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Ruhen der Verjährung


Ruhen der Verjährung

Das Ruhen der Verjährung ist ein bedeutender Begriff im deutschen Recht, der die Hemmung des Ablaufs einer Verjährungsfrist in bestimmten Situationen beschreibt. Die Vorschriften zum Ruhen der Verjährung sichern Ansprüche, indem sie verhindern, dass die Geltendmachung rechtlicher Forderungen durch bestimmte, außerhalb des Einflussbereichs des Berechtigten liegende Umstände behindert wird und dadurch die Verjährung eintritt. Das Ruhen der Verjährung ist von der Hemmung und dem Neubeginn der Verjährung abzugrenzen und findet insbesondere im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) Anwendung.


Definition und Abgrenzung

Das Ruhen der Verjährung bezeichnet einen Zeitraum, in dem eine bereits laufende Verjährungsfrist vorübergehend unterbrochen wird, ohne dass ein Neubeginn oder eine Hemmung im engeren Sinne eintritt. Im Unterschied zur Hemmung, bei der die Verjährungsfrist während des Hemmungsgrundes weiterläuft und lediglich nicht abläuft, „ruht“ beim Ruhen der Verjährung der Fristenlauf vollständig. Nach Wegfall des Ruhegrundes läuft die Verjährungsfrist weiter.

Abgrenzung zur Hemmung und zum Neubeginn

  • Hemmung der Verjährung (§ 203 ff. BGB): Die Verjährungsfrist läuft während der Hemmung weiter, aber der Ablauf der Frist wird verhindert.
  • Neubeginn der Verjährung (§ 212 BGB): Der Neubeginn führt dazu, dass eine neue Verjährungsfrist in voller Länge zu laufen beginnt.
  • Ruhen der Verjährung (§ 205 BGB): Die laufende Verjährungsfrist wird vollständig angehalten und nach Wegfall des Grundes mit der verbleibenden Zeit fortgesetzt.

Gesetzliche Grundlagen

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Die zentrale Rechtsgrundlage für das Ruhen der Verjährung findet sich in § 205 BGB. Dieser stellt das Ruhen der Verjährung unter besonderen Bedingungen für bestimmte Personen sicher.

Wortlaut von § 205 Abs. 1 BGB:
„Die Verjährung gegenüber einem Anspruchsberechtigten, der wegen höherer Gewalt an der Verfolgung seiner Ansprüche im Allgemeinen verhindert ist, ruht, solange dieses Hindernis besteht.“

Weitere Vorschriften zum Ruhen der Verjährung:

  • § 206 BGB: Ruhen bei Ehegatten, Lebenspartnern und bestimmten Verwandten
  • Sonderregelungen im Sozialrecht (§ 44 SGB I), im Handelsrecht (z. B. für Lagerhalter nach § 475b HGB) und im Steuerrecht (§ 171 AO)

Voraussetzungen des Ruhens der Verjährung

Das Ruhen der Verjährung setzt das Bestehen bestimmter rechtlicher oder tatsächlicher Hindernisse voraus, die die Geltendmachung eines Anspruchs faktisch unmöglich machen.

Typische Ruhensgründe

  1. Höhere Gewalt

Ereignisse, die unvorhersehbar, unvermeidbar und außerhalb des Einflussbereichs des Betroffenen liegen (z. B. Naturkatastrophen, kriegerische Ereignisse, Epidemien). Ist ein Gläubiger infolge höherer Gewalt gehindert, seine Rechte wahrzunehmen, ruht die Verjährung, solange das Hindernis andauert.

  1. Besondere persönliche Verhältnisse

– Minderjährigkeit (§ 207 BGB)
– Betreuung oder Vormundschaft, die eine Rechtsverfolgung beeinträchtigt
– Verwandtschaftsverhältnisse (§ 206 BGB): Wenn Ehegatten, Lebenspartner oder Verwandte in gerader Linie sich gegenüberstehen

  1. Rechtshängigkeit

Bestimmte Situationen in besonderen Rechtsgebieten, in denen ein laufender Rechtsstreit oder Verwaltungsverfahren das Ruhen bewirkt.

Abgrenzung zur Hemmung

Während bei der Hemmung der Verjährungsfrist weiterhin Zeit „verbraucht“ wird, steht sie beim Ruhen vollständig still. Auch enden Hemmungsgründe regelmäßig mit Wegfall des Hindernisses, wohingegen das Ruhen nicht automatisch zu einer verlängerten Frist führt; der Fristenlauf setzt lediglich fort.


