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Schienenbahn


Rechtliche Einordnung der Schienenbahn

Eine Schienenbahn ist eine auf einem Fahrweg mit festgelegtem Schienenstrang (Gleise) betriebene Eisenbahn oder Straßenbahn und bildet einen zentralen Bestandteil des Schienenverkehrsrechts im deutschen und europäischen Kontext. Die rechtliche Definition und Einordnung von Schienenbahnen ist von maßgeblicher Bedeutung für Betreiber, Infrastrukturunternehmen, Aufsichtsbehörden und die Gesetzesanwendung im Bereich des öffentlichen Verkehrs.

Grundbegriffe und Abgrenzungen

Definition und Legalbegriffe

Das deutsche Recht definiert den Begriff der Schienenbahn in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen, die je nach Art der Bahn und deren Betrieb Anwendung finden. Die maßgeblichen Bestimmungen finden sich insbesondere im Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG), in Landesgesetzen sowie im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) und im BOStrab (Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen).

  • Eisenbahn (§ 2 Abs. 1 AEG): Schienenbahnen sind Einrichtungen, die dem öffentlichen Verkehr auf eigenen Trassen dienen, und gelten grundsätzlich als Eisenbahnen, soweit sie nicht ausschließlich dem lokalen Straßenbahnverkehr zuzurechnen sind.
  • Straßenbahn (§ 4 BOStrab): Im Gegensatz zur Eisenbahn sind Straßenbahnen innerstädtisch, verkehren oft im Straßenraum (Oberfläche), und sind damit regulativ näher an Busverkehre oder andere städtische Verkehrsträger angelehnt.

Abgrenzung zu anderen Bahnsystemen

Neben Eisenbahn und Straßenbahn existieren Spezialformen wie Hochbahnen, Stadtbahnen, S-Bahnen, U-Bahnen sowie Seil- und Schwebebahnen, die im Einzelfall unterschiedlichen gesetzlichen Vorschriften zugeordnet werden können. Die rechtliche Einteilung erfolgt nach technischer Ausgestaltung, Verwendungszweck und deren Integration in den öffentlichen Verkehr.

Gesetzliche Grundlagen und Regelungsbereiche

Eisenbahngesetz (AEG)

Das Allgemeine Eisenbahngesetz stellt die zentrale gesetzliche Grundlage für den Bau, Betrieb und die Nutzung von Schienenbahnen dar, soweit diese als Eisenbahnen im Sinne des Gesetzes einzustufen sind. Das AEG regelt unter anderem:

  • Zulassung und Überwachung von Eisenbahnverkehrsunternehmen und Eisenbahninfrastrukturunternehmen
  • Anforderungen an die technische und betriebliche Sicherheit
  • Zugang zu Eisenbahninfrastruktur für Dritte (Diskriminierungsfreie Netzbenutzung)
  • Organisation der Eisenbahninfrastruktur (z.B. Trassenmanagement, Betreiberpflichten)

Personenbeförderungsgesetz (PBefG) und BOStrab

Straßenbahnen und bestimmte Stadtbahnsysteme fallen hingegen unter das Personenbeförderungsgesetz und die Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen (BOStrab). Die wichtigsten Regelungsinhalte sind:

  • Betriebspflichten und Genehmigungspflichten
  • Anforderungen an Haltestellen, Fahrzeuge und Betriebsführung
  • Regelungen zur Sicherheit, Barrierefreiheit und Fahrgastrechte

Landesrechtliche Vorschriften

In Ergänzung zu den bundesrechtlichen Vorschriften existieren in den einzelnen Bundesländern spezifische Landesregelungen, insbesondere bei kommunalen Schienenbahnsystemen. Diese Landesgesetze konkretisieren die Vorgaben des Bundesrechts im Hinblick auf örtliche Besonderheiten und Zuständigkeiten der Aufsichtsbehörden.

Zulassung, Betrieb und Aufsicht

Zulassungsverfahren für Schienenbahnen

Die Errichtung und der Betrieb von Schienenbahnen bedürfen grundsätzlich einer behördlichen Genehmigung. Das Zulassungsverfahren umfasst:

  • Prüfung technischer Sicherheit und Leistungsfähigkeit der Anlagen
  • Umweltrechtliche Prüfung (z. B. im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung)
  • Vorlage eines Betriebs- und Sicherheitskonzepts

Die Zuständigkeit liegt je nach System bei der Eisenbahn-Bundesamt (Eisenbahn), kommunalen Aufsichtsbehörden (Straßenbahnen) oder sonstigen Landesstellen.

