Begriff und rechtliche Einordnung des Restrukturierungsgerichts
Das Restrukturierungsgericht ist eine gerichtliche Instanz im Rahmen des deutschen Restrukturierungs- und Insolvenzrechts, die für die Durchführung und Überwachung von Restrukturierungsverfahren nach dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) zuständig ist. Ziel des Restrukturierungsgerichts ist es, die effiziente und rechtsstaatliche Umsetzung außerinsolvenzlicher Restrukturierungsbemühungen notleidender Unternehmen abzusichern und zu fördern.
Gesetzliche Grundlagen
Die zentrale rechtliche Grundlage für das Restrukturierungsgericht bildet das im Januar 2021 in Kraft getretene StaRUG (Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen). Das StaRUG schafft erstmals in Deutschland einen rechtlichen Rahmen, der es Unternehmen ermöglicht, unter gerichtlicher Aufsicht Restrukturierungsmaßnahmen zur Abwendung einer Insolvenz zu verfolgen, ohne dass dies zwingend in einem formalen Insolvenzverfahren geschehen muss.
Weitere einschlägige Vorschriften finden sich in der Zivilprozessordnung (ZPO), dem Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sowie ergänzenden Regelungen der Insolvenzordnung (InsO) und in Ausführungsgesetzen der Länder.
Zuständigkeit und Organisation
Zuständigkeitsregelungen
Die gerichtliche Zuständigkeit für Restrukturierungssachen liegt bei den Amtsgerichten – Insolvenzgerichten. Im Regelfall ist dabei das Insolvenzgericht am Sitz des Schuldners, der Restrukturierungsmaßnahmen einleiten möchte, auch als Restrukturierungsgericht örtlich und sachlich zuständig (§ 2 StaRUG i.V.m. § 3 InsO).
Innere Organisation
Die Restrukturierungsgerichte sind organisatorisch und personell Teil der bestehenden Insolvenzgerichte. Es handelt sich dabei stets um staatliche Gerichte, die nach den Grundsätzen der Gewaltenteilung und richterlichen Unabhängigkeit handeln. Bestimmte richterliche Maßnahmen im Rahmen eines Restrukturierungsverfahrens sind regelmäßig einer Einzelrichterin oder einem Einzelrichter zugewiesen.
Aufgaben und Kompetenzen des Restrukturierungsgerichts
Das Restrukturierungsgericht wirkt in unterschiedlichen Modalitäten im Restrukturierungsverfahren mit:
Überwachung und Unterstützung von Restrukturierungsmaßnahmen
Das Gericht prüft eingereichte Restrukturierungspläne auf ihre rechtliche Zulässigkeit und stellt fest, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Planbestätigung oder andere gerichtliche Maßnahmen vorliegen. Es kann auf Antrag oder von Amts wegen bestimmte Schutzmechanismen (z. B. Stabilisierungsanordnungen) gewähren, mit denen einzelne Gläubigerrechte temporär eingeschränkt werden können.
Umsetzung gerichtlicher Schutzmaßnahmen
Das StaRUG sieht verschiedene gerichtliche Schutzinstrumente vor, insbesondere:
- Stabilisierungsanordnungen: Vorübergehende Aussetzung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen.
- Verordnung gerichtlicher Zustimmungsersetzungen: Unter bestimmten Voraussetzungen kann das Gericht die Zustimmung widerspenstiger Gläubiger zum Restrukturierungsplan ersetzen (sog. „cram-down“).
Kontrolle und Überwachung des Restrukturierungsbeauftragten
Das Gericht bestellt auf Antrag einen Restrukturierungsbeauftragten (§ 73 StaRUG), überprüft dessen Tätigkeiten und entlastet oder entpflichtet diesen gegebenenfalls. Es entscheidet ferner über Vergütung und Abberufung.
Verfahren vor dem Restrukturierungsgericht
Einleitung des Verfahrens
Das Verfahren vor dem Restrukturierungsgericht wird in der Regel durch einen Antrag des Unternehmens eingeleitet. Dieser Antrag muss die Voraussetzungen und Absichten des Restrukturierungsvorhabens darlegen und die beabsichtigten gerichtlichen Unterstützungsmaßnahmen benennen.
Ablauf und Beteiligungsmöglichkeiten
Das Verfahren ist geprägt durch folgende typische Schritte:
- Antragstellung und gerichtliche Vorprüfung.
- Anhörung beteiligter Parteien (insbesondere betroffene Gläubiger).
- Durchführung gerichtlicher Maßnahmen wie Stabilisierungsanordnungen, Anordnung der Planabstimmung oder gerichtliche Bestätigung („Planbestätigungsverfahren“).
- Rechtsmittelfähigkeit gerichtlicher Entscheidungen: Gegen bestimmte Entscheidungen können Rechtsmittel – typischerweise die sofortige Beschwerde – eingelegt werden.
Öffentlichkeit und Vertraulichkeit
Ein besonderes Merkmal des Strukturierungsverfahrens nach dem StaRUG und der Verfahren vor dem Restrukturierungsgericht ist die grundsätzliche Vertraulichkeit. Dass ein Unternehmen ein Restrukturierungsverfahren betreibt, wird – im Unterschied zum Insolvenzverfahren – nur in Ausnahmefällen öffentlich bekannt.
Bedeutung im Rechtssystem und Abgrenzung zu anderen Gerichten
Das Restrukturierungsgericht ergänzt das bestehende System von Insolvenzgerichten um eine außerinsolvenzliche Sanierungsinstanz und stärkt die gerichtliche Kontrolle präventiver Sanierungsmechanismen. Es ermöglicht Unternehmen, frühzeitig steuernde Maßnahmen unter gerichtlicher Mitwirkung zu ergreifen, ohne direkt ein Insolvenzverfahren beantragen zu müssen.
Abgrenzung zum Insolvenzgericht
Im Vergleich zum Insolvenzgericht unterscheidet sich das Restrukturierungsgericht vor allem durch den präventiven Charakter der beabsichtigten Maßnahmen. Ziel ist es, die Insolvenz zu vermeiden oder zumindest hinauszuzögern und dafür einen rechtssicheren, geregelten Rahmen zu bieten.
Internationale Bezüge
Durch Umsetzung der EU-Restrukturierungsrichtlinie (EU), die einen präventiven Restrukturierungsrahmen in allen Mitgliedstaaten fordert, kommt dem Restrukturierungsgericht auch eine wichtige Rolle im internationalen Kontext zu. Zuständigkeiten bei grenzüberschreitenden Restrukturierungsverfahren richten sich nach den einschlägigen europäischen und nationalen Kollisionsnormen.
Rechtsmittel, Kontrolle und Rechtsschutz
Entscheidungen des Restrukturierungsgerichts können mit den nach der Zivilprozessordnung und dem StaRUG vorgesehenen Rechtsmitteln angefochten werden. Häufig ist die sofortige Beschwerde das einschlägige Rechtsmittel. Dadurch wird der Rechtsschutz der Beteiligten im Verfahren sichergestellt.
Die Rechtsprechung überprüft die Handlungen des Gerichts insbesondere auf Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und der Verfahrensrechte.
Praxisrelevanz und Ausblick
Mit Einführung des StaRUG und der damit verbundenen funktionalen Ausdifferenzierung der Restrukturierungsgerichte ist in der deutschen Sanierungspraxis ein bedeutender und zukunftsträchtiger Mechanismus geschaffen worden. Er ermöglicht rechtssichere Restrukturierung unter gerichtlicher Kontrolle und fördert damit präventive Sanierungskulturen.
Das Restrukturierungsgericht ist somit ein zentraler Baustein moderner Unternehmenssanierung und präventiver Insolvenzvermeidung in Deutschland und steht im Mittelpunkt aktueller Entwicklungen im Restrukturierungsrecht.
Dieser Artikel stellt einen umfassenden Eintrag aus dem Bereich des Restrukturierungsrechts dar und beleuchtet Bedeutung, Aufgaben und Rechtsgrundlagen des Restrukturierungsgerichts in systematischer und detaillierter Weise.
