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Schiedsabrede


Begriff und rechtliche Einordnung der Schiedsabrede

Die Schiedsabrede ist ein Begriff des deutschen und internationalen Zivilprozessrechts, der die vertragliche Vereinbarung von Parteien bezeichnet, im Falle von Streitigkeiten aus einem bestimmten Rechtsverhältnis anstelle staatlicher Gerichte ein Schiedsgericht anzurufen. Die Schiedsabrede ist ein wesentliches Element des Schiedsverfahrensrechts und dient der Privatisierung der Streitbeilegung. Sie umfasst sowohl die Schiedsvereinbarung als Hauptvertrag (sogenannter selbständiger Schiedsvertrag) als auch die Schiedsklausel als Nebenabrede innerhalb eines anderen Vertrages.

Formen der Schiedsabrede

Schiedsvereinbarung und Schiedsklausel

Die Schiedsabrede kann in zwei grundlegenden Formen ausgestaltet werden:

  • Schiedsvertrag: Eigenständiger, von den Parteien geschlossener Vertrag, der auch außerhalb eines anderen Rechtsverhältnisses bestehen kann.
  • Schiedsklausel: Vertragsklausel innerhalb eines Hauptvertrages, die sich auf Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit diesem Hauptvertrag bezieht.

Beide Formen haben dieselbe rechtliche Wirkung, sind jedoch im Aufbau unterschiedlich.

Rechtliche Grundlagen

Nationale Regelung im deutschen Recht

Die Schiedsabrede ist hauptsächlich im 10. Buch der Zivilprozessordnung (ZPO), insbesondere in den §§ 1025-1066 ZPO geregelt. Diese Vorschriften erledigen die Anerkennung und Durchsetzung von Schiedssprüchen sowie die Anforderungen an die formelle Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen.

Anforderungen an die Form

Gemäß § 1031 ZPO ist für eine wirksame Schiedsabrede grundsätzlich die Schriftform erforderlich. Die Vereinbarung muss von beiden Parteien unterzeichnet sein, elektronische Übermittlungen, die eine dauerhafte Aufzeichnung ermöglichen, werden ebenfalls anerkannt.

Inhaltliche Anforderungen

Die Schiedsabrede muss einen bestimmt oder zumindest bestimmbaren Gegenstand der Schiedsgerichtsbarkeit festlegen. Gemäß § 1025 Abs. 1 ZPO können grundsätzlich alle vermögensrechtlichen Ansprüche, die der Disposition der Parteien unterliegen, Gegenstand einer Schiedsabrede sein.

Internationale Bedeutung und Übereinkommen

International richten sich Schiedsabreden oft nach den Regelungen des New Yorker Übereinkommens von 1958 (Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards), das die grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen erleichtert. Die in Deutschland gesetzlich geforderten Formerfordernisse entsprechen den internationalen Standards.

Wirkungen der Schiedsabrede

Präklusion des ordentlichen Rechtswegs

Mit Abschluss einer wirksamen Schiedsabrede verpflichten sich die Parteien, im Streitfall ausschließlich ein Schiedsverfahren zu führen. Die staatlichen Gerichte sind grundsätzlich unzuständig (§ 1032 Abs. 1 ZPO). Die Einrede der Schiedsabrede führt dazu, dass Prozesse vor einem staatlichen Gericht als unzulässig abgewiesen werden, sofern die Schiedsabrede gültig ist und den Streitgegenstand umfasst.

Bindungswirkung

Die bindende Wirkung der Schiedsabrede umfasst sämtliche Parteien des ursprünglichen Rechtsverhältnisses. Davon ausgenommen sind Dritte, es sei denn, eine ausdrückliche Erweiterung der Schiedsabrede liegt vor.

Abweichende Regelungen im Arbeitsrecht und Mietrecht

Bestimmte Rechtsbereiche wie das Arbeits- oder Mietrecht unterliegen Einschränkungen: Hier sind Schiedsabreden entweder nicht zulässig oder es wird eine zusätzliche Zustimmung der Parteien (zum Beispiel nach Entstehung des Rechtsstreits) erforderlich.

