Definition und Einordnung der Rentenversicherung für Selbständige
Die Rentenversicherung für Selbständige umfasst die gesetzlichen sowie freiwilligen Versicherungsformen zur Absicherung des Alters, der Erwerbsminderung und der Hinterbliebenen für selbständig tätige Personen in Deutschland. Während für abhängig Beschäftigte grundsätzlich eine gesetzliche Rentenversicherungspflicht besteht, ist die Versicherungspflicht von Selbständigen differenziert ausgestaltet. Auf gesetzlicher Grundlage kann, je nach Art der selbständigen Tätigkeit, eine Rentenversicherungspflicht bestehen oder eine freiwillige Versicherung möglich sein. Die Rentenversicherung für Selbständige ist ein zentrales Element der sozialen Sicherung und unterliegt umfangreichen rechtlichen Regelungen des Sozialgesetzbuchs (SGB), insbesondere des SGB VI.
Rechtsgrundlagen und gesetzliche Regelungen
Rentenversicherungspflicht für Selbständige
Nach § 2 Satz 1 Nr. 1-14 SGB VI unterliegen bestimmte Gruppen von Selbständigen der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht. Zu diesen Gruppen zählen insbesondere:
- Handwerker, wenn sie in die Handwerksrolle eingetragen sind
- Lehrer, Erzieher und Pflegepersonen, die auf Honorarbasis arbeiten
- Künstler und Publizisten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG)
- Selbständige mit nur einem Auftraggeber, sogenannte „arbeitnehmerähnliche Selbständige“
Die Versicherungspflicht entsteht kraft Gesetzes mit Aufnahme der betreffenden Tätigkeit. Die Deutsche Rentenversicherung prüft die Versicherungspflicht im Rahmen der sogenannten Statusfeststellung (§ 7a SGB IV).
Befreiung von der Versicherungspflicht
Selbständige, die der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegen, können unter bestimmten Voraussetzungen eine Befreiung beantragen (§ 6 SGB VI). Dies ist beispielsweise möglich, wenn die selbständige Person bereits über eine anderweitige berufsständische Versorgung (z.B. bei Ärzten, Architekten, Rechtsanwälten) abgesichert ist.
Freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung
Selbständige, die keiner gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegen, haben gem. § 7 SGB VI die Möglichkeit, sich freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung zu versichern. Die freiwillige Versicherung bietet insbesondere dann Vorteile, wenn durch Beitragszahlungen Ansprüche auf Altersrente, Erwerbsminderungsrente und Hinterbliebenenversorgung erworben werden sollen.
Beitragspflichten und Beitragshöhe
Die Beitragshöhe für pflichtversicherte Selbständige bemisst sich grundsätzlich nach dem tatsächlichen Arbeitseinkommen. Es gibt aber – im Gegensatz zu Arbeitnehmern – keine Arbeitgeberbeteiligung. In bestimmten Fällen, etwa bei Lehrern und Pflegepersonen, gelten Mindesteinkommen oder besondere Mindestbeiträge (§ 165 SGB VI).
Freiwillig Versicherte können die Höhe ihrer Beiträge innerhalb eines gesetzlich festgelegten Rahmens selbst wählen. Es existiert ein Mindestbeitrag, ebenso wie eine Höchstbeitragsgrenze, die sich an der Beitragsbemessungsgrenze orientiert (§ 157 SGB VI).
Besondere Regelungen für spezielle Berufsgruppen
Handwerker
Für Handwerker besteht häufig eine Rentenversicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 8 SGB VI, sofern sie einen zulassungspflichtigen Handwerksbetrieb führen, als Inhaber in die Handwerksrolle eingetragen sind und selbst praktisch tätig werden. Die Versicherungspflicht endet nach 216 Monaten (18 Jahren) Pflichtbeitragszeit, danach ist eine Befreiung möglich (§ 6 Abs. 1a SGB VI).
Künstler, Publizisten und Künstlersozialkasse
Selbständige Künstler und Publizisten sind kraft Gesetz Künstlersozialversicherungspflichtig (§ 1 KSVG) und werden grundsätzlich in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen. Die Künstlersozialkasse führt die Beiträge ab, wobei der Versicherte nur etwa die Hälfte des Gesamtbeitrags entrichtet; die andere Hälfte wird durch die Künstlersozialabgabe und einen Bundeszuschuss getragen.
Befristete und rückwirkende Versicherungspflichten
Rückwirkung der Versicherungspflicht
Die Versicherungspflicht kann auf Antrag auch rückwirkend festgestellt und nachgezahlt werden, wenn bislang irrtümlich davon ausgegangen wurde, es liege keine Versicherungspflicht vor. Dies ist insbesondere bei Statusfeststellungsverfahren von Bedeutung.
Befristung und Übergangsregelungen
Bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit kann sich die Versicherungspflicht auf einen befristeten Zeitraum erstrecken, beispielsweise für arbeitnehmerähnliche Selbständige, wenn diese nachweisen können, dass sie nach Ablauf des Versicherungszeitraums mehrere Auftraggeber haben (§ 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI).
