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Scheinadoption


Begriff und rechtliche Einordnung der Scheinadoption

Als Scheinadoption wird im deutschen Recht eine Adoption bezeichnet, bei der die Annahme als Kind nicht dem tatsächlichen, nachhaltigen Willen zur Begründung eines Eltern-Kind-Verhältnisses entspricht. Stattdessen dient die Scheinadoption ausschließlich der Erreichung eines rechtsfremden Zwecks, etwa zur Erlangung von Aufenthaltsrechten, zur Verschaffung von Erbvorteilen oder der Umgehung anderer gesetzlicher Vorschriften. Die Scheinadoption ist somit ein Rechtsinstitut, das geprägt ist von einer Diskrepanz zwischen dem offiziell bekundeten Adoptionswillen und den wahren, dahinterstehenden Beweggründen der Beteiligten.

Abgrenzung zur echten Adoption

Während bei einer echten Adoption die Annahme eines Kindes dazu dient, ein echtes Eltern-Kind-Verhältnis mit allen rechtlichen und persönlichen Verpflichtungen zu begründen, fehlt dieser Wille bei der Scheinadoption. Die Beteiligten beabsichtigen hier nicht, eine familiäre Bindung zu schaffen, sondern verfolgen vorrangig sachfremde Ziele. Nach der Rechtsprechung ist eine Adoption nur dann wirksam, wenn der Wille zur Herstellung eines Eltern-Kind-Verhältnisses echtes Gewicht hat.

Rechtliche Grundlagen

Gesetzliche Regelung

Das deutsche Adoptionsrecht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere in den §§ 1741 ff. BGB, geregelt. Voraussetzung für eine rechtmäßige Adoption ist nach § 1741 Abs. 1 BGB, dass die Annahme „nach dem Wohl des Kindes“ erfolgen muss und die Annahme der Herstellung eines Eltern-Kind-Verhältnisses dienen soll. Eine Scheinadoption steht im Widerspruch zu diesen Grundvoraussetzungen.

Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit

Eine Scheinadoption ist als sittenwidrig anzusehen, wenn sie ausschließlich dazu dient, Rechtspositionen zu erschleichen oder gesetzliche Vorschriften zu umgehen. Nach § 138 Abs. 1 BGB sind Rechtsgeschäfte, die gegen die guten Sitten verstoßen, nichtig. Die Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen an den Nachweis der Sittenwidrigkeit einer Adoption; dieser liegt vor, wenn der Wille der Beteiligten, ein Eltern-Kind-Verhältnis zu begründen, nur zum Schein erklärt wurde.

Eine festgestellte Scheinadoption ist gemäß § 1759 BGB i.V.m. § 138 BGB nichtig. Die Nichtigkeit hat zur Folge, dass keinerlei rechtliche Bindungen aus dem Adoptionsverhältnis entstehen. So erfolgen auch keine Abstammungs-, Erb- oder Unterhaltswirkungen.

Rücknahme und Anfechtung

Die Adoption kann gemäß § 1760 BGB auf Antrag rückgängig gemacht bzw. aufgehoben werden, wenn sie unter einer Täuschung oder einem Irrtum geschlossen wurde oder eine Gefährdung des Kindeswohls erkennbar wird. Die Ausforschung und Nachweispflicht einer Scheinadoption obliegt regelmäßig dem Jugendamt oder den zuständigen Adoptionsbehörden, gegebenenfalls unter Zuziehung von Familiengerichten.

Motive und Erscheinungsformen der Scheinadoption

Missbrauchstatbestände

Typische Anwendungsfälle der Scheinadoption liegen in der Erlangung von

  • Aufenthaltsrechten (insbesondere im Zusammenhang mit ausländischen Staatsangehörigen)
  • steuerlichen Vorteilen oder Erbschaftsinteressen
  • Umgehung von gesetzlichen Beschränkungen des Eherechts oder des Namensrechts

Daneben kommt es vor, dass Scheinadoptionen verwendet werden, um etwaigen Unterhaltsansprüchen zu entgehen oder Rechte in anderen Rechtsgebieten zu gestalten.

Prüfungsmechanismen der Behörden

Die Adoptionsvermittlungsstellen und Familiengerichte sind verpflichtet, die Ernsthaftigkeit des Adoptionswillens sorgfältig zu prüfen. Dies geschieht durch persönliche Gespräche, Hausbesuche, Begutachtungen, und die Einholung von Stellungnahmen des Jugendamts. Indizien für eine Scheinadoption können etwa das vollständige Fehlen jeglicher persönlicher Beziehung zwischen Annehmendem und Anzunehmendem oder eine kurze Dauer der Bekanntschaft sein.

