Begriff und rechtliche Einordnung des Schlusserben
Als Schlusserbe wird im deutschen Erbrecht eine Person oder mehrere Personen bezeichnet, die nach dem Tode des letzten von mehreren nacheinander als Erben eingesetzten Erblassern (meist Ehepartnern) dessen Nachlass insgesamt erhalten. Der Begriff findet besonders bei der Vor- und Nacherbschaft oder bei der gemeinschaftlichen letztwilligen Verfügung (insbesondere dem gemeinschaftlichen Testament oder Erbvertrag von Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern) Verwendung. Der Wesenszug des Schlusserben besteht darin, dass ihm das Vermögen des Erblassers erst nach Ablauf eines bestimmten Ereignisses endgültig zufällt.
Rechtliche Grundlagen des Schlusserben
Gesetzliche Regelungen
Die Grundlagen zur Schlusserbenstellung finden sich in den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), insbesondere in den §§ 2269, 2270, 2271 und 2100 ff. In der Regel beruht die Einsetzung von Schlusserben auf einer letztwilligen Verfügung, wie beispielsweise beim gemeinschaftlichen Berliner Testament.
Gemeinschaftliches Testament und Berliner Testament
Das häufigste Anwendungsfeld für die Schlusserben ist das gemeinschaftliche Testament von Ehegatten, insbesondere in der Variante des Berliner Testaments (§ 2269 BGB). Hier setzen sich Eheleute gegenseitig zu Erben ein und bestimmen gemeinsame Schlusserben, regelmäßig die gemeinsamen Kinder. Die Schlusserbenstellung entsteht dadurch, dass der überlebende Ehegatte zunächst Alleinerbe wird; nach dessen Tod fällt das gesamte Vermögen (einschließlich des zuvor ererbten Nachlasses) an die Schlusserben.
Erbvertrag
Auch im Rahmen eines Erbvertrags (§ 1941 BGB) kann eine Person als Schlusserbe eingesetzt werden. Hierbei wird die Erbeinsetzung durch vertragliche Vereinbarung geregelt.
Abgrenzung zu Vor- und Nacherben
Im Gegensatz zu Schlusserben im Berliner Testament wird bei der klassischen Vor- und Nacherbschaft (§§ 2100 ff. BGB) die Erbschaft in zwei zeitlich aufeinanderfolgende Erwerbe geteilt: Zunächst erbt der Vorerbe unter Beschränkungen und mit gewissen Verwaltungspflichten, danach fällt der Nachlass an den Nacherben. Der Schlusserbe hingegen wird in der Regel nicht als Nacherbe, sondern oftmals als Vollerbe nach dem Letztverstorbenen bestimmt. Gleichwohl weisen beide Rechtsinstitute Überschneidungen und Unterschiede hinsichtlich der Rechtsstellung und Verfügungsbefugnis auf.
Rechtsstellung und Pflichten des Schlusserben
Erwerb des Nachlasses
Der Schlusserbe erhält das Erbe zum Zeitpunkt des Todes des zuletzt verstorbenen Erblassers. Bis zu diesem Zeitpunkt besteht lediglich eine Anwartschaft, da der Schlusserbe erst nach Wegfall des überlebenden Erstverstorbenen (meist des längslebenden Ehegatten) tatsächlich Erbe wird.
Rechte und Pflichten während der Wartezeit
Solange der Schlusserbfall nicht eingetreten ist, hat der Schlusserbe noch keine Rechtsposition am Nachlass – eine Ausnahme bildet lediglich ein Anspruch nach § 2287 BGB, sofern der überlebende Ehegatte in bewusstem Verstoß gegen die Bindungswirkung der gemeinsamen Verfügung den Nachlass mindert (z.B. durch Schenkungen). Die Verfügungsbeschränkung ist ein wesentlicher Unterschied zum Nacherbenrecht, da beim Berliner Testament der überlebende Ehegatte als Vollerbe grundsätzlich frei über den Nachlass verfügen kann.