Betriebsverantwortung und Haftung

Betreiber von Schienenbahnen sind für die sichere Funktion der Betriebsanlagen verantwortlich (§ 4 AEG, § 10 BOStrab). Wesentliche Pflichten umfassen:

  • Sorgfaltspflichten im laufenden Betrieb
  • Wartung und Instandhaltung der Infrastruktur und Fahrzeuge
  • Schulung und Eignung des Personals
  • Einhaltung der einschlägigen Vorschriften zum Arbeits- und Umweltschutz

Darüber hinaus unterliegen sie spezifischen Haftungsregelungen, insbesondere im Bereich der Gefährdungshaftung nach BGB (§ 1 Haftpflichtgesetz) und den Vorschriften des Eisenbahnrechts.

Infrastruktur und Zugangspflichten

Durchsetzung von Infrastrukturzugängen

Mit der Liberalisierung des Eisenbahnmarktes sind Betreiber von Schienenbahninfrastruktur verpflichtet, Dritten diskriminierungsfreien Zugang zur Schieneninfrastruktur zu gewähren. Einzelheiten zum Infrastrukturzugang regelt das Eisenbahnregulierungsgesetz (ERegG):

  • Trassenpreisbildung und Kapazitätsmanagement
  • Zugangsbedingungen für Verkehrsunternehmen
  • Regelungen zur Netzentgeltstruktur und Transparenz

Nutzung durch öffentliche und private Akteure

Schienenbahninfrastruktur kann sowohl durch öffentliche Unternehmen (z.B. Deutsche Bahn Netz AG) als auch durch private Betreiber genutzt werden. Besondere Bestimmungen finden sich für den Zugang zu Häfen, Terminalanlagen und Anschlussgleisen.

Technische und betriebliche Sicherheitsanforderungen

Technische Normen und Sicherheitsvorschriften

Schienenbahnen unterliegen detaillierten technischen Vorschriften, die unter anderem in den einschlägigen Eisenbahnbau- und Betriebsordnungen (EBO/BOStrab), den Technischen Spezifikationen für Interoperabilität (TSI) der EU sowie spezifischen DIN- und EN-Normen geregelt sind.

  • Anforderungen an Trasse, Oberbau, Signalanlagen, Fahrzeuge
  • Sicherheitsmanagementsysteme und Meldepflichten bei Betriebsstörungen
  • Vorschriften zur Barrierefreiheit und Unfallverhütung

Überwachung und Sanktionen

Die Einhaltung der Sicherheits- und Betriebsanforderungen wird durch die zuständigen Aufsichtsbehörden überprüft. Bei Verstößen gegen die gesetzlichen Vorgaben kommen bußgeldrechtliche Sanktionen und im Einzelfall auch Betriebsuntersagungen oder Rücknahmen von Genehmigungen in Betracht.

Europarechtliche Grundlagen und Harmonisierung

Europäische Richtlinien zum Eisenbahnrecht

Auf europäischer Ebene erfolgt eine stetige Harmonisierung des Eisenbahnrechts. Die maßgeblichen Richtlinien und Verordnungen, wie das 3. Eisenbahnpaket oder die Verordnung (EU) 2016/798 (Eisenbahnsicherheitsverordnung), regeln:

  • Grenzüberschreitenden Schienenverkehr und Interoperabilität
  • Mindeststandards zur Sicherheit und technischen Zulassung
  • Rechte von Fahrgästen im internationalen Eisenbahnverkehr

Umsetzung in nationales Recht

Die Vorgaben des europäischen Rechts sind im nationalen Eisenbahnrecht umzusetzen. Nationale Behörden wie das Eisenbahn-Bundesamt arbeiten daher eng mit europäischen Einrichtungen, etwa der Europäischen Eisenbahnagentur (ERA), zusammen.

Zusammenfassung

Die Schienenbahn ist im deutschen und europäischen Recht umfassend geregelt. Die rechtliche Einordnung erstreckt sich von der technischen Zulassung und Überwachung über Betriebsverantwortung und Haftung bis hin zu detaillierten Vorschriften zum Infrastrukturzugang und Sicherheit. Zugleich bildet die Schienenbahn einen zentralen Regelungsgegenstand im Rahmen der Verkehrssicherungspflichten, der Marktregulierung und der europäischen Rechtsangleichung. Die Vielzahl der Regelungsbereiche und der stetige Wandel durch neue technische und rechtliche Entwicklungen unterstreichen die Komplexität dieses Rechtsbegriffs.

Häufig gestellte Fragen

Welche Genehmigungen sind für den Bau und Betrieb einer Schienenbahn erforderlich?

Für den Bau und Betrieb einer Schienenbahn sind in Deutschland verschiedene Genehmigungen nach Maßgabe einschlägiger Rechtsvorschriften erforderlich. Grundlage hierfür bietet insbesondere das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG). Grundsätzlich bedarf es einer Planfeststellung gemäß § 18 AEG für die Errichtung oder wesentliche Änderung von Schienenbahnanlagen. Dieser Verwaltungsakt ersetzt zahlreiche andere öffentlich-rechtliche Entscheidungen, sofern sie das Vorhaben betreffen. Neben dem Planfeststellungsverfahren, das auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung beinhalten kann, ist die Betriebsgenehmigung nach § 6 AEG erforderlich. Die zuständige Genehmigungsbehörde ist in der Regel das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) für Bundesbahnen beziehungsweise die jeweilige Landesbehörde für nicht bundeseigene Eisenbahnen. Diese prüft insbesondere die sicherheitsrelevanten Aspekte, die Einhaltung der technischen Normen, den Nachweis der fachlichen Eignung des Betreibers sowie finanzielle und organisatorische Leistungsfähigkeit. Ergänzend können weitere Genehmigungen nach landesrechtlichen Vorgaben – etwa baurechtliche Zulassungen, Immissionsschutzrecht oder wasserrechtliche Belange – einzuhalten sein.

Wer haftet bei einem Unfall auf einer Schienenbahn?

Die Haftungsfrage bei Unfällen im Schienenbahnverkehr ist im Eisenbahnrecht gesondert geregelt. Grundsätzlich gilt für Eisenbahnen eine Gefährdungshaftung nach § 1 Haftpflichtgesetz (HPflG), wodurch der Betreiber schon unabhängig von Verschulden für Schäden haftet, die durch den Betrieb der Bahn verursacht werden. Ergänzende Vorschriften ergeben sich aus dem AEG sowie speziell im Personenverkehr aus dem Eisenbahnverkehrsunternehmen- und Fahrgastrechtegesetz (EVO, Eisenbahnverkehrsordnung). Für Personenschäden besteht darüber hinaus eine Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung gemäß § 7a AEG. Ansprüche können Fahrgäste, Anwohner und Dritte – etwa Straßenverkehrsteilnehmer – geltend machen. Die Haftung kann beschränkt sein, wenn höhere Gewalt, etwa Unwetterereignisse, oder ein nicht zurechenbarer Eingriff Dritter ursächlich waren, wobei die Beweislast beim Betreiber verbleibt. In Einzelfällen können zudem Regressansprüche zwischen Verkehrsträgern oder gegenüber Herstellern von Schienenfahrzeugen bestehen, falls beispielsweise technische Mängel unfallursächlich waren.

Wie ist die Betriebssicherung bei Schienenbahnen rechtlich geregelt?

Die Betriebssicherung von Schienenbahnen unterliegt strengen rechtlichen Vorgaben, die insbesondere auf die Sicherheit der Anlage und des Betriebs abzielen. Maßgeblich ist § 4 AEG, wonach Eisenbahnen verpflichtet sind, den Betrieb so zu führen, dass Sicherheit und Ordnung gewährleistet sind. Zudem regelt die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) detailliert technische und betriebliche Anforderungen an Fahrzeuge, Strecken, Betriebsabläufe und das Personal. Die Einhaltung der Betriebssicherung wird regelmäßig durch das Eisenbahn-Bundesamt oder die jeweilige Landesaufsichtsbehörde kontrolliert; es bestehen umfassende Dokumentations- und Nachweispflichten. Betreiber müssen insbesondere ein Sicherheitsmanagementsystem nachweisen (§ 4d AEG). Für Verstöße gegen betriebliche Sicherheitsvorgaben drohen Bußgelder, behördliche Auflagen oder im Extremfall die Entziehung der Betriebserlaubnis.

Welche Rechte und Pflichten haben Eisenbahnverkehrsunternehmen gegenüber Fahrgästen aus rechtlicher Sicht?

Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) sind nach deutschem und europäischen Recht zu einer Vielzahl von Leistungen und Verhaltensweisen gegenüber Fahrgästen verpflichtet. Gemäß Eisenbahnverkehrsordnung (EVO) und Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 (Fahrgastrechte-Verordnung) müssen EVU unter anderem die Fahrgastbeförderung sicher, pünktlich und zuverlässig gewährleisten, Tarife bekanntgeben, Fahrpläne veröffentlichen sowie für Barrierefreiheit sorgen. Darüber hinaus bestehen Informationspflichten – sowohl im laufenden Betrieb als auch im Störfall. Bei Verspätungen, Ausfällen oder sonstigen Beeinträchtigungen haben Fahrgäste Anspruch auf Entschädigung oder Rückerstattung, abgestuft nach Umfang und Ursache der Störung. Die EVU sind verpflichtet, Beschwerdeverfahren einzurichten und diese transparent abzuwickeln. Im Gegenzug haben Fahrgäste unter anderem die Pflicht zur Zahlung des Fahrpreises und zur Beachtung der Beförderungsbedingungen.

Welche Rolle spielt das Eisenbahn-Bundesamt rechtlich bei Schienenbahnen?

Das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) ist die zentrale Aufsichts- und Genehmigungsbehörde für Schienenbahnen des Bundes gemäß § 5 AEG. Zu seinen gesetzlichen Aufgaben zählen die Erteilung von Genehmigungen für Bau und Betrieb, die regelmäßige Überwachung der Einhaltung von Betriebs- und Sicherheitsvorschriften, die Durchführung von Prüfungen und Inspektionen sowie die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im Eisenbahnsektor. Das EBA ist zudem für die Zulassung von Schienenfahrzeugen, die Anerkennung von Ausbildungsstätten und die Zertifizierung von Sicherheitsmanagementsystemen verantwortlich. Es agiert auch bei der Klärung von Streitigkeiten als Schlichtungs- beziehungsweise Beschwerdeinstanz im Fahrgastbereich. Das EBA arbeitet eng mit europäischen und internationalen Eisenbahnagenturen zusammen, um die Harmonisierung der eisenbahnrechtlichen Vorschriften zu fördern.

Unter welchen Voraussetzungen kann eine Schienenbahn stillgelegt werden?

Die Stilllegung von Schienenbahnen bzw. Eisenbahnbetriebsanlagen ist rechtlich in § 11 AEG geregelt. Voraussetzung ist, dass der Betreiber einen entsprechenden Antrag bei der zuständigen Genehmigungsbehörde stellt. Die Behörde prüft insbesondere, ob die Stilllegung mit öffentlichen Interessen – beispielsweise im Bereich Daseinsvorsorge, Umwelt- oder Denkmalschutz – vereinbar ist. Im Planfeststellungsbeschluss werden Verpflichtungen zur Rückbau von Anlagen oder zur Sicherung von Altlasten festgelegt. Nach einer öffentlichen Ankündigung der Stilllegung kann die Infrastruktur unter bestimmten Bedingungen für eine Übergangsfrist durch Dritte übernommen (sogenannter Infrastrukturzugang) werden; dies dient der Sicherstellung des Schienenverkehrsangebots. Stilllegungen sind frühzeitig bekannt zu machen, Nutzer und Interessensgruppen erhalten Einspruchs- und Anhörungsrechte.

Wie sind die rechtlichen Voraussetzungen für den Zugang zur Schienenbahninfrastruktur?

Der Zugang zur Schienenbahninfrastruktur ist europaweit harmonisiert und richtet sich nach dem Eisenbahnregulierungsgesetz (ERegG) und entsprechenden europäischen Richtlinien (insbesondere RL 2012/34/EU). Demnach haben zugelassene Eisenbahnverkehrsunternehmen ein diskriminierungsfreies Recht auf Nutzung der Schieneninfrastruktur, sofern sie über eine Betriebserlaubnis und eine Trassenbestellung verfügen. Infrastrukturbetreiber müssen Kapazitäten transparent verteilen und Anträge fair behandeln. Die Trassenpreise sind nach klaren, öffentlich zugänglichen Kriterien zu berechnen; Entgeltdiskriminierung ist untersagt. Streitigkeiten über den Zugang oder die Bedingungen werden durch die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde geprüft und entschieden. Besondere Regelungen gelten für grenzüberschreitende Verkehre und spezielle Infrastruktursegmente.