Rentenansprüche und Leistungsarten
Altersrente
Selbständige erwerben durch Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung Ansprüche auf Altersrente ab der Regelaltersgrenze. Die Anspruchsvoraussetzung ist die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von 60 Kalendermonaten mit Pflichtbeitragszeiten (§ 50 SGB VI).
Erwerbsminderungsrente
Für den Anspruch auf Erwerbsminderungsrente ist neben den medizinischen Voraussetzungen eine besondere Wartezeit von 36 Monaten Pflichtbeitragszeiten innerhalb der letzten fünf Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung erforderlich.
Hinterbliebenenrenten
Hinterbliebene selbständiger Versicherter, insbesondere Ehepartner, eingetragene Lebenspartner und Waisen, haben Anspruch auf Witwen-, Witwer- oder Waisenrente, wenn der Verstorbene die allgemeine Wartezeit erfüllt hat.
Alternativen zur gesetzlichen Rentenversicherung
Berufsständische Versorgungswerke
Zahlreiche freie Berufe (beispielsweise Ärzte, Architekten, Wirtschaftsprüfer) sind Mitglieder in berufsständischen Versorgungswerken, die gesetzlich als eigenständige Alterssicherungseinrichtungen anerkannt sind. Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entfallen in diesen Fällen in der Regel.
Private Altersvorsorge
Neben der gesetzlichen Rentenversicherung besteht für Selbständige die Möglichkeit, privat vorzusorgen, beispielsweise durch private Rentenversicherungen, Riester-Rente oder Rürup-Rente (Basisrente). Diese Formen der Altersvorsorge bieten steuerliche Fördermöglichkeiten, sind jedoch nicht dem Sozialversicherungsrecht zuzuordnen.
Melde- und Nachweispflichten, Sanktionen
Meldepflicht und Statusfeststellung
Selbständige, die unter die gesetzliche Versicherungspflicht fallen, müssen sich bei der Deutschen Rentenversicherung anmelden (§ 190a SGB VI). Bei Unklarheiten in der Abgrenzung zwischen abhängiger und selbständiger Tätigkeit kann eine Statusfeststellung beantragt werden.
Folgen bei Verstoß gegen die Versicherungspflicht
Unterbleibt die erforderliche Anmeldung, drohen Nachforderungen der Beiträge. Zudem können Säumniszuschläge entstehen (§ 24 SGB IV). In schwerwiegenden Fällen ist auch eine strafrechtliche Ahndung gemäß § 266a StGB möglich (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt).
Steuerliche Aspekte
Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung sind als Sonderausgaben steuerlich absetzbar (§ 10 Abs. 2a EStG). Die steuerliche Berücksichtigung betrifft sowohl Pflicht- als auch freiwillige Beiträge und unterliegt jährlich angepassten Höchstbeträgen.
Internationale Aspekte
Für ausländische Selbständige in Deutschland gelten die genannten Regelungen im Grundsatz gleichermaßen. Im Kontext von EU-Ausländern und Drittstaatsangehörigen sind zudem bilaterale und multilaterale Sozialversicherungsabkommen maßgeblich, um eine Doppelversicherung zu vermeiden und die Rentenansprüche zu sichern.
Zusammenfassung
Die Rentenversicherung für Selbständige ist ein komplexes Rechtsgebiet, das abhängig von der individuellen Tätigkeit und der jeweiligen Berufsgruppe zahlreiche Besonderheiten sowie Pflichten und Gestaltungsmöglichkeiten bietet. Während für bestimmte Gruppen eine Pflichtversicherung besteht, können andere Selbständige durch freiwillige Beiträge Ansprüche auf Leistungen der Deutschen Rentenversicherung erwerben. Neben der gesetzlichen Rentenversicherung existieren berufsständische und private Vorsorgesysteme, die je nach Einzelfall zu berücksichtigen sind. Für die rechtssichere Gestaltung und zur Vermeidung finanzieller Risiken sind die Melde- und Nachweispflichten sorgfältig zu beachten.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist als Selbständiger in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert?
Nicht jeder Selbständige ist automatisch von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Bestimmte Berufsgruppen und Tätigkeiten unterliegen einer Versicherungspflicht nach § 2 SGB VI. Zu den obligatorisch Pflichtversicherten zählen vor allem selbständige Lehrer, Erzieher, Pflegepersonen und Hebammen, Künstler und Publizisten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz sowie Handwerker, die ein zulassungspflichtiges Handwerk selbständig ausüben. Weiterhin tritt eine Versicherungspflicht für Selbständige ein, die auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind. Die Feststellung der Versicherungspflicht erfolgt in der Regel durch eine Statusfeststellung der Deutschen Rentenversicherung, wenn Anhaltspunkte für die genannten Merkmale vorliegen. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht ist in engen gesetzlichen Grenzen und meist nur für bestimmte Gruppen, wie etwa selbständige Lehrer mit einem Versorgungswerk, möglich.
Welche Melde- und Beitragspflichten bestehen für selbständige Pflichtversicherte?