Bindungswirkung und Widerrufsmöglichkeiten
Nach dem ersten Erbfall entsteht beim gemeinschaftlichen Testament eine Verfügungsbindung hinsichtlich der Schlusserbeneinsetzung (§§ 2271, 2290 BGB). Der überlebende Ehegatte kann die Schlusserbenregelung grundsätzlich nicht mehr einseitig aufheben oder ändern, es sei denn, im Testament ist eine entsprechende Änderungsmöglichkeit ausdrücklich vorbehalten. Ein Widerruf erfordert dann meist gerichtliche oder notariell beurkundete Erklärungen und kann gegebenenfalls den Pflichtteilsanspruch des Schlusserben auslösen.
Pflichterbrechtliche und steuerrechtliche Implikationen
Pflichtteilsrecht
Dem Schlusserben als Abkömmling stehen Pflichtteilsansprüche gegen den überlebenden Ehegatten zu, wenn dieser durch das Testament zunächst Alleinerbe wird und der Schlusserbe im ersten Erbfall enterbt wäre. Häufig werden im Rahmen des Berliner Testaments sogenannte Pflichtteilsstrafklauseln verwendet: Nimmt ein Kind nach dem ersten Erbfall seinen Pflichtteil, wird er vom zweiten Erbfall (als Schlusserbe) ausgeschlossen.
Erbschaftsteuerliche Auswirkungen
Die Schlusserbenstellung hat auch erbschaftsteuerliche Folgen. So finden zwei erbschaftsteuerliche Vorgänge statt: Einmal beim ersten Erbfall, bei dem der überlebende Ehegatte erbt, und ein zweites Mal beim Tod des Überlebenden, wenn der Schlusserbe den gesamten Nachlass erhält. Freibeträge stehen jeweils nur einmal zur Verfügung, weshalb eine sorgfältige Nachlassplanung empfehlenswert ist.
Ausgestaltung und Gestaltungsmöglichkeiten
Alternative Regelungen
Neben der Alleinerbeneinsetzung des Ehegatten mit Schlusserbeneinsetzung der Kinder sind auch andere Gestaltungen möglich. Beispielsweise können Schlusserben als Erbengemeinschaft eingesetzt werden oder es können Vermächtnisse und Teilungsanordnungen getroffen werden. Die Ausgestaltung richtet sich nach den individuellen familiären, wirtschaftlichen und steuerlichen Überlegungen.
Nachlassverfügungen und Testamentsvollstreckung
Wird zur Sicherung der Interessen der Schlusserben eine Testamentsvollstreckung angeordnet, kann die Verwaltung des Nachlasses bis zum Eintritt des Schlusserbfalls durch einen Testamentsvollstrecker erfolgen. Insbesondere bei patchworkartigen Familienkonstellationen gewinnen differenzierende Regelungen zunehmend an Bedeutung.
Verlust oder Verwirkung der Schlusserbenstellung
Ausschluss und Enterbung
Der Schlusserbe kann durch eine letztwillige Verfügung von Todes wegen ausgeschlossen oder enterbt werden, sofern dies rechtzeitig und zulässig geschieht. Im Übrigen kann ein Schlusserbe die Erbschaft ausschlagen (§§ 1942 ff. BGB) oder im Einzelfall die Erbenstellung durch Anfechtung (z.B. wegen Irrtums) nichtig machen.
Verwirkung nach § 2287 BGB
Verfügbare Rechte des Schlusserben entstehen, sofern der überlebende Ehegatte Vermögensverschiebungen vornimmt, die bewusst entgegen der Bindungswirkung des Testaments erfolgen. Betroffenen Schlusserben steht dann ein Anspruch auf Herausgabe gegen Dritte zu.
Fazit
Der Begriff Schlusserbe bezeichnet eine bedeutende Rolle im deutschen Erbrecht, insbesondere bei gemeinschaftlichen Testamenten oder Erbverträgen von Ehepaaren. Die rechtliche Stellung des Schlusserben, dessen Rechte und Pflichten, sowie die Bindungswirkung der Verfügungen nach dem ersten Todesfall sind komplex und bieten Vielzahl an Gestaltungsmöglichkeiten. Die Kenntnis der erbrechtlichen und steuerlichen Besonderheiten ist für eine optimale Nachlassplanung unerlässlich.
Häufig gestellte Fragen
Kann der Schlusserbe das Nachlassvermögen schon vor dem Erbfall des Vorerben beanspruchen?
