Begriff und Grundlagen der Rentenbesteuerung
Die Rentenbesteuerung bezeichnet die steuerliche Behandlung von Renteneinkünften und betrifft insbesondere die Altersrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aber auch weitere rentenähnliche Versorgungsleistungen. Im deutschen Steuerrecht erfolgt die Besteuerung von Renten nach Maßgabe des Einkommensteuergesetzes (EStG) und ist Gegenstand einer Vielzahl gesetzlicher Regelungen sowie gerichtlicher Entscheidungen. Die Rentenbesteuerung ist infolge des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes (AltZertG) und der Rentenreform 2005, die wesentliche Änderungen eingeführt hat, Gegenstand kontinuierlicher Entwicklungen.
Historische Entwicklung der Rentenbesteuerung in Deutschland
Altersrenten bis 2005: Ertragsanteilbesteuerung
Vor dem 1. Januar 2005 wurden Altersrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem sogenannten Ertragsanteilsverfahren besteuert. Nur ein bestimmter Anteil der Rentenzahlung, der sogenannte Ertragsanteil, wurde der Einkommensteuer unterworfen. Die Höhe dieses Ertragsanteils war abhängig vom Alter des Versicherten bei Rentenbeginn. Die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung waren hingegen nur begrenzt als Sonderausgaben absetzbar.
Übergang zur nachgelagerten Besteuerung (Alterseinkünftegesetz)
Mit Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes am 1. Januar 2005 erfolgte ein Paradigmenwechsel hin zur sogenannten nachgelagerten Besteuerung („Besteuerung der Auszahlungen“). Dies war eine Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6. März 2002 (BVerfGE 105, 73), das die steuerliche Differenzierung zwischen Beamtenpensionen und gesetzlichen Renten für verfassungswidrig erklärt hatte. Seitdem unterliegen Rentenauszahlungen der Einkommensteuer, während die Beiträge schrittweise steuerlich begünstigt werden.
Besteuerung der gesetzlichen Altersrente
Steuerliche Behandlung der Beitragszahlungen
Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung werden im Rahmen des Sonderausgabenabzugs (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG) steuerlich gefördert. Seit 2005 ist vorgesehen, dass die abzugsfähigen Beiträge jährlich ansteigen und ab dem Jahr 2025 grundsätzlich vollständig als Sonderausgaben anerkannt werden.
Besteuerung der Rentenauszahlungen
Die Besteuerung der ausbezahlten Rente erfolgt nach dem sogenannten Kohortenprinzip. Der steuerpflichtige Anteil der Rente bemisst sich nach dem Jahr des Rentenbeginns und wird als Rentenfreibetrag festgeschrieben (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG). Dieser Freibetrag bleibt für die gesamte Bezugsdauer konstant. Der steuerpflichtige Anteil der Rente steigt sukzessive für jeden neuen Rentenzugangsjahrgang.
Beispiel:
- Rentenbeginn 2005: 50 % der Rente sind steuerpflichtig
- Rentenbeginn 2020: 80 % der Rente sind steuerpflichtig
- Rentenbeginn ab 2040: 100 % der Rente sind steuerpflichtig
Der Rentenfreibetrag wird einmalig im Jahr des Rentenbeginns berechnet.
Steuerliche Anrechnung weiterer Abzugsbeträge
Von der zu versteuernden Rente können verschiedene Positionen abgezogen werden, insbesondere der Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag. Lediglich der verbleibende sog. „steuerpflichtige Anteil“ der Bruttorente wird versteuert.
Weitere Formen der Rentenbesteuerung außerhalb der gesetzlichen Altersrente
Besteuerung betrieblicher Altersvorsorge
Die Renten aus der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) werden steuerrechtlich unterschiedlich behandelt, je nach Durchführungsweg. Direktzusagen, Unterstützungskassen, Direktversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds unterliegen jeweils spezifischen Regelungen. Grundsätzlich gilt auch hier die nachgelagerte Besteuerung; Rentenleistungen werden im Alter voll oder teilweise mit dem individuellen Steuersatz besteuert.
Privat abgeschlossene Rentenversicherungen
Bei privaten Leibrentenversicherungen ist zwischen der Basis-Rente (§ 10 Abs. 1 Nr. 2b EStG, sog. Rürup-Rente), der Riester-Rente (§ 10a, §§ 79 ff. EStG) und sonstigen privaten Rentenversicherungen zu unterscheiden. Während bei geförderten Produkten eine weitgehende nachgelagerte Besteuerung vorgeschrieben ist, unterliegen freiwillige private Leibrenten weiterhin der Besteuerung ihres Ertragsanteils gemäß § 22 Nr. 1 EStG, wobei die Höhe dieses Anteils vom Alter bei Rentenbeginn abhängt.
