
Der Schwangerschaftsabbruch stellt einen vielschichtigen Rechtsbegriff dar, der vor allem straf-, zivil- und verwaltungsrechtlich umfassend ausgestaltet ist. Die wichtigsten Regelungen finden sich in den §§ 218 ff. StGB, im Schwangerschaftskonfliktgesetz sowie in verschiedenen sozial- und verwaltungsrechtlichen Vorschriften. Zentrale Bedeutung kommt der Beratungspflicht und der Einhaltung gesetzlicher Fristen zu. Die rechtliche Situation in Deutschland steht unter dem verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des ungeborenen Lebens und der Selbstbestimmung der Schwangeren und ist damit Ausdruck eines komplexen, gesellschaftlichen Abwägungsprozesses.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen in Deutschland für einen Schwangerschaftsabbruch erfüllt sein?
In Deutschland ist ein Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich gemäß § 218 StGB strafbar, es gibt jedoch Ausnahmen, in denen er straffrei bleibt. Die häufigste Form ist der sogenannte „Beratungsabbruch“ nach § 218a Abs. 1 StGB. Hierbei ist ein Abbruch innerhalb der ersten 12 Schwangerschaftswochen nach Empfängnis (also bis zur 14. Schwangerschaftswoche nach dem letzten Menstruationsbeginn) straffrei, wenn die Frau mindestens drei Tage vor dem Eingriff eine verpflichtende Schwangerschaftskonfliktberatung bei einer anerkannten Beratungsstelle in Anspruch genommen und eine Beratungsbescheinigung erhalten hat. Die Beratung soll ergebnisoffen und ermutigend für das Austragen der Schwangerschaft erfolgen, der Frau aber zugleich letztlich die Entscheidung überlassen. Zeitliche und organisatorische Fristen (z. B. die Dreitagefrist zwischen Beratung und Eingriff) sind strikt einzuhalten. Der Eingriff selbst darf nur von einem Arzt bzw. einer Ärztin durchgeführt werden.
Eine weitere rechtliche Grundlage für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch besteht bei medizinischer oder kriminologischer Indikation (§ 218a Abs. 2 und 3 StGB). Medizinische Indikation liegt vor, wenn die Fortsetzung der Schwangerschaft das Leben oder die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren gravierend gefährden würde. Eine kriminologische Indikation ist gegeben, wenn die Schwangerschaft Folge eines Sexualdelikts (z. B. Vergewaltigung) ist. In beiden Fällen ist der Abbruch auch nach Ablauf der 12-Wochen-Frist erlaubt, sofern der wichtige Grund ärztlich attestiert ist.
Wie gestaltet sich das vorgeschriebene Beratungsverfahren?
Das Beratungsverfahren ist ein zentrales Element des deutschen Rechtsrahmens für den Schwangerschaftsabbruch. Nach § 219 StGB und dem Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) muss die betroffene Frau ein persönliches Beratungsgespräch in einer anerkannten staatlichen oder kirchlichen Beratungsstelle wahrnehmen. Die Beratung verfolgt das Ziel, die Frau zu unterstützen, ihr alle Hilfe zum Austragen des Kindes aufzuzeigen und ihr die Tragweite ihrer Entscheidung bewusst zu machen. Gleichzeitig ist sie aber ergebnisoffen und respektiert die Selbstbestimmung der Schwangeren. Nach erfolgreicher Durchführung wird eine Beratungsbescheinigung („Beratungsschein“) ausgestellt, die für den späteren Abbruch erforderlich ist.
Wichtig ist, dass zwischen Beratung und Eingriff eine Wartefrist von mindestens drei Tagen einzuhalten ist. Wird die Beratung verweigert oder ist diese Bescheinigung nicht vorhanden, ist der Abbruch in aller Regel rechtswidrig und strafbar, außer es liegt eine medizinische oder kriminologische Indikation vor.
Wer darf einen Schwangerschaftsabbruch straflos durchführen?
