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Scheinkaufmann


Scheinkaufmann – Rechtliche Einordnung und Bedeutung im Handelsrecht

Definition des Scheinkaufmanns

Als Scheinkaufmann wird im deutschen Handelsrecht eine natürliche oder juristische Person bezeichnet, die im Geschäftsverkehr den Anschein erweckt, Kaufmann im Sinne des Handelsgesetzbuchs (HGB) zu sein, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen der Kaufmannseigenschaft tatsächlich nicht erfüllt sind. Der Begriff leitet sich aus den Regelungen des Handelsrechts ab und beschreibt keine eigene gesetzliche Kategorie, sondern einen vom Rechtsverkehr erzeugten Rechtsschein mit weitreichenden Folgen.

Rechtliche Grundlagen des Scheinkaufmanns

Kaufmannseigenschaft nach dem HGB

Das deutsche Handelsrecht unterscheidet grundsätzlich verschiedene Kaufmannstypen:

  • Istkaufmann: Betriebsinhaber eines Handelsgewerbes (§ 1 HGB)
  • Kannkaufmann: Betreiber eines Kleingewerbes, der sich ins Handelsregister eintragen lässt (§ 2 HGB)
  • Formkaufmann: Handelsgesellschaften kraft Rechtsform (§ 6 HGB)

Ein Scheinkaufmann erfüllt jedoch keine der vorgenannten Voraussetzungen, verhält sich aber im geschäftlichen Verkehr so, dass Geschäftspartner auf das Vorliegen einer Kaufmannseigenschaft vertrauen.

Normative Einordnung

Das HGB regelt den Scheinkaufmann selbst nicht ausdrücklich, so dass die Figur des Scheinkaufmanns eine Entwicklung aus Rechtsprechung und Rechtslehre darstellt. Grundlage dieses Rechtsinstituts ist der allgemeine Grundsatz des Vertrauensschutzes und die Lehre vom sogenannten „Rechtsschein„.

Voraussetzungen der Scheinkaufmann-Eigenschaft

Damit eine Person als Scheinkaufmann im rechtlichen Sinn behandelt wird, müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:

  1. Setzen eines Rechtsscheins

Die Person muss durch ausdrückliches oder konkludentes Verhalten nach außen den Eindruck erwecken, Kaufmann zu sein (z. B. durch Verwendung einer Firma, Angabe einer Handelsregisternummer oder anderen kaufmännischen Gepflogenheiten).

  1. Gutgläubigkeit des Dritten

Der Geschäftspartner muss das Handeln im Glauben an die bestehende Kaufmannseigenschaft vornehmen und darf keine Kenntnis vom Nichtvorliegen dieser Eigenschaft haben.

  1. Zurechenbarkeit

Das Verhalten, das den Rechtsschein setzt, muss dem vermeintlichen Scheinkaufmann zurechenbar sein, insbesondere bei Wissens- oder Willensmängeln.

  1. Kausalität

Es muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem geschaffenen Rechtsschein und dem Rechtsgeschäft bestehen.

Rechtsfolgen bei Vorliegen eines Scheinkaufmanns

Anwendung handelsrechtlicher Vorschriften

Ist jemand als Scheinkaufmann zu qualifizieren, so gelten ihm gegenüber bestimmte handelsrechtliche Vorschriften analog oder entsprechend. Insbesondere haftet der Scheinkaufmann so, als wäre er tatsächlich Kaufmann, gegenüber Dritten im Geschäftsverkehr (§ 242 BGB – Grundsatz von Treu und Glauben, in Verbindung mit Rechtsinstitut der Rechtsscheinhaftung).

Bindung an Handelsbräuche und Vertragspflichten

Der Scheinkaufmann muss sich an die handelsüblichen Gepflogenheiten und Formalien, wie sie für „echte“ Kaufleute bindend sind, halten. Darunter fallen insbesondere:

  • Formerfordernisse für kaufmännische Bestätigungen
  • Pflichten aus dem Handelsbrauch
  • Vorschriften über den Handelsvertreter, Prokura oder kaufmännisches Bestätigungsschreiben

Keine Eintragung im Handelsregister

Da eine Eintragung im Handelsregister nicht erfolgt oder unzutreffend ist, bestehen keine registerrechtlichen Vertrauensschutzmechanismen, wie sie das HGB für eingetragene Kaufleute vorsieht. Das Handelsregister schützt jedoch über die Regelungen der Firmierung nur, wenn tatsächlich eine Eintragung existiert.

Abgrenzungen zu ähnlichen Rechtsfiguren

Nichtkaufmann

Der Nichtkaufmann betreibt kein Handelsgewerbe und tritt nach außen auch nicht als solcher auf. Es besteht kein entsprechender Rechtsschein.

Falsuskaufmann

Bei einem sogenannten Falsuskaufmann handelt es sich um denjenigen, der fälschlich im Handelsregister eingetragen ist, obwohl kein Handelsgewerbe besteht. Er unterscheidet sich vom Scheinkaufmann dadurch, dass hier eine fehlerhafte, aber existierende Eintragung vorliegt.

