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Rentenversicherung


Begriff und Bedeutung der Rentenversicherung

Die Rentenversicherung ist ein zentrales Element des deutschen Sozialversicherungssystems und stellt die Absicherung der Versicherten gegen Risiken des Alters, der Erwerbsminderung und für Hinterbliebene bereit. Sie besteht im Wesentlichen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die durch das Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) geregelt wird, sowie aus privaten und betrieblichen Rentenversicherungen, welche ergänzende Vorsorgemöglichkeiten bieten.

Gesetzliche Rentenversicherung

Rechtsgrundlagen

Die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) basiert in Deutschland maßgeblich auf dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Ergänzende Regelungen finden sich im SGB IV (Gemeinsame Vorschriften), SGB I (Allgemeiner Teil) und in diversen Durchführungsverordnungen. Die GRV unterliegt der Rechtsaufsicht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Träger der gesetzlichen Rentenversicherung

Die Trägerschaft umfasst:

  • Deutsche Rentenversicherung Bund
  • Regionalträger (z. B. Deutsche Rentenversicherung Rheinland, Nord, Süd)
  • Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See

Diese Institutionen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung.

Versicherungspflicht und Berechtigter Personenkreis

Versicherungspflichtig sind grundsätzlich alle abhängig Beschäftigten sowie bestimmte Gruppen von Selbständigen, Auszubildenden, freiwillig versicherte Personen und weitere durch Gesetz erfasste Gruppen (§§ 1 ff. SGB VI). Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften.

Leistungsarten der gesetzlichen Rentenversicherung

Die GRV sichert insbesondere folgende Risiken ab:

  • Altersrente: Regelaltersrente, Altersrente für langjährig Versicherte, Rente für besonders langjährig Versicherte, Altersrente für schwerbehinderte Menschen
  • Erwerbsminderungsrente: Volle und teilweise Erwerbsminderungsrente (§§ 43 ff. SGB VI)
  • Rente wegen Todes: Witwen-/Witwerrente, Waisenrente, Erziehungsrente

Darüber hinaus werden Rehabilitations- und Präventionsleistungen (medizinische und berufliche Rehabilitation) gewährt.

Beitragsrecht

Die Finanzierung erfolgt als Umlageverfahren: Die Beiträge werden anteilig von Arbeitgebern und Arbeitnehmern entrichtet; zusätzlich gibt es einen Bundeszuschuss zur Stabilisierung des Systems. Bemessungsgrundlage und Beitragssätze richten sich nach den gesetzlichen Vorgaben (§§ 157 ff. SGB VI). Es gelten Beitragsbemessungsgrenzen und Sonderregelungen für bestimmte Personengruppen.

Rentenformel und -berechnung

Die Höhe der gesetzlichen Rente richtet sich nach:

  • den individuell erworbenen Entgeltpunkten (abhängig vom versicherten Einkommen)
  • dem Zugangsfaktor (zum Eintrittsalter)
  • dem aktuellen Rentenwert
  • dem Rentenartfaktor (§ 64 SGB VI)

Die Rentenanpassung erfolgt regelmäßig gemäß § 68 SGB VI und berücksichtigt Lohnentwicklung, Beitragseinnahmen und Nachhaltigkeitsfaktor.

Anspruchsentstehung und Rentenantrag

Ein Anspruch auf Rente entsteht bei Erfüllung der Wartezeit (in der Regel 5 Jahre Mindestversicherungszeit) und weiterer spezifischer Voraussetzungen je nach Rentenart. Die Rente muss beantragt werden, eine rückwirkende Bewilligung ist grundsätzlich nur für bis zu drei Monate vor Antragstellung möglich (§ 99 SGB VI).

Ruhen und Ausschluss der Rentenzahlung

Die Rente ruht ganz oder teilweise bei Anrechnung von Einkommen oder bestimmten Versorgungslasten (§§ 34, 96a SGB VI). In besonderen Fällen ist der Rentenanspruch ausgeschlossen oder ruht, etwa bei Bezug von Versorgung aus öffentlichen Kassen im Ausland.

Private Rentenversicherung

Rechtsnatur und Abgrenzung

Die private Rentenversicherung ist eine Form der Individualversicherung auf vertraglicher Grundlage und wird durch Versicherungsunternehmen erbracht. Rechtsgrundlagen sind insbesondere das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) sowie das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG).

