Schachtanlage Asse II: Rechtliche Grundlagen und Rahmenbedingungen
Die Schachtanlage Asse II ist ein ehemaliges Salzbergwerk in der Nähe von Wolfenbüttel im Bundesland Niedersachsen, das in der Bundesrepublik Deutschland insbesondere durch seine Nutzung zur Lagerung radioaktiver Abfälle hohe rechtliche Relevanz erlangt hat. Dieses Bergwerk steht im Zentrum zahlreicher rechtlicher, verwaltungsrechtlicher und umweltrechtlicher Fragestellungen, insbesondere aufgrund seiner wechselnden Betreiberstrukturen und der besonderen Bedeutung für das deutsche Atom- und Umweltrecht.
Begriff und Geschichte der Schachtanlage Asse II
Historie und Nutzung
Die Schachtanlage Asse II wurde ursprünglich zwischen 1906 und 1908 zum Abbau von Kalisalz und Steinsalz errichtet. Ab 1965 fand eine Nutzung als Versuchsendlager zur Einlagerung radioaktiver Abfälle im Auftrag des Bundesforschungsministeriums statt. Bis 1978 wurden schwach- und auch mittelradioaktive Abfälle in verschiedenen Kammern des Bergwerks deponiert. Aufgrund sicherheitstechnischer und rechtlicher Bedenken wurde die Einlagerung eingestellt.
Betreiberwechsel und rechtlicher Status
Seit ihrer Inbetriebnahme und dem Wechsel vom Wirtshafts- zum Versuchsbetrieb hat sich der rechtliche Status der Schachtanlage Asse II mehrfach geändert:
- Betrieb durch die Gesellschaft für Strahlenforschung (heute Helmholtz Zentrum München)
- Übernahme durch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) im Jahr 2009
- Seit 2017: Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE)
Mit jeder Veränderung des Betreibers gingen Anpassungen der rechtlichen Verantwortung, Aufsicht und Pflichten einher.
Rechtliche Grundlagen zur Schachtanlage Asse II
Atomrechtliche Einordnung
Die Schachtanlage Asse II unterliegt zentral dem deutschen Atomgesetz (AtG). Nach § 9a AtG fallen Errichtung, Betrieb und Stilllegung von Einrichtungen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle unter eine besondere gesetzgeberische Regelung. Die Asse II wurde durch eine Änderung im Atomgesetz 2013 ausdrücklich als Atomanlage eingestuft und unterliegt seither dem atomrechtlichen Genehmigungsregime.
Umweltrechtliche Rahmenbedingungen
Wesentlich für die rechtliche Beurteilung ist die Einbindung in das Umweltrecht. Insbesondere das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und das Kreislaufwirtschaftsrecht (KrWG) sind zu berücksichtigen. Diese Gesetze regeln den Schutz von Umwelt, Wasser, Boden und Luft sowie Pflichten zur Prävention und Sanierung von Umweltschäden.
Die Verpflichtungen zur Rückholung der radioaktiven Abfälle aus der Schachtanlage Asse II werden gemäß § 57b Abs. 4 AtG geregelt. Eine Rückholung ist demnach vorgeschrieben, sofern sie „sicherheitstechnisch machbar“ ist und „keine unverhältnismäßig höheren Risiken für Mensch und Umwelt verursacht“.
Aufsichts- und Verwaltungsstruktur
Föderaler Aufbau und Zuständigkeiten
Die rechtliche Aufsicht über die Schachtanlage Asse II liegt in föderaler Struktur vor. Das Bundesumweltministerium (BMUV) führt die Fachaufsicht, während das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie Niedersachsen (LBEG) die bergrechtliche Aufsicht innehat.
Nach Überführung der Anlage in die Zuständigkeit des Bundes gilt seit 2017 die Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH als Betreiber, die als bundeseigener Verwaltungsakteur eine Schlüsselrolle in allen rechtlichen Abläufen spielt. Die atomrechtliche Aufsicht übt weiterhin das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) aus.
Genehmigungsverfahren
Für alle maßgeblichen Veränderungen, insbesondere Maßnahmen zur Rückholung der Abfälle oder zur Flutung, sind im Einklang mit § 7 und § 9b AtG umfangreiche atomrechtliche Genehmigungsverfahren durchzuführen. Diese bedürfen einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) mit Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß §§ 9-11 UVPG.
Wesentliche Rechtliche Fragestellungen
Haftungsrecht
Die Haftung für Schäden, die im Zusammenhang mit der Lagerung radioaktiver Abfälle entstehen, richtet sich nach § 31 ff. AtG. Danach sind sowohl der derzeitige Betreiber als auch die Bundesrepublik Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen haftbar. Die Haftung erstreckt sich auf Sach-, Personen- und Umweltschäden, auch über das Ende der Betriebsphase hinaus.