Anscheinskaufmann (veraltet)

Historisch wurde der Begriff „Anscheinskaufmann“ neben dem Scheinkaufmann verwendet. Im modernen Handelsrecht überwiegt jedoch der Begriff Scheinkaufmann. Beide Begriffe umschreiben jedoch im Wesentlichen dieselbe Fallkonstellation.

Haftungsfolgen und Schutz des Rechtsverkehrs

Die Figur des Scheinkaufmanns dient in erster Linie dem Schutz des redlichen Rechtsverkehrs. Wer den Anschein der Kaufmannseigenschaft erweckt, soll sich nicht auf das Fehlen eben dieser Eigenschaft berufen können, um sich etwaiger zivilrechtlicher Verpflichtungen zu entziehen. Dies entspricht dem übergeordneten Prinzip des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit.

Beispiele aus der Rechtsprechung

Die Rechtsprechung hat in zahlreichen Entscheidungen herausgearbeitet, worin ein rechtserheblicher Rechtsschein liegen kann. Beispiele sind etwa die Führung einer Firma mit kaufmännischer Bezeichnung, der Auftritt als Geschäftsbetrieb mit Ladenlokal und betriebsüblichem Personal oder die Angabe von kaufmännischen Geschäftsbriefen und Bestellformularen.

Bedeutung in der Praxis

Die praktische Relevanz des Scheinkaufmanns liegt darin, dass im Geschäftsverkehr eine Person, die sich wie ein Kaufmann verhält und so von Dritten behandelt wird, auch die damit verbundenen Rechte und Pflichten tragen muss. Dies dient dem Schutz der Verlässlichkeit von Handelsgeschäften und gewährleistet die Funktionsfähigkeit des Wirtschaftslebens.

Zusammenfassung

Der Scheinkaufmann ist eine im deutschen Handelsrecht entwickelte Rechtsfigur, die darauf abzielt, den Schutz und die Vertrauenswürdigkeit des kaufmännischen Rechtsverkehrs zu sichern. Maßgeblich ist das Auftreten im Geschäftsleben, das die Kaufmannseigenschaft glaubhaft macht, ohne dass sie tatsächlich vorliegt. Aufgrund seiner besonderen Stellung muss der Scheinkaufmann alle damit verbundenen Pflichten im Geschäftsverkehr wie ein tatsächlicher Kaufmann erfüllen, um die berechtigten Interessen der Geschäftspartner zu wahren.


Siehe auch:

Literatur und Quellen:

  • Handelsgesetzbuch (HGB), insbesondere §§ 1-6 HGB
  • Palandt, BGB-Kommentar
  • MüKo-HGB
  • Staudinger, BGB-Kommentar zum Rechtsscheintatbestand
  • Rechtsprechung zum Scheinkaufmann (BGH NJW XX, S. XX)

Häufig gestellte Fragen

Was sind die rechtlichen Folgen, wenn jemand als Scheinkaufmann auftritt?

Wer als Scheinkaufmann auftritt, also nach außen den Anschein erweckt, Kaufmann im Sinne des Handelsrechts zu sein, obwohl die tatsächlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, kann sich gleichwohl bestimmten handelsrechtlichen Regelungen unterwerfen müssen. Maßgeblich ist hier insbesondere der sogenannte Vertrauensschutz Dritter (§ 5 HGB analog), der auf den öffentlich gezeigten Rechtsschein abstellt. Vertragspartner, die auf die Kaufmannseigenschaft vertrauen, können sich wie im echten Fall eines Handelsgeschäfts auf die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs (z.B. Formfreiheit, Untersuchungs- und Rügepflichten, Prokura) berufen. Der vermeintliche Kaufmann wird unter Umständen an seine Rechtsscheinhaftung gebunden und muss wie ein echter Kaufmann handeln, etwa bei der Buchführung oder den handelsrechtlichen Pflichten. Rechtsgeschäfte können wirksam und verbindlich abgeschlossen werden, selbst wenn der objektive Status des Kaufmanns fehlt.

Kann ein Scheinkaufmann Verträge wirksam abschließen und welche Besonderheiten gelten hierbei?

Ein Scheinkaufmann kann grundsätzlich alle rechtsgeschäftlichen Handlungen unternehmen, die einem echten Kaufmann möglich sind, sofern der Vertragspartner gutgläubig ist und auf die Kaufmannseigenschaft vertraut. Rechtlich werden die Verträge so behandelt, als ob sie mit einem echten Kaufmann geschlossen wurden, sodass insbesondere handelsrechtliche Schnellläuferregelungen, wie die sofortige Fälligkeit von Forderungen (§ 271 HGB) und die Formfreiheit handelsrechtlicher Geschäfte, Anwendung finden. Sollte sich jedoch nachträglich herausstellen, dass der Scheinkaufmann eigentlich kein Kaufmann ist, bleiben die bereits geschlossenen Verträge grundsätzlich weiterhin gültig und wirksam. Besonderheiten entstehen insoweit, als dass der scheinbare Kaufmann nicht einfach geltend machen kann, kein Kaufmann zu sein, um sich von Pflichten zu entziehen. Der Vertrauenstatbestand zugunsten Dritter hat insoweit Vorrang.

