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Sanierung von Städten


Sanierung von Städten: Rechtliche Grundlagen und Verfahren

Die Sanierung von Städten stellt ein zentrales Instrument der Stadtentwicklung und Bauleitplanung dar. Sie zielt insbesondere auf die nachhaltige Beseitigung städtebaulicher Missstände, die Aufwertung urbaner Räume sowie die Verbesserung der Lebens- und Umweltqualität ab. Die rechtlichen Grundlagen sind im deutschen Recht primär im Baugesetzbuch (BauGB) sowie in ergänzenden Vorschriften geregelt. Dieser Artikel gibt eine umfassende Übersicht über die rechtliche Definition, die Verfahren, Auswirkungen und die wichtigsten Vorschriften zur stadtsanierung im deutschen Recht.


Begriff und gesetzliche Definition

Städtebauliche Sanierung nach Baugesetzbuch

Die städtebauliche Sanierung ist ein planungsrechtlicher Prozess, der sich auf die §§ 136 bis 164b BauGB stützt. Nach § 136 Abs. 1 BauGB umfasst sie Maßnahmen zur Herstellung nachhaltiger städtebaulicher Strukturen durch die Beseitigung städtebaulicher Missstände in abgegrenzten Stadtgebieten (Sanierungsgebiete). Ziel ist die Wiedernutzbarmachung und Aufwertung von Stadtbereichen mit deutlichen strukturellen, sozialen oder baulichen Defiziten.

Städtebauliche Missstände

Ein städtebaulicher Missstand liegt laut Gesetz insbesondere dann vor, wenn Gebiete in ihrer Funktion oder Gestaltung erheblich beeinträchtigt sind, etwa durch baulichen Verfall, Mängel der Verkehrserschließung, soziale oder wirtschaftliche Problemlagen (vgl. § 136 Abs. 2 BauGB).


Verfahren der Stadtsanierung

Einleitung des Sanierungsverfahrens

Das Verfahren zur Sanierung von Städten beginnt in der Regel mit vorbereitenden Untersuchungen (§ 141 BauGB). Diese dienen der Feststellung der Notwendigkeit einer Sanierung und der Abgrenzung des künftigen Sanierungsgebiets. Die zuständige Gemeinde beschließt dann förmlich die Durchführung der Sanierung und legt das Sanierungsgebiet durch Satzung fest (§ 142 BauGB).

Sanierungssatzung

Die Sanierungssatzung ist das zentrale Rechtsinstrument. Mit deren Inkrafttreten gelten im Sanierungsgebiet besondere bauplanungsrechtliche Vorschriften. Insbesondere sind Genehmigungspflichten für bauliche Veränderungen (§ 144 BauGB) und Vorkaufsrechte der Gemeinde (§ 24 Abs. 1 Nr. 3 BauGB) vorgesehen.

Durchführung der Sanierungsmaßnahmen

Sanierungsmaßnahmen können Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten, die Neuordnung von Grundstücken sowie gezielte soziale oder infrastrukturelle Maßnahmen umfassen. Die Durchführung obliegt meist der Gemeinde, oftmals in Kooperation mit Sanierungsträgern (§ 157 BauGB). Private Rechte der Grundstückseigentümer bleiben grundsätzlich gewahrt, sind aber im Interesse des Sanierungsziels eingeschränkt.

Abschluss der Sanierung

Das Sanierungsverfahren endet mit einer besonderen Abschlusserklärung (§ 162 BauGB). Darin bestätigt die Gemeinde, dass die Ziele der Sanierung erreicht wurden. Nachfolgend werden sämtliche sanierungsrechtlichen Bindungen, wie Genehmigungsvorbehalte nach §§ 144, 145 BauGB, aufgehoben.


Rechtsfolgen und Auswirkungen

Einschränkungen und Genehmigungserfordernisse

Während der Geltung der Sanierungssatzung unterliegen Grundstücksverfügungen, bauliche Maßnahmen und Nutzungsänderungen in einem Sanierungsgebiet umfassenden Genehmigungsanforderungen (§ 144 BauGB). Dies reicht von Kaufverträgen über Mietänderungen bis hin zu größeren Umnutzungs- oder Bauvorhaben.

