Begriff und rechtliche Grundlagen der Schließung von Kitas und Krippen
Die Schließung von Kitas und Krippen bezeichnet die vollständige oder teilweise Einstellung des Betriebs einer Kindertageseinrichtung durch den Träger, die zuständige Behörde oder aufgrund sonstiger Umstände. Die rechtlichen Rahmenbedingungen hierfür sind in zahlreichen bundes- und landesgesetzlichen Vorschriften sowie im untergesetzlichen Regelwerk verankert. Der Begriff findet insbesondere im Kontext des Infektionsschutzrechts, des Kinder- und Jugendhilferechts sowie des Arbeits- und Vertragsrechts Anwendung.
Rechtliche Grundlagen der Schließung
Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII)
Die maßgebliche gesetzliche Grundlage bildet das Achte Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII – Kinder- und Jugendhilfe). Nach § 45 SGB VIII bedarf der Betrieb einer Kindertageseinrichtung der Erlaubnis des zuständigen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe. Die Schließung einer Einrichtung kann sich aus dem Widerruf oder der Rücknahme dieser Betriebserlaubnis ergeben (§ 45 Abs. 2 bis 4 SGB VIII). Gründe können unter anderem Verstöße gegen Pflichtstandards, eine Gefährdung des Kindeswohls oder eine nachhaltige Nichterfüllung der Anforderungen an die Personal- und Sachausstattung sein.
Infektionsschutzrechtliche Aspekte
Ein wesentlicher Sonderfall ist die Schließung von Kitas und Krippen auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Nach § 28 IfSG sind Behörden im Falle von übertragbaren Krankheiten ermächtigt, geeignete Schutzmaßnahmen, einschließlich zeitweiser Schließungen, anzuordnen. Die Maßnahme unterliegt dabei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und steht unter gerichtlicher Kontrolle. Während der Corona-Pandemie wurden massenhaft befristete Schließungen auf dieser Rechtsgrundlage angeordnet.
Weitere gesetzliche Grundlagen
- Landesgesetze und Ausführungsvorschriften: Die Bundesländer regeln Details der Betriebsführung, Aufsicht sowie der Betriebsschließungen durch eigene Ausführungsgesetze und Verwaltungsvorschriften.
- Kinderbildungsgesetze (KiBiG/KiTaG etc.): Länderspezifische Kindertagesförderungsgesetze enthalten zusätzliche Anforderungen und Verfahren zu Schließungen, insbesondere zu Anhörungs- und Mitwirkungsrechten von Eltern und Trägern.
Arten und Anlässe einer Schließung
Behördlich angeordnete Schließung
Die Behörde kann eine Schließung anordnen, wenn gravierende Mängel im Betrieb vorliegen oder sonstige Erfordernisse dies rechtfertigen. Die behördliche Schließung kann temporär („vorübergehende Schließung“) oder endgültig („endgültige Schließung“) erfolgen. Mögliche Anlässe sind:
- Feststellung einer Kindeswohlgefährdung (§ 8a SGB VIII)
- Verstöße gegen Brandschutz-, Hygiene- oder Bauauflagen
- Infektionsschutzrechtliche Gründe (z. B. Ausbruch einer meldepflichtigen Krankheit)
Trägerseitige Schließung
Der Träger kann aus eigener Initiative den Betrieb einstellen. Gründe hierfür können sein:
- Wirtschaftliche Gründe oder Insolvenz
- Personalmangel oder Nichtbehebung erheblicher Mängel
- Bauliche Veränderungen oder Sanierungsmaßnahmen
Die freiwillige Schließung ist dem Jugendamt anzuzeigen, und es sind gegebenenfalls Kündigungsfristen einzuhalten.
Verfahrensvorschriften bei der Schließung
Widerruf der Betriebserlaubnis
Ein Widerruf oder die Rücknahme der Betriebserlaubnis erfolgt nach Anhörung des Einrichtungsträgers und der Betroffenen (§ 45 SGB VIII, § 28 VwVfG). Die Behörde hat die Gelegenheit zur Mängelbeseitigung einzuräumen, sofern nicht akute Gefahr im Verzug besteht.
Beteiligung der Eltern und Kinder
Im Zuge eines Schließungsverfahrens sind regelmäßig auch Eltern beziehungsweise Erziehungsberechtigte über Anlass, Zeitpunkt und voraussichtliche Dauer der Schließung zu informieren. Bei behördlich angeordneten Maßnahmen geschieht dies durch öffentliche oder individuelle Bekanntgabe.
Rechtsfolgen einer Schließung
Vertragsrechtliche Auswirkungen
Die Schließung hat Auswirkungen auf die Vertragsverhältnisse zwischen Eltern und Trägern. Bei vorübergehender Schließung aus Gründen höherer Gewalt sind Beitragsrückforderungen oder -minderungen, je nach individueller Vertragsgestaltung, rechtlich umstritten. Bei dauerhafter Schließung endet das Betreuungsverhältnis regelmäßig durch ordentliche oder außerordentliche Kündigung.
Arbeitsrechtliche Folgen
Wird der Betrieb eingestellt, sind auch die Arbeitsverhältnisse der in der Einrichtung Beschäftigten betroffen. Die arbeitsrechtlichen Bestimmungen zu Kündigungsschutz und Interessenausgleich finden Anwendung. Ein Sozialplan kann erforderlich werden, sofern die Schwellenwerte des Betriebsverfassungsgesetzes überschritten sind.
Kostenerstattung und Ersatzansprüche
Bei behördlich angeordneter Schließung können Träger unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Kostenausgleich oder Entschädigung haben (§ 56 IfSG). Eltern steht bei längerfristigen Schließungen eventuell eine Entschädigungszahlung nach dem Infektionsschutzgesetz zu, wenn sie aufgrund der Betreuung ihrer Kinder Verdienstausfälle erleiden.
Rechtsmittel und gerichtlicher Schutz
Gegen behördliche Schließungsanordnungen stehen die üblichen verwaltungsrechtlichen Rechtsmittel offen. Eine Anfechtung kann im Wege des Widerspruchsverfahrens und gegebenenfalls durch Klage vor dem Verwaltungsgericht erfolgen. In Eilfällen kommt der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (§ 123 VwGO) in Betracht.
Literatur und weiterführende Vorschriften
- Sozialgesetzbuch (SGB) VIII – Kinder- und Jugendhilfe
- Infektionsschutzgesetz (IfSG)
- Landesausführungsgesetze zum SGB VIII
- Kindergarten- und Kindertagesstättengesetze der Länder
- Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – Vertragsverhältnisse
Zusammenfassung
Die Schließung von Kitas und Krippen ist ein komplexer Vorgang, der sowohl das öffentliche Interesse an Kinderschutz und Gesundheit als auch privatrechtliche Interessen der Träger, Eltern und Beschäftigten betrifft. Maßgeblich sind umfangreiche bundes- und landesgesetzliche Regelungen, deren Einhaltung insbesondere im Hinblick auf das Kindeswohl sowie die Verfahrens- und Beteiligungsrechte aller Betroffenen sicherzustellen ist. Rechtsmittel bieten Schutz gegen nicht gerechtfertigte behördliche Maßnahmen.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Schließung von Kitas und Krippen?
Die rechtlichen Grundlagen für die Schließung von Kindertagesstätten und Krippen richten sich primär nach dem jeweiligen Landesrecht, da die Kinderbetreuung in Deutschland Ländersache ist. Zentrale gesetzliche Bezugspunkte sind das Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII) auf Bundesebene sowie die Landesgesetze zum Kindertagesbetreuungsrecht. Die wesentliche Rechtsgrundlage für behördliche Schließungen stellt dabei § 45 SGB VIII dar, der die Erteilung, den Widerruf und die Rücknahme einer Betriebserlaubnis regelt. In Ausnahmefällen können auch das Infektionsschutzgesetz (§ 28 IfSG) oder kommunale Verordnungen einschlägig sein, etwa im Falle von pandemischen Ereignissen oder Gesundheitsgefahren. Entscheidungen über Schließungen werden regelmäßig von den zuständigen Jugendämtern oder Gesundheitsämtern getroffen und müssen schriftlich begründet sowie rechtlich überprüfbar sein. Es besteht zudem ein formalisierter Widerspruchs- und Klagemechanismus gegen diese behördlichen Maßnahmen.
Unter welchen Voraussetzungen darf eine behördliche Schließung erfolgen?
Eine behördliche Schließung von Kitas oder Krippen darf nur unter eng definierten Voraussetzungen erfolgen. Grundsätzlich setzt sie eine konkrete Gefährdung für das Kindeswohl oder die Verletzung von gesetzlichen Auflagen voraus. Beispiele hierfür sind schwerwiegende Mängel in der personellen, baulichen oder konzeptionellen Ausstattung, die eine sichere Betreuung der Kinder nicht gewährleisten. Im Seuchenfall, etwa bei Vorliegen meldepflichtiger Infektionskrankheiten, kann das Gesundheitsamt auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes eine temporäre Schließung anordnen. Die Maßnahme muss verhältnismäßig sein, das heißt, sie muss geeignet, erforderlich und angemessen sein und darf das mildeste geeignete Mittel nicht außer Acht lassen. Zudem bedarf die Schließungsverfügung einer schriftlichen Begründung, um den Rechtsschutz der Träger und Eltern zu sichern.
Welche Rechte haben Eltern bei der Schließung einer Kita oder Krippe?
Eltern haben grundsätzlich ein umfassendes Informations- und Anhörungsrecht bei der Schließung einer Betreuungseinrichtung. Sie sind zeitnah und umfassend über die Gründe, den Umfang sowie die voraussichtliche Dauer der Schließung zu informieren. Zudem haben Eltern ein Widerspruchsrecht gegen die behördliche Schließungsverfügung, sofern sie in ihren Rechten betroffen sind – etwa wenn das Wohl ihres Kindes beeinträchtigt wird oder Betreuungsplätze verloren gehen. Dieses Recht kann in Form eines förmlichen Widerspruchs oder einer verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht werden. Darüber hinaus stehen Eltern oft Ansprüche auf Rückzahlung bereits entrichteter Beiträge oder Ersatzansprüche im Rahmen von Entschädigungsleistungen (z.B. Verdienstausfall nach § 56 IfSG) zu.
Welche Möglichkeiten des Rechtsschutzes gibt es für Kita- und Krippenträger?
Den Trägern einer Kita oder Krippe stehen verschiedene Rechtsschutzmöglichkeiten gegen eine Schließung zur Verfügung. In der Regel beginnt dies mit einem Widerspruchsverfahren gegen die behördliche Verfügung, womit die aufschiebende Wirkung verbunden sein kann, es sei denn, die Behörde ordnet die sofortige Vollziehung explizit an. Im Falle einer sofortigen Vollziehung kann der Träger beim zuständigen Verwaltungsgericht Eilrechtsschutz beantragen (§ 80 Abs. 5 VwGO). Während des gerichtlichen Verfahrens müssen die Sachvorträge ausführlich begründet und die Rechtmäßigkeit der angeordneten Schließung überprüft werden. Kommt das Gericht zu dem Schluss, dass die Schließung rechtlich nicht haltbar ist, kann die Maßnahme aufgehoben oder ausgesetzt werden.
Was gilt bei einer vorübergehenden Schließung aufgrund höherer Gewalt (z.B. Pandemie, Naturkatastrophe)?
Kommt es aufgrund höherer Gewalt, wie einer Pandemie oder einer Naturkatastrophe, zu vorübergehenden Schließungen, greifen besondere gesetzliche Regelungen. Im Fall einer Pandemie ist das Infektionsschutzgesetz maßgeblich und bietet dem Gesundheitsamt die rechtliche Grundlage für temporäre Maßnahmen zur Gefahrenabwehr. Die Schließungsverfügung muss stets verhältnismäßig und befristet sein. Die Träger und Eltern sind im Rahmen der Fürsorge- und Mitwirkungspflichten zur Kooperation verpflichtet, besitzen aber zugleich Rechtsanspruch auf rechtzeitige und nachvollziehbare Information. In solchen Fällen können Eltern auf Entschädigungsleistungen Anspruch haben (z.B. nach § 56 IfSG bei Erwerbsverlust durch notwendige Kinderbetreuung).
Kann die Schließung einer Kita oder Krippe vor Gericht angefochten werden?
Die behördliche Schließung einer Kita oder Krippe stellt einen Verwaltungsakt dar, der sowohl von den Trägern als auch von betroffenen Eltern gerichtlich überprüft werden kann. Der übliche Rechtsweg läuft zunächst über das Widerspruchsverfahren bei der zuständigen Behörde, gefolgt von einer Klage vor dem Verwaltungsgericht, sofern dem Widerspruch nicht stattgegeben wird. In Eilfällen kann zudem ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt werden. Die Gerichte prüfen insbesondere, ob die Schließung formell und materiell rechtmäßig, verhältnismäßig und ausreichend begründet ist. Es besteht die Möglichkeit, die Verfügung vollständig oder teilweise aufzuheben, sofern die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllt sind.
Welche Folgen hat die Schließung für bestehende Betreuungsverträge?
Die Schließung einer Kita oder Krippe wirkt sich unmittelbar auf bestehende Betreuungsverhältnisse aus. In der Regel greift bei behördlichen Schließungen der Grundsatz der Unmöglichkeit der Leistungserbringung nach § 275 BGB. Für Eltern bedeutet dies, dass sie für den Zeitraum der Schließung keine Betreuungsentgelte zahlen müssen oder bereits gezahlte Beiträge anteilig zurückfordern können. Kommt es durch die Schließung zu wirtschaftlichen Nachteilen der Träger, können unter bestimmten Umständen Entschädigungs- und Unterstützungsleistungen beantragt werden (z.B. Kurzarbeitergeld nach § 95 SGB III oder Soforthilfen von Ländern und Kommunen). Die konkreten Regelungen richten sich allerdings nach den vertraglichen Vereinbarungen und gesetzlichen Sonderregelungen im jeweiligen Bundesland.