Rechtsfolgen des Ruhens der Verjährung

Verlängerung der Durchsetzungsfrist

Nach Wegfall des Ruhensgrundes läuft die Verjährungsfrist mit der verbleibenden Dauer weiter. Die bereits vor Eintritt des Ruhens abgelaufene Zeit wird angerechnet.

Wirkung auf verschiedene Anspruchsarten

Das Ruhen der Verjährung findet bei unterschiedlichen Ansprüchen Anwendung, u. a. bei zivilrechtlichen, erbrechtlichen oder familienrechtlichen Ansprüchen, sofern ein gesetzlicher Ruhensgrund erfüllt ist.

Rückwirkende Wirkung

Das Ruhen tritt automatisch bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein. Es bedarf keiner besonderen Geltendmachung durch den Anspruchsberechtigten.


Beispiele aus der Praxis

  • Der minderjährige Erbe kann einen Erbanspruch wegen seines Alters nicht geltend machen. Die Verjährungsfrist für seinen Anspruch ruht bis zur Volljährigkeit (§ 207 BGB).
  • Ein Gläubiger wird infolge einer Naturkatastrophe oder aufgrund eines bewaffneten Konflikts in einer Region daran gehindert, seinen Anspruch durchzusetzen. Die Verjährung ruht so lange, bis die höhere Gewalt vorbei ist (§ 205 BGB).
  • Bei Rücksichtnahme auf nahe Angehörige wie zwischen Ehegatten während bestehender Ehe ruht die Verjährung für bestimmte Ansprüche gegeneinander (§ 206 BGB).

Rechtsfolgen bei Unterbleiben des Ruhens

Wird der Eintritt eines Ruhensgrundes zu Unrecht abgelehnt und die Verjährung läuft ab, kann der Anspruch endgültig verloren gehen. Daher ist die genaue Prüfung und Berufung auf einen Ruhensgrund in der rechtlichen Praxis von erheblicher Bedeutung.


Unterschiede zu internationalen Regelungen

Das Phänomen des Ruhens der Verjährung ist in vielen kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen ähnlich geregelt, während im anglo-amerikanischen Rechtssystems meist andere Mechanismen zur Sicherstellung der Rechtsausübung existieren (z. B. „tolled statutes of limitations“).


Fazit

Das Ruhen der Verjährung stellt einen wichtigen Schutzmechanismus im deutschen Recht dar, der die Durchsetzung von Ansprüchen bei Vorliegen außergewöhnlicher Hinderungsgründe ermöglicht. Durch eine strikte gesetzliche Regelung wird sichergestellt, dass in besonderen Lebens- und Ausnahmesituationen der Anspruchsinhaber vor dem Verfall seiner Rechte geschützt wird. Die praxisrelevanten Anwendungsfälle und gesetzlichen Fundstellen machen das Ruhen der Verjährung zu einem zentralen Bestandteil des Verjährungsrechts und erfordern genaue Kenntnisse über die Voraussetzungen und Rechtsfolgen dieses Rechtsinstituts.

Häufig gestellte Fragen

Welche Auswirkungen hat das Ruhen der Verjährung auf bestehende Ansprüche?

Das Ruhen der Verjährung bewirkt, dass der Ablauf der Verjährungsfrist für einen bestimmten Zeitraum gehemmt wird, ohne dass die bereits verstrichene Zeit verloren geht. Während des Ruhens läuft die Verjährungsfrist nicht weiter, sondern steht still. Nach Beendigung des Ruhens wird die Verjährung fortgesetzt, als ob die Zeit des Ruhens nicht existiert hätte. Dies kann insbesondere für Gläubiger von Bedeutung sein, da ihre Ansprüche während des Ruhens nicht durch den Fristablauf erlöschen können. Zu beachten ist, dass für den Zeitraum des Ruhens nicht ein vollständiger Neubeginn der Verjährung erfolgt, sondern lediglich die „Uhr“ angehalten wird. Der genaue Beginn und die Dauer des Ruhens richten sich stets nach den gesetzlichen Vorgaben und dem Vorliegen der jeweiligen Ruhensvoraussetzungen; beispielsweise etwa bei einem Leistungsverweigerungsrecht oder in bestimmten familienrechtlichen Konstellationen.

Unter welchen Voraussetzungen tritt das Ruhen der Verjährung ein?