Entschädigung und Ausgleichspflichten

Eigentümer im Sanierungsgebiet können nach § 153 BauGB bei unzumutbaren Belastungen Ausgleich oder Entschädigung beanspruchen. Zugleich sind sie verpflichtet, zum Sanierungserfolg beizutragen, etwa durch Duldung notwendiger Maßnahmen.

Ausgleichsbetrag

Am Ende des Sanierungsverfahrens kann die Gemeinde von den Eigentümern Ausgleichsbeträge (sog. sanierungsrechtlicher Ausgleichsbetrag gemäß § 154 BauGB) zum Ausgleich von durch die Sanierung gestiegenen Bodenwerten einfordern. Dies dient der Refinanzierung öffentlicher Investitionen.


Besondere Sanierungsmodelle

Sanierung im umfassenden und vereinfachten Verfahren

Das BauGB unterscheidet zwischen dem umfassenden (§§ 152 ff. BauGB) und dem vereinfachten Sanierungsverfahren (§ 142 Abs. 4 BauGB). Im vereinfachten Verfahren gelten bestimmte Vorschriften – etwa zu Ausgleichsbeträgen oder besonderen Genehmigungsvorbehalten – nicht, um flexiblere Abläufe zu ermöglichen.

Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen

Neben der Sanierung kennt das BauGB die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (§§ 165 ff. BauGB) für großräumige Umstrukturierungen, welche teilweise sanierungsähnliche, aber eigene rechtliche Vorgaben hat.


Steuerliche Fördermöglichkeiten und Zuschüsse

Die städtebauliche Sanierung wird durch zahlreiche öffentliche Förderprogramme auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene unterstützt, beispielsweise im Rahmen der Städtebauförderung (§ 164b BauGB). Eigentümer und Investoren können insbesondere von Vergünstigungen wie der erhöhten steuerlichen Abschreibung nach § 7h EStG profitieren.


Abgrenzung zu anderen Instrumenten der Stadtentwicklung

Modernisierung und Instandsetzung außerhalb des Sanierungsrechts

Nicht jede Modernisierung fällt unter den Begriff der städtebaulichen Sanierung im Sinne des BauGB. Kleinere Maßnahmen, die nicht im Rahmen eines Sanierungsgebiets erfolgen, unterliegen den allgemeinen Vorschriften des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts.

Unterschied zur Erhaltungssatzung

Die Erhaltungssatzung gemäß § 172 BauGB unterscheidet sich von der Sanierungssatzung durch ihren engeren Schutzcharakter für vorhandene bauliche Strukturen, etwa bei Milieuschutz oder Denkmalschutz. Die Sanierungssatzung zielt hingegen auf eine umfassende Verbesserungs- und Entwicklungsfunktion.


Rechtsschutz und Mitwirkungsmöglichkeiten

Beteiligung der Betroffenen

Betroffene Eigentümer und Mieter sind im Sanierungsverfahren gemäß den Vorschriften des BauGB umfassend zu beteiligen. Dies umfasst Informationsrechte, Anhörung und Mitwirkungsmöglichkeiten im Rahmen der vorbereitenden Untersuchungen und bei der Satzungsgebung.

Klagemöglichkeiten

Gegen Entscheidungen im Zusammenhang mit stadtsanierungsrechtlichen Maßnahmen kann der Verwaltungsrechtsweg beschritten werden. Rechtsmittel sind insbesondere gegen Sanierungssatzungen oder Genehmigungsverweigerungen möglich.


