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Satzungsgewalt(-befugnis)


Begriff und rechtliche Einordnung der Satzungsgewalt (-befugnis)

Die Satzungsgewalt oder synonym verwendete Satzungsbefugnis bezeichnet die rechtliche Befugnis bestimmter Rechtsträger, insbesondere juristischer Personen des öffentlichen Rechts, verbindliche und allgemeingültige Regelungen in Form von Satzungen zu erlassen. Diese Befugnis stellt ein zentrales Element der Selbstverwaltung und Autonomie von Körperschaften und Anstalten im öffentlichen Recht dar und ist ein bedeutendes Instrument zur Ausgestaltung und Konkretisierung gesetzlicher Vorgaben im Rahmen des jeweiligen gesetzlichen Rahmens.

Wesen und Bedeutung der Satzungsgewalt

Die Satzungsgewalt ermöglicht es dem Satzungsgeber, innerhalb der durch Gesetz eingeräumten Grenzen, eigene Rechtsnormen zu schaffen, die für die Angehörigen oder Mitglieder der Körperschaft verbindlich sind. Satzungen besitzen dabei meist den Charakter von untergesetzlichen Normen, stehen also in der Normenhierarchie unter dem Gesetz, wirken jedoch innerhalb ihres Geltungsbereichs unmittelbar.

Gesetzliche Grundlagen der Satzungsgewalt

Die Satzungsgewalt ist kein allgemeines Recht, sondern beruht stets auf ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage (sog. Voraussetzung des Gesetzesvorbehalts). Für Gemeinden und andere Selbstverwaltungskörperschaften ergibt sich beispielsweise die Satzungsbefugnis aus den Gemeindeordnungen der Bundesländer (§ 24 GO NRW, Art. 28 GG). Auch andere Körperschaften (wie etwa Universitäten, Kammern, Sozialversicherungsträger) erhalten ihre Satzungsbefugnis durch spezielle Gesetze.

Umfang und Grenzen der Satzungsgewalt

Voraussetzungen der Satzungsbefugnis

Die Ausübung der Satzungsgewalt erfordert, dass

  • eine explizite gesetzliche Ermächtigung zur Satzungserlassung besteht,
  • der sachliche und persönliche Anwendungsbereich der Satzung durch Gesetz bestimmt ist,
  • die Satzungsinhalte mit höherrangigem Recht, insbesondere Verfassung und Gesetz, im Einklang stehen.

Schranken der Satzungsgewalt

Die wichtigste Grenze der Satzungsgewalt ist die Bindung an höherrangiges Recht. Satzungen dürfen nicht den Inhalt von Gesetzen verändern oder bestehende Rechtspositionen unzulässig beschränken. Weitere typische Grenzen sind das Bestimmtheitsgebot, das Rückwirkungsverbot, der Grundsatz der Gleichbehandlung sowie die Achtung von Grundrechten.

Rechtliche Wirkung und Überprüfung von Satzungen

Erlassene Satzungen haben innerhalb ihres Geltungsbereichs die Rechtsqualität von Normen und können Grundlage für Verwaltungsakte, Gebühren, Beiträge oder sonstige hoheitliche Maßnahmen sein. Ihre Rechtmäßigkeit kann im Rahmen von gerichtlichen Verfahren überprüft werden. Bei Verstößen gegen höherrangiges Recht sind sie unwirksam bzw. nichtig.

Satzungsgewalt in verschiedenen Bereichen des öffentlichen Rechts

Satzungsgewalt in der kommunalen Selbstverwaltung

Die Gemeinden als Grundform der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaft verfügen über eine originäre Satzungsgewalt. Sie können beispielsweise Satzungen über die Öffentliche Ordnung, Entgelte und Gebühren (Gebührensatzungen), Benutzungsbedingungen (z. B. für Einrichtungen wie Bäder) oder Bebauungspläne (Bauleitplanung) erlassen. Die verfassungsrechtliche Grundlage bildet Art. 28 Abs. 2 GG.

Satzungsbefugnis bei berufsständischen Körperschaften

Kammern (wie Industrie- und Handelskammern, Rechtsanwaltskammern, Ärztekammern) besitzen eine gesetzlich zugewiesene Satzungsbefugnis für den eigenen Wirkungskreis, beispielsweise zur Regelung von Wahlordnungen, Berufspflichten oder Mitgliedsbeiträgen.

Universitäten und Hochschulen

Auch Hochschulen und Universitäten ist durch die jeweiligen Landeshochschulgesetze eine Satzungsbefugnis eingeräumt. Diese erstreckt sich zumeist auf Studien- und Prüfungsordnungen, Immatrikulationsordnungen sowie Fachbereichsordnungen.