Vertragliche Ausgestaltung

Die private Rentenversicherung kann als klassische (mit Garantieverzinsung), fondsgebundene oder kapitalbildende Versicherung abgeschlossen werden. Im Vertrag werden Beitragszahlung, Rentenhöhe, Auszahlungsmodalitäten und Möglichkeiten einer Kapitalabfindung geregelt.

Steuerliche Behandlung

Beiträge zur privaten Rentenversicherung sowie Rentenzahlungen unterliegen abweichenden steuerlichen Regelungen nach dem Einkommensteuergesetz (EStG), insbesondere im Rahmen der sogenannten „nachgelagerten Besteuerung“ (§ 22 EStG).

Betriebliche Altersversorgung (Betriebsrente)

Gesetzliche Grundlagen

Die betriebliche Altersvorsorge ist eine von Arbeitgebern für ihre Arbeitnehmer eingerichtete Versorgung, geregelt durch das Betriebsrentengesetz (BetrAVG). In der Praxis werden Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds, Unterstützungskassen und Direktzusagen unterschieden.

Ansprüche und Schutzvorschriften

Arbeitnehmer haben grundsätzlich einen Anspruch auf Entgeltumwandlung (§ 1a BetrAVG). Zudem bestehen Sicherungsmechanismen wie der Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) zur Absicherung bei Insolvenz des Arbeitgebers (§ 7 BetrAVG).

Staatlich geförderte Rentenversicherungen

Riester-Rente

Gefördert nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (AltZertG), ermöglicht insbesondere Arbeitnehmern und Beamten eine zusätzliche, staatlich subventionierte Altersvorsorge.

Rürup-Rente (Basisrente)

Die Basisrente richtet sich vor allem an Selbständige und Freiberufler. Beiträge sind gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2b EStG steuerlich begünstigt.

Internationale Aspekte der Rentenversicherung

Europäische und bilaterale Koordination

Im Rahmen der Europäischen Union sowie aufgrund bilateraler Sozialversicherungsabkommen wird die Rentenversicherung grenzüberschreitend koordiniert. Wesentliche Regelung finden sich in den EU-Verordnungen 883/2004 und 987/2009, die die Zusammenrechnung von Versicherungszeiten und Rentenansprüche im EU-Ausland regeln.

Sozialrechtliche Bedeutung und Schutzfunktion

Die Rentenversicherung stellt ein zentrales Element der Daseinsvorsorge und sozialen Sicherung dar. Sie ist durch die Sozialstaatlichkeit nach Artikel 20, 28 Grundgesetz grundrechtlich unterlegt und bietet Schutz vor sozialen Risiken im Alter, bei Invalidität und Tod eines Versorgers.

Rechtsschutz bei Streitigkeiten

Entscheidungen über Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung können durch Widerspruchs- und Klageverfahren vor den Sozialgerichten überprüft werden. Maßgeblich sind hier das Sozialgerichtsgesetz (SGG) und das Zehnte Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) über das Verwaltungsverfahren der Sozialleistungsträger.


Zusammenfassung: Die Rentenversicherung ist in Deutschland ein staatlich, betrieblich und privat gestaltetes System der Absicherung gegen Alter, Erwerbsminderung und Tod. Ihr rechtlicher Rahmen ist umfassend und tiefgreifend im Sozialgesetzbuch und angrenzenden Gesetzen geregelt, ergänzt durch steuerliche sowie internationale Koordinationsvorschriften. Das System sichert nicht nur Einkommensersatzleistungen, sondern ist elementarer Bestandteil der sozialen Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland.

Häufig gestellte Fragen

Wann besteht in Deutschland eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung?

Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ergibt sich vor allem aus dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Grundsätzlich sind alle Arbeitnehmer, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt werden, kraft Gesetzes verpflichtet, Beiträge zur Rentenversicherung abzuführen (§ 1 SGB VI). Gleiches gilt für Auszubildende und behinderte Menschen, die in einer anerkannten Werkstatt arbeiten. Auch bestimmte Selbständige, wie beispielsweise Handwerker, Lehrer und Pflegepersonen, unterliegen unter bestimmten Voraussetzungen der Versicherungspflicht (§ 2 SGB VI). Daneben gibt es Sonderfälle, wie mithelfende Familienangehörige in Betrieben sowie Pflegepersonen, die Mindestpflegezeiten erfüllen. Von der Versicherungspflicht ausgenommen sind u.a. Beamte, Richter, Soldaten, geringfügig Beschäftigte (unter bestimmten Bedingungen) sowie Personen, die bereits von einer berufsständischen oder vergleichbaren Versorgungseinrichtung abgesichert sind. Versicherungsfreiheit kann außerdem für Personen bestehen, die nach Vollendung des Regelrentenalters weiterarbeiten und bereits eine Vollrente beziehen.

Was ist beim Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht zu beachten?

Die Befreiung von der Versicherungspflicht kommt nur in gesetzlich klar definierten Fällen in Betracht, etwa wenn eine parallele Absicherung über ein berufsständisches Versorgungswerk besteht (§ 6 SGB VI) oder eine geringfügige Beschäftigung (Minijob) ausgeübt wird und der Arbeitnehmer auf die Rentenversicherungspflicht verzichtet (§ 6 Abs. 1b SGB VI). Der Antrag auf Befreiung muss in der Regel innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Beschäftigung oder Tätigkeit gestellt werden, andernfalls besteht für die vorherige Zeit Versicherungspflicht. Die Befreiung gilt grundsätzlich ab dem Antragsmonat und nicht rückwirkend. Eine Befreiung ist für bestimmte Personengruppen, wie bestimmte Selbständige oder mithelfende Familienangehörige, unter sehr engen Voraussetzungen möglich und bedarf häufig dem Nachweis einer anderweitigen Absicherung. Im Falle einer Befreiung entfällt die Beitragspflicht komplett; im Falle einer Beitragsfreiheit aufgrund von Überschneidungen mit anderen Absicherungen müssen entsprechende Nachweise bei den Trägern der Rentenversicherung eingereicht werden.

Kann man freiwillige Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen und welche rechtlichen Voraussetzungen gelten?

Ja, Personen, die in Deutschland leben und das 16. Lebensjahr vollendet haben, können freiwillige Beiträge zahlen, sofern sie nicht gesetzlich versicherungspflichtig sind (§ 7 SGB VI). Freiwillige Beiträge sind insbesondere für Selbständige ohne Versicherungspflicht, nicht erwerbstätige Ehepartner oder Rückkehrer aus dem Ausland möglich, auch um inländische Rentenansprüche zu erhalten oder aufzustocken. Das Beitragsfenster reicht zwischen dem Mindest- und dem Höchstbeitrag, wie sie jährlich von der Deutschen Rentenversicherung festgelegt werden. Der Antrag auf freiwillige Versicherungsbeiträge muss bis spätestens 31. März des Folgejahres gestellt und die Zahlung geleistet werden, damit die Beiträge für das Vorjahr angerechnet werden. Eine nachträgliche Zahlung für weiter zurückliegende Jahre ist in der Regel ausgeschlossen, es sei denn, eine Ausnahme ist ausdrücklich gesetzlich geregelt (z.B. Nachzahlung für schulische Ausbildungszeiten bis maximal nach Vollendung des 45. Lebensjahres nach § 207 SGB VI).

Wie wird die Rente berechnet und welche rechtlichen Grundlagen gibt es?

Die Berechnung der gesetzlichen Rente basiert auf dem sogenannten Entgeltpunktesystem. Die Rechtsgrundlagen hierfür finden sich in §§ 63 bis 68 SGB VI. Für jedes Kalenderjahr, in dem Beiträge gezahlt werden, werden sogenannte Entgeltpunkte gutgeschrieben, deren Anzahl sich nach dem Verhältnis des eigenen Einkommens zum Durchschnittseinkommen aller Versicherten richtet. Weitere Faktoren sind der Zugangsfaktor (z.B. für Rentenabschläge bei vorzeitigem Rentenbeginn), der Rentenartfaktor (je nach Rentenart, wie Alters-, Erwerbsminderungs- oder Hinterbliebenenrente) und der aktuelle Rentenwert, der jährlich angepasst wird. Beiträge, Beitragszeiten, rentenrechtliche Zeiten (wie Kindererziehungszeiten, Pflegezeiten) sowie eventuelle Abschläge oder Zuschläge werden nach dem SGB VI exakt geregelt und dokumentiert. Umfangreiche Meldevorschriften und Prüfmechanismen sorgen für eine exakte Erfassung aller rentenrechtlichen Zeiten und Beträge, die dann zur Berechnung des individuellen Rentenanspruchs herangezogen werden.