Fazit

Die Sanierung von Städten ist ein vielschichtig geregeltes Rechtsinstitut, das sich durch ein komplexes Zusammenspiel von öffentlichen und privaten Interessen sowie detaillierten Verfahrensvorgaben auszeichnet. Die rechtlichen Rahmenbedingungen des BauGB bilden dabei den zentralen Referenzrahmen, ergänzt um weitere Vorschriften insbesondere aus dem Steuer- und Förderrecht. Die Kenntnis dieser Regelungen ist für die Planung und Durchführung städtebaulicher Sanierungsprojekte unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist im rechtlichen Sinne Träger der Sanierungsmaßnahme in einer Stadt?

Im rechtlichen Kontext ist der Träger der Sanierungsmaßnahme nach § 136 Baugesetzbuch (BauGB) in der Regel die Stadt oder Gemeinde, auf deren Gebiet die Sanierung durchgeführt wird. Sie trifft die grundlegenden Entscheidungen zur Vorbereitung und Durchführung der Sanierung, erlässt die erforderlichen Satzungen (insbesondere die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets gemäß § 142 BauGB) und ist für die rechtssichere Koordination mit Grundstückseigentümern, Investoren sowie Sanierungsträgern verantwortlich. Die Gemeinde kann zur Durchführung auch einen Sanierungsträger im Sinne von § 157 BauGB beauftragen, bleibt jedoch weiterhin verantwortlich für Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben, insbesondere bei Enteignungen, Ausgleichsleistungen und der Wahrung der Rechte Beteiligter. Die zentrale Rolle des Trägers beinhaltet auch die ordnungsgemäße Dokumentation und die Offenlegung sämtlicher sanierungsrechtlicher Verfahren sowie die Gewährleistung rechtlicher Überprüfbarkeit sämtlicher Einzelmaßnahmen.

Welche Auswirkungen hat die förmliche Festlegung eines Sanierungsgebiets auf bestehende Rechtsverhältnisse?

Mit der förmlichen Festlegung nach § 142 BauGB unterliegt das Gebiet besonderen sanierungsrechtlichen Vorschriften. Für Grundstücke innerhalb des Sanierungsgebiets gelten ab Festlegung umfassende Einschränkungen bei Verfügungen (häufig Genehmigungspflichten gemäß § 144 BauGB für Verkauf, Belastung oder bauliche Veränderungen). Darüber hinaus können städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen beschleunigt durchgeführt werden (bspw. erleichterte Enteignung nach § 85 BauGB). Bestehende Miet- und Pachtverhältnisse bleiben grundsätzlich unberührt, jedoch können Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen rechtlich erzwungen werden, was wiederum Auswirkungen auf die Miethöhe (Mieterhöhung nach Modernisierung, § 559 BGB) haben kann. Rechte Dritter, wie Hypothekengläubiger, bleiben geschützt, müssen jedoch im Rahmen der Sanierungsmaßnahmen gegebenenfalls angepasst werden.

Welche Rechte und Pflichten haben Grundstückseigentümer im Sanierungsgebiet?

Grundstückseigentümer sind verpflichtet, wesentliche Änderungen an ihrem Grundstück (beispielsweise Modernisierungen, Abriss, Nutzungsänderungen) vorab von der Gemeinde genehmigen zu lassen (§ 144 BauGB). Sie müssen Maßnahmen dulden, sofern diese dem Sanierungsziel dienen und im Einzelfall begründet sind. Im Gegenzug haben sie Anspruch auf Ausgleichsleistungen, etwa im Rahmen eines etwaigen Wertausgleichs nach Abschluss der Sanierung (§ 154 BauGB), und können Entschädigungen verlangen, sofern ihnen durch die Sanierung rechtliche Nachteile entstehen, insbesondere bei entschädigungspflichtigen Eingriffen nach §§ 176 ff. BauGB. Grundstückseigentümer sind außerdem zur Mitwirkung bei der Umsetzung sanierungsrechtlicher Anordnungen verpflichtet und müssen Eingriffe in ihre Rechte im Rahmen eines rechtssicheren Verwaltungsverfahrens hinnehmen.

Inwieweit sind Zwangsmaßnahmen wie Enteignungen im Rahmen städtischer Sanierungen rechtlich zulässig?

