Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG): Überblick und Bedeutung
Das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (Abkürzung: SAG) ist ein zentrales Gesetz der deutschen Finanzmarktregulierung. Es regelt umfassend die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen, um die Stabilität des Finanzsystems zu sichern, systemische Risiken zu vermeiden und die Rechte von Einlegern zu schützen. Das Gesetz setzt die europäische Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten (Bank Recovery and Resolution Directive, BRRD) in deutsches Recht um und ist ein essentielles Instrument der Bankenaufsicht.
Hintergrund und Gesetzeszweck
Das SAG trat mit Wirkung zum 1. Januar 2015 in Kraft und bildet eine zentrale Säule der nach der Finanzkrise 2008 geschaffenen Bankenunion. Ziel ist es, eine geordnete Bewältigung von Insolvenz- oder Krisensituationen von Kreditinstituten zu ermöglichen, ohne die Stabilität des gesamten Finanzsystems zu gefährden oder staatliche Rettungsmaßnahmen („Bail-out“) zulasten des Steuerzahlers notwendig werden zu lassen.
Geltungsbereich und Anwendungsbereich
Das SAG gilt für Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Mutterunternehmen, Finanzholdinggesellschaften sowie gemischte Finanzholdinggesellschaften, die der deutschen Aufsicht unterliegen. Es schafft damit einen einheitlichen Rechtsrahmen für unterschiedliche Unternehmenstypen der Finanzbranche.
Institutionelle Zuständigkeiten
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
Die BaFin ist für die Durchführung der Regelungen des SAG verantwortlich. Sie arbeitet dabei eng mit der Deutschen Bundesbank und – im Rahmen des Einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM) – mit der europäischen Abwicklungsbehörde, dem Single Resolution Board (SRB), zusammen.
Single Resolution Board
Für bedeutende Institute, die als systemrelevant eingestuft werden, ist das SRB die übergeordnete Abwicklungsbehörde.
Sanierungsplanung gemäß SAG
Verpflichtung zur Erstellung von Sanierungsplänen
Nach §§ 12 ff. SAG sind Institute verpflichtet, sogenannte Sanierungspläne zu erstellen und regelmäßig zu aktualisieren. Diese Pläne müssen Strategien und Maßnahmen enthalten, mit denen das Institut eine kritische Verschlechterung seiner Finanzlage bewältigen kann.
Inhaltliche Anforderungen
Zu den Anforderungen an Sanierungspläne gehören unter anderem Angaben zur Kapital- und Liquiditätsbeschaffung, zur Reduzierung von Risiken und Verbindlichkeiten sowie zur Geschäftsmodellanpassung.
Abwicklungsplanung und -instrumente
Abwicklungspläne
Ab § 42 SAG ist die BaFin berechtigt, für jedes Institut einen Abwicklungsplan zu erstellen, um im Fall einer Unwirtschaftlichkeit oder Insolvenzgefahr die Abwicklung geordnet durchzuführen.
Abwicklungsinstrumente
Das SAG sieht verschiedene Abwicklungsinstrumente vor, darunter:
- Instrument des Verkaufs von Geschäftsbetrieben
- Brückeninstitut
- Ausgliederung von Vermögenswerten
- Bail-in-Instrument (Verrechnung bestimmter Schulden mit Forderungen)
Diese Instrumente ermöglichen eine flexiblere Handhabung von Krisensituationen, ohne den Bankbetrieb abrupt zu unterbrechen.
Gläubigerbeteiligung (Bail-in)
Eine wesentliche Innovation des SAG ist das Bail-in-Instrument. Nach §§ 89 ff. SAG sind bestimmte Gläubigergruppen verpflichtet, im Notfall zur Stabilisierung der Bank beizutragen, indem ihre Forderungen herabgesetzt oder in Eigenkapital umgewandelt werden. Ziel ist es, Verluste vorrangig bei Anteilseignern und Gläubigern zu realisieren und öffentliche Mittel zu schonen.
Einleger- und Verbraucherschutz
Um die Interessen von Kleinanlegern und Verbrauchern zu wahren, sieht das SAG umfassende Schutzmechanismen vor. Einlagen bis zu 100.000 Euro sind durch die gesetzliche Einlagensicherung abgesichert und von bestimmten Abwicklungsmaßnahmen ausgenommen.
Rechtsweg und Rechtsschutz
Entscheidungen und Maßnahmen nach dem SAG können von betroffenen Instituten oder anderen Beteiligten vor den Verwaltungsgerichten überprüft werden. Das Gesetz enthält spezielle Regeln zur Anfechtbarkeit von Anordnungen, um die Funktionsfähigkeit der Abwicklungsmaßnahmen zu gewährleisten und gleichzeitig den Rechtsschutz sicherzustellen.