Anfechtbarkeit und Unwirksamkeit von Schiedsabreden

Mögliche Unwirksamkeitsgründe

Eine Schiedsabrede kann aus verschiedenen Gründen nichtig oder unwirksam sein:

  • Formmängel: Verstoß gegen das Schriftformerfordernis
  • Inhaltliche Unbestimmtheit: Fehlen eines konkret definierten Streitgegenstandes
  • Unvereinbarkeit mit zwingenden gesetzlichen Vorschriften: Unzulässigkeit im Anwendungsbereich zwingenden Rechts (z.B. familienrechtliche Streitigkeiten)
  • Sittenwidrigkeit oder Arglist

Folgen der Unwirksamkeit

Ist die Schiedsabrede unwirksam, können Streitigkeiten wieder vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden. Zudem können bereits begonnene Schiedsverfahren in diesem Fall eingestellt werden.

Auswirkungen auf Verfahrensrecht und Vollstreckung

Verhältnis zu staatlichen Gerichten

Während eines Schiedsverfahrens behalten staatliche Gerichte gewisse Befugnisse, etwa bei der Bestellung von Schiedsrichtern (§ 1035 Abs. 4 ZPO), der Entscheidung über die Zulässigkeit des Schiedsverfahrens (§ 1032 Abs. 2 ZPO) oder bei Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes (§ 1041 Abs. 2 ZPO).

Durchsetzung von Schiedssprüchen

Schiedssprüche stehen nach § 1055 ZPO rechtskräftigen Urteilen gleich und können auf Antrag durch das Gericht für vollstreckbar erklärt werden. Die Durchsetzung im Ausland ist durch das New Yorker Übereinkommen von 1958 wesentlich erleichtert.

Praxisrelevanz und typische Anwendungsbereiche

Schiedsabreden finden insbesondere Anwendung in komplexen nationalen und internationalen Handelsbeziehungen, bei Unternehmenskäufen, im Versicherungsrecht, Bauvertragsrecht sowie in Joint-Venture-Vereinbarungen. Ziel ist meist die Beschleunigung und Vertraulichkeit der Streitbeilegung sowie die Vermeidung öffentlicher Gerichtsverfahren.

Zusammenfassung

Die Schiedsabrede ist ein essentielles Instrument der alternativen Streitbeilegung. Sie entzieht Streitigkeiten der staatlichen Gerichtsbarkeit und verlagert sie auf private Schiedsgerichte. Die rechtlichen Voraussetzungen, Wirkungen sowie Beschränkungen der Schiedsabrede sind im deutschen und internationalen Recht detailliert geregelt und bieten den Parteien weitgehende Dispositionsfreiheit über die Streitbeilegung, unterliegen jedoch bestimmten zwingenden gesetzlichen Grenzen.

Häufig gestellte Fragen

Welche Formerfordernisse gelten für eine Schiedsabrede im deutschen Recht?

Im deutschen Recht regelt § 1031 ZPO die Formerfordernisse für eine Schiedsabrede. Grundsätzlich ist erforderlich, dass die Schiedsvereinbarung schriftlich erfolgt. Die Schiedsabrede kann entweder als eigenständiger Vertrag abgeschlossen oder als Klausel in einem Hauptvertrag aufgenommen werden (sog. Schiedsklausel). Es genügt, wenn die Parteien ihren Willen zur Schiedsgerichtsbarkeit eindeutig und in Textform dokumentieren. Besonderheiten bestehen bei Verbrauchern: Hier muss die Schiedsvereinbarung nach Entstehung der Streitigkeit in einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde getroffen werden (§ 1031 Abs. 5 ZPO). Im elektronischen Rechtsverkehr genügt eine qualifizierte elektronische Signatur. Telefonische oder mündliche Abreden sind grundsätzlich unwirksam.

Kann eine Schiedsabrede sämtliche Streitigkeiten einer Parteienbeziehung erfassen?

Eine Schiedsabrede kann grundsätzlich alle vermögensrechtlichen Ansprüche einer Parteienbeziehung erfassen, sofern die Streitigkeiten schiedsfähig sind. Ausgeschlossen sind jedoch Streitigkeiten, bei denen die staatliche Gerichtsbarkeit zwingend vorgesehen ist, z. B. familienrechtliche Streitigkeiten oder bestimmte arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen. Bei umfassend formulierten Schiedsklauseln („alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag“) ist im Zweifel eine weite Auslegung statthaft, soweit kein gesetzliches Verbot entgegensteht. Nicht erfasst werden regelmäßig Streitfragen, für die eine Schiedsgerichtsbarkeit explizit ausgeschlossen oder durch Gesetz auf ordentliche Gerichte beschränkt ist.