Verantwortlichkeit und Pflichten
Die rechtlichen Pflichten des Betreibers umfassen insbesondere:
- Sicherstellung des Strahlen- und Umweltschutzes
- Durchführung regelmäßiger Sicherheitsüberprüfungen
- Berichtspflichten gegenüber Aufsichtsbehörden
- Erstellung von Notfall- und Evakuierungsplänen
- Beteiligung betroffener Öffentlichkeit und Interessengruppen gemäß Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) und UVPG
Rechtsfragen zur Rückholung der Abfälle
Die im Jahr 2010 politisch und rechtlich getroffene Entscheidung zur Rückholung der eingelagerten radioaktiven Abfälle wird von mehreren Gesetzen und Verordnungen bestimmt. Nach § 57b Abs. 4 AtG besitzt die Rückholung Vorrang vor einer Anlage- oder Kammerflutung, sofern dies durchführbar ist und das Schutzniveau für Mensch und Umwelt gewahrt bleibt.
Die praktische Umsetzung ist mit vielschichtigen rechtlichen Prüfungen verbunden, darunter:
- Strahlenschutzrechtliche Bewertung gemäß Strahlenschutzgesetz
- Bewertung und Genehmigung durch das BASE
- Vergabe- und Vertragsrecht bei der Auswahl externer Dienstleister
Beteiligung der Öffentlichkeit und Transparenz
Im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung und der Planfeststellungsverfahren sind umfangreiche Beteiligungsrechte für Öffentlichkeit und Betroffene gesetzlich vorgesehen. Die Beteiligung erfolgt u. a. durch Auslegung von Unterlagen, Einwendungsfristen und Anhörungsverfahren. Die Einhaltung der Vorgaben des Umweltinformationsgesetzes (UIG) ist zwingend, sodass Informationspflichten gegenüber der Bevölkerung bestehen.
Völkerrechtliche Einordnung
Die Schachtanlage Asse II ist Teil der deutschen Verpflichtungen aus internationalen Abkommen, insbesondere der „Joint Convention on the Safety of Spent Fuel Management and on the Safety of Radioactive Waste Management“ (Joint Convention). Deutschland berichtet regelmäßig an die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) zu Status, Sicherheitslage und geplanten Maßnahmen.
Zusammenfassung
Die Schachtanlage Asse II stellt einen außerordentlich komplexen Anwendungsfall für das Atom-, Umwelt- und Bergrecht in Deutschland dar. Ihre Geschichte, die rechtliche Entwicklung, die strikten Vorgaben zur Rückholung und der umfangreiche gesellschaftliche Diskurs spiegeln die hohen gesetzlichen Anforderungen und Herausforderungen im Umgang mit radioaktiven Abfällen wider. Die Einbindung nationaler Rechtsnormen und internationaler Verpflichtungen unterstreicht die Bedeutung einer transparenten, rechtssicheren und nachhaltigen Lösung für die Zukunft der Anlage.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist rechtlich für die Schachtanlage Asse II verantwortlich?
Die rechtliche Verantwortung für die Schachtanlage Asse II liegt beim Bund, vertreten durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV). Die konkrete Durchführung, Überwachung und Betriebsführung obliegt der Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE), einer bundeseigenen Gesellschaft. Die BGE handelt dabei im Rahmen des Atomgesetzes (AtG) und des Standortauswahlgesetzes (StandAG) sowie auf Grundlage spezieller Rechtsverordnungen und Genehmigungen. Die atomrechtliche Aufsicht wird durch das niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz wahrgenommen, das als atomrechtliche Aufsichtsbehörde (Landesbehörde) für die Zuständigkeit vor Ort sorgt. Diese komplexe Verantwortungsstruktur ist dem Umstand geschuldet, dass die Asse II eine Altanlage ist und besondere rechtliche Regelungen zu beachten sind, insbesondere bezüglich Rückholung der radioaktiven Abfälle.
Welche Rechtsgrundlagen gelten für den Betrieb und Rückbau der Asse II?
Für Betrieb und Rückbau der Schachtanlage Asse II sind verschiedene Rechtsgrundlagen maßgeblich. Zentrale Vorschriften sind das Atomgesetz (AtG), insbesondere die Vorschriften über die Errichtung, den Betrieb, die Stilllegung und den Abbau von kerntechnischen Anlagen (§§ 7, 7a, 19 AtG). Hinzu kommt das Standortauswahlgesetz (StandAG), das insbesondere für die Endlagerung und Rückholung der radioaktiven Abfälle eine Rolle spielt. Des Weiteren greifen das Strahlenschutzgesetz und die Strahlenschutzverordnung, die den Schutz von Mensch und Umwelt vor ionisierender Strahlung regeln. Die Schachtanlage Asse II unterliegt speziellen atomrechtlichen Genehmigungen und Anordnungen, die von der Aufsichtsbehörde im Einzelfall erteilt und überwacht werden. Auch wasser- und bergrechtliche Vorschriften (Bundesberggesetz) spielen eine Rolle, da es sich ursprünglich um ein Salzbergwerk handelt.
Welche Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte haben Anwohner und Öffentlichkeit?
