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Risikobehaftete Arbeit


Begriff und Bedeutung: Risikobehaftete Arbeit

Risikobehaftete Arbeit bezeichnet jede berufliche Tätigkeit, bei der Beschäftigte einem erhöhten Gefährdungspotenzial für ihre Sicherheit und Gesundheit ausgesetzt sind. Der Begriff ist in verschiedenen Rechtsvorschriften und Verordnungen enthalten, allerdings gibt es keine einheitliche Legaldefinition. Grundsätzlich fallen darunter Arbeiten, die über das generelle Risiko der Erwerbstätigkeit hinausgehen und mit besonderen Gefahrenquellen, wie z.B. Gefahrstoffen, hohen Absturzhöhen, elektrischen Spannungen oder von Maschinen ausgehenden Risiken verbunden sind.

Rechtliche Grundlagen

Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)

Das Arbeitsschutzgesetz bildet die zentrale gesetzliche Grundlage für den Schutz vor Risiken am Arbeitsplatz. Hier wird der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen, um die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu gewährleisten und zu verbessern (§§ 3-6 ArbSchG). Hierzu zählt auch die Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG), bei der insbesondere risikobehaftete Arbeiten erkannt und bewertet werden müssen.

Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) und Biostoffverordnung (BioStoffV)

Beschäftigte, die mit Gefahrstoffen oder Biostoffen in Kontakt kommen, unterliegen besonderen Schutzanforderungen. Die Gefahrstoffverordnung fordert u.a. eine Gefährdungsbeurteilung, besondere Schutzmaßnahmen, regelmäßige Unterweisungen sowie arbeitsmedizinische Vorsorge für betroffene Mitarbeiter. Vergleichbare Regelungen finden sich in der Biostoffverordnung für Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen.

Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV)

Arbeiten an Anlagen, Maschinen und technischen Einrichtungen, die mit besonderen Gefahren einhergehen (z. B. Maschinen mit hoher Schnitt- oder Quetschgefahr, Druckanlagen, Explosionsschutzbereiche), sind im Rahmen der Betriebssicherheitsverordnung besonders geregelt. Diese verpflichtet den Arbeitgeber zu einer umfassenden Gefährdungsbeurteilung und zur Ableitung notwendiger Schutzmaßnahmen.

Baustellenverordnung (BaustellV) und weitere Vorschriften

Im Bausektor gelten zusätzliche Vorschriften, etwa die Baustellenverordnung, welche die Koordination und den Gesundheitsschutz bei Bauarbeiten mit erhöhtem Risiko sicherstellen soll. Darüber hinaus finden sich in verschiedenen branchenspezifischen Vorschriften (z. B. Bergbaugesetz, Arbeitsschutzvorschriften für Elektriker, maritime Berufe) ergänzende Regelungen zu risikobehafteten Arbeiten.

Arten von Risikobehafteten Arbeiten

Tätigkeiten mit Gefährdung durch Gefahrstoffe oder Biostoffe

Dazu zählen Beschäftigungen in Laboratorien, in der chemischen Industrie, in Krankenhäusern oder Abwasserwerken, bei denen ein Kontakt mit gesundheitsgefährdenden Substanzen oder Krankheitserregern nicht auszuschließen ist.

Arbeiten in großer Höhe oder Tiefe

Bauarbeiten auf Gerüsten, Brücken, Dächern, in Schächten oder unter Tage stellen Beispiele dar, die mit einem erhöhten Absturz- oder Verschüttungsrisiko einhergehen.

Elektrische Arbeiten unter Spannung

Montage- und Instandhaltungsarbeiten an elektrischen Anlagen unter Spannung sind risikobehaftet und unterliegen eigenen Arbeitsschutzregeln.

Bedienung und Wartung von Maschinen

Industriegewerke, bei denen Arbeitnehmer in Kontakt mit Maschinen mit erhöhtem Verletzungs- oder Quetschpotenzial kommen, sind als risikobehaftete Tätigkeiten einzustufen.

Arbeiten mit Explosivstoffen oder schweren Lasten

Sprengarbeiten, Umgang mit feuergefährlichen Stoffen oder Kranarbeiten sind ebenfalls mit besonders hohen Risiken verbunden.

Schutzmaßnahmen und Pflichten

Gefährdungsbeurteilung

Der Arbeitgeber muss für jede Tätigkeit eine Gefährdungsbeurteilung durchführen. Dabei werden mögliche Gefahrenquellen identifiziert und das jeweilige Risiko bewertet. Auf Grundlage der Beurteilung sind Schutzmaßnahmen zu ergreifen, bevor mit der Arbeit begonnen wird.

Persönliche Schutzausrüstung (PSA)

Bei risikobehafteten Tätigkeiten ist die Zurverfügungstellung und die Nutzung von persönlicher Schutzausrüstung zumeist verpflichtend. Umfang und Art der PSA richten sich nach der Art und Intensität des Risikos (z. B. Helme, Schutzanzüge, Atemschutz, Absturzsicherungen).

Unterweisung und Qualifizierung

Beschäftigte, die risikobehafteten Arbeiten nachgehen, müssen regelmäßig unterwiesen und bei Bedarf geschult werden. Diese Unterweisung umfasst sowohl die sichere Ausführung der Tätigkeit als auch das richtige Verhalten im Notfall.

Arbeitsmedizinische Vorsorge

Bei Tätigkeiten mit gesundheitsschädigenden Risiken muss eine arbeitsmedizinische Vorsorge gewährleistet werden. Dies kann Diagnostik, Kontrolluntersuchungen oder Impfungen umfassen.

Haftung und Sanktionen

Arbeitgeberhaftung

Kommt es bei risikobehafteten Arbeiten zu Unfällen oder Gesundheitsschäden, haftet in erster Linie der Dienstgeber für Verstöße gegen arbeitsschutzrechtliche Vorschriften. Dabei kann – abhängig vom Verschuldensgrad und Umfang der Verletzung von Schutzpflichten – nicht nur eine zivilrechtliche Ersatzpflicht, sondern auch eine strafrechtliche Verantwortung drohen.

Ordnungswidrigkeiten und Bußgelder

Verstöße gegen die einschlägigen Arbeitsschutzvorschriften werden als Ordnungswidrigkeiten geahndet und können erhebliche Bußgelder nach sich ziehen (§ 25 ArbSchG; § 25 GefStoffV).

Bedeutung für die Unfallversicherung

Alle Beschäftigten, die risikobehaftete Arbeiten ausüben, unterliegen dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten können Leistungen (z. B. Heilbehandlung, Übergangsgeld, Renten) beansprucht werden. Voraussetzung ist die Einhaltung von Meldepflichten und die genaue Dokumentation der Arbeitsabläufe.

Zusammenfassung und Ausblick

Risikobehaftete Arbeit stellt einen zentralen Regelungsbereich im Arbeits- und Gesundheitsschutz dar. Rechtliche Vorschriften verlangen strikte Präventions- und Schutzmaßnahmen bei allen Tätigkeiten, die mit erhöhter Gefährdung verbunden sind. Arbeitgeber stehen in der Pflicht, Gefahren zu identifizieren, zu beurteilen und mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen. Beschäftigte wiederum sind verpflichtet, die festgelegten Schutzmaßnahmen einzuhalten und arbeiten im Sinne der eigenen Sicherheit und der ihrer Kolleginnen und Kollegen mit.

Im Wandel der Arbeitswelt, etwa im Zuge der Digitalisierung oder durch neue Technologien, entstehen immer wieder neue Arten von risikobehafteten Tätigkeiten, für die der Gesetzgeber und die betroffenen Organisationen kontinuierlich angemessene Schutzstandards entwickeln müssen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Pflichten treffen den Arbeitgeber bei risikobehafteten Arbeiten?

Arbeitgeber sind nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) sowie nach spezifischen Verordnungen wie der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) oder der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung aller Arbeitsplätze durchzuführen, an denen risikobehaftete Tätigkeiten ausgeführt werden. Dabei müssen alle potenziellen Risiken systematisch erfasst, beurteilt und entsprechende Schutzmaßnahmen abgeleitet werden. Die gesetzlichen Vorgaben verlangen, dass Unterweisungen und Schulungen der Beschäftigten regelmäßig stattfinden, individuell auf die bestehenden Gefährdungen abgestimmt sind und dies auch dokumentiert wird. Persönliche Schutzausrüstung (PSA) muss zur Verfügung gestellt und überwacht werden. Darüber hinaus sind notfallbezogene Regelungen wie Erste-Hilfe-Maßnahmen, Evakuierungspläne und der Umgang mit Arbeitsunfällen verbindlich festzulegen. Bei schwerwiegenden Gefahren ist der Arbeitgeber verpflichtet, bestimmte Arbeiten zu unterbrechen und ggf. zuständige Behörden (z. B. Gewerbeaufsichtsamt, Berufsgenossenschaft) zu informieren. Die Einhaltung dieser Pflichten wird regelmäßig durch die Behörden kontrolliert und Verstöße können mit empfindlichen Bußgeldern oder im Schadensfall sogar strafrechtlich verfolgt werden.

Welche Dokumentationspflichten bestehen für risikobelastete Tätigkeiten?

Jede Form risikobehafteter Arbeit bringt umfangreiche Dokumentationspflichten mit sich. Zentrale Dokumente sind die Gefährdungsbeurteilungen nach § 6 ArbSchG, einschließlich detaillierter Beschreibung der Risiken, der getroffenen Schutzmaßnahmen und deren Wirksamkeitskontrolle. Schriftliche Unterweisungsnachweise, Prüfprotokolle von Arbeitsmitteln und Schutzausrüstungen (entsprechend BetrSichV und DGUV Vorschrift 3), sowie die Nachweisdokumentation von arbeitsmedizinischen Untersuchungen (z. B. G-Untersuchungen) müssen jederzeit auf Verlangen der Aufsichtsbehörden vorgelegt werden können. Außerdem sind Arbeits- und Betriebsanweisungen zu erstellen, zu aktualisieren und zur Verfügung zu halten. Bei Störungen, meldepflichtigen Ereignissen oder Arbeitsunfällen ist eine lückenlose Aufzeichnung erforderlich, welche zur weiteren Ursachenanalyse und Optimierung der Arbeitsprozesse dient.

Wie ist die Arbeitnehmerüberlassung bei risikanten Tätigkeiten rechtlich zu betrachten?

Im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung (AÜG) tragen sowohl der Verleiher (Arbeitgeber des Leiharbeiters) als auch der Entleiher (betrieblich Weisungsbefugter) Verantwortung für den Arbeitsschutz bei risikobehafteten Arbeiten. Der Entleiher muss eine spezifische Gefährdungsbeurteilung für die eingesetzten Leiharbeitnehmer durchführen sowie angemessene Schutz- und Unterweisungsmaßnahmen ergreifen. Dabei gilt das “Equal Treatment”-Prinzip, wonach Leiharbeitnehmer nicht schlechter gestellt werden dürfen als vergleichbare Stammkräfte. Der Verleiher bleibt für die arbeitsmedizinische Vorsorge und die Bereitstellung der Grundausstattung an PSA (sofern nichts anderes vertraglich geregelt wurde) zuständig. Beide müssen eng kooperieren und alle erforderlichen Informationen (z. B. zu Gefahren und erforderlichen Schutzmaßnahmen) austauschen und dokumentieren.

Ab welchem Gefahrenpotenzial sind Meldungen an Behörden vorgeschrieben?

Meldepflichten bestehen beim Eintritt bestimmter Ereignisse, die im Arbeitsumfeld einen erhöhten Gefahrencharakter aufweisen. Die DGUV Vorschrift 2 regelt beispielsweise die Unverzüglichkeit der Unfallmeldung bei meldepflichtigen Arbeitsunfällen (Unfälle mit tödlichem Ausgang, Unfälle mit mehr als drei Tagen Arbeitsunfähigkeit oder bestimmte meldepflichtige Krankheitsbilder) an die zuständige Berufsgenossenschaft. Zusätzlich existieren Anzeige- und Erlaubnispflichten beim Umgang mit besonders gefährlichen Stoffen, biologischen Arbeitsstoffen (BioStoffV), Sprengstoffen oder besonderen Maschinen, die bei der zuständigen Behörde (Gewerbeaufsichtsamt, Unfallversicherungsträger, Bezirksregierung) anzuzeigen sind und teilweise erst nach Genehmigung durchgeführt werden dürfen.

Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen arbeitsschutzrechtliche Vorgaben bei risikoreichen Tätigkeiten?

Verstöße gegen den Arbeitsschutz, insbesondere bei risikobehafteten Tätigkeiten, werden in Deutschland empfindlich geahndet. Das Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG), das Arbeitsschutzgesetz sowie einschlägige Vorschriften der Berufsgenossenschaften sehen Bußgelder bis zu mehreren zehntausend Euro vor. Kommt es durch Missachtung der Schutzvorschriften zu Personenschäden, kann die Verantwortlichkeit der Unternehmensleitung auch strafrechtlich relevant werden (Fahrlässige Körperverletzung/­Tötung gemäß §§ 222, 229 StGB). In besonders schweren Fällen droht darüber hinaus ein Tätigkeitsverbot für einzelne Personen oder Betriebsbereiche sowie der Entzug von Genehmigungen und die Veröffentlichung von Verstößen.

Welche Rolle spielen Betriebsrat und Fachkräfte für Arbeitssicherheit rechtlich bei risikobehafteten Tätigkeiten?

Nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) § 87 Abs. 1 Nr. 7 haben Betriebsräte ein Mitbestimmungsrecht bei Regelungen über den Gesundheitsschutz, insbesondere bei der Einführung und Ausgestaltung von Maßnahmen für risikobehaftete Arbeiten. Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte sind laut Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) verpflichtend zu bestellen und müssen regelmäßig eingebunden werden. Sie beraten Arbeitgeber und Beschäftigte in allen Fragen des Arbeitsschutzes, analysieren Unfallursachen und wirken bei der Auswahl geeigneter Schutzmaßnahmen und bei der Erstellung von Betriebsanweisungen mit. Ihre Empfehlungen müssen dokumentiert und in die betriebliche Organisation integriert werden. Der Arbeitgeber steht in der Pflicht, deren Hinweise umzusetzen oder im Einzelfall fachlich zu begründen, warum Vorschläge abgelehnt werden.