Häufig gestellte Fragen
Welche Zuständigkeit hat das Restrukturierungsgericht im Rahmen eines Restrukturierungsverfahrens?
Das Restrukturierungsgericht ist im Rahmen eines Restrukturierungsverfahrens vorrangig dafür zuständig, sämtliche gerichtlichen Maßnahmen und Entscheidungen im Zusammenhang mit einem Restrukturierungsplan zu treffen. Seine Aufgaben erstrecken sich insbesondere auf die Bestätigung und Überwachung von Restrukturierungsplänen, die Entscheidung über die Anordnung von Vollstreckungs- und Verwertungssperren gemäß §§ 49 ff. StaRUG, sowie die Entscheidung über Beschwerden und sonstige Rechtsmittel, die gegen im Zuge des Verfahrens ergangene gerichtliche Maßnahmen eingelegt werden. Das Restrukturierungsgericht wahrt die Rechte der Beteiligten und Dritter, überprüft die Einhaltung formaler und materieller Voraussetzungen und sorgt für ein ordnungsgemäßes Verfahren. Des Weiteren ist es dafür verantwortlich, Gläubigerklassen zu bilden, die Abstimmung über den Restrukturierungsplan zu organisieren und eine Mehrheitsentscheidung rechtsverbindlich zu machen.
Welche Anforderungen bestehen an den Antrag auf Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens beim Restrukturierungsgericht?
Der Antrag auf Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens muss bestimmten formalen und materiellen Anforderungen entsprechen, damit er vom Restrukturierungsgericht angenommen und geprüft werden kann. Zunächst muss der Antrag von einer zur Antragstellung berechtigten Person, in der Regel vom Schuldner selbst oder dessen gesetzlichem Vertreter, gestellt werden. Der Antrag ist schriftlich einzureichen und muss eine Begründung enthalten, aus der die drohende Zahlungsunfähigkeit ausgeschlossen und die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens dargelegt wird. Hinzuzufügen sind sämtliche relevanten Unterlagen, wie eine Vermögensübersicht und ein vorläufiger Restrukturierungsplan. Werden Vollstreckungs- und Verwertungssperren beantragt, müssen diese besonders begründet werden, inklusive einer Bestätigung, dass ohne dieses Instrumentarium die Sanierung unmöglich oder wesentlich erschwert wäre. Das Gericht prüft den Antrag auf Schlüssigkeit und Vollständigkeit und kann fehlende Unterlagen nachfordern.
Welche Rolle spielt das Restrukturierungsgericht bei der Gläubigerbeteiligung und -abstimmung?
Das Restrukturierungsgericht ist maßgeblich daran beteiligt, die Beteiligung der Gläubiger am Verfahren zu ermöglichen und zu ordnen. Es prüft die vom Schuldner vorgeschlagene Gläubigerklasseneinteilung auf ihre rechtliche Zulässigkeit und kann Korrekturen anordnen, falls Gläubiger nicht ordnungsgemäß klassifiziert wurden. Weiterhin überwacht es die Einberufung von Gläubigerversammlungen, prüft die Ordnungsmäßigkeit der Abstimmungsverfahren und stellt das Ergebnis der Abstimmungen fest. Im Streitfall entscheidet das Gericht über die Zulässigkeit von Stimmrechtsausübungen und die Berücksichtigung von Stimmen. Zudem ist es zuständig für die gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans, sofern die gesetzlichen Abstimmungsmehrheiten innerhalb der betroffenen Gläubigerklassen erreicht wurden und keine Versagungsgründe vorliegen.
Welche rechtlichen Schutzmechanismen bietet das Restrukturierungsgericht Beteiligten und Dritten?