Sozialversicherungsträger

Im Bereich der Selbstverwaltung von Sozialversicherungsträgern ermöglicht die Satzungsgewalt die eigenverantwortliche Regelung innergesellschaftlicher Angelegenheiten (z. B. Beitragssatz, Umlagen).

Besonderheiten und Abgrenzungen

Unterschied Satzung – Rechtsverordnung – Verwaltungsvorschrift

Im Gegensatz zur Rechtsverordnung, die von Exekutivorganen auf Grundlage spezieller Ermächtigung mit Außenwirkung erlassen wird, ist die Satzung das autonome Regelungsinstrument der Selbstverwaltungskörperschaft. Eine Verwaltungsvorschrift entfaltet dagegen keine unmittelbare Außenwirkung, sondern regelt das interne Verwaltungshandeln.

Private Satzungsgewalt

Auch im privaten Recht existiert der Begriff der Satzung, etwa im Vereins- oder Aktienrecht, jedoch bezeichnet er dort lediglich die interne Organisationsordnung und ist nicht mit der hoheitlichen Satzungsbefugnis im öffentlichen Recht zu verwechseln.

Rechtsfolgen und Durchsetzung von Satzungen

Normwirkung und Bindungswirkung

Satzungen entfalten mit ihrem Inkrafttreten besondere Normwirkung und sind für die Angehörigen der jeweiligen Körperschaft verbindlich. Sie bilden die Grundlage für Verwaltungsakte, Beiträge und Maßnahmen, deren Verstoß sowohl verwaltungsrechtliche als auch straf- oder bußgeldrechtliche Konsequenzen haben kann.

Kontrolle und Rechtsbehelfe

Die Rechtmäßigkeit einer Satzung kann im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens vor den Verwaltungsgerichten überprüft werden (z. B. nach § 47 VwGO). Bei festgestellter Rechtswidrigkeit ist die Satzung nichtig oder wird aufgehoben.

Zusammenfassung

Die Satzungsgewalt ist ein zentrales Element der Autonomie öffentlich-rechtlicher Körperschaften zur eigenen normativen Ausgestaltung ihrer Angelegenheiten. Sie beruht stets auf gesetzlicher Grundlage und ist strikt an höherrangiges Recht gebunden. Die mittels Satzung geschaffenen Normen haben innerhalb ihres Geltungsbereichs unmittelbare Bindungswirkung und spielen eine wesentliche Rolle im System der rechtsstaatlichen Selbstverwaltung. Die Überprüfung und Kontrolle der Satzungsgewalt ist durch gerichtliche Verfahren gewährleistet, womit Rechtsstaatlichkeit auch im Bereich autonomer Normgebung sichergestellt ist.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rechtsquellen bestimmen die Grenzen der Satzungsgewalt?

Die Grenzen der Satzungsgewalt werden im Wesentlichen durch höherrangiges Recht definiert, insbesondere durch das Grundgesetz, einfache Bundesgesetze sowie Landesgesetze. Für juristische Personen des öffentlichen Rechts, wie etwa Kommunen, ergibt sich die Satzungshoheit vor allem aus dem jeweiligen Landesrecht, insbesondere aus den Gemeindeordnungen der Länder. Dort ist festgelegt, in welchen Angelegenheiten und in welchem Umfang die Satzungsbefugnis besteht. Die Satzungsgewalt findet ihre Grenze stets dort, wo sie gegen höherrangige Rechtsnormen oder Grundrechte verstößt. Satzungen dürfen insbesondere keine Vorschriften enthalten, mit denen in den Schutzbereich von Grundrechten in unzulässiger Weise eingegriffen wird. Auch das sogenannte Rückwirkungsverbot und das Bestimmtheitsgebot sind als rechtliche Schranken zu beachten.

Wer ist typischerweise zur Ausübung der Satzungsgewalt befugt?

Zur Ausübung der Satzungsgewalt sind typischerweise Körperschaften des öffentlichen Rechts befugt. Das können sowohl Gebietskörperschaften wie Gemeinden, Landkreise, Städte oder Kreise sein, als auch sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts wie Kammern (z.B. Industrie- und Handelskammern oder Ärztekammern). In vielen Gesetzen wird ausdrücklich geregelt, welche Institutionen zur Erlassung von Satzungen befugt sind. Die Satzungsbefugnis darf nicht auf Private übertragen werden und steht regelmäßig nur den Organen der jeweiligen Körperschaft zu, etwa dem Gemeinderat bei Kommunen. Die Ausübung der Satzungsgewalt erfolgt oftmals durch ein förmliches Verfahren, das auf Landes- oder Satzungsebene zusätzlich geregelt sein kann.

