Legal Lexikon

Schutzimpfung


Begriff und rechtliche Einordnung der Schutzimpfung

Definition der Schutzimpfung

Die Schutzimpfung ist eine medizinische Maßnahme, die der gezielten Vorbeugung gegen bestimmte Infektionskrankheiten dient. Durch die Verabreichung eines Impfstoffs wird das Immunsystem aktiviert, um eine krankheitsspezifische Immunität aufzubauen. Im rechtlichen Kontext stellt die Schutzimpfung eine präventive Gesundheitsmaßnahme dar, die sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene eine hohe Bedeutung besitzt.

Rechtsgrundlagen der Schutzimpfung in Deutschland

Infektionsschutzgesetz (IfSG)

Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist die zentrale Rechtsquelle für Regelungen im Zusammenhang mit Schutzimpfungen in der Bundesrepublik Deutschland. Das IfSG hat das Ziel, übertragbaren Krankheiten vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und deren Verbreitung zu verhindern. Nach § 20 IfSG werden Schutzimpfungen als vorrangige Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung gegen übertragbare Krankheiten normiert.

Aufklärung und Einwilligung

Vor jeder Schutzimpfung muss eine ärztliche Aufklärung über Nutzen, Risiken und mögliche Nebenwirkungen stattfinden (§ 630e Bürgerliches Gesetzbuch – BGB, Patientenrechtegesetz). Die Einwilligung der impfenden Person oder im Falle von Minderjährigen die Einwilligung der Sorgeberechtigten ist rechtlich zwingend. Die Immunisierung ohne wirksame Einwilligung kann als Körperverletzung im Sinne des Strafgesetzbuchs angesehen werden (§ 223 StGB).

Meldepflichten

Laut § 6 und § 7 IfSG bestehen Meldepflichten bezüglich der Durchführung von Impfungen sowie bei Auftreten von Impfschäden oder bestimmten Nebenwirkungen. Ziel dieser Normen ist es, die Impfstoffsicherheit und die Wirksamkeit der Impfprogramme sicherzustellen.

Besondere rechtliche Aspekte der Schutzimpfung

Impfempfehlungen und öffentliche Impfprogramme

Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut spricht auf wissenschaftlicher Grundlage Impfempfehlungen aus (§ 20 Abs. 2 IfSG). Auf Basis dieser Empfehlungen bieten die öffentlichen Gesundheitsdienste und Krankenkassen Schutzimpfungen für bestimmte Risikogruppen und die Allgemeinbevölkerung an. Die Umsetzung erfolgt unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit und dem Grundsatz der freiwilligen Impfentscheidung.

Impfpflicht

In bestimmten Fällen kann die Schutzimpfung aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtend sein („Impfpflicht“). Ein prominentes Beispiel ist das Masernschutzgesetz (§ 20 Abs. 8 ff. IfSG), welches den Zugang zu gemeinschaftlichen Einrichtungen (z. B. Schulen, Kindergärten) vom Nachweis einer Masernschutzimpfung oder einer Immunität abhängig macht. Verstöße gegen die Impfnachweispflicht können Bußgeldtatbestände (§ 73 IfSG) darstellen.

Haftung und Impfschäden

Im Falle von Impfschäden, die auf eine öffentlich empfohlene Schutzimpfung zurückzuführen sind, sieht das IfSG einen staatlichen Entschädigungsanspruch nach § 60 IfSG vor. Das Bundesversorgungsgesetz (BVG) findet hier ergänzende Anwendung. Voraussetzung für den Ausgleich ist, dass ein nachgewiesener Gesundheitsschaden durch die Schutzimpfung entstanden ist (sog. Kausalitätsnachweis).

Im Rahmen privatrechtlicher Haftungsfragen kann gegenüber dem Impfstoffhersteller ein Anspruch aus Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) geltend gemacht werden, sofern ein Produktfehler ursächlich für einen Gesundheitsschaden war.

Sozialrechtliche Aspekte der Schutzimpfung

Finanzierung und Kostenträger

Gemäß § 20i Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) übernehmen gesetzliche Krankenversicherungen die Kosten für alle von der STIKO empfohlenen und öffentlich getragenen Schutzimpfungen. Bei bestimmten Berufsgruppen oder exponierten Risiken (z. B. medizinisches Personal) gelten Sonderregelungen nach dem Arbeitsschutzrecht.

Präventions- und Aufklärungsmaßnahmen

Das IfSG verpflichtet die öffentliche Hand zu Präventionsmaßnahmen, einschließlich der Aufklärung über Nutzen und Risiken von Schutzimpfungen (§ 20 Abs. 4 und 5 IfSG). Diese betreffen insbesondere Maßnahmen der Gesundheitsförderung in Bildungseinrichtungen, Betrieben und Gesundheitseinrichtungen.