Welche rechtlichen Möglichkeiten gibt es, gegen eine Rentenbescheid Widerspruch einzulegen?

Gegen einen Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe schriftlich oder zur Niederschrift Widerspruch eingelegt werden (§ 84 SGG – Sozialgerichtsgesetz). Die Widerspruchsfrist beginnt mit Zustellung des Bescheids, die auch durch förmliche Zustellung oder Bekanntgabe als zugegangen gilt. Der Widerspruch muss hinreichend begründet werden, und es können alle Tatsachen, Unterlagen oder Argumente vorgetragen werden, die den Behauptungen der Rentenversicherung widersprechen oder neue Tatsachen liefern. Wird dem Widerspruch stattgegeben, wird der Bescheid durch die Rentenversicherung korrigiert oder zurückgenommen. Im Falle einer Ablehnung des Widerspruchs besteht das Recht auf Klageerhebung vor dem Sozialgericht. Die Klagefrist beträgt ebenfalls einen Monat nach Zugang des ablehnenden Widerspruchsbescheids.

Welche gesetzlichen Regelungen gelten bei der Nachzahlung von Rentenbeiträgen?

Nachzahlungen von Rentenbeiträgen sind nur unter festgelegten Voraussetzungen gesetzlich zulässig. Das betrifft zum Beispiel Kindererziehungszeiten, bestimmte frühere Zeiten der Ausbildung (maximal bis zum 45. Lebensjahr, § 207 SGB VI) oder für Zeiten der freiwilligen Beitragszahlung im Falle der Auslandsrückkehr. Auch für bestimmte selbständig Tätige oder bei der Nachzahlung aufgrund einer Beitragslücke (z.B. durch Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Pflege) gelten eigene Nachzahlungsregelungen. Die Nachzahlung muss durch einen konkreten Antrag eingeleitet werden, und es sind Nachweise über die zurückliegenden Zeiten nötig. Für klassische Pflichtbeitragszeiten ist eine Nachzahlung regelmäßig ausgeschlossen, eine Ausnahme kann nachträglich durch Sozialversicherungsprüfungen oder bei nachgewiesener versäumter Beitragspflicht greifen, dann jedoch oft mit Säumniszuschlägen und unter Einbeziehung weiterer Rechtsfolgen. Die Nachzahlung erhöht die Rentenansprüche und kann insbesondere zur Erfüllung von Wartezeiten (Mindestversicherungszeiten) beitragen.

Wie ist die Rechtslage bei der Anrechnung ausländischer Versicherungszeiten?

Versicherte, die im Ausland Beiträge zu einer dortigen Rentenversicherung geleistet haben, können unter bestimmten Voraussetzungen eine Anrechnung dieser Zeiten im deutschen Rentensystem beantragen. Grundlage hierfür sind bilaterale Sozialversicherungsabkommen sowie EU- und EWR-Regelungen (u.a. VO (EG) Nr. 883/2004). Die Anerkennung ausländischer Zeiten bedeutet in der Regel, dass diese auf die Erfüllung von Wartezeiten (Mindestversicherungszeiten) angerechnet werden, nicht jedoch in jedem Fall auf die Höhe der Rente. Für jedes Land bestehen eigene Regelungen, ob und wie Versicherungszeiten übertragen oder zusammengefasst werden. Versicherte müssen einen Antrag stellen, und die Rentenversicherung prüft unter Einbeziehung von Auskunftsersuchen an die ausländischen Träger die Anrechenbarkeit nach Maßgabe der jeweiligen Abkommen. Es besteht kein Anspruch auf „Doppelrente“; vielmehr werden die Ansprüche nach den jeweiligen nationalen Rechtsvorschriften anteilig berechnet. Eine Beratung durch die Deutsche Rentenversicherung oder eine Rentenberatungsstelle wird empfohlen.