Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Familienrecht»Schuldrechtlicher Versorgungsausgleich

Schuldrechtlicher Versorgungsausgleich


Begriff und Bedeutung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs

Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich ist ein zentrales Instrument des deutschen Familienrechts und bildet neben dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich die zweite große Säule des Versorgungsausgleichs nach einer Ehescheidung. Er regelt Ansprüche zwischen den geschiedenen Ehegatten, die aus während der Ehe erworbenen Versorgungsanrechten resultieren und bei der Scheidung nicht im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs aufgeteilt werden konnten. Dabei geht es insbesondere um Anrechte, die aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen einem schuldrechtlichen Ausgleich zugeführt werden müssen.

Rechtsgrundlagen

Die rechtliche Grundlage des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs bildet das Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG), insbesondere die Vorschriften der §§ 20 bis 27 VersAusglG. Ergänzende Regelungen finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sowie im Sozialgesetzbuch (SGB).

Öffentliche und schuldrechtliche Teilung

Während der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich dazu führt, dass die Versorgungsanrechte unmittelbar zwischen den Versorgungswerken übertragen, geteilt oder neu begründet werden, kommt der schuldrechtliche Versorgungsausgleich immer dann zur Anwendung, wenn eine Teilung im öffentlich-rechtlichen Verfahren ganz oder teilweise nicht möglich ist, etwa aufgrund der Art des Anrechts oder weil ausländische Versorgungsansprüche betroffen sind.

Voraussetzungen und Anwendungsbereich

Voraussetzungen für den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich

Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich setzt voraus, dass bei der Scheidung Anrechte in den Versorgungsausgleich einbezogen wurden, die nicht durch interne oder externe Teilung ausgeglichen werden konnten. Typische Fallgestaltungen sind:

  • Versorgungsanrechte, die zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Versorgungsausgleich noch nicht laufend sind (z. B. der Ausgleichspflichtige bezieht die Rente noch nicht)
  • Ausländische Versorgungsansprüche
  • Bestimmte private Versorgungszusagen
  • Unverfallbare betriebliche Versorgungsanrechte

Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich kommt erst zur Anwendung, wenn der Ausgleichspflichtige eine Versorgung tatsächlich erhält. Es handelt sich insoweit um einen nachgelagerten Ausgleich, der erst mit Leistungsbeginn greift.

Antragsprinzip

Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich wird nur auf Antrag gewährt. Der ausgleichsberechtigte Ehegatte muss die Durchführung beim Familiengericht beantragen. Dies kann auch viele Jahre nach der Scheidung erfolgen, sofern die übrigen Voraussetzungen vorliegen.

Umfang der Ausgleichsverpflichtung

Die Ausgleichsverpflichtung besteht grundsätzlich in einer monatlichen Zahlung (Versorgungsausgleichsrente) des Ausgleichspflichtigen an den Ausgleichsberechtigten. Die Höhe bemisst sich nach dem Wert des auszugleichenden Versorgungsanrechts zum Zeitpunkt der Scheidung, wobei später eingetretene Veränderungen – mit Ausnahme bestimmter gesetzlich geregelter Tatbestände (z. B. Rentenkürzungen) – regelmäßig unbeachtlich sind.

Anpassung und Änderung des Ausgleichs

Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich kann gemäß § 33 VersAusglG unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag angepasst werden. Gründe für eine Anpassung sind etwa die Kürzung der Rente des Verpflichteten durch den ausgleichsberechtigten Ehegatten oder erhebliche Änderungen der Verhältnisse (z. B. Wiederheirat).

Durchsetzung und Verfahren

Verfahren beim Familiengericht

Das Verfahren zur Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs wird vor dem zuständigen Familiengericht geführt. Hierbei handelt es sich um ein streitiges Verfahren, das durch einen Antrag des ausgleichsberechtigten Ehegatten eingeleitet wird. Die Parteien sind verpflichtet, umfangreiche Auskünfte über die relevanten Versorgungsansprüche und deren Realisierung zu erteilen.

Durchsetzung der Ansprüche

Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich ist eine Unterhaltsforderung. Die Zahlungspflichten werden notfalls gerichtlich durchgesetzt. Sofern der Ausgleichspflichtige seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, besteht die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung.

Steuerliche Bewertung

Zahlungen, die im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs erbracht werden, stellen beim Empfänger Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen dar und können unter bestimmten Voraussetzungen steuerpflichtig sein.