Die rechtlichen Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte für Anwohner und die Öffentlichkeit sind sowohl im Atomgesetz als auch im Verwaltungsverfahrensgesetz und weiteren umweltrechtlichen Bestimmungen geregelt. Bei wesentlichen Änderungen des Betriebs und vor allem bei Maßnahmen zur Rückholung besteht eine Pflicht zur Öffentlichkeitsbeteiligung, die in Form von Erörterungsterminen, Auslegung der Unterlagen, Einwendungsverfahren und im Rahmen von Umweltverträglichkeitsprüfungen erfolgt. Die Beteiligung eröffnet den Betroffenen und der Öffentlichkeit die Möglichkeit, Einwendungen vorzubringen, die von der Behörde im Entscheidungsverfahren gewürdigt werden müssen. Es bestehen zudem Rechte auf Akteneinsicht und Beschwerde- bzw. Klagebefugnisse gegen behördliche Entscheidungen, insbesondere nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG).
Welche Haftungsregelungen gelten bei Schäden infolge des Betriebs der Asse II?
Im Falle von Schäden, die durch den Betrieb oder Rückbau der Schachtanlage Asse II entstehen, gelten die besonderen Haftungsregelungen des Atomgesetzes. Nach § 25 AtG haftet der Inhaber der kerntechnischen Anlage verschuldensunabhängig für Personen- und Sachschäden, die durch die Wirkung ionisierender Strahlen verursacht werden. Diese Haftung ist grundsätzlich betriebsbezogen und umfasst auch Folgeschäden, die sich etwa aus Leckagen, Freisetzungen radioaktiver Stoffe oder Grundwasserkontaminationen ergeben können. Die Haftung ist finanziell durch gesetzlich vorgeschriebene Deckungsvorsorge (Versicherungen oder andere Sicherheiten) abgesichert. Staatshaftungsansprüche kommen ergänzend in Betracht, sofern die Gefahrenabwehr durch behördliche Fehler beeinträchtigt wurde.
Welche Rolle spielen gerichtliche Verfahren im Zusammenhang mit der Asse II?
Gerichtliche Verfahren im Zusammenhang mit der Schachtanlage Asse II können vielfältige Formen annehmen, vorrangig als Verwaltungsstreitverfahren. Anwohner, Umweltverbände oder andere Betroffene können gegen Genehmigungen, Anordnungen oder Vollzugsmaßnahmen der aufsichtsführenden Behörde klagen, beispielsweise im Rahmen von Anfechtungsklagen oder Verpflichtungsklagen. Auch Verbandsklagen nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz sind möglich, sodass etwa Naturschutzverbände die Rechtmäßigkeit der erteilten atomrechtlichen oder umweltrechtlichen Genehmigungen überprüfen lassen können. Daneben sind zivilrechtliche Klagen, insbesondere im Fall von Schadensersatzansprüchen wegen Pflichtverletzungen oder schädigenden Auswirkungen des Anlagenbetriebs, zulässig. Eine wichtige Rolle spielt hier zudem der Rechtsschutz im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, wenn Sofortvollzug angeordnet wird.
Welche Pflichten bestehen hinsichtlich der Überwachung und Dokumentation?
Die Betreiberin der Asse II ist nach dem Atomgesetz und der Strahlenschutzverordnung verpflichtet, den Betrieb sowie sämtliche Maßnahmen im Zusammenhang mit der Einlagerung, Sicherung und Rückholung der radioaktiven Abfälle fortlaufend zu überwachen und umfassend zu dokumentieren. Hierzu müssen Messdaten über radioaktive Strahlung, Emissionen, Zustand der Anlage sowie alle Betriebs- und Störfälle lückenlos erfasst und aufbewahrt werden. Diese Dokumentations- und Überwachungspflichten werden durch behördliche Auflagen und regelmäßige Kontrollen ergänzt. Zwischenberichte und Jahresberichte sind vorzulegen, die auch der Öffentlichkeit teilweise zugänglich gemacht werden. Die Nichteinhaltung von Dokumentationspflichten stellt eine Ordnungswidrigkeit oder Straftat nach § 46 AtG und entsprechenden Vorschriften dar.
Wie wird das rechtliche Verhältnis zur Endlagerung gelöst, falls die Rückholung der Abfälle nicht gelingt?
Das rechtliche Verhältnis zur Endlagerung der in der Asse II eingelagerten radioaktiven Abfälle ist in einem mehrstufigen Verfahren geregelt: Das Standortauswahlgesetz (StandAG) sieht vor, dass eine Rückholung der Abfälle das vorrangige Ziel ist. Sollte diese technisch, sicherheitstechnisch oder aus anderen zwingenden Gründen nicht möglich sein, müssen nach AtG und StandAG alternative Maßnahmen zur Langzeitsicherung getroffen werden, die einer gesonderten atomrechtlichen Genehmigung bedürfen. Hierfür müssten ein geologisches Langzeitsicherheitskonzept erstellt, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt und eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgen. Die Endlagerung im Sinne des AtG wäre nur zulässig, wenn nachweislich keine zumutbare Rückholungsoption besteht.