Grundrechte und Schutzimpfung

Körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmungsrecht

Schutzimpfungen berühren das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG). Jede Impfmaßnahme erfordert daher einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Schutz der Allgemeinheit vor übertragbaren Krankheiten und dem individuellen Selbstbestimmungsrecht. Eine staatlich angeordnete Impfpflicht ist nur zulässig, wenn sie verhältnismäßig ist und keine milderen Mittel zur Verfügung stehen.

Datenschutz und Dokumentation

Die Verarbeitung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit Schutzimpfungen unterliegt den strengen Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie nationalen Datenschutzregelungen. Die Dokumentation der Impfung in digitalen oder analogen Impfausweisen sowie die Übermittlung im Rahmen der Meldepflichten erfolgen unter Wahrung des Schutzes sensibler Gesundheitsdaten.

Schutzimpfung im internationalen Recht

Im internationalen Kontext regeln zahlreiche Übereinkommen (u. a. die Internationalen Gesundheitsvorschriften der Weltgesundheitsorganisation) den grenzüberschreitenden Schutz vor Infektionskrankheiten, insbesondere durch die Anerkennung und Pflicht bestimmter Impfungen (z. B. Gelbfieberimpfung) für die Einreise in bestimmte Staaten.

Literaturverzeichnis und weiterführende Informationen

Infektionsschutzgesetz (IfSG)
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – Patientenrechtegesetz
Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG)
Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)
Bundesversorgungsgesetz (BVG)
Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut
* Internationale Gesundheitsvorschriften der Weltgesundheitsorganisation


Dieser Artikel gibt einen umfassenden Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen und Besonderheiten der Schutzimpfung in Deutschland und im internationalen Kontext. Er behandelt die zentralen gesetzlichen Regelungen, individuelles und kollektives Impfinteresse, Pflichten, Haftungsfragen sowie datenschutz- und grundrechtliche Aspekte.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Grundlagen regeln die Durchführung von Schutzimpfungen in Deutschland?

Die rechtlichen Grundlagen für Schutzimpfungen in Deutschland sind im Wesentlichen im Infektionsschutzgesetz (IfSG) verankert. Gemäß §§ 20 und 21 IfSG kann das Bundesministerium für Gesundheit bei Gefahr übertragbarer Krankheiten durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates u.a. Schutzimpfungen anordnen. Empfehlungen zu Schutzimpfungen erarbeitet die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI), deren Hinweise in der Praxis als medizinischer Standard angesehen werden und eine wichtige Rolle bei der Beurteilung der ärztlichen Sorgfaltspflichten spielen. Zudem enthalten das Sozialgesetzbuch (SGB V), konkret in § 20i SGB V, Regelungen zur Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen für empfohlene Schutzimpfungen. Mit Blick auf die Durchführung bestehen zudem berufsrechtliche Regelungen, die festlegen, dass nur approbierte Ärztinnen und Ärzte bzw. nach Ärztlicher Anordnung bestimmte andere medizinische Fachkräfte Impfungen verabreichen dürfen. Im Falle von Impfkampagnen oder außergewöhnlichen Situationen kann das Infektionsschutzgesetz außerdem Sonderregelungen ermöglichen, z.B. bei epidemischen Lagen oder pandemischen Gefahren. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit sowie die damit verbundene Einwilligung in medizinische Eingriffe ergibt sich darüber hinaus aus dem Grundgesetz (Art. 2 Abs. 2 GG) und ist durch das Patientenrechtegesetz sowie die Vorschriften zur Aufklärung und dokumentierten Einwilligung im Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 630d, 630e BGB) abgesichert.

Wie ist die Einwilligung zur Schutzimpfung rechtlich geregelt?

Für jede Schutzimpfung ist grundsätzlich eine wirksame Einwilligung der betroffenen Person erforderlich. Diese Einwilligung setzt laut § 630d BGB voraus, dass der Patient oder die Patientin zuvor umfassend ärztlich über Nutzen, Risiken und mögliche Alternativen der Impfung aufgeklärt wurde (§ 630e BGB). Die Aufklärung muss in verständlicher Sprache und individuell erfolgen. Bei einwilligungsunfähigen Personen, beispielsweise Kindern oder Menschen mit bestimmten Behinderungen, obliegt die Einwilligung deren gesetzlichen Vertretern (z.B. Eltern, Betreuer). Eine Impfung ohne Einwilligung ist außer in sehr engen, gesetzlich strikt geregelten Ausnahmefällen (z.B. behördlich angeordnete Schutzmaßnahmen bei schwerwiegenden Epidemien, § 20 Abs. 6 und § 16 IfSG) unzulässig und stellt in der Regel eine Körperverletzung im strafrechtlichen Sinne (§ 223 StGB) dar.

Welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich bei Impfkomplikationen oder Impfschäden?

