Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit: Begriff, Zweck und Einordnung
Die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ist eine Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung, die den Lebensunterhalt sichern soll, wenn Erwerbstätigkeit aufgrund von Krankheit oder Behinderung dauerhaft oder für einen längeren Zeitraum nicht mehr in vollem Umfang möglich ist. Sie knüpft nicht an den erlernten Beruf, sondern an die Fähigkeit an, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts tätig zu sein. Damit unterscheidet sie sich von der früheren, an den erlernten Beruf anknüpfenden Berufsunfähigkeitsrente sowie von privatrechtlichen Absicherungen.
Voraussetzungen
Medizinische Voraussetzungen
Maßgeblich ist, in welchem zeitlichen Umfang eine Person unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts noch arbeiten kann. Daraus ergeben sich zwei Grundformen:
- Volle Erwerbsminderung: Leistungsfähigkeit unter drei Stunden täglich.
- Teilweise Erwerbsminderung: Leistungsfähigkeit zwischen drei und unter sechs Stunden täglich.
Die Beurteilung stützt sich auf medizinische Unterlagen und, wenn erforderlich, auf unabhängige Gutachten. Entscheidend ist das verbliebene Leistungsvermögen, nicht die zuletzt ausgeübte Tätigkeit. In bestimmten Konstellationen kann trotz nur teilweiser Erwerbsminderung eine Leistung in Höhe der vollen Rente gewährt werden, wenn der Arbeitsmarkt für entsprechende Teilzeittätigkeiten faktisch verschlossen ist.
Versicherungsrechtliche Voraussetzungen
Neben der gesundheitlichen Voraussetzung sind Mindestversicherungszeiten erforderlich. In der Regel müssen eine allgemeine Mindestzeit an Beitrags- und Anrechnungszeiten erfüllt und innerhalb eines näher bestimmten Zeitraums vor Eintritt der Erwerbsminderung Pflichtbeiträge geleistet worden sein. Bestimmte Zeiten wie Kindererziehung, Ausbildung oder Zeiten mit Leistungen bei Krankheit können bei der Wartezeiterfüllung angerechnet werden. Für besondere Lebenslagen existieren abweichende Zugangsvoraussetzungen.
Rehabilitation vor Rente
Dem Grundsatz nach haben medizinische oder berufliche Rehabilitationsleistungen Vorrang. Ziel ist, das Leistungsvermögen zu erhalten oder wiederherzustellen. Der Rentenversicherungsträger prüft deshalb regelmäßig, ob Reha-Maßnahmen in Betracht kommen, und bindet entsprechende medizinische und berufliche Angebote in das Verfahren ein.
Art und Umfang der Leistung
Volle und teilweise Rente
Bei voller Erwerbsminderung wird die volle Rente gewährt, bei teilweiser Erwerbsminderung eine hälftige Leistung. Ergibt sich, dass Teilzeitarbeit dem Grunde nach möglich wäre, entsprechende Arbeitsplätze aber nicht verfügbar sind, kann eine Leistung in Höhe der vollen Rente erfolgen.
Befristung und Überprüfung
Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden häufig befristet bewilligt, insbesondere wenn eine Besserung des Gesundheitszustands möglich erscheint. Verlängerungen sind möglich, solange die Voraussetzungen fortbestehen. Eine unbefristete Bewilligung kommt in Betracht, wenn auf absehbare Zeit keine wesentliche Änderung zu erwarten ist. Der Träger kann den Gesundheitszustand in angemessenen Abständen überprüfen.
Hinzuverdienst und Anrechnung
Erwerbsminderungsrenten können mit Erwerbstätigkeit kombiniert werden. Es gelten gesetzlich festgelegte, jährlich angepasste Hinzuverdienstgrenzen. Überschreitungen führen zu einer Kürzung oder zum Ruhen der Rente. Bei teilweiser Erwerbsminderung ist insbesondere zu beachten, dass die tatsächliche Arbeitszeit und das ausgeübte Tätigkeitsprofil Rückschlüsse auf das Leistungsvermögen zulassen.
Rentenhöhe
Die Höhe richtet sich nach den im Versicherungsleben erworbenen Entgeltpunkten. Hinzu kommt eine Zurechnungszeit, die so behandelt wird, als hätte die versicherte Person bis zu einer gesetzlich bestimmten Altersgrenze weiter gearbeitet. Bei einem vorzeitigen Rentenbeginn sind Abschläge vorgesehen, die die Rente dauerhaft mindern. Zuschläge können sich ergeben, wenn die Rente später in Anspruch genommen wird als frühestmöglich möglich.