Das Restrukturierungsgericht stellt im Verfahren sicher, dass die gesetzlichen Schutzmechanismen für Beteiligte und betroffene Dritte eingehalten werden. Dazu zählt insbesondere der Schutz der Minderheitsgläubiger im Rahmen der Planbestätigung, zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung gemäß §§ 63, 64 StaRUG. Außerdem gewährleistet das Gericht das rechtliche Gehör aller Beteiligten, insbesondere durch Zustellung und Offenlegung aller relevanten Unterlagen sowie Fristsetzungen für Stellungnahmen und Einwendungen. Weiter haben Dritte, etwa Bürgen oder Sicherungsgeber, das Recht auf Beteiligung im Verfahren, sofern ihre Rechte betroffen sind, und können Anträge oder Einwendungen einreichen, über die das Gericht zu entscheiden hat. Das Gericht prüft, ob Schutzbedürfnisse angemessen berücksichtigt wurden und trifft Entscheidungen zur Wahrung der Rechtspositionen aller Beteiligten.
Welche Rechtsmittel stehen gegen Entscheidungen des Restrukturierungsgerichts zur Verfügung?
Gegen Entscheidungen des Restrukturierungsgerichts stehen im Regelfall Rechtsmittel wie die sofortige Beschwerde gemäß § 86 StaRUG zur Verfügung. Die Beteiligten, insbesondere der Schuldner und die von einer Entscheidung betroffenen Gläubiger oder Dritte, können gegen gerichtliche Entscheidungen Beschwerde einlegen, die grundlegend für das Verfahren oder für einzelne Rechtspositionen sind, wie zum Beispiel die Bestätigung des Restrukturierungsplans oder die Anordnung von Vollstreckungs- und Verwertungssperren. Die Beschwerde ist fristgebunden und muss ausführlich begründet werden. Das Beschwerdegericht, zumeist das nächsthöhere Landgericht, prüft sodann sowohl die Rechtsmäßigkeit als auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Bei offensichtlichen Rechtsfehlern kann es die Entscheidung aufheben oder abändern.
Wie erfolgt die Beendigung des Verfahrens vor dem Restrukturierungsgericht?
Die Beendigung des Verfahrens vor dem Restrukturierungsgericht erfolgt entweder durch Bestätigung des Restrukturierungsplans und dessen Rechtskraft oder durch Abweisung des Antrags. Das Gericht prüft in der Endphase, ob sämtliche formellen und materiellen Voraussetzungen erfüllt sind, insbesondere die ordnungsgemäße Abstimmung, die Beteiligung aller Betroffenen, sowie die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen. Nach positiver Prüfung bestätigt es den Restrukturierungsplan durch einen gerichtlichen Beschluss, der unmittelbar vollstreckbar ist. Eine Beendigung durch Abweisung des Antrags erfolgt, wenn etwa die Voraussetzungen für ein Restrukturierungsverfahren nicht vorliegen oder das Verfahren aus sonstigen Gründen unzulässig oder unzweckmäßig ist. Auch bei Zurücknahme des Antrags durch den Schuldner endet das Verfahren.
Welchen Einfluss hat das Restrukturierungsgericht auf außergerichtliche Verhandlungen und Sanierungsmaßnahmen?
Das Restrukturierungsgericht hat grundsätzlich keinen unmittelbaren Einfluss auf außergerichtliche Verhandlungen und Sanierungsmaßnahmen, wohl aber dann, wenn diese in den Anwendungsbereich des StaRUG einbezogen werden. Sobald ein Restrukturierungsverfahren offiziell eingeleitet wird, können gerichtliche Maßnahmen, etwa Vollstreckungssperren, den außergerichtlichen Einigungsdruck erhöhen oder Gespräche absichern. Das Gericht sorgt für die Rechtsverbindlichkeit der Ergebnisse und kann Sicherheiten für die Durchführung der Sanierungsmaßnahmen schaffen. Außergerichtliche Sanierungslösungen bleiben jedoch grundsätzlich autonom, sofern keine gerichtlichen Restrukturierungsinstrumente zum Einsatz kommen und keine formelle Verfahrenseinleitung erfolgt. Das Restrukturierungsgericht wird erst durch Antragstellung und Verfahrenseinleitung aktiv; bis dahin bleibt der gerichtliche Einfluss ausgeschlossen.