Rechtsfolgen der Scheinadoption

Auswirkungen auf betroffene Rechtsgebiete

Werden Scheinadoptionen festgestellt und für nichtig erklärt, entfalten sie keine rechtlichen Wirkungen. Im Erbrecht beispielsweise bleiben gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrechte unberührt. Aufenthaltsrechte, die auf einer solchen Adoption beruhen, entfallen rückwirkend und können zum Erlöschen von Aufenthaltstiteln führen. Im Unterhaltsrecht bestehen keine Verpflichtungen der Scheineltern gegenüber dem Scheinadoptierten oder umgekehrt.

Strafrechtliche Konsequenzen

Die Beteiligung an einer Scheinadoption kann strafrechtliche Relevanz haben. Werden zum Beispiel Behörden vorsätzlich getäuscht, kann dies unter Umständen als Urkundenfälschung (§ 267 StGB), mittelbare Falschbeurkundung (§ 271 StGB) oder Betrug (§ 263 StGB) strafbar sein. Auch das Erschleichen eines Aufenthaltstitels durch eine Scheinadoption kann den Straftatbestand nach dem Aufenthaltsgesetz erfüllen.

Internationale Aspekte der Scheinadoption

Im internationalen Kontext spielen Scheinadoptionen insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalten eine Rolle, etwa wenn eine ausländische Adoption in Deutschland anerkannt werden soll. Nach Art. 23 des Haager Adoptionsübereinkommens können nur solche Adoptionen anerkannt werden, die nicht den Grundsätzen der deutschen öffentlichen Ordnung widersprechen, wozu insbesondere die Vermeidung von Scheinadoptionen zählt. So können Scheinadoptionen, die im Ausland legal geschlossen wurden, in Deutschland die Anerkennung versagt bleiben.

Prävention und Bekämpfung der Scheinadoption

Zur Vermeidung von Scheinadoptionen sieht das deutsche Recht ein mehrstufiges Prüfverfahren durch die Behörden sowie strenge Kontrollmechanismen vor. Die intensive Überprüfung des Adoptionsmotivs und der familiären Verhältnisse sowie die Kontrolle des Kindeswohls sollen Missbrauch verhindern. Schulungen der zuständigen Stellen und die Sensibilisierung für Missbrauchstatbestände tragen zur Prävention in der Praxis bei.

Literatur und weiterführende Informationen

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), §§ 1741 ff.
  • Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, aktuelle Auflage, Kommentierung zu § 1741 BGB
  • Hau, Familienrecht, C.H. Beck Verlag
  • Urteil des Bundesgerichtshofs vom 5. Juni 1985, XII ZB 51/84

Zusammenfassung:
Eine Scheinadoption liegt vor, wenn eine Adoption ohne den echten Willen zur Herstellung eines Eltern-Kind-Verhältnisses allein zur Erreichung sachfremder Ziele erfolgt. Sie ist nach deutschem Recht sittenwidrig und nichtig, entfaltet keinerlei rechtliche Wirkungen und kann strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Die Feststellung, Vermeidung und Ahndung von Scheinadoptionen obliegt den deutschen Adoptions- und Justizbehörden im Interesse des Kindeswohls und der öffentlichen Ordnung.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Konsequenzen hat eine Scheinadoption in Deutschland?

Eine Scheinadoption ist in Deutschland rechtlich unzulässig und wird als Umgehung der gesetzlichen Adoptionsvoraussetzungen betrachtet. Wer an einer Scheinadoption beteiligt ist, macht sich nach § 169 Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar, wenn das Motiv darin besteht, eine rechtlich nicht gewollte Eltern-Kind-Beziehung herzustellen, etwa um aufenthaltsrechtliche Vorteile, Erbrechte oder staatliche Leistungen zu erlangen. Darüber hinaus kann es zur Annullierung der Adoption durch das Familiengericht kommen, sobald deren Unwirksamkeit festgestellt wird. Die Beteiligten müssen zudem mit buß- und strafrechtlichen Sanktionen rechnen, gegebenenfalls drohen auch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche, falls Dritte durch die Scheinadoption benachteiligt wurden. Adoptionsvermittlungsstellen und Jugendämter sind zur Anzeige verpflichtet, wenn sie eine Scheinadoption vermuten.

Ist eine Scheinadoption im Ausland rechtlich bindend und wird in Deutschland anerkannt?

Eine im Ausland durchgeführte Scheinadoption wird in Deutschland nicht ohne Weiteres anerkannt. Das deutsche Recht prüft die Wirksamkeit ausländischer Adoptionsentscheidungen unter dem Aspekt der ordre public (öffentliche Ordnung) gemäß Art. 6 EGBGB. Wird festgestellt, dass die Adoption lediglich zum Schein erfolgte, um rechtliche Vorteile zu erlangen und keine echte Eltern-Kind-Beziehung begründet werden soll, lehnt das deutsche Recht die Anerkennung ab. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Verfahren im Ausland die grundlegenden Anforderungen an das Kindeswohl und den adoptionsrechtlichen Schutz missachtet. Die Anerkennung ausländischer Adoptionsentscheidungen kann daher versagt werden, wenn Anhaltspunkte für eine Scheinadoption vorliegen.