Das Ruhen der Verjährung tritt nur unter besonderen, ausdrücklich im Gesetz geregelten Umständen ein. Zu den wichtigsten Voraussetzungen zählt, dass entweder gesetzlich festgeschriebene persönliche oder rechtliche Hindernisse vorliegen, die eine Rechtsverfolgung unmöglich oder unzumutbar machen. Beispiele hierfür sind Situationen, in denen zwischen nahen Angehörigen besondere Vertrauensverhältnisse bestehen (etwa bei Ehegatten oder Eltern und Kindern nach § 207 BGB), oder wenn die Durchsetzung eines Anspruchs kraft Gesetzes für eine bestimmte Dauer ausgesetzt ist. Ebenso kann das Ruhen zum Tragen kommen, wenn ein Leistungsverweigerungsrecht besteht, etwa aufgrund höherer Gewalt oder staatlicher Anordnungen. Das Ruhen hängt somit immer von der konkreten gesetzlichen Regelung ab und tritt nicht automatisch bei jeder Verhinderung ein.

Wann endet das Ruhen der Verjährung und wie wird die Verjährungsfrist fortgesetzt?

Das Ruhen der Verjährung endet grundsätzlich mit dem Wegfall des Ruhensgrundes. Dies geschieht, wenn das gesetzliche Hindernis oder das besondere Vertrauensverhältnis, das zum Ruhen geführt hat, nicht mehr besteht. Beispiele sind das Ende einer Ehe oder das Erreichen der Volljährigkeit eines Kindes im Fall von § 207 BGB. Nach Beendigung des Ruhens läuft die noch verbleibende Verjährungsfrist weiter, wobei die während des Ruhens verstrichene Zeit nicht angerechnet wird. Wurde beispielsweise nach Eintritt des Ruhens schon ein Jahr der dreijährigen Verjährungsfrist verbraucht, verbleiben nach Ende des Ruhens noch zwei Jahre bis zum Eintritt der Verjährung.

Wie unterscheidet sich das Ruhen der Verjährung von der Hemmung der Verjährung?

Das Ruhen und die Hemmung der Verjährung unterscheiden sich insbesondere in ihren gesetzlichen Voraussetzungen und rechtlichen Wirkungen. Während das Ruhen der Verjährung während bestimmter gesetzlicher Ereignisse oder persönlicher Verhältnisse eintritt und die Uhr der Verjährungsfrist für die Dauer des Ruhens stehenbleibt, wird bei der Hemmung die Frist nach Wegfall des Hemmungsgrundes grundsätzlich erneut in voller Länge in Gang gesetzt. Beispielsweise hemmt die Einreichung einer Klage die Verjährung (§ 204 BGB), während beim Ruhen die Frist nach Beseitigung des Hindernisses wie zuvor weiterläuft. Beide Instrumente dienen jedoch dem Schutz des Gläubigers, damit seine Ansprüche durch außergewöhnliche Hindernisse nicht unverhältnismäßig vereitelt werden.

Ist eine vertragliche Vereinbarung zum Ruhen der Verjährung zulässig?

Im deutschen Zivilrecht kann das Ruhen der Verjährung grundsätzlich nicht durch individuelle Vereinbarungen zwischen den Parteien herbeigeführt werden. Das Ruhen ist vielmehr ein gesetzlich normierter Fall, dessen Voraussetzungen ausschließlich im Gesetz geregelt sind (vgl. §§ 206 ff. BGB). Eine vertragliche Regelung, mit der das Ruhen außerhalb dieser gesetzlichen Vorgaben vereinbart werden soll, wäre daher in der Regel unwirksam. Die Parteien können jedoch Vereinbarungen zur Hemmung oder zum Neubeginn der Verjährung treffen, soweit dies nicht gegen gesetzliche Verbote verstößt. Für das Ruhen selbst bleibt es bei den im Gesetz abschließend geregelten Tatbeständen.

Welche gesetzlichen Vorschriften regeln das Ruhen der Verjährung?

Das Ruhen der Verjährung ist vor allem in den §§ 206 bis 209 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt. Dort werden die verschiedenen Fallgruppen, in denen das Ruhen eintritt – wie etwa bei Leistungsverweigerungsrechten (§ 206 BGB) oder bei bestimmten persönlichen Beziehungen (§ 207 BGB) – detailliert beschrieben. Darüber hinaus enthalten auch einzelne Spezialgesetze, etwa im Bereich des Familienrechts oder des Sozialgesetzbuches, Sonderregelungen zum Ruhen der Verjährung. Die Anwendung und Auslegung dieser Vorschriften ist regelmäßig Gegenstand gerichtlicher und rechtswissenschaftlicher Auseinandersetzungen.