Legal Lexikon

Rom III


Definition und Anwendungsbereich der Rom III-Verordnung

Die Rom III-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 1259/2010) ist eine Rechtsvorschrift der Europäischen Union, die die Bestimmung des auf die Ehescheidung und die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes (Trennung von Tisch und Bett) anzuwendenden Rechts innerhalb der Mitgliedstaaten regelt. Sie ist Teil der sogenannten „Rom-Verordnungen“, welche die internationale Privatrechtsordnung im europäischen Rechtsraum harmonisieren und wurde am 20. Dezember 2010 erlassen. Rom III gilt seit dem 21. Juni 2012 und ist unmittelbar in den teilnehmenden Mitgliedstaaten anwendbar.

Die Rom III-Verordnung dient in erster Linie dazu, zu bestimmen, nach welchem nationalen Recht eine Scheidung oder Trennung zu beurteilen ist, sofern eine solche Entscheidung grenzüberschreitende Elemente oder unterschiedliche Staatsangehörigkeiten oder gewöhnliche Aufenthalte der Ehegatten aufweist. Die Verordnung gewährleistet Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und einen erhöhten Schutz für die schwächeren Ehegatten im europäischen Rechtsraum.


Hintergrund und Zielsetzung der Rom III-Verordnung

Harmonisierung des internationalen Privatrechts

Ziel der Verordnung ist die Harmonisierung der Rechtsvorschriften zum internationalen Privatrecht im Bereich der Ehescheidung und Trennung. Durch die Vereinheitlichung der Kollisionsnormen soll erreicht werden, dass in den Mitgliedstaaten ein einheitliches System zur Bestimmung des anwendbaren Rechts bei grenzüberschreitenden Eheangelegenheiten besteht.

Ermächtigungsgrundlage

Die Rom III-Verordnung basiert auf dem Instrument der „verstärkten Zusammenarbeit“ gemäß Artikel 326 ff. AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union), da keine Einstimmigkeit aller EU-Mitgliedstaaten herzustellen war. Sie wird daher nur in den teilnehmenden Staaten angewendet.

Beteiligte Mitgliedstaaten

Nicht alle EU-Mitgliedstaaten nehmen an der Rom III-Verordnung teil. Die teilnehmenden Staaten umfassen: Belgien, Bulgarien, Deutschland, Estland, Frankreich, Griechenland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Ungarn, Malta, Österreich, Portugal, Rumänien, Slowenien, Spanien und die Niederlande. Weitere Staaten wie Polen oder das Vereinigte Königreich waren bei Inkrafttreten nicht beteiligt.


Sachlicher Anwendungsbereich

Die Verordnung findet Anwendung auf:

  • Ehescheidung
  • Trennung ohne Auflösung des Ehebandes (Trennung von Tisch und Bett)

Sie gilt nicht für:

  • Ungültigerklärung der Ehe
  • Fragen zum ehelichen Güterstand
  • Unterhaltspflichten
  • Kindschaftsrecht

Die Verordnung berührt also ausschließlich die Scheidungs- oder Trennungsfrage als solche, nicht deren vermögensrechtliche oder elterliche Folgesachen.


Regelungen der Rom III-Verordnung

Bestimmung des anzuwendenden Rechts (Art. 5-8 Rom III)

Gesetzeswahl durch die Ehegatten (Art. 5 Rom III)

Die Ehegatten können das auf ihre Scheidung oder Trennung anwendbare Recht frei wählen. Diese Rechtswahl muss ausdrücklich vereinbart werden und schriftlich erfolgen. Wahlmöglichkeiten bestehen:

  • Das Recht des Staates, in dem die Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben bzw. zuletzt hatten,
  • das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit die Ehegatten besitzen,
  • das Recht des Staates des angerufenen Gerichts (lex fori).

Die Rechtswahl wird durch bestimmte Formvorschriften und Schutzmechanismen flankiert, sodass die Parteien keine nachteiligen Überraschungen erleiden.