Welche Rolle spielt das Kindeswohl bei der Feststellung einer Scheinadoption?

Das Kindeswohl ist zentraler Maßstab bei allen adoptionsrechtlichen Verfahren in Deutschland. Wenn Behörden, Gerichte oder Adoptionsvermittlungsstellen Anhaltspunkte für eine Scheinadoption erkennen – etwa fehlende persönliche Bindung zwischen Adoptiveltern und Kind oder ausschließlich wirtschaftliche Motive für die Adoption -, wird eine eingehende Prüfung veranlasst. Eine Adoption kann nur dann ausgesprochen beziehungsweise anerkannt werden, wenn sie eindeutig im Interesse des Kindes liegt und eine echte soziale und emotionale Eltern-Kind-Beziehung beabsichtigt ist. Wird das Kindeswohl gefährdet oder ist die Adoption lediglich formal, kann sie abgelehnt oder für unwirksam erklärt werden (§ 1750 BGB).

Welche zivilrechtlichen Folgen kann die Entdeckung einer Scheinadoption haben?

Die Feststellung einer Scheinadoption führt zivilrechtlich in der Regel zur Anfechtung und gerichtlichen Aufhebung der Adoption (§ 1760 BGB). Mit der rechtskräftigen Aufhebung enden alle Rechte und Pflichten, die sich aus dem Adoptivverhältnis ergeben haben, beispielsweise Unterhaltsansprüche, Erbrechte und Vertretungsbefugnisse. Rückabwicklungen und Rückforderungen bereits gewährter Leistungen, insbesondere im Bereich staatlicher Förderungen und sozialrechtlicher Ansprüche, sind möglich. Gegebenenfalls können im Zusammenhang stehende Verträge, wie etwa Schenkungen oder Versicherungsleistungen, angefochten werden, wenn sie einzig im Rahmen der Scheinadoption abgeschlossen wurden.

Gibt es spezielle Ermittlungs- oder Prüfungsverfahren zur Aufdeckung einer Scheinadoption?

Ja, insbesondere Jugendämter und Familiengerichte sind verpflichtet, jede Adoption sorgfältig auf ihre Voraussetzungen hin zu prüfen. Dies umfasst persönliche Gespräche mit den Beteiligten, Hausbesuche sowie die Überprüfung der Lebensverhältnisse und Motive. Verdachtsmomente auf eine Scheinadoption führen zu einer intensiven Überprüfung, bei der Behörden auch verpflichtet sind, gegebenenfalls Ermittlungsbehörden einzuschalten. Insbesondere erfolgt eine Zusammenarbeit mit Ausländerbehörden und Polizei, falls Hinweise auf banden- oder kommerziellen Adoptionsmissbrauch bestehen. Die Aufklärungspflicht besteht auch nach Abschluss des Adoptionsverfahrens, sollten später Anhaltspunkte für eine Scheinadoption bekannt werden.

Welche strafrechtlichen Sanktionen drohen Beteiligten an einer Scheinadoption?

Die Beteiligung an einer Scheinadoption kann mehrere Strafbestände erfüllen. Nach § 169 Abs. 1 Nr. 1 StGB droht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe, wenn durch die Adoption falsche Angaben gemacht oder eine rechtlich unerwünschte Beziehung fingiert wird. Auch Urkundenfälschung (§ 267 StGB) oder Betrug (§ 263 StGB) kommen bei Täuschungshandlungen und Erlangung unrechtmäßiger Vorteile in Betracht. Einfluss auf die Strafzumessung haben unter anderem der Umfang der Täuschung, der verursachte Schaden und die Mitwirkung von Behördenvertretern. Berufsrechtliche Konsequenzen, etwa für beteiligte Rechtsanwälte, können ebenfalls eintreten.

Welche Auswirkungen hat eine Scheinadoption auf bereits erlangte Rechte, wie Staatsangehörigkeit oder Erbrecht?

Wird eine Scheinadoption erkannt und aufgehoben, verlieren die Beteiligten sämtliche daraus abgeleiteten Rechte rückwirkend. Dies betrifft insbesondere Aufenthaltsrechte, die deutsche Staatsangehörigkeit gemäß § 6 StAG und erbrechtliche Positionen nach §§ 1754 ff. BGB. Für die Zukunft können keine Rechte aus dem aufgelösten Adoptivverhältnis mehr geltend gemacht werden; zudem können bereits eingetretene Rechtsfolgen, wie die Einbürgerung, zurückgenommen und bereits erfolgte Erbübertragungen angefochten werden. Auch sozialrechtliche Ansprüche, wie Kindergeld oder Waisenrente, sind zu erstatten, sofern sie ausschließlich auf der Grundlage der Scheinadoption bezogen wurden.