Selbständige, die der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegen, sind verpflichtet, sich unverzüglich – in der Regel innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Tätigkeit – bei der zuständigen Rentenversicherungsträger zu melden. Säumige Meldungen können rückwirkende Beitragserhebungen und gegebenenfalls Säumniszuschläge nach sich ziehen. Die Beiträge sind in der Regel monatlich zu entrichten und werden auf Grundlage des aktuellen Regelbeitragssatzes festgelegt. Alternativ kann auf Antrag eine einkommensgerechte Beitragsberechnung erfolgen, sofern entsprechende Nachweise (z.B. Steuerbescheide) vorgelegt werden. Bei nicht rechtzeitigem Eingang werden Verzugszinsen und Mahngebühren fällig. Der Selbständige ist selbst verantwortlich für die pünktliche und vollständige Beitragsentrichtung.
Unter welchen Voraussetzungen können sich Selbständige freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung versichern?
Selbständige, die nicht der Pflichtversicherung unterliegen, steht grundsätzlich die Möglichkeit offen, sich freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung zu versichern (§ 7 SGB VI). Voraussetzung dafür ist, dass der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat oder innerhalb der letzten fünf Jahre für mindestens 60 Monate Pflichtbeiträge gezahlt hat. Der Antrag auf freiwillige Versicherung kann jederzeit gestellt werden; die Beiträge können in der Höhe zwischen Mindest- und Höchstbeitrag frei gewählt werden. Die freiwillige Versicherung ermöglicht insbesondere den Erwerb oder Erhalt von Anwartschaften auf Rentenarten sowie die Erfüllung der Wartezeit für einen Rentenanspruch.
Gibt es Ausnahmen von der Versicherungspflicht für selbständige Handwerker?
Für selbständige Handwerker gibt es die Besonderheit, dass sie grundsätzlich pflichtversichert sind, wenn sie ein zulassungspflichtiges Handwerk betreiben und in die Handwerksrolle eingetragen sind. Nach der Handwerksordnung (§ 1 HwO) unterliegen sie der Rentenversicherungspflicht für mindestens 216 Kalendermonate (= 18 Jahre). Nach Ablauf dieser Frist ist ein Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht möglich. Wer bereits vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit für einen bestimmten Zeitraum pflichtversichert war, kann diese Zeiten anrechnen lassen. Für handwerksähnliche Tätigkeiten oder zulassungsfreie Handwerke besteht keine Pflichtversicherung.
Wie wirkt sich die Versicherungspflicht auf das Statusfeststellungsverfahren aus?
Das Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV spielt für Selbständige, insbesondere für solche mit nur einem wesentlichen Auftraggeber, eine zentrale Rolle bei der Feststellung der Versicherungspflicht. Im Rahmen des Verfahrens prüft die Deutsche Rentenversicherung, ob tatsächlich eine selbständige Tätigkeit vorliegt oder ob Merkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses überwiegen. Das Ergebnis des Verfahrens ist bindend und hat unmittelbare Auswirkungen auf die Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Fällt das Ergebnis auf Seiten der Versicherungspflicht aus, sind rückwirkend Beiträge zu entrichten. Die Anrufung des Statusfeststellungsverfahrens ist sowohl durch den Selbständigen als auch durch den Auftraggeber möglich und im Zweifelsfall zur eigenen Absicherung empfehlenswert.
Welche Möglichkeiten der Befreiung von der Versicherungspflicht bestehen für Selbständige?
Eine Befreiung von der Versicherungspflicht kann unter bestimmten Voraussetzungen beantragt werden. Handwerker können sich nach Ablauf der 18 Jahre Pflichtmitgliedschaft befreien lassen. Selbständige, die einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, z.B. Ärzte, Apotheker, Rechtsanwälte oder Architekten mit eigenem Versorgungswerk, angehören, können sich ebenfalls von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreien lassen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Der Befreiungsantrag ist fristgebunden und muss zeitnah nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit gestellt werden. Eine rückwirkende Befreiung ist regelmäßig ausgeschlossen. Die Befreiung gilt dann nur für die betreffende selbständige Tätigkeit und nicht für spätere Tätigkeiten anderer Art.
Was sind die rechtlichen Folgen einer Nichtbeachtung der Versicherungspflicht für Selbständige?
Wird die Versicherungspflicht von einem Selbständigen nicht beachtet, drohen erhebliche rechtliche Konsequenzen. Die Deutsche Rentenversicherung kann Beiträge für zurückliegende Jahre nachfordern, sollte sich im Nachhinein eine Versicherungspflicht herausstellen. Hinzu kommen gegebenenfalls Säumniszuschläge, Bußgelder und im Ausnahmefall strafrechtliche Konsequenzen bei nachgewiesener Vorsätzlichkeit. Die Nichtabführung von Pflichtbeiträgen kann außerdem nachteilig für den Erwerb von Rentenansprüchen sowie für weitergehende sozialversicherungsrechtliche Ansprüche (z.B. Erwerbsminderungsrente) sein. Eine regelmäßige Überprüfung des eigenen Status und die rechtzeitige Kommunikation mit der Deutschen Rentenversicherung wird daher dringend empfohlen.