Welche formellen Anforderungen müssen bei der Ausübung der Satzungsgewalt eingehalten werden?

Bei der Wahrnehmung der Satzungsbefugnis sind verschiedene formelle Anforderungen zwingend zu beachten. Dazu zählt zunächst das Vorliegen einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, die meist im jeweiligen Fachgesetz zu finden ist. Das Satzungsverfahren selbst verlangt in der Regel die ordnungsgemäße Beratung und Beschlussfassung durch das zuständige Organ. Die Satzung muss inhaltlich bestimmt sein und darf nicht gegen das Willkürverbot oder gegen höherrangiges Recht verstoßen. Darüber hinaus sind Formvorschriften etwa zur Bekanntmachung der Satzung zu beachten, die im Landesrecht oder in Vorortsatzungen normiert sind. Die Satzung tritt häufig erst mit ihrer öffentlichen Bekanntmachung in Kraft.

Kann gegen die Ausübung der Satzungsgewalt Rechtsmittel eingelegt werden?

Gegen die Ausübung der Satzungsgewalt sind Rechtsmittel möglich, insbesondere im Wege der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Da Satzungen als untergesetzliche Normen zu werten sind, können sie auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht überprüft werden. Dies kann durch eine Normenkontrollklage vor dem Oberverwaltungsgericht (bzw. Verwaltungsgerichtshof) geschehen. Im Einzelfall kann ein Betroffener auch mittels einer sogenannten Inzidentkontrolle im Rahmen eines konkreten Rechtsstreits die Satzung überprüfen lassen. Die Möglichkeit der gerichtlichen Kontrolle stellt ein wesentliches Korrektiv gegen Missbrauch oder Überschreitung der Satzungsgewalt dar.

Welche Unterschiede bestehen zwischen der Satzungsgewalt und der Verordnungsermächtigung?

Obwohl beide Instrumente, Satzungsgewalt und Verordnungsermächtigung, der Normsetzung dienen, bestehen zwischen ihnen wesentliche Unterschiede. Die Satzungsgewalt ist das Recht juristischer Personen des öffentlichen Rechts, zur Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten Satzungen zu erlassen. Die Verordnungsermächtigung dagegen gestattet in der Regel staatlichen Verwaltungsbehörden auf Grundlage gesetzlicher Ermächtigung allgemeinverbindliche Rechtsnormen (Rechtsverordnungen) für bestimmte Sachverhalte zu erlassen. In der Hierarchie steht die Satzung meist gleichrangig mit einer Rechtsverordnung, im Ausgangspunkt wird sie aber nicht vom Staat, sondern von autonomen (Selbstverwaltungs-)Körperschaften initiiert.

Welche Folgen hat eine Überschreitung der Satzungsgewalt?

Wird die Satzungsbefugnis überschritten, ist die betroffene Satzung beziehungsweise der betreffende Teil der Satzung rechtswidrig. Eine solche Rechtswidrigkeit kann zur Nichtigkeit oder Unwirksamkeit der Satzung führen. Wird eine Satzung beispielsweise ohne ausreichende gesetzliche Ermächtigung oder unter Verletzung höherrangigen Rechts erlassen, kann sie durch das Verwaltungsgericht im Rahmen einer Normenkontrolle aufgehoben werden. In bestimmten Fällen, beispielsweise wenn das Bekanntmachungsverfahren nicht korrekt durchgeführt wurde, kann die Unwirksamkeit der gesamten Satzung eintreten. Die Kontrolle, Korrektur und gegebenenfalls Aufhebung fehlerhafter Satzungen ist daher auch zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit von besonderer Bedeutung.

Kann die Satzungsgewalt durch Gesetz eingeschränkt oder widerrufen werden?

Die Satzungsgewalt ist stets an eine gesetzliche Ermächtigung gebunden und kann daher durch einfaches Gesetz eingeschränkt, ausgestaltet oder sogar gänzlich entzogen werden. Der Gesetzgeber kann zum Beispiel den sachlichen Anwendungsbereich der Satzungsgewalt begrenzen oder Regelungen erlassen, die den Gemeinden oder anderen Körperschaften bestimmte Angelegenheiten zur autonomen Regelung entziehen. Änderungen der gesetzlichen Grundlagen wirken sich unmittelbar auf den Umfang und Bestand der Satzungskompetenz aus. In Einzelfällen kann ein Gesetzgeber eine bestehende Regelungskompetenz sogar rückwirkend außer Kraft setzen, wobei hierbei das Rückwirkungsverbot sowie Vertrauensschutzgrundsätze zu beachten sind.