Verhältnis zu anderen Rechtsvorschriften
Das SAG steht im Zusammenspiel mit anderen bankenaufsichtsrechtlichen Bestimmungen wie dem Kreditwesengesetz (KWG), Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) und der Insolvenzordnung (InsO). Im Falle einer Abwicklung nach SAG gehen die Vorschriften gegenüber der regulären Insolvenzordnung vor.
Internationale Dimension und Zusammenarbeit
In einem zunehmend vernetzten Finanzsystem ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit wesentlich. Das SAG enthält detaillierte Regelungen zur Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden und zur Anerkennung ausländischer Sanierungs- und Abwicklungsverfahren.
Änderungen und Weiterentwicklungen
Seit seinem Inkrafttreten wurde das SAG mehrfach an geänderte EU-Richtlinien und aktuelle Entwicklungen angepasst, etwa durch die Umsetzung des Bankenpakets der EU. Die Weiterentwicklung des Gesetzes erfolgt im Kontext fortschreitender europäischer Integrationsbestrebungen und regulatorischer Initiativen.
Zusammenfassung und Bedeutung
Das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz ist ein zentrales Regelwerk des deutschen Banken- und Finanzmarktrechts. Es legt verbindliche Rahmenbedingungen für Vorsorge, Sanierung und Abwicklung von Instituten fest, garantiert die Stabilität des Finanzsystems und schützt Einleger vor unkontrollierten Verlusten. Das SAG sorgt somit für Vertrauen und Sicherheit im deutschen und europäischen Finanzmarkt.
Weiterführende Literatur und Links
- Gesetzestext des Sanierungs- und Abwicklungsgesetzes auf gesetze-im-internet.de
- Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht: Informationen zum SAG
- Europäische Kommission: Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD)
Kategorie: Bankrecht | Finanzmarktrecht | Insolvenzrecht Deutschland
Häufig gestellte Fragen
Wie läuft das Sanierungsverfahren nach dem Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) ab?
Das Sanierungsverfahren gemäß Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) dient der Wiederherstellung der Finanzstabilität eines in Schwierigkeiten geratenen Instituts. Es beginnt mit dem Eintritt eines frühen Krisenstadiums, in dem das Institut verpflichtet ist, einen Sanierungsplan zu erstellen und laufend zu aktualisieren. Dies geschieht unter Aufsicht der zuständigen Behörde, in Deutschland der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die diesen Plan genehmigen oder Anpassungen verlangen kann. Ziel ist es, die Eigenmittelausstattung zu verbessern und strukturelle Maßnahmen umzusetzen, um drohende Insolvenzgefahren abzuwenden. Im Rahmen des Verfahrens können Restrukturierungen, Maßnahmen zur Liquiditätssicherung und auch Kapitalmaßnamen, wie etwa die Beteiligung von Gläubigern („Bail-in“), vorgesehen werden. Das Gesetz sieht zudem eine enge Zusammenarbeit mit anderen europäischen Aufsichtsbehörden vor, insbesondere bei grenzüberschreitend tätigen Instituten. Die Wirksamkeit der Sanierungsmaßnahmen wird regelmäßig überprüft und dokumentiert, während die Behörde das Recht hat, zusätzliche Maßnahmen anzuordnen oder, bei Scheitern der Sanierung, die Einleitung eines Abwicklungsverfahrens zu erklären.
Welche Rolle spielt die BaFin im Rahmen des Sanierungs- und Abwicklungsgesetzes?
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist die zentrale Überwachungs- und Eingriffsinstanz im Rahmen des SAG. Sie ist verantwortlich für die Prüfung und Billigung der Sanierungspläne, überwacht deren Umsetzung und kann in Krisensituationen eigene Anordnungen zur Gefahrenabwehr treffen. Sie hat darüber hinaus die Befugnis, bei Versagen oder Unzulänglichkeit von Sanierungsmaßnahmen das Abwicklungsverfahren einzuleiten. Dabei nimmt sie die Funktion der nationalen Abwicklungsbehörde wahr, koordiniert den Informationsfluss zwischen betroffenen Instituten, anderen nationalen Behörden und europäischen Gremien (z. B. dem Single Resolution Board). Zudem stellt sie sicher, dass geeignete Instrumente zur Gläubigerbeteiligung (z. B. Bail-in) verfügbar sind und setzt nötigenfalls diese Maßnahmen auch durch Zwangsmaßnahmen gegenüber dem Institut und seinen Organen durch.
Welche Abwicklungsinstrumente stehen im Falle einer drohenden Insolvenz zur Verfügung?