Enteignungen können nach § 85 ff. BauGB zur Durchsetzung der Sanierungsziele eingesetzt werden, jedoch nur, wenn eine einvernehmliche Einigung mit Eigentümern nicht erzielt werden kann und das öffentliche Interesse an der Sanierung die individuellen Eigentümerinteressen überwiegt. Enteignungen sind mit strengen rechtlichen Hürden versehen: Sie setzen voraus, dass ohne die Maßnahme das Sanierungsziel nicht erreichbar ist und dass etwaige Eingriffe angemessen und verhältnismäßig sind. Der betroffene Eigentümer hat Anspruch auf eine vollständige und zeitnahe Entschädigung nach dem Verkehrswertprinzip. Das Verwaltungsverfahren hierzu ist detailliert im BauGB geregelt, einschließlich Rechtsbehelfs- und Klagemöglichkeiten des Betroffenen.

Wie erfolgt die Finanzierung von Sanierungsmaßnahmen im rechtlichen Rahmen?

Sanierungsmaßnahmen werden vornehmlich aus öffentlichen Mitteln (bspw. Städtebauförderung nach §§ 164 ff. BauGB), Zweckenabgaben (sanierungsbedingte Ausgleichsbeträge nach § 154 BauGB), Eigenmitteln der Gemeinde oder privaten Investitionen finanziert. Öffentliche Fördermittel unterliegen meist Kofinanzierungsverpflichtungen und müssen zweckgebunden verwendet werden. Die rechtliche Grundlage für die Erhebung von Ausgleichsbeträgen regelt die Beteiligung der Grundstückseigentümer an den durch die Sanierung entstehenden, wertsteigernden Maßnahmen. Alle Mittelverwendungen müssen transparent und nachvollziehbar abgerechnet sowie durch die Gemeinde rechtlich kontrolliert werden.

Welche rechtlichen Vorgaben und Verfahrensschritte gelten für Beteiligungsverfahren bei der Stadtsanierung?

Das BauGB sieht umfangreiche Beteiligungsverfahren vor, insbesondere in den §§ 137, 139 und 137 BauGB. Die Gemeinde ist verpflichtet, Öffentlichkeit und Betroffene frühzeitig über beabsichtigte Maßnahmen zu informieren und deren Anregungen einzuholen (frühzeitige Beteiligung). Darüber hinaus muss bei grundlegenden Entscheidungen (z.B. Festlegung des Sanierungsgebiets) eine öffentliche Auslegung erfolgen; alle Einwände müssen rechtlich gewürdigt werden. Beteiligungsrechte bestehen auch hinsichtlich des Einsatzes von Sanierungsträgern, der Endabrechnung sowie im Rahmen von Ausgleichsbetragsfest­setzungen. Die Nichtbeachtung dieser Formalien kann zu Rechtswidrigkeit einzelner Maßnahmen und deren Aufhebung führen.

Was passiert mit bestehenden Bebauungsplänen und Baugenehmigungen in einem Sanierungsgebiet?

Im Sanierungsgebiet können bestehende Bebauungspläne und genehmigte Bauvorhaben von der Sanierungssatzung und den angestrebten Zielen überlagert werden. Rechte aus laufenden Baugenehmigungen bleiben bestehen, es sei denn, sie stehen den Zielen des Sanierungsverfahrens entgegen, und können in Ausnahmefällen aufgehoben oder angepasst werden, was jedoch entschädigungspflichtig sein kann. Neue Bauvorhaben bedürfen meistens einer sanierungsrechtlichen Genehmigung gemäß § 144 BauGB, unabhängig davon, ob bereits eine baurechtliche Genehmigung erteilt wurde. Bebauungspläne können für den Zeitraum der Sanierung außer Kraft gesetzt, angepasst oder durch besondere Sanierungsregelungen ergänzt werden, um die städtebaulichen Ziele umfassend rechtssicher umzusetzen.