Tritt nach einer Schutzimpfung ein gesundheitlicher Schaden auf, kann ein Anspruch auf Entschädigung gemäß § 60 IfSG bestehen, sofern es sich um eine öffentlich empfohlene oder angeordnete Impfung handelte. Für diese Fälle übernimmt der jeweilige Bundeslandsträger im Rahmen des sozialen Entschädigungsrechts die Versorgung und leistet ggf. Rentenzahlungen, Heilbehandlungen oder Schadensausgleich. Daneben sind haftungsrechtliche Aspekte relevant: Ist der Schaden durch einen Behandlungsfehler (z.B. unzureichende Aufklärung, fehlerhafte Durchführung) oder ein fehlerhaftes Produkt verursacht worden, können Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen den impfenden Arzt oder den Hersteller geltend gemacht werden. Bei Produktfehlern greift die Gefährdungshaftung nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) und nach dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG).

Unter welchen Umständen kann eine Schutzimpfung zur Voraussetzung für bestimmte Aktivitäten oder Berufe gemacht werden?

Im deutschen Recht ist die Pflicht zur Schutzimpfung grundsätzlich die Ausnahme und bedarf einer klaren gesetzlichen Grundlage. Im Gesundheitswesen, beispielsweise für Beschäftigte in medizinischen oder sozialen Einrichtungen, kann allerdings seit Inkrafttreten des Masernschutzgesetzes (§ 20 IfSG) der Nachweis einer Masernschutzimpfung Voraussetzung für die Aufnahme oder Fortsetzung einer Tätigkeit sein. Ähnliche Nachweispflichten können auch in anderen Bereichen für besonders gefährdete Berufsgruppen oder Gemeinschaftseinrichtungen (Kindertagesstätten, Schulen) bestehen, immer auf Basis einer gesetzlichen Regelung. Für Reiseimpfungen können sowohl nationale als auch internationale Vorschriften (z.B. International Health Regulations – IHR für Gelbfieberimmunisierung) einschlägig sein. Ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage greifen solche Einschränkungen in Grundrechte ein und sind daher nicht zulässig.

Wer haftet für Impfschäden bei Schutzimpfungen, die nicht öffentlich empfohlen oder gesetzlich vorgeschrieben sind?

Bei Schutzimpfungen, die zwar medizinisch sinnvoll, aber nicht von der STIKO empfohlen oder von einer Landesbehörde angeordnet sind, entfällt in der Regel der Anspruch auf staatliche Entschädigung gemäß § 60 IfSG. Für Impfschäden, die im Rahmen solcher privat motivierten Impfungen auftreten, haften nach allgemeinem Zivilrecht jeweils der Impfstoffhersteller (im Falle eines Produktfehlers) nach dem Produkthaftungsgesetz (§ 84 AMG, ProdHaftG) sowie ggf. der impfende Arzt bei schuldhaftem Behandlungsfehler. Dies setzt jedoch eine Kausalität zwischen Impfung und Schaden sowie den Nachweis eines konkreten Fehlverhaltens bzw. Produktfehlers voraus.

Gibt es eine rechtliche Verpflichtung für Ärzte, Schutzimpfungen anzubieten?

Ärztinnen und Ärzte sind grundsätzlich gehalten, den jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft zu beachten (§ 630a BGB, ärztliche Sorgfaltspflicht). Dies beinhaltet insbesondere auch die Beachtung der Empfehlungen der STIKO, die als aktueller medizinischer Standard anerkannt sind. Ärztlich vertretbares Handeln umfasst somit die aktive Beratung über empfohlene Schutzimpfungen, ohne dass daraus aber eine generelle Verpflichtung zur Durchführung jeder einzelnen Impfung folgt. Sofern medizinische oder persönliche Gründe gegen eine Impfung sprechen, kann eine Verweigerung ärztlich vertretbar sein. Im Rahmen öffentlich-rechtlicher Arbeitsverhältnisse (z.B. im Öffentlichen Gesundheitsdienst) oder im Kontext von Impfkampagnen können sich jedoch besondere dienstrechtliche Pflichten ergeben.

Inwieweit ist die Dokumentationspflicht bei Schutzimpfungen rechtlich geregelt?

Die rechtliche Verpflichtung zur sorgfältigen Dokumentation ergibt sich insbesondere aus § 630f BGB sowie aus den Berufsordnungen der Landesärztekammern. Die Dokumentation muss Zeitpunkt, Art des Impfstoffes, Chargennummer, Hersteller, bei Kindern das Geburtsdatum sowie Name des Arztes und ggf. Nebenwirkungen bzw. Komplikationen umfassen. Diese Informationen müssen in der Patientenakte aufbewahrt werden und bei Kindern zusätzlich in das Impfbuch (bzw. Impfpass) eingetragen werden. Eine unzureichende Dokumentation kann zivil- und berufsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, insbesondere in Haftungsfällen. Bei anonymisierten Meldepflichten gemäß IfSG sind bestimmte Impfnebenwirkungen dem Gesundheitsamt zu melden (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 IfSG).