Das SAG stellt einen umfassenden Instrumentenkasten bereit, um Institute im Krisenfall effizient abzuwickeln. Zu den wichtigsten Instrumenten zählen: das Instrument der Unternehmensfortführung (übertragendes Institut), bei dem Vermögenswerte und Verbindlichkeiten auf ein Brückeninstitut übertragen werden; das Instrument der Gläubigerbeteiligung (Bail-in), bei dem bestimmte Verbindlichkeiten in Eigenkapital umgewandelt oder abgeschrieben werden; das Instrument der Unternehmensveräußerung, mit dem Teile oder das gesamte Institut verkauft werden; sowie das Instrument der Vermögensverwaltung, bei dem problematische Vermögenswerte auf ein Zweckgesellschaft („Bad Bank“) übertragen werden. Die Auswahl des Instruments richtet sich nach dem Einzelfall und dem Ziel, die Finanzstabilität zu erhalten, systemische Risiken abzuwenden und Kosten für den Steuerzahler zu vermeiden.
Welche Rechte haben Gläubiger im Abwicklungsverfahren nach dem SAG?
Gläubiger sind durch das SAG geschützt, insbesondere durch das Prinzip „No Creditor Worse Off“ (NCWO). Das bedeutet, dass kein Gläubiger durch die Abwicklungsmaßnahmen schlechter gestellt werden darf, als er im Falle einer normalen Insolvenz des Instituts stünde. Im Rahmen des Abwicklungsverfahrens erhalten Gläubiger entsprechende Ansprüche und werden über Maßnahmen und Eingriffe informiert. Ihre Rechte können z. B. durch Zwangsumwandlung oder Abschreibung berührt werden, es besteht jedoch ein Anspruch auf Entschädigung, falls die Anwendung der Abwicklungsinstrumente zu einer Schlechterstellung im Vergleich zu einer Insolvenz führt. Die Einhaltung dieser Vorgaben wird durch gerichtliche und verwaltungsrechtliche Klagemöglichkeiten ergänzt.
Inwieweit werden Geschäftsleiter und Aufsichtsgremien haftbar gemacht?
Das SAG verpflichtet die Geschäftsleiter und Aufsichtsgremien zu einer frühzeitigen und umfassenden Krisenerkennung, zur Erstellung und fortlaufenden Aktualisierung von Sanierungsplänen sowie zur unverzüglichen Information und Zusammenarbeit mit der Aufsichtsbehörde. Bei Pflichtverletzungen – insbesondere bei unterlassener oder fehlerhafter Krisenvorsorge, Meldung oder Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen – drohen zivilrechtliche Schadenersatzansprüche, aufsichtsrechtliche Sanktionen und in besonders schweren Fällen strafrechtliche Konsequenzen. Die Geschäftsleiter können außerdem persönlich für Verluste haftbar gemacht werden, die aus einer verspäteten Anzeige von Krisensituationen resultieren.
Wie werden internationale und grenzüberschreitende Bankenabwicklungen koordiniert?
Das SAG sieht für international tätige Institute eine enge europäische und internationale Abstimmung vor, um eine koordinierte Sanierung und Abwicklung sicherzustellen. Dies erfolgt insbesondere über die Teilnahme an Abwicklungskollegien, die aus nationalen und internationalen Aufsichtsbehörden bestehen, sowie über die Verpflichtung zur Information und Zusammenarbeit mit dem Single Resolution Board (SRB) und der Europäischen Zentralbank (EZB). Bei grenzüberschreitenden Maßnahmen ist die zeitgleiche und abgestimmte Umsetzung der Abwicklungsinstrumente essentiell, wozu umfangreiche Kooperationsvereinbarungen und rechtliche Mechanismen geschaffen wurden. Die Regelungen gewährleisten, dass auch im internationalen Kontext keine Systemrisiken für das Finanzsystem entstehen und die Rechte von Gläubigern in allen betroffenen Jurisdiktionen gewahrt bleiben.
Welche Rolle spielt der Abwicklungsfonds (Restrukturierungsfonds) im Sanierungs- und Abwicklungsgesetz?
Der Abwicklungsfonds, im deutschen Recht als Restrukturierungsfonds geführt, ist ein Finanzierungsmittel, das im Rahmen des SAG zur Verfügung steht, um die Durchführung von Abwicklungsmaßnahmen zu unterstützen, wenn eine Marktfinanzierung nicht ausreichend ist. Der Fonds wird von den Instituten durch jährliche Beiträge gespeist und kann im Krisenfall Liquiditätshilfen, Garantien oder auch direkte Finanzierungen bereitstellen. Seine Mittel dürfen jedoch ausschließlich eingesetzt werden, wenn zuerst eine umfassende Gläubigerbeteiligung (Bail-in) erfolgt ist und dürfen nicht zur Bankenrettung auf Kosten des Steuerzahlers verwendet werden. Der Fonds unterliegt zudem strengen aufsichtsrechtlichen und haushaltsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich Transparenz, Kontrolle und Mittelverwendung.