Fehlt eine Rechtswahl: Objektive Anknüpfung (Art. 8 Rom III)

Kommt es zu keiner Rechtswahl, bestimmt sich das anwendbare Recht nach folgenden Kriterien, in hierarchischer Reihenfolge:

  1. Gewöhnlicher Aufenthalt der Ehegatten im Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts,
  2. letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt, sofern einer der Ehegatten diesen noch beibehält,
  3. Staatsangehörigkeit beider Ehegatten im Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts,
  4. Andernfalls das Recht des Staates des angerufenen Gerichts (lex fori).

Der Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ wird unionseinheitlich und autonom interpretiert, orientiert sich jedoch an der tatsächlichen Lebensführung, Dauer und Zeugenaussagen.


Grenzen und Schutzmechanismen

Öffentliche Ordnung (ordre public, Art. 12 Rom III)

Artikel 12 erlaubt den Mitgliedstaaten, die Anwendung einer ausländischen Rechtsordnung zu versagen, wenn diese mit den Grundwerten des Forum-Staates (insbesondere Grundrechte) unvereinbar ist. Beispiele sind das absolute Scheidungsverbot oder diskriminierende Vorschriften.

Rück- und Weiterverweisung (Art. 10, 13 Rom III)

Rom III schließt „Rückverweisungen“ (renvoi) aus und sichert damit die Autonomie des europäischen Kollisionsrechts. Eine Rückverweisung auf das Recht eines Drittstaates bleibt außer Betracht, maßgeblich ist stets das unmittelbar als anwendbar bezeichnete Recht.

Sonderregelungen (Art. 10 Rom III)

Kommt eine Scheidung nach dem eigentlich maßgeblichen Recht nicht in Betracht (etwa weil das Recht sie nicht kennt), kann das Recht des Staates des angerufenen Gerichts angewandt werden.

Ausnahmen für Gleichgeschlechtliche Ehen (Art. 13 Rom III)

Enthält das Recht des angerufenen Staates keine Vorschriften für Scheidung gleichgeschlechtlicher Ehen (etwa weil solche nicht anerkannt werden), ist dieser Staat nicht verpflichtet, daran mitzuwirken.


Verhältnis zu anderen Rechtsakten

Die Rom III-Verordnung regelt ausschließlich die kollisionsrechtliche Frage des anwendbaren Rechts bei Scheidung und Trennung. Für andere familienrechtliche Fragestellungen kommen folgende Regelungen zur Anwendung:

  • Brüssel IIa-Verordnung (Nr. 2201/2003): Zuständigkeit und Anerkennung/Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und elterlicher Verantwortung
  • Rom I-Verordnung (Nr. 593/2008): Schuldverhältnisse aus Verträgen
  • Rom II-Verordnung (Nr. 864/2007): Außerhalb von Verträgen bestehende Schuldverhältnisse
  • Europäisches Unterhaltsverordnung (EG) Nr. 4/2009: Unterhaltsansprüche zwischen Ehegatten oder Eltern und Kindern

Bedeutung der Rom III-Verordnung im internationalen Kontext

Die Rom III-Verordnung stellt ein zentrales Instrument innerhalb der europäischen Familienrechtsordnung dar, weil sie länderübergreifende Scheidungen und Trennungen planbarer und rechtssicher gestaltet. Sie stärkt insbesondere die Rechte der Ehegatten in binationalen Ehen durch die Möglichkeit der Rechtswahl und objektive Anknüpfung sowie durch die Absicherung gegen willkürliche Benachteiligungen.


Zusammenfassung

Die Rom III-Verordnung harmonisiert in den teilnehmenden Mitgliedstaaten das internationale Privatrecht bei Ehescheidungen und Trennungen. Sie regelt, welches Recht zur Anwendung kommt, gibt den Ehegatten vielfältige Wahlrechte und sieht Schutzmechanismen zur Wahrung elementarer Rechte vor. Durch ihre Vorschriften gewährleistet sie vorhersehbare Ergebnisse bei innerhalb der EU grenzüberschreitenden Ehescheidungen und trägt wesentlich zur Verwirklichung eines europäischen Rechtsraums mit gegenseitigem Vertrauen bei.

Häufig gestellte Fragen

Welche Bedeutung hat das Rom III-Übereinkommen für grenzüberschreitende Ehescheidungen?

Das Rom III-Übereinkommen regelt die Bestimmung des auf Ehescheidungen und Trennungen ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts in Fällen mit internationalem Bezug zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die an dieser Verordnung teilnehmen. Es trägt der europäischen Mobilität und der zunehmenden Zahl binationaler Ehen Rechnung, indem es einheitliche Kollisionsregeln schafft. Das Ziel ist es, Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit für die Parteien zu gewährleisten und sogenannte „forum shopping“ zu vermeiden, also gezielte Ausnutzung günstiger Gerichtsstände. Das Rom III-Übereinkommen ermöglicht es den Ehegatten, das auf ihre Scheidung anwendbare Recht innerhalb bestimmter Grenzen selbst zu wählen. Fehlt eine Rechtswahl, bestimmt sich das anzuwendende Recht nach einer abgestuften objektiven Anknüpfung, etwa dem gewöhnlichen Aufenthalt beider Ehegatten. Die Vereinheitlichung der kollisionsrechtlichen Vorschriften trägt dazu bei, widersprüchliche Gerichtsentscheidungen bei internationalen Ehescheidungen innerhalb der teilnehmenden Staaten zu verhindern.

Inwieweit können Ehegatten das für die Scheidung geltende Recht selbst bestimmen?

Das Rom III-Übereinkommen sieht für Ehegatten die Möglichkeit einer Rechtswahl (sog. „Parteiautonomie“) vor. Sie können einvernehmlich das auf ihre Ehescheidung oder Trennung anwendbare Recht bestimmen. Diese Wahl muss ausdrücklich erfolgen und ist formgebunden, etwa schriftlich abzugeben. Die Auswahl ist jedoch auf bestimmte Rechtsordnungen eingeschränkt: Die Ehegatten dürfen das Recht des Staates wählen, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder zuletzt gemeinsam hatten, sofern einer von ihnen dort noch lebt, das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit einer von ihnen besitzt, oder das Recht des Staates des angerufenen Gerichts. Die Rechtswahl kann zu jedem Zeitpunkt bis zur Einleitung des Scheidungsverfahrens erfolgen oder auch noch während dessen, sofern das innerstaatliche Verfahrensrecht dies zulässt. Ist keine Rechtswahl getroffen, greifen die objektiven Kollisionskriterien der Verordnung.

Welche objektiven Anknüpfungskriterien werden herangezogen, wenn keine Rechtswahl getroffen wurde?

Ohne Rechtswahl kommt das auf die Ehescheidung anwendbare Recht nach einer vorgegebenen Kaskade von Anknüpfungspunkten zur Anwendung. Zunächst ist das Recht des Staates maßgeblich, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Antragstellung ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Trifft dies nicht zu, gilt das Recht des Staates ihres letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts, sofern einer der Ehegatten dort noch lebt. Ist auch dies nicht möglich, richtet sich das anwendbare Recht nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Antragstellers. Verbleibt auch danach keine Anknüpfungsmöglichkeit, greift das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten besitzen. Besteht auch hier keine Einigung, kommt als ultima ratio das Recht des angerufenen Gerichts zur Anwendung (lex fori).

Welche Staaten sind an das Rom III-Übereinkommen gebunden und wie verhält es sich mit Drittstaaten?

Das Rom III-Übereinkommen ist eine verstärkte Zusammenarbeit von aktuell 17 EU-Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, Belgien, Frankreich, Spanien und Italien. Es gilt ausschließlich in denjenigen EU-Staaten, die an der verstärkten Zusammenarbeit teilnehmen. Staaten, die nicht teilnehmen (wie etwa Dänemark oder Irland), sind nicht gebunden, innerhalb dieser Staaten gilt nationales Kollisionsrecht. Bei Drittstaaten außerhalb der EU wird Rom III ebenfalls nur insoweit angewendet, wie die Kollisionsnormen darauf verweisen; etwa, wenn einer der Ehegatten Drittstaatenangehöriger ist oder sich dort aufhält. Allerdings kann dadurch in bestimmten Konstellationen eine Rückverweisung auf das Recht eines Drittstaats erforderlich werden, sofern das Rom III-Übereinkommen dem Verweis keine ausschließende Wirkung beimisst.

Welche Rechtsgebiete werden durch das Rom III-Übereinkommen nicht erfasst?

Das Rom III-Übereinkommen beschränkt sich ausschließlich auf die materiellrechtlichen Voraussetzungen und Folgen der Ehescheidung sowie der Trennung ohne Auflösung des Ehebandes. Nicht umfasst sind etwa Fragen zu den güterrechtlichen Wirkungen der Ehe, Unterhalt, elterliche Sorge oder Fragen der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen. Diese Aspekte sind anderen Rechtsinstrumenten, wie der Brüssel IIa-Verordnung für Fragen der elterlichen Verantwortung oder der Unterhaltsverordnung, zugeordnet. Auch das Verfahren selbst, also das Prozessrecht sowie Formfragen, bleiben nationalem Recht vorbehalten.

Wie wird die Wirksamkeit der Rechtswahlprüfung sichergestellt und welche Hindernisse können auftreten?

Die Wirksamkeit einer Rechtswahlvereinbarung wird grundsätzlich nach dem Recht beurteilt, das nach dem Rom III-Übereinkommen für die Ehescheidung in Ermangelung einer Wahl maßgeblich wäre. Formelle Gültigkeit ist typischerweise durch Einhaltung einer schriftlichen Form sicherzustellen; in manchen Fällen kann das nationale Recht zusätzliche Anforderungen aufstellen, etwa notarielle Beglaubigung. Problematisch kann die Rechtswahl werden, wenn sie gegen den ordre public des angerufenen Gerichtsstaates verstößt, beispielsweise wenn das gewählte Recht Scheidungen nur unter Bedingungen oder gar nicht vorsieht. In solchen Fällen kann das angerufene Gericht das gewählte Recht insoweit unangewendet lassen, wie es mit den Grundwerten der eigenen Rechtsordnung unvereinbar ist.

Wie wirkt sich Rom III im Falle von Mehrstaatigkeit oder Staatenlosigkeit eines Ehegatten aus?

Ist ein Ehegatte Mehrstaater, kann das Recht jedes seiner Heimatstaaten, sofern in den Alternativen der Rechtswahl vorgesehen, gewählt werden. Bei der Anwendung der objektiven Anknüpfungskriterien ist regelmäßig das Recht des Staates der gewöhnlichen Aufenthalts maßgeblicher als das Recht aus der Staatsangehörigkeit. Besteht Staatenlosigkeit bei einem Ehegatten, treten die praxistauglichen Alternativen in Kraft, insbesondere der gewöhnliche Aufenthalt beider Ehegatten oder derjenige des Gerichts. Sollte keine einschlägige Staatsangehörigkeit oder ein relevanter Aufenthaltsstatus bestehen, bleibt als letzter Anknüpfungspunkt das Recht des angerufenen Gerichtsstaats.

Wird das Rom III-Übereinkommen auf eingetragene Lebenspartnerschaften angewendet?

Nein, das Rom III-Übereinkommen gilt ausschließlich für Ehescheidungen und Trennungen von Ehen. Es ist ausdrücklich nicht auf eingetragene Lebenspartnerschaften jeglicher Art anwendbar. Für diese bestehen in der EU unterschiedliche Regelwerke oder nationale kollisionsrechtliche Lösungen, die ggf. analog herangezogen werden könnten, jedoch nicht durch Rom III normiert sind. Die Anwendbarkeit der Verordnung ist somit strikt auf die Ehe als Institut des Zivilrechts beschränkt.