In welchen Fällen greift die Rechtsscheinhaftung für Scheinkaufleute und wie wird diese begründet?

Die Rechtsscheinhaftung tritt insbesondere dann ein, wenn der Geschäftspartner aufgrund konkreter äußerer Umstände und Erklärungen davon ausgehen darf, mit einem Kaufmann zu verkehren. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn etwa eine Firma im Handelsregister eingetragen ist oder der Betroffene nach außen ein deutliches kaufmännisches Auftreten zeigt (z.B. großes Geschäftslokal, geschäftliche Korrespondenz mit Firmanamen, kaufmännisch geführte Buchhaltung). Rechtlich begründet wird der Rechtsschein regelmäßig nach den Grundsätzen der Anscheins- bzw. Duldungsvollmacht und durch die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs (§ 5 HGB analog) in Verbindung mit dem allgemeinen Vertrauensschutz. Derjenige, der den Rechtsschein gesetzt oder nicht genügend aufgeklärt hat, muss sich so behandeln lassen, als bestehe die behauptete Eigenschaft tatsächlich.

Wie können sich Dritte gegen negative Folgen des Scheinkaufmanns schützen?

Für Dritte besteht die hauptsächliche Schutzmöglichkeit darin, die tatsächlichen Verhältnisse vor Vertragsschluss sorgfältig zu prüfen, etwa durch Einsicht ins Handelsregister und die Überprüfung der tatsächlichen Geschäftsgröße oder Organisationsstruktur. Der Vertrauensschutz entfällt, wenn grobe Fahrlässigkeit auf Seiten des Dritten vorliegt, das heißt, wenn die Anzeichen, dass es sich nicht um einen echten Kaufmann handelt, offensichtlich waren und trotzdem ignoriert wurden. Im Streitfall muss der vermeintliche Scheinkaufmann zudem nachweisen, dass ein solcher Irrtum für den Dritten vermeidbar gewesen wäre. Ansonsten haftet er wie ein echter Kaufmann.

Welche Handelsbräuche und besonderen Vorschriften gelten auch für den Scheinkaufmann?

Auf den Scheinkaufmann finden alle handelsrechtlichen Sondervorschriften Anwendung, die als Ausdruck besonderer kaufmännischer Zuverlässigkeit oder Geschwindigkeit gelten. Das umfasst insbesondere die Regeln über kaufmännisches Bestätigungsschreiben, Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten bei Mängeln, Vertretungsvollmachten (insbesondere Prokura) und die Buchführungspflicht im Sinne des HGB. Weitere Vorschriften betreffen die Rechnungslegung, Handelsbriefe und die Pflicht zur Firmierung unter einer Firmenbezeichnung. Der Scheinkaufmann kann sich, selbst wenn die tatsächlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, nicht auf ein „Nichtkaufmann“-Status zurückziehen.

Welche Haftungsrisiken bestehen für den Scheinkaufmann gegenüber Gläubigern?

Das wesentliche Haftungsrisiko für den Scheinkaufmann besteht darin, dass er wie ein echter Kaufmann für die Erfüllung handelsrechtlicher Pflichten gegenüber Dritten haftet. Wird ein Geschäft abgeschlossen und entsteht daraus eine Forderung, etwa durch Lieferung und Rechnungstellung, so haftet der Scheinkaufmann für deren Erfüllung zu den strengen Maßstäben des Handelsrechts, z. B. für Fehler im kaufmännischen Verkehr, Vertragsverletzungen im gewerblichen Geschäftsverkehr oder Verstöße gegen Buchführungsvorgaben. Gläubiger können sich immer dann auf die Haftung und die besonderen Rechte des Handelsrechts berufen, wenn sie auf den Rechtsschein vertraut haben und der Scheinkaufmann diesen gefördert hat.

Unter welchen Voraussetzungen endet die Eigenschaft als Scheinkaufmann?

Die Scheinkaufmannseigenschaft endet grundsätzlich, wenn der Rechtsschein entfallen ist, beispielsweise durch öffentlichen Widerruf im Handelsregister oder durch sonstige eindeutige Erklärung und tatsächliche Änderung des Auftretens. Nach der sogenannten Rechtsscheintheorie, bleibt die Haftung allerdings für bereits begründete Vertragsverhältnisse bestehen. Erst für zukünftige Geschäfte, die nach Wegfall des Rechtsscheins vorgenommen werden, entfällt die Haftung und Anwendung handelsrechtlicher Sondervorschriften, sofern der Dritte nicht dennoch auf den fortbestehenden Rechtsschein vertrauen durfte. Ein aktives und erkennbares Beenden des scheinbaren Kaufmannstatus ist daher zum Schutz eigener Interessen zwingend zu empfehlen.