Verfahren und Mitwirkung
Antrag und medizinische Begutachtung
Die Rente wird nur auf Antrag gewährt. Der Rentenversicherungsträger sammelt medizinische Unterlagen, holt Berichte behandelnder Ärzte ein und kann eigene Gutachten veranlassen. Die Feststellungen zum Leistungsvermögen erfolgen nach einheitlichen Kriterien und berücksichtigen alle relevanten Gesundheitsstörungen in ihrer Gesamtschau.
Zuständigkeit, Beginn und Entscheidung
Zuständig ist der jeweilige Rentenversicherungsträger. Der Rentenbeginn richtet sich nach dem Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung und dem Monat der Antragstellung. Der Bescheid enthält die Feststellungen zum Leistungsvermögen, die Dauer und Art der Rente sowie Angaben zur Höhe und zu etwaigen Anrechnungen.
Widerspruch und Überprüfung
Gegen ablehnende oder teilweise stattgebende Entscheidungen besteht ein förmlicher Rechtsbehelf. Innerhalb der maßgeblichen Frist kann der Bescheid überprüft werden. Neue medizinische Befunde oder geänderte Verhältnisse können in ein erneutes Verfahren einfließen.
Verhältnis zu anderen Leistungen
Kranken- und Entgeltersatzleistungen
Während Zeiten mit Krankengeld oder ähnlichen Leistungen kann der Anspruch auf Rente ruhen oder die Rente wird angerechnet. Der Übergang von Entgeltersatzleistungen in eine Erwerbsminderungsrente ist möglich, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.
Arbeitsförderung und Grundsicherung
Besteht (noch) Erwerbsfähigkeit in begrenztem Umfang, kommen Leistungen der Arbeitsförderung in Betracht. Bei unzureichendem Einkommen kann ergänzend Grundsicherung infrage kommen, wobei die Rente als Einkommen berücksichtigt wird. Spezielle Übergangsregelungen sichern in Einzelfällen den Leistungsbezug, solange das Leistungsvermögen geprüft wird.
Unfall- und Versorgungsleistungen
Hat die Erwerbsminderung ihre Ursache in einem Arbeitsunfall oder einer anerkannten Schädigung, können vorrangige oder ergänzende Leistungen anderer Träger bestehen. Es gelten Anrechnungs- und Ruhensvorschriften, die eine doppelte Absicherung desselben Risikos vermeiden.
Private Absicherung
Private Absicherungen (z. B. gegen Berufsunfähigkeit) unterliegen eigenen Bedingungen und Leistungsdefinitionen. Eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente löst nicht automatisch einen Anspruch aus oder wird per se angerechnet; maßgeblich sind die vertraglichen Regelungen des jeweiligen Anbieters.
Übergang in die Altersrente
Mit Erreichen der maßgeblichen Altersgrenze geht die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit in eine Altersrente über. Grundsätzlich bleibt die zuvor ermittelte Rentenhöhe maßgeblich, einschließlich etwaiger Abschläge. Zurechnungszeiten werden bei der Umstellung berücksichtigt.
Auslandsbezug
Wohnsitz im Ausland
Die Auszahlung der Rente ins Ausland ist grundsätzlich möglich. Für bestimmte Länder oder Konstellationen können Besonderheiten gelten, etwa bei der Zahlung in Staaten außerhalb einschlägiger Abkommen.
Versicherungszeiten aus mehreren Staaten
Zeiten aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder aus Staaten mit Sozialversicherungsabkommen können für die Anspruchsentstehung zusammengezählt werden. Jeder beteiligte Träger prüft eigenständig nach nationalem Recht den Umfang einer Leistung, die auf seinen Zeiten beruht.
Beendigung, Ruhen und Überleitung
Die Rente endet, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, insbesondere bei nachhaltiger Verbesserung des Leistungsvermögens. Sie kann ruhen, wenn anrechenbare Einkommen oder vorrangige Leistungen bezogen werden oder gesetzliche Ruhensgründe eingreifen. Mit Erreichen der Altersgrenze wird die Rente umgestellt.
Begriffsabgrenzungen
Die Erwerbsminderungsrente knüpft an die Arbeitsfähigkeit im allgemeinen Arbeitsmarkt an. Die ältere, an der bisherigen Tätigkeit orientierte Berufsunfähigkeit spielt im System der gesetzlichen Rentenversicherung nur noch in Übergangskonstellationen eine Rolle. Private Berufsunfähigkeitsversicherungen haben davon unabhängige Leistungsmaßstäbe.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wer hat grundsätzlich Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit?
Anspruch besteht, wenn die Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft oder für einen längeren Zeitraum in relevantem Umfang gemindert ist und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei kommt es auf die Leistungsfähigkeit im allgemeinen Arbeitsmