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Richter, beauftragter


Begriff und rechtliche Einordnung des „Richter, beauftragter“

Der Begriff „Richter, beauftragter“ nimmt in den verschiedenen Rechtsordnungen und Gerichtsbarkeiten eine zentrale Stellung ein. Er bezeichnet einen Richter, der durch ein Gericht oder eine übergeordnete Stelle beauftragt wird, bestimmte Aufgaben, meistens im Rahmen eines konkreten Verfahrens, wahrzunehmen. Der „beauftragte Richter“ ist kein eigenständiges Richteramt, sondern bezieht sich auf die Übertragung einzelner richterlicher Tätigkeiten an ein bestimmtes, meist am Verfahren mitwirkendes, richterliches Organ.

Gesetzliche Grundlage und Reglungen

Zivilprozessordnung (ZPO)

Im deutschen Zivilprozessrecht wird der beauftragte Richter in § 361 ZPO geregelt. Die Vorschrift sieht vor, dass das Gericht bestimmte Verfahrenshandlungen, insbesondere Beweisaufnahmen, einem seiner Mitglieder oder einem anderen Gericht, im Wege der Rechtshilfe, übertragen kann. Wird ein Mitglied des entscheidenden Gerichts mit einzelnen Handlungen beauftragt, spricht man von einem „beauftragten Richter“. Der beauftragte Richter handelt innerhalb des ihm erteilten Auftrags und bleibt dabei an die Vorgaben der Übertragungsentscheidung gebunden.

Strafprozessordnung (StPO)

Auch in der Strafprozessordnung sieht das Verfahren die Möglichkeit vor, einen Richter mit der Vornahme einzelner richterlicher Handlungen zu beauftragen. Ein typischer Anwendungsfall ist die Beauftragung im Rahmen der Beweiserhebung, z.B. bei der Vernehmung von Zeugen oder der Durchführung von Augenscheinsaufnahmen, wenn das erkennende Gericht daran gehindert ist, diese selbst vorzunehmen.

Aufgabenbereiche des beauftragten Richters

Der beauftragte Richter übernimmt meist folgende Aufgaben:

  • Beweisaufnahme: Die Durchführung der Beweisaufnahme (z. B. Zeugenvernehmungen, Augenschein, Sachverständigenanhörungen) außerhalb der Hauptverhandlung bzw. außerhalb der mündlichen Verhandlung.
  • Rechtshilfehandlungen: Erfüllung von gerichtlichen Amtshandlungen für andere Gerichte, insbesondere im Rahmen grenzüberschreitender Rechtshilfe.
  • Sicherung eilbedürftiger Maßnahmen: Durch die kurzfristige Übertragung kann eine rasche richterliche Entscheidung oder Maßnahme sichergestellt werden, wenn das entscheidende Gericht selbst verhindert ist.

Abgrenzung zu anderen richterlichen Funktionen

Der beauftragte Richter ist abzugrenzen

  • vom ersuchten Richter, der im Rahmen der Rechtshilfe durch ein anderes Gericht tätig wird,
  • vom erkennenden Richter bzw. Spruchkörper, der als Ganzes für den Erlass der abschließenden Entscheidung zuständig bleibt,
  • vom Ermittlungsrichter, der im Ermittlungsverfahren nach der StPO tätig wird.

Der beauftragte Richter ist in seiner Funktion als Hilfsorgan des erkennenden Gerichts tätig, wirkt aber sachlich und personell weisungsunabhängig im Rahmen des ihm erteilten Auftrags.

Prozessrechtliche Besonderheiten

Bindung an den Auftrag und Mitwirkung bei der Hauptentscheidung

Der beauftragte Richter ist streng an den Umfang des Auftrags gebunden und darf keine anderen Handlungen vornehmen, als ihm durch das übertragende Gericht oder den Vorsitzenden übertragen wurden. Nach Abschluss des ihm übertragenen Auftrags legt der beauftragte Richter seine Ergebnisse dem entscheidenden Gericht vor, das über die Verwertung befindet.

Eine unmittelbare Mitwirkung an der abschließenden Entscheidung im Verfahren ist dem beauftragten Richter – außer er ist Mitglied des Spruchkörpers – grundsätzlich nicht vorbehalten. Die Beweiserhebung durch den beauftragten Richter ersetzt nicht die persönliche Überzeugungsbildung des gesamten Spruchkörpers, spielt aber insbesondere bei umfangreichen, langwierigen oder räumlich entfernten Vernehmungen eine praktische Rolle.

Verwertbarkeit der Ergebnisse

Die Ergebnisse der Tätigkeit des beauftragten Richters – insbesondere von Beweisaufnahmen – werden in der Hauptverhandlung oder in der mündlichen Verhandlung vorgetragen; Einwendungen gegen das Verfahren der Beweisaufnahme sind erst im Rahmen der abschließenden Bewertung durch das Gericht zu erheben.

Internationale Bezüge und Anwendungsbereiche

Vergleichbare Institute des beauftragten Richters finden sich auch in anderen europäischen und außereuropäischen Rechtskreisen, wobei mitunter unterschiedliche Bezeichnungen verwendet werden (z. B. „juge délégué“ im französischen Recht). Die funktionale Rolle bleibt aber im Kern erhalten: Die Entlastung und Unterstützung des Spruchkörpers durch eine delegierte richterliche Instanz für einzelne Verfahrenshandlungen.

Im Rahmen der europäischen Rechtshilfe, etwa nach der Verordnung (EU) Nr. 1206/2001, tritt der beauftragte Richter regelmäßig in grenzüberschreitenden Verfahren auf, um die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedsstaaten zu gewährleisten.

Zusammenfassung und rechtliche Bedeutung

Der „Richter, beauftragter“ ist eine verfahrensrechtliche Funktion, die vor allem der Verfahrensökonomie und der praktischen Durchführung umfangreicher oder örtlich verteilter Verfahren dient. Durch die Übertragung einzelner Handlungen auf ein richterliches Organ wird dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs und auf eine vollständige Ermittlung des Sachverhalts Rechnung getragen. Die Tätigkeit des beauftragten Richters bietet Flexibilität im Verfahrensablauf, gewährleistet jedoch zugleich die Bindung an richterliche Unabhängigkeit und Verfahrensgrundsätze.


Hinweis: Dieser Artikel dient zur umfassenden Information im Rahmen eines Rechtslexikons und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit bezüglich aller möglichen Einzelfragen und Spezialfälle.

Häufig gestellte Fragen

Welche Aufgaben und Befugnisse besitzt ein Richter als beauftragter Richter?

Ein beauftragter Richter wird durch das Gericht mit bestimmten, genau abgegrenzten Aufgaben betraut, die im Zusammenhang mit der Beweisaufnahme oder der weiteren Prozessvorbereitung stehen. Seine Hauptbefugnis liegt darin, einzelne Beweiserhebungen (wie Vernehmungen von Zeugen oder Sachverständigen, Augenscheinsnahmen oder andere Ermittlungen) eigenständig durchzuführen. Er handelt insoweit nicht aus eigener Initiative, sondern im Rahmen der gerichtlichen Anordnung oder auf Grundlage eines richterlichen Beschlusses. Die vom beauftragten Richter getätigten Verfahrenshandlungen, insbesondere Protokolle und Beweisaufnahmen, sind dem erkennenden Gericht unmittelbar zugänglich und entfalten volle Gültigkeit. Dabei ist der beauftragte Richter in der Art und Weise der Beweiserhebung an die gesetzlichen Vorgaben gebunden, etwa an die Grundsätze der Unmittelbarkeit und Öffentlichkeit, soweit diese einschlägig sind, und muss die verfahrensrechtlichen Rechte der Beteiligten wahren.

Welche Unterschiede bestehen zwischen dem beauftragten und dem ersuchten Richter?

Während der beauftragte Richter innerhalb des zuständigen Gerichts bestellt wird, erfolgt die Bestellung eines ersuchten Richters, wenn die Beweisaufnahme oder andere richterliche Amtshandlungen außerhalb des Gerichtssitzes durchgeführt werden müssen – typischerweise bei anderem örtlich zuständigen Gerichten. Der beauftragte Richter bleibt dabei Mitglied des Spruchkörpers (etwa der Kammer oder des Senats), der ersuchte Richter hingegen handelt als Hilfsperson des antragstellenden Gerichts, übt jedoch keine richterliche Entscheidungsbefugnis über die Hauptsache aus. Der beauftragte Richter ist daher funktional enger an das Prozessgeschehen gebunden und nimmt als verlängerter Arm des Spruchkörpers richterliche Aufgaben wahr.

In welchen Verfahren kann ein beauftragter Richter eingesetzt werden?

Ein beauftragter Richter kann sowohl im Zivilprozess (vgl. § 357 ZPO) als auch im Strafverfahren (vgl. § 162 StPO) tätig werden. Sein Einsatz ist insbesondere dann angezeigt, wenn aus Gründen der Prozessökonomie oder zur Entlastung des erkennenden Gerichts bestimmte Ermittlungsaufgaben abzuarbeiten sind, die nicht notwendigerweise vom kompletten Spruchkörper wahrgenommen werden müssen. Häufig handelt es sich dabei um umfassende Zeugeneinvernahmen oder die Begutachtung durch Sachverständige sowie weitere, den Tatsachenvortrag betreffende Maßnahmen.

Welche Rechte haben die Verfahrensbeteiligten gegenüber dem beauftragten Richter?

Die Verfahrensbeteiligten haben gegenüber dem beauftragten Richter grundsätzlich die gleichen Mitwirkungs- und Anhörungsrechte wie vor dem erkennenden Gericht. Sie dürfen insbesondere an der Beweiserhebung teilnehmen, Fragen stellen, Beweisanträge einbringen und Einwendungen erheben. Der beauftragte Richter ist verpflichtet, die Beteiligten ordnungsgemäß zu laden und über ihre Rechte und Pflichten zu belehren. Verstöße gegen diese Pflichten können zur Unverwertbarkeit der Beweiserhebung oder zu prozessualen Nachteilen führen.

Welche Bedeutung hat die vom beauftragten Richter durchgeführte Beweisaufnahme für das Hauptverfahren?

Die vom beauftragten Richter durchgeführte Beweisaufnahme stellt einen wesentlichen Teil des Hauptverfahrens dar und bindet das entscheidende Gericht in der Regel, sofern die gesetzlichen Verfahrensvorschriften eingehalten wurden. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wird vom erkennenden Gericht wie eine eigene Beweiserhebung bewertet. Dennoch bleibt es dem erkennenden Spruchkörper vorbehalten, das Beweisergebnis nach freier richterlicher Überzeugung (§ 286 ZPO, § 261 StPO) zu würdigen.

Kann der beauftragte Richter an der Entscheidungsfindung teilnehmen?

Da der beauftragte Richter in der Regel Mitglied des Spruchkörpers ist, in dem das Hauptverfahren geführt wird, nimmt er regelmäßig auch an der abschließenden Beratung und Entscheidung des Gerichts teil. Seine durchgeführte Beweisaufnahme fließt somit nicht nur als prozessuale Handlungsgrundlage, sondern auch in dessen persönliche Überzeugungsbildung bezüglich des Prozessstoffes ein.

Wie erfolgt die Dokumentation der Tätigkeit eines beauftragten Richters?

Die Tätigkeit des beauftragten Richters wird in der Regel durch ein gerichtliches Protokoll dokumentiert, in dem sämtliche wesentlichen Verfahrenshandlungen, die Identifizierung der Beteiligten, deren Äußerungen, sowie das Ergebnis der Beweisaufnahme festgehalten werden. Das Protokoll ist dem erkennenden Gericht zur Verfügung zu stellen und wird Bestandteil der Prozessakte. Alle Verfahrensbeteiligten können Akteneinsicht beantragen, um den Verlauf und das Ergebnis der Tätigkeiten des beauftragten Richters zu überprüfen.