Doppelbesteuerung und Rechtsprechung
Vermeidung von Doppelbesteuerung
Wesentliches Ziel der gesetzlichen Regelungen ist es, eine Doppelbesteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Renteneinkünften zu vermeiden. Eine Doppelbesteuerung läge vor, wenn ein Rentner sowohl während des Erwerbslebens Einkommen versteuert hat, das zur Beitragszahlung diente, als auch die daraus resultierende Rente noch einmal voll versteuern müsste.
Rechtliche Auseinandersetzungen und Urteile
Das Bundesverfassungsgericht sowie der Bundesfinanzhof (BFH) haben mehrfach zur Verfassungsmäßigkeit der Rentenbesteuerung entschieden. Insbesondere mit Urteil vom 19. Mai 2021 (X R 33/19 und X R 20/19) hat der BFH konkretisiert, unter welchen Bedingungen eine doppelte Besteuerung vorliegt und wie diese rechnerisch zu bestimmen ist.
Besteuerung von Renten im internationalen Kontext
Besteuerungsrecht und Doppelbesteuerungsabkommen
Für Rentenbezieher mit Wohnsitz im Ausland oder für Renten ausländischer Rentenkassen können die Regelungen internationaler Doppelbesteuerungsabkommen maßgeblich sein. In der Regel steht das Besteuerungsrecht dem Wohnsitzstaat zu, abweichende Regelungen (z. B. Quellenbesteuerung) sind je nach Abkommensinhalt möglich.
Steuerpflicht und Verfahrensfragen
Pflicht zur Steuererklärung für Rentner
Rentner, deren zu versteuerndes Einkommen den jährlichen Grundfreibetrag (§ 32a EStG) übersteigt, sind zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet. Die Pflicht hängt insbesondere vom steuerpflichtigen Rentenanteil und etwaigen weiteren Einkünften ab.
Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens
Die Berechnung des steuerpflichtigen Renteneinkommens erfolgt anhand der Bruttorentenbezüge, abzüglich Rentenfreibetrag und weiterer abzugsfähiger Aufwendungen. Das verbleibende Einkommen unterliegt der Einkommensteuer nach dem jeweils geltenden Tarifsatz.
Gesetzliche Grundlagen
- §§ 10, 22 Einkommensteuergesetz (EStG)
- Alterseinkünftegesetz (AltEinkG)
- Urteile des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs
Zusammenfassung und Ausblick
Die Rentenbesteuerung in Deutschland folgt dem Prinzip der nachgelagerten Besteuerung. Die steuerliche Belastung verlagert sich zunehmend auf die Rentenphase, während die steuerliche Absetzbarkeit der Vorsorgeaufwendungen steigt. Die konkrete Höhe des Steueranteils hängt vom Rentenbeginn und individuellen Faktoren ab. Internationale Sachverhalte und mögliche Doppelbesteuerungen werden durch bilaterale Abkommen geregelt. Die Rentenbesteuerung bleibt Gegenstand fortlaufender gesetzlicher und gerichtlicher Entwicklungen.
Häufig gestellte Fragen
Wie wird das zu versteuernde Einkommen bei Renten bemessen?
Das zu versteuernde Einkommen bei Renten ergibt sich nach deutschen Steuerrecht aus der Differenz zwischen den Einnahmen aus der gesetzlichen oder privaten Rente und den anerkannterweise abzugsfähigen Werbungskosten bzw. Sonderausgaben. Zunächst wird der sogenannte Besteuerungsanteil der Rente ermittelt, der abhängig vom Jahr des Rentenbeginns gesetzlich festgelegt ist und von Jahr zu Jahr steigt (§ 22 EStG i.V.m. Anlage 1 EStG). Vom Bruttorentenbetrag der Jahresrente wird anschließend der steuerfreie Anteil, der einmalig im Jahr des Rentenbeginns festgeschrieben wird, abgezogen. Weiterhin dürfen Pauschbeträge für Werbungskosten (z. B. 102 Euro jährlich) und gegebenenfalls sonstige abzugsfähige Ausgaben berücksichtigt werden. Nach diesem Abzug erhält man den steuerpflichtigen Rentenanteil, der der Einkommensteuer unterliegt.
Welche Rolle spielt das Jahr des Rentenbeginns für die Besteuerung?
Das Jahr des Rentenbeginns ist maßgeblich für die Höhe des steuerpflichtigen Anteils der gesetzlichen Rente. Gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG gilt für jeden Rentenjahrgang ein fester Besteuerungsanteil. Bei Rentenbeginn im Jahr 2005 beträgt der steuerpflichtige Anteil 50 %; für jeden neuen Jahrgang steigt der Besteuerungsanteil bis 2020 jährlich um zwei Prozentpunkte und danach jährlich um einen Prozentpunkt an, bis im Jahr 2040 ein Besteuerungsanteil von 100 % erreicht ist. Dieser festgelegte Betrag gilt lebenslang für die jeweilige Rente und ist nicht mehr veränderlich. Das heißt, der steuerfreie Anteil fixiert sich zu Beginn und wird als fester Betrag jährlich von der Rente abgezogen.
Welche Rentenarten unterliegen der Besteuerung?
Im deutschen Steuerrecht fallen unter den Begriff der Renten grundsätzlich folgende Rentenarten: gesetzliche Altersrenten (z. B. aus der Deutschen Rentenversicherung), Betriebsrenten (Pensionskassen, Pensionsfonds, Direktversicherungen), private Leibrenten und weitere inländische und ausländische Rentenzahlungen. Gesetzliche Renten werden nach dem nachgelagerten Besteuerungsprinzip besteuert, während private Leibrenten meist mit dem Ertragsanteil versteuert werden (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG). Wichtig ist, dass auch Witwen- und Witwerrenten sowie Berufsunfähigkeitsrenten dem Besteuerungsregime unterliegen. Je nach individueller Rentenart unterscheiden sich die steuerlichen Regelungen sowie der anzusetzende Besteuerungs- oder Ertragsanteil.
Was ist bei der Abgabe der Steuererklärung als Rentner zu beachten?
Rentner sind grundsätzlich verpflichtet, eine Steuererklärung abzugeben, wenn ihre steuerpflichtigen Einkünfte – einschließlich des steuerpflichtigen Teils ihrer Rente – den Grundfreibetrag übersteigen. Die jährliche Steuererklärung erfolgt mittels der Anlage R für Renteneinkünfte. Hierbei müssen Bruttorenten, Rentenanpassungsbeträge und steuerfreie Anteile korrekt aufgeführt werden. Zusätzlich können Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden. Die elektronische Übermittlung über ELSTER ist rechtlich zulässig und kann verpflichtend sein. Wichtig ist, dass das Finanzamt im Rahmen einer Kontrollmitteilung von der Deutschen Rentenversicherung regelmäßig die Höhe der ausgezahlten Renten erhält, wodurch fehlerhafte Angaben auffallen können.
Was geschieht bei einer nachträglichen Rentenanpassung oder Rentennachzahlung?
Nach § 22 EStG erfolgt die Besteuerung auch für Nachzahlungen oder rückwirkende Anpassungen. Wird eine Rente nachträglich erhöht oder erfolgt eine rückwirkende Nachzahlung für zurückliegende Jahre, so müssen diese Beträge dem jeweiligen Kalenderjahr, für das sie bestimmt sind, steuerlich zugerechnet werden. Das kann zu Änderungen des steuerpflichtigen Rentenanteils im jeweiligen Jahr führen. Je nach Konstellation kann eine Tarifglättung gemäß § 34 EStG („außerordentliche Einkünfte“) beantragt werden, damit keine unbilligen Mehrbelastungen eintreten. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass sowohl Rentner als auch Erben verpflichtet sind, solche Nachzahlungen korrekt in der Einkommensteuererklärung anzugeben.
Welche steuerlichen Besonderheiten gelten bei ausländischen Renten?
Erhalten in Deutschland steuerpflichtige Personen eine Rente aus dem Ausland, gelten die Regeln des § 22 EStG auch für ausländische Renten, sofern sie der inländischen Besteuerung unterliegen und kein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) eine Freistellung vorsieht. Die Anrechnung ausländischer Steuer auf die inländische Steuerlast erfolgt nach § 34c EStG. Die Höhe des Besteuerungs- oder Ertragsanteils richtet sich nach der Art der ausländischen Rente. Die Besteuerung kann komplexer werden, wenn mehrere Staaten Ansprüche auf Besteuerung erheben. In solchen Fällen sind die Vorgaben des jeweiligen DBA maßgeblich zu beachten, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Es besteht eine Meldepflicht ausländischer Renten gegenüber deutschen Finanzbehörden.