Rechtlich darf ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland nur von einem approbierten Arzt oder einer approbierten Ärztin vorgenommen werden. Laien oder medizinisches Personal ohne Approbation machen sich strafbar. Dabei ist es irrelevant, ob der Eingriff ambulant oder stationär erfolgt. Ärztinnen und Ärzte, die den Eingriff aus Gewissensgründen ablehnen, sind gesetzlich nicht verpflichtet, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen; sie können die Behandlung ablehnen. Grundsätzlich soll die Durchführung unter den Rahmenbedingungen des ärztlichen Standesrechts und unter Beachtung der fachlichen Mindeststandards erfolgen. Ein Verstoß, wie beispielsweise eine Durchführung durch nicht befugte Personen oder ohne Einhaltung der Beratungs- und Fristvorgaben, hat strafrechtliche Konsequenzen.
Welche strafrechtlichen Konsequenzen drohen bei einem rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch?
Ein rechtswidriger Schwangerschaftsabbruch hat schwerwiegende strafrechtliche Folgen. Nach § 218 StGB werden sowohl die Person, die den Eingriff vornimmt, als auch unter bestimmten Umständen die schwangere Frau selbst bestraft. Die Androhung für den Arzt liegt bei Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Die Frau selbst wird in der Praxis in seltenen Fällen strafrechtlich verfolgt, eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe ist aber rechtlich möglich. Erfolgt der Abbruch ohne Beratung, außerhalb der Frist, ohne medizinische oder kriminologische Indikation oder durch eine nicht zugelassene Person, liegt ein Straftatbestand vor. Eine versuchte Abtreibung ist ebenfalls strafbar. Gibt es durch unsachgemäße Durchführung gesundheitliche Schäden oder gar Todesfolgen für die Schwangere, können weitere Tatbestände wie Körperverletzung oder fahrlässige Tötung greifen.
Welche Informationspflichten bestehen für Ärztinnen und Ärzte im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbrüchen?
Mit der Änderung von § 219a StGB im Jahr 2022 dürfen Ärztinnen und Ärzte über die Tatsache informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, und sachliche Informationen zu den Methoden auf ihren Webseiten oder in Printmedien bereitstellen. Vor der Abschaffung des Werbeverbots 2022 war dies stark reglementiert, inzwischen ist es jedoch erlaubt, umfassend zu informieren. Dennoch dürfen keine werbenden, anpreisenden oder vergleichenden Hinweise erfolgen, sondern lediglich sachliche Hinweise auf das Angebot und die möglichen medizinischen Verfahren. Besteht Unsicherheit hinsichtlich der rechtssicheren Gestaltung der Informationsweitergabe, empfiehlt sich eine rechtliche Beratung, da Verstöße weiterhin Sanktionen nach sich ziehen können, wenn beispielsweise eine kommerzielle Werbung vorliegt.
Wie ist die Kostenübernahme für einen Schwangerschaftsabbruch rechtlich geregelt?
In Deutschland ist geregelt, dass Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch im Falle einer medizinischen oder kriminologischen Indikation stets von den gesetzlichen Krankenkassen getragen werden. Beim Beratungsabbruch sind die Kosten in der Regel von der Schwangeren selbst zu tragen. Allerdings besteht ein Anspruch auf Kostenübernahme durch das Bundesland, wenn die Frau nur über ein geringes Einkommen verfügt und die entsprechenden Einkommensgrenzen unterschreitet. In diesen Fällen kann bei der Krankenkasse ein Antrag auf Kostenübernahme gestellt werden. Die Kosten für die zugehörige Beratung und gegebenenfalls Nachuntersuchungen übernimmt stets das Bundesland oder die Krankenversicherung.
Welche Dokumentations- und Meldepflichten gelten bei einem Schwangerschaftsabbruch?
Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, jeden vorgenommenen Schwangerschaftsabbruch pseudonymisiert an das Statistische Bundesamt zu melden (§ 15 SchKG). Dabei werden keine personenbezogenen Daten, aber zahlreiche Angaben zur Indikation, dem Verfahren und dem Zeitpunkt anonymisiert erhoben. Diese Statistik dient der Erfassung und Auswertung der Entwicklung von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland und ermöglicht eine wissenschaftlich fundierte und datenschutzkonforme Betreuung des Themas. Daneben müssen alle durchgeführten Abbrüche in der Patientenakte dokumentiert werden, wobei der Datenschutz sowohl gegenüber Dritten als auch gegenüber anderen nicht unmittelbar beteiligten medizinischen Personen strikt zu wahren ist.