Der Schlusserbe erwirbt seine Rechtsstellung grundsätzlich erst mit dem Tod des Vorerben. Bis zu diesem Zeitpunkt ist er weder Eigentümer noch Inhaber von Rechten am Nachlass, sondern nur Anwartschaftsberechtigter. Der Vorerbe ist vor dem Eintritt des Schlusserbfalls zwar hinsichtlich des Nachlasses beschränkt, beispielsweise durch bestimmte Verfügungsverbote (§ 2113 BGB), bleibt aber rechtlich zunächst alleiniger Erbe. Der Schlusserbe besitzt keine Ansprüche auf Herausgabe, Nutzung oder Verwaltung des Nachlasses, solange der Vorerbfall noch nicht eingetreten ist. Allerdings kann der Schlusserbe rechtlich geschützt sein, etwa gegenüber sittenwidrigen Aneignungen oder Verschleuderungen durch den Vorerben. Verstöße gegen entsprechende Verfügungsbeschränkungen können einen Schadensersatzanspruch des Schlusserben gegen den Vorerben begründen, aber nicht das unmittelbare Recht auf Besitz oder Verfügung am Nachlass vor dem Vorerbfall.
Welche Rechte und Pflichten hat der Schlusserbe gegenüber dem Vorerben?
Der Schlusserbe hat vor Eintritt des Erbfalls des Vorerben grundsätzlich keine unmittelbaren Rechte im Sinne eines Herausgabe-, Aufsichts- oder Mitverwaltungsrechts bezüglich des Nachlasses. Seine Rechte sind vielmehr darauf ausgerichtet, nach dem Tod des Vorerben den verbleibenden Nachlass in dem Zustand zu erhalten, der nach den Schutzvorschriften des BGB vorgesehen ist. Der Vorerbe ist in seinem Umgang mit dem Nachlass gemäß § 2113 BGB beschränkt: Verfügungen über Grundstücke und Schenkungen sind nur unter bestimmten Voraussetzungen wirksam. Der Schlusserbe kann bei unzulässigen Verfügungen nach Eintritt des Erbfalls Ansprüche aus § 2130 BGB geltend machen, beispielsweise die Herausgabe oder Schadensersatz, wenn der Nachlass durch den Vorerben geschmälert wurde. Eine Überwachungspflicht oder Einsicht in die Nachlassverwaltung besteht jedoch vor dem Erbfall nicht, es sei denn, dies ist testamentarisch ausdrücklich angeordnet.
Kann ein eingesetzter Schlusserbe sein Erbrecht ausschlagen, und wenn ja, welche Fristen gelten?
Ja, der Schlusserbe kann, wie jeder Erbe, das ihm angefallene Erbrecht ausschlagen. Die Ausschlagung muss gemäß § 1944 BGB innerhalb einer Frist von sechs Wochen erfolgen, nachdem der Schlusserbfall (Tod des Vorerben) und die erbrechtliche Stellung als Schlusserbe bekannt geworden sind. Lebt der Schlusserbe im Ausland oder befand sich der Erblasser am Todestag im Ausland, verlängert sich die Frist auf sechs Monate. Die Ausschlagung ist beim Nachlassgericht formgerecht zu erklären. Die Frist beginnt in der Regel mit Kenntniserlangung vom Eintritt der Erbfolge und dem Grund der Berufung als Schlusserbe – in der Regel ist das der Zeitpunkt, an dem dem Schlusserben die letztwillige Verfügung eröffnet wird.
Unter welchen Voraussetzungen kann der Schlusserbe vorzeitig bestimmt oder ausgetauscht werden?
Die Einsetzung und ein möglicher Austausch des Schlusserben bestimmen sich nach dem Willen des Erblassers. Ist der Schlusserbe einmal testamentarisch oder erbvertraglich bestimmt, so ist eine Änderung nach dem Tod des Erblassers grundsätzlich nicht mehr möglich. Zu Lebzeiten des Erblassers kann dieser die Schlusserbeneinsetzung durch eine neue Verfügung von Todes wegen jederzeit abändern oder widerrufen, sofern keine Bindungswirkung, etwa aus einem Erbvertrag, besteht. Der Vorerbe selbst hat – sofern nicht ausdrücklich bevollmächtigt – kein Recht, den Schlusserben auszutauschen oder zu bestimmen. Eine spätere Ersatzerbeneinsetzung ist ebenfalls nach den allgemeinen erbrechtlichen Bestimmungen möglich, sollte der ursprünglich eingesetzte Schlusserbe vorversterben oder die Erbschaft ausschlagen.