Wie wirkt sich eine Schiedsabrede auf die Zuständigkeit staatlicher Gerichte aus?

Mit Abschluss einer wirksamen Schiedsabrede verpflichten sich die Parteien rechtlich dazu, anstelle der staatlichen Gerichte ein Schiedsgericht anzurufen. Das bedeutet, dass staatliche Gerichte „in der Sache“ grundsätzlich unzuständig sind, sofern sich ein Parteiantrag auf eine der Schiedsvereinbarung unterfallende Streitigkeit bezieht und der Antragsgegner sich auf die Schiedsabrede beruft (§ 1032 Abs. 1 ZPO). Das staatliche Gericht prüft auf entsprechenden Einwand hin nur formell die Wirksamkeit und Reichweite der Schiedsabrede. Ausgenommen hiervon sind Eil- und Sicherungsverfahren, bei denen gewisse staatliche Eingriffe zulässig bleiben (§ 1033 ZPO).

Ist eine Schiedsabrede auch für Rechtsnachfolger und Dritte bindend?

Die Bindungswirkung einer Schiedsabrede bezieht sich zunächst auf die unterzeichnenden Parteien. Sie kann sich jedoch auf Rechtsnachfolger (z. B. Erben, Zessionare) erstrecken, wenn die zugrundeliegenden Rechte und Pflichten übertragen werden und die Schiedsabrede einen unmittelbaren Bezug aufweist. Dritte werden grundsätzlich nicht gebunden, es sei denn, sie treten ausdrücklich oder konkludent in den Vertrag mit Schiedsabrede ein oder werden vertraglich entsprechend beteiligt. In bestimmten Ausnahmefällen (z. B. bei Vertrag zugunsten Dritter) kann sich die Bindungswirkung aus der jeweiligen Vertragsgestaltung und Interessenlage ergeben.

Welche inhaltlichen Mindestanforderungen muss eine Schiedsabrede erfüllen?

Eine Schiedsabrede sollte mindestens folgende Punkte klar regeln: die eindeutige Vereinbarung der Schiedsgerichtsbarkeit, die Parteien, die Gegenstände der schiedsrichterlichen Zuständigkeit und die Verfahrensmodalitäten. Hierzu zählt insbesondere, ob ein institutionelles Schiedsgericht (z. B. DIS, ICC) oder ein ad-hoc-Schiedsgericht vereinbart wird und nach welchen Regeln das Verfahren geführt werden soll. Es ist empfehlenswert, auch den Sitz des Schiedsgerichts und die Zahl der Schiedsrichter festzulegen. Fehlen solche Details, kann dies die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung beeinträchtigen oder zu Auslegungsschwierigkeiten führen; gesetzliche Regelungen greifen dann ergänzend ein.

Kann eine Schiedsabrede nachträglich widerrufen oder einvernehmlich aufgehoben werden?

Eine einmal getroffene Schiedsabrede kann grundsätzlich durch übereinstimmende Erklärung der Parteien aufgehoben werden. Ein einseitiger Widerruf, z. B. weil eine Partei die Schiedsgerichtsbarkeit nachträglich ablehnt, ist rechtlich nicht möglich, es sei denn, die Schiedsabrede sieht dies ausdrücklich vor oder es liegt ein gesetzlicher Anfechtungsgrund (z. B. wegen arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung) vor. Die Aufhebung sollte aus Beweisgründen ebenfalls schriftlich erfolgen, insbesondere wenn sie ursprünglich dem § 1031 ZPO unterlag.

Was passiert, wenn eine Partei trotz Schiedsabrede vor ein staatliches Gericht zieht?

Beruft sich eine Partei im Prozess auf die bestehende Schiedsabrede, ist das angerufene staatliche Gericht gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO verpflichtet, den Rechtsstreit als unzulässig abzuweisen, sofern die Schiedsvereinbarung wirksam und einschlägig ist. Unterlässt die Partei diesen Einwand, findet das Verfahren vor dem staatlichen Gericht statt und das Schiedsverfahren ist zunächst gehemmt. Die Schiedsabrede wirkt in diesem Fall wie eine Einrede; sie entfaltet nur Wirkung, wenn sie rechtzeitig geltend gemacht wird. Ein paralleles Schieds- und Gerichtsverfahren zur selben Sache ist hingegen ausgeschlossen.