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Schulschließungen


Begriff und rechtlicher Hintergrund von Schulschließungen

Definition von Schulschließungen

Schulschließungen bezeichnen im rechtlichen Kontext die vollständige oder teilweise Einstellung des Präsenzunterrichts an öffentlichen oder privaten Schulen durch behördliche Anordnung. Sie stellen einen erheblichen Eingriff in den regulären Schulbetrieb dar und sind in Deutschland an konkrete rechtliche Voraussetzungen gebunden. Schulschließungen können zeitlich befristet, auf einzelne Klassen bezogen oder auf das gesamte Schulgebäude ausgedehnt erfolgen.

Rechtsgrundlagen für Schulschließungen

Die Durchführung von Schulschließungen in Deutschland basiert auf verschiedenen rechtlichen Grundlagen, die auf Bundes-, Landes- und teilweise Kommunalebene geregelt werden. Maßgeblich sind insbesondere das Grundgesetz (GG), das Schulrecht der Länder sowie das Infektionsschutzgesetz (IfSG).

Grundgesetz (GG)

Das Grundgesetz sichert in Art. 7 Abs. 1 das staatliche Schulwesen und beschreibt die staatliche Aufsicht. Auch das Recht auf Bildung ist ein vom Bundesverfassungsgericht hergeleitetes Grundrecht. Somit müssen Schulschließungen stets mit diesen verfassungsrechtlichen Gewährleistungen in Einklang stehen. Wichtige Grundrechte, die im Kontext von Schulschließungen zu berücksichtigen sind:

  • Art. 2 Abs. 1 GG – Allgemeine Handlungsfreiheit
  • Art. 6 Abs. 2 GG – Elterliches Erziehungsrecht
  • Art. 7 GG – Schulhoheit
  • Art. 12 GG – Berufsfreiheit (z. B. für Lehrpersonal)
  • Art. 3 GG – Gleichbehandlungsgebot

Landesrechtliche Vorschriften

Das Schulwesen liegt nach Art. 30 und Art. 70 GG in der Gesetzgebungskompetenz der Länder. Daher sind Einzelheiten zu Schulschließungen in den jeweiligen Schulgesetzen sowie Verordnungen der 16 Bundesländer geregelt. Sie enthalten Bestimmungen zur Anordnung, zum Verfahren und zu möglichen Alternativen (z. B. Distanzunterricht).

Infektionsschutzgesetz (IfSG)

Häufigster Anlass für behördlich angeordnete Schulschließungen sind übertragbare Krankheiten, insbesondere Pandemien. Das IfSG regelt explizit die Möglichkeit temporärer Schulschließungen zum Schutz der Bevölkerung (z. B. § 28a IfSG während der Corona-Pandemie), wobei konkrete Maßnahmen je nach aktueller Gefahrenlage durch Landesbehörden erlassen werden.

Behördliche Zuständigkeiten und Verfahren

Zuständig für die Anordnung von Schulschließungen sind regelmäßig die zuständigen Gesundheitsämter oder Schulbehörden auf kommunaler bzw. Landesebene. Entscheidend ist in der Regel eine infektionsschutzrechtliche Beurteilung der Sachlage oder eine unmittelbare Gefahrenlage für Leib und Leben.

Verfahren der Anordnung

Die Anordnung erfolgt in der Regel mittels Verwaltungsakts oder als Allgemeinverfügung gemäß Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG). Erfasst sein können einzelne Schulen, Schulgemeinden, Klassen oder der komplette Schulbetrieb eines Landkreises bzw. Bundeslandes.

Dauer und Umfang der Maßnahme

Schulschließungen sind grundsätzlich zeitlich befristet und müssen regelmäßig überprüft werden. Die Behörden müssen eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vornehmen und stets das mildeste Mittel wählen, um den Zweck – etwa den Gesundheitsschutz – zu erreichen. Der Online-Unterricht als weniger einschneidende Alternative ist vorrangig zu prüfen.

Rechtliche Auswirkungen und Herausforderungen

Eingriffe in Grundrechte

Schulschließungen betreffen gleich mehrere Grundrechte, insbesondere das Recht der Kinder auf schulische Bildung sowie das Erziehungsrecht der Eltern. Jede Anordnung muss daher einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten, um die rechtlichen Interessen aller Beteiligten in Ausgleich zu bringen.

Rechtsschutz gegen Schulschließungen

Betroffene (Schüler, Eltern, Träger von Privatschulen) haben verschiedene Möglichkeiten, gegen eine Schulschließung vorzugehen:

  • Widerspruchsverfahren: Verwaltungsrechtlicher Widerspruch gegen die Maßnahme
  • Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (Eilverfahren): Besonders relevant, wenn eine unmittelbare Beschwer besteht (z. B. Zugang zu Prüfungen, Schulabschluss)
  • Klage vor dem Verwaltungsgericht

Gerichte prüfen Schulschließungen regelmäßig auf ihre materielle und formelle Rechtmäßigkeit, insbesondere ob eine Rechtsgrundlage besteht und das Vorgehen verhältnismäßig ist.

Ersatzmaßnahmen und Alternativen

Zur Minderung des Eingriffs in das Recht auf Bildung sind Behörden verpflichtet, Ersatzmaßnahmen wie den Online-Unterricht oder Unterricht in Kleingruppen zu ermöglichen. Im Rahmen der Pandemie wurden entsprechende Regelungen geschaffen, um den Bildungserfolg auch bei geschlossenen Schulen sicherzustellen.

Besondere Rechtsfragen bei Schulschließungen

Entschädigungsansprüche

Eltern, deren Erwerbstätigkeit wegen einer behördlichen Schulschließung unterbrochen wird, können Anspruch auf Entschädigung nach § 56 IfSG haben. Die Zahlung erfolgt vom Staat und ist an enge Voraussetzungen geknüpft (z. B. keine alternative Betreuungsmöglichkeit, kein Anspruch auf Lohnfortzahlung).

Prüfungen und Abschlüsse während Schulschließungen

Das Landesrecht sieht Übergangsregelungen für Abschlussprüfungen und Benotungen vor, sofern schulische Veranstaltungen pandemiebedingt entfallen. Klausuren können verschoben werden, alternativ kommen Online-Prüfungsformate zum Einsatz.

Haftung im Schulschließungskontext

Lehrkräfte und Behörden haften grundsätzlich nicht für pandemie- oder krankheitsbedingte Schulschließungen, da sie hoheitliches Handeln darstellen. Eine Ausnahme kann grundsätzlich nur bei grober Fahrlässigkeit oder vorsätzlicher Pflichtverletzung gegeben sein.

Schulschließungen in der Praxis und aktuelle Entwicklungen

Schulschließungen in der Corona-Pandemie

Die COVID-19-Pandemie stellte den bisher einschneidendsten Anlass für flächendeckende Schulschließungen in Deutschland dar. Die Maßnahmen führten zu einer Vielzahl von gerichtlichen Auseinandersetzungen und einer angepassten Gesetzeslage sowohl im IfSG als auch in den Landesgesetzen.

Bewertung und zukünftige Regelungen

Schulschließungen werden im Allgemeinen als letztes Mittel betrachtet. Der Gesetzgeber ist darum bemüht, das Recht auf Bildung auch unter schwierigen Bedingungen aufrechtzuerhalten. Dafür werden fortlaufend Regelungen über digitalen Unterricht, Hygienemaßnahmen sowie flexible Prüfungsmöglichkeiten implementiert.

Zusammenfassung

Schulschließungen sind ein tief in das verfassungsrechtliche Gefüge eingreifendes Mittel, das beträchtliche Abwägungen zwischen Gesundheitsschutz und Bildungsrecht notwendig macht. Sie unterliegen strengen gesetzlichen Voraussetzungen, müssen stets verhältnismäßig ausgestaltet sein und werden regelmäßig von Gerichten überprüft. Rechtsschutzmöglichkeiten für Betroffene sowie umfangreiche Ersatzmaßnahmen dienen dem Schutz von Grundrechten. Die Gesetzgebung wird, nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen mit der Corona-Pandemie, stetig weiterentwickelt, um einen angemessenen Ausgleich aller Interessen sicherzustellen.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist rechtlich befugt, eine Schulschließung anzuordnen?

Die Anordnung einer Schulschließung fällt grundsätzlich in die Zuständigkeit der Schulaufsichtsbehörden, welche auf Landesebene organisiert sind. In besonderen Situationen, etwa bei Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (beispielsweise im Fall von Pandemien oder Naturkatastrophen), können auch Gesundheitsämter oder andere zuständige Verwaltungsbehörden eine temporäre Schließung von Schulen veranlassen. Die rechtliche Grundlage hierfür findet sich je nach Bundesland in den Schulgesetzen, den Infektionsschutzgesetzen des Bundes sowie in spezifischen Rechtsverordnungen oder Erlassen. Schulen selbst dürfen nicht eigenständig schließen, es sei denn, sie wurden im Rahmen ihres Hausrechts ausdrücklich hierzu befugt, beispielsweise bei akuten, nicht anders abwendbaren Gefahrenlagen. Letztlich muss jede Maßnahme zur Schulschließung durch eine rechtssichere, schriftliche Verfügung oder Allgemeinverfügung erfolgen, in der Anlass, Dauer und mögliche Bedingungen klar geregelt sind.

Welche Rechtsmittel stehen Betroffenen gegen eine Schulschließung zur Verfügung?

Gegen eine Verfügung zur Schulschließung können betroffene Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie das Lehrpersonal juristische Schritte einlegen. Maßgeblich ist das Verwaltungsrecht, insbesondere das Widerspruchs- und Klageverfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Zunächst kann Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt werden; falls dieser abgelehnt wird oder wegen einer Allgemeinverfügung nicht möglich ist, besteht die Möglichkeit, vor dem zuständigen Verwaltungsgericht zu klagen. Da Schulschließungen oft mit sofortiger Wirkung umgesetzt werden, kommt insbesondere der vorläufige Rechtsschutz (§ 80 VwGO; Einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO) in Betracht. Diese Verfahren prüfen, ob durch die Maßnahme unzumutbare Nachteile entstehen und ob die rechtlichen Voraussetzungen für die Schließung erfüllt sind.

Muss der Unterricht bei einer rechtlich angeordneten Schulschließung alternativ erfolgen?

Gesetzlich ist vorgesehen, dass die Schulpflicht trotz einer Schließung weiterhin besteht, sofern keine übergeordneten Gründe entgegenstehen. Die Bundesländer sind verpflichtet, Ersatzformen wie Distanzunterricht oder Online-Unterricht zu organisieren, um die Lehr- und Lernziele aufrechtzuerhalten. Die genauen Anforderungen hierzu richten sich nach den einzelnen Landesgesetzen und weiteren Verordnungen oder Erlassen der Kultusministerien. Hierunter fallen Vorgaben zur Erreichbarkeit, Bereitstellung von Lernmaterialien, Beteiligung der Lehrkräfte und ggf. zur Bewertung erbrachter Leistungen im Fernunterricht. Bestehen darüber hinaus besondere Unterstützungsbedarfe (beispielsweise für Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf) sind auch hier die jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen und Leitfäden der Länder zu beachten.

Gibt es eine rechtliche Verpflichtung, für Notbetreuung während einer Schulschließung zu sorgen?

Viele Landesregelungen verpflichten die Schulträger, bei einer Schließung von Präsenzschulen aus gesundheitlichen oder sicherheitsrelevanten Gründen, eine Notbetreuung bereitzustellen. Die Einzelheiten, etwa für Kinder bestimmter Altersgruppen oder Eltern in systemrelevanten Berufen, werden je nach Situation und Land durch gesonderte Erlasse geregelt. Die rechtliche Verpflichtung ergibt sich aus dem Kindeswohl und der Fürsorgepflicht des Staates sowie spezifischen Vorgaben aus dem Schulrecht und den Ausführungsvorschriften zum Infektionsschutz. Die Organisation, Durchführung und der Umfang der Notbetreuung sind detailliert festgelegt und unterliegen der Überwachung durch die zuständigen Behörden.

Wer haftet für Schäden, die in Folge einer angeordneten Schulschließung entstehen?

Die Frage der Haftung hängt davon ab, ob eine schulische Pflichtverletzung oder ein rechtswidriges Behördenhandeln vorliegt. Wird die Schließung rechtmäßig und auf gesetzlicher Grundlage angeordnet, besteht in der Regel kein Anspruch auf Schadensersatz, beispielsweise für Verdienstausfälle oder entgangene Unterrichtsleistungen. Kommt es jedoch zu rechtswidrigen oder unverhältnismäßigen Maßnahmen, kann ein Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG bestehen. Hierzu müssten Betroffene nachweisen, dass ihnen durch das behördliche Handeln ein konkreter, rechtswidriger Schaden entstanden ist. Verstärkt gelten gesonderte Entschädigungsregelungen, etwa nach § 56 Infektionsschutzgesetz bei Verdienstausfall infolge behördlicher Quarantäne-Anordnungen, jedoch nicht immer direkt bei bloßen Schulschließungen.

Müssen Eltern ihre Kinder trotz Schulschließung an den Unterrichtsinhalten beteiligen?

Ja, die Schulpflicht besteht grundsätzlich weiterhin, auch wenn kein Präsenzunterricht stattfindet. Die rechtlichen Verpflichtungen der Eltern umfassen unter anderem die Unterstützung ihrer Kinder bei der Teilnahme am Distanz- oder Online-Unterricht. Bundes- und Landesgesetze zur Schulpflicht verpflichten Eltern, dafür Sorge zu tragen, dass Kinder und Jugendliche an den ihnen übertragenen Lernangeboten teilnehmen. In manchen Bundesländern können Sanktionen wie Ordnungswidrigkeiten oder Bußgelder verhängt werden, falls die Teilnahme am alternativen Unterrichtspfad ohne ausreichende Entschuldigung unterbleibt. Die Schule hat zudem umfangreiche Informationspflichten, wie Lerninhalte und Aufgaben zu übermitteln sowie transparent über Leistungsnachweise und Versetzungsregeln zu informieren.

Unter welchen Bedingungen kann eine Schulschließung rückgängig gemacht werden?

Die Wiederaufnahme des Schulbetriebs bedarf einer neuen behördlichen Verfügung oder Mitteilung. Rechtlich ist hierfür maßgeblich, dass die seinerzeitigen Schließungsgründe entfallen sind – etwa, weil die Gefahr für Leib und Leben gebannt ist oder die infektionsschutzrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Die Entscheidung obliegt wiederum den zuständigen Behörden, die sich auf aktuelle Lageeinschätzungen stützen und entsprechende juristische Begründungen liefern müssen. Die formelle Aufhebung kann durch individuellen Bescheid an die Schule, durch eine Allgemeinverfügung oder durch Mitteilung an die Öffentlichkeit erfolgen. Eltern, Schüler, Lehrkräfte und andere Beteiligte sind entsprechend rechtzeitig und umfassend über die Bedingungen der Wiedereröffnung zu informieren, einschließlich etwaig abweichender Hygienekonzepte oder organisatorischer Vorgaben.