Besonderheiten und Abgrenzungen

Verhältnis zum öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich

Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich ist stets subsidiär zum öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich. Ein Anspruch hierauf besteht erst, wenn eine interne oder externe Teilung im Rahmen des sog. Quasi-Splittings nicht möglich war. Weiterhin wird der schuldrechtliche Versorgungsausgleich regelmäßig erst mit Leistungsbeginn beantragt, während der öffentlich-rechtliche Ausgleich bereits mit Rechtskraft des Scheidungsurteils wirksam wird.

Typische Konstellationen in der Praxis

In der Praxis sind vom schuldrechtlichen Versorgungsausgleich insbesondere betroffen:

  • Versorgungsanrechte bei berufsständischen Versorgungseinrichtungen ohne Teilungsmöglichkeit
  • Exotische oder ausländische Rentenanwartschaften
  • Bestimmte betriebliche Altersversorgungen
  • Anrechte mit Vorbehalt, bei deren Realisierung Unsicherheit bestand

Internationales Recht und ausländische Anrechte

Ist ein ausländischer Versorgungsträger betroffen, kommen teilweise besondere Schwierigkeiten hinzu. Die Effektivität des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs hängt häufig von internationalen Abkommen über die gegenseitige Anerkennung und Übertragbarkeit von Versorgungsanrechten ab.

Beendigung des Anspruchs

Der Anspruch auf schuldrechtlichen Versorgungsausgleich erlischt mit dem Tod eines der ehemaligen Ehegatten. In bestimmten Fällen, beispielsweise bei Wiederverheiratung des Ausgleichsberechtigten, kann der Anspruch ebenfalls erlöschen.

Zusammenfassung

Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich ist ein bedeutsames Instrument zur gerechten Aufteilung von während der Ehe erworbenen, nicht öffentlich-rechtlich teilbaren Versorgungsanrechten. Die differenzierte gesetzliche Ausgestaltung stellt sicher, dass auch in Fällen, in denen die unmittelbare Teilung ausgeschlossen oder praktisch nicht möglich ist, der Grundsatz der Halbteilung der während der Ehe erworbenen Versorgungsanrechte gewahrt bleibt. Die Durchführung erfolgt auf Antrag beim Familiengericht und ist an zahlreiche rechtliche und tatsächliche Voraussetzungen gebunden.


Quellen:

  • Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG)
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
  • Sozialgesetzbuch (SGB VI)
  • Literatur und Kommentierungen zum Versorgungsausgleich, insbesondere Palandt, Münchener Kommentar, jurisPK

Dieser Beitrag liefert eine umfassende, rechtlich fundierte und strukturierte Darstellung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs und eignet sich für juristische Nachschlagewerke oder ausführliche thematische Blogs im Bereich Familienrecht.

Häufig gestellte Fragen

Wann ist ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich durchzuführen?

Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich ist stets dann durchzuführen, wenn im Rahmen des familiengerichtlichen Scheidungsverfahrens ein Wertausgleich hinsichtlich von Anrechten unterbleibt, weil diese nicht sofort im sogenannten öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich übertragen werden können. Das betrifft insbesondere Fälle, in denen ein Anrecht nicht in ein inländisches Versorgungssystem übertragen werden kann (z. B. bei Auslandspensionen, bei Zusatzversorgungen nach ausländischem Recht oder bei atypischen Lebensversicherungen). In solchen Situationen verbleibt der Ausgleichsanspruch bis zum Eintritt der Auszahlungsreife im Stadium des schuldrechtlichen Ausgleichs, der dann außergerichtlich oder durch gesondertes Klageverfahren geltend zu machen ist. Der Anspruch ist darauf gerichtet, dass der ausgleichsberechtigte Ehepartner von dem ausgleichspflichtigen Ehepartner im Wege einer laufenden Geldzahlung so gestellt wird, als hätte bei dem ausgleichspflichtigen Ehepartner während der Ehezeit ein entsprechendes Anrecht erworben werden können.

Wie wird der schuldrechtliche Versorgungsausgleich geltend gemacht?

Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich wird nicht automatisch vollzogen, sondern muss vom ausgleichsberechtigten Ehepartner aktiv geltend gemacht werden. Dies geschieht in der Regel durch einen Antrag bei dem Familiengericht, in dessen Bezirk der ausgleichspflichtige Ehepartner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 23a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GVG i.V.m. § 114 FamFG). Das Verfahren ist als selbständiges familiengerichtliches Verfahren ausgestaltet und unterscheidet sich deutlich von dem des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs. Die Voraussetzungen und die Geltendmachung richten sich nach den §§ 20 ff. Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG). Neben dem Familiengericht kann unter engen Voraussetzungen die Durchsetzung auch im Wege der Vollstreckung zivilrechtlicher Ansprüche erfolgen.

In welchem Umfang und in welcher Form werden Zahlungen im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs geschuldet?

Die Höhe der im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs zu leistenden Zahlungen bemisst sich grundsätzlich nach dem übertragenen Anrecht und dem Wertausgleich, der im Scheidungsverfahren festgestellt wurde. Maßgeblich ist, wie hoch die auszugleichende Versorgung wäre, wenn sie unmittelbar auf den ausgleichsberechtigten Ehepartner übertragen worden wäre. Die Zahlungen erfolgen typischerweise in Form einer monatlichen Geldrente, die mit dem Beginn der Auszahlungsreife des Anrechts zum Tragen kommt. Der ausgleichsberechtigte Ehepartner hat auch die steuerliche Behandlung des Ausgleichsbetrags zu beachten, da dieser unter Umständen steuerpflichtig sein kann. In besonderen Fällen – zum Beispiel bei einer Kapitalauszahlung der Versorgung – kann ein einmaliger Ausgleichsbetrag geschuldet sein. Die genaue Ausgestaltung erfolgt durch das Gericht im Einzelfall.

Kann der schuldrechtliche Versorgungsausgleich verjähren?

Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist nach deutschem Recht. Nach § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB beträgt die Verjährungsfrist für familienrechtliche Ansprüche zehn Jahre ab dem Zeitpunkt, zu dem der Anspruch erstmals geltend gemacht werden konnte, das heißt mit Eintritt der Auszahlungsreife des zu Grunde liegenden Versorgungsanrechts. Wird der Anspruch nicht innerhalb dieser Frist entweder durch Vereinbarung oder gerichtliche Durchsetzung geltend gemacht, ist eine spätere Durchsetzung grundsätzlich ausgeschlossen. Es empfiehlt sich daher, nach dem Eintritt der Fälligkeit zeitnah tätig zu werden, um den möglichen Ausgleichsanspruch nicht zu verlieren.

Was passiert, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte verstirbt?

Stirbt der ausgleichspflichtige Ehegatte, bevor der schuldrechtliche Versorgungsausgleich durchgeführt wurde, so wandelt sich der Anspruch des ausgleichsberechtigten Ehepartners grundsätzlich in einen Geldersatzanspruch gegenüber dem Erben (§ 25 VersAusglG). Allerdings ist dieser Anspruch mangels einer fortbestehenden Versorgung häufig geringer als der ursprünglich angestrebte. Der Anspruch richtet sich nach dem Wert der Gegenleistung, die bis zum Tod des ausgleichspflichtigen Ehegatten noch nicht erfüllt wurde. In der Praxis wird geprüft, inwieweit noch ein wirtschaftlicher Wert durch den Erben erhalten bleibt und danach die Höhe des Ersatzanspruchs bemessen.

Können Vereinbarungen der Ehegatten den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich ausschließen oder modifizieren?

Die Ehegatten können durch gerichtliche oder außergerichtliche Vereinbarungen Regelungen über den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich treffen (§ 6 VersAusglG). Solche Vereinbarungen unterliegen strengen inhaltlichen und formalen Voraussetzungen. Sie müssen zwingend notariell beurkundet werden und/oder durch das Familiengericht genehmigt werden, um Wirksamkeit zu entfalten. Die Vereinbarung kann den Ausgleich vollständig ausschließen, einschränken oder abweichend regeln, wenn sie nicht gegen die guten Sitten verstößt (§ 138 BGB) und insbesondere beide Ehegatten umfassend über die rechtlichen Folgen aufgeklärt wurden. Das Gericht prüft insbesondere, ob eine Vereinbarung evident einseitig oder anders unangemessen ist.

Gibt es Wechselwirkungen zwischen dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich und dem nachehelichen Unterhalt?

Der schuldrechtliche Versorgungsausgleich wird grundsätzlich nicht auf den nachehelichen Unterhalt angerechnet, da beide Institute unterschiedliche Ausgleichszwecke verfolgen. Während der Unterhalt auf die Sicherstellung des Lebensbedarfs und den Ausgleich nachehelicher Nachteile abzielt, dient der schuldrechtliche Versorgungsausgleich ausschließlich der Teilhabe an der während der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaft. Eine mittelbare Wechselbeziehung kann jedoch insoweit bestehen, als die ausgleichsberechtigte Person durch einen erfolgreichen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich finanziell bessergestellt wird und dies bei der Prüfung eines weiteren Unterhaltsbedarfs zu berücksichtigen ist. Das Gericht wird daher die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse beider Parteien im Zusammenhang aller Ansprüche sorgfältig abwägen und aufeinander abstimmen.