Welche Ansprüche können Pflichtteilsberechtigte gegenüber dem Schlusserben geltend machen?
Pflichtteilsberechtigte haben grundsätzlich nur gegenüber dem befreiten Vorerben einen Anspruch auf den Pflichtteil, nicht aber direkt gegenüber dem Schlusserben. Der Pflichtteilsanspruch entsteht mit dem ersten Erbfall, also dem Tod des Erblassers, nicht erst mit dem Übergang auf den Schlusserben. Sollte der Vorerbe in befreiter Form (also mit erweiterten Verfügungsrechten) eingesetzt worden sein, kann der Pflichtteil auch aus dem vom Vorerben veräußerten Nachlass berechnet werden, da Verfügungen gegen den Nachlass zulässig sind. Gegen den Schlusserben kann ein Pflichtteilsanspruch nur entstehen, wenn nach Eintritt des Schlusserbfalls noch ein entsprechender Anspruch besteht, etwa wenn Teile des Nachlasses zur Schenkung an Dritte übertragen wurden und dies anfechtbar ist (§ 2329 BGB). Sonst gelten die Pflichtteilsansprüche nach dem Erstversterbenden.
Besteht für den Schlusserben eine Haftung für Nachlassverbindlichkeiten aus der Zeit des Vorerben?
Mit Eintritt in die Rechtsstellung als (Schluss-)Erbe tritt der Schlusserbe gemäß § 2130 BGB in alle Rechte und Pflichten des Erblassers bezüglich des verbleibenden Nachlasses ein. Das bedeutet, dass er für alle noch bestehenden Nachlassverbindlichkeiten, die bereits zum Zeitpunkt des ersten Erbfalls oder durch den Vorerben entstanden sind, haftet. Die Haftung des Schlusserben ist grundsätzlich auf das übernommene Vermögen beschränkt. Für durch den Vorerben begründete Verbindlichkeiten – beispielsweise neue Verbindlichkeiten aus Verwaltung oder Dauerschuldverhältnissen – haftet der Schlusserbe nur mit demjenigen Vermögensbestand, der auf ihn übergeht. Eine persönliche Haftung über den Nachlass hinaus besteht nicht, es sei denn, der Schlusserbe hat ausdrücklich die Haftungsbeschränkung versäumt, indem er etwa das Nachlassinsolvenzverfahren nicht beantragt hat.
Kann der Schlusserbe durch einen Testamentsvollstrecker oder eine Nachlassverwaltung überwacht werden?
Es besteht die Möglichkeit, durch testamentarische Anordnung einen Testamentsvollstrecker sowohl für den Vorerben als auch für den Schlusserben einzusetzen, um die Umsetzung des Erblasserwillens umfassend zu gewährleisen. Während der Vorerbschaft kann der Testamentsvollstrecker die Einhaltung der Verfügungsbeschränkungen des Vorerben kontrollieren und verwalten (§ 2223 BGB). Nach Eintritt des Schlusserbfalls kann ein für den Schlusserbteil eingesetzter Testamentsvollstrecker dessen Verwaltung übernehmen, insbesondere, wenn besondere Schutzbedürftigkeit vorliegt (z.B. bei minderjährigen Schlusserben). Eine Nachlassverwaltung für den Schlusserben kann durch Antragstellung oder richterliche Anordnung erfolgen, um Ansprüche von Nachlassgläubigern zu sichern. Hierdurch wird der Zugriff der Gläubiger auf das sonstige Vermögen des Schlusserben verhindert und der Nachlass gesondert abgewickelt. Die Überwachung und Verwaltung durch einen Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter richtet sich nach den einschlägigen Vorschriften der §§ 2197 ff. BGB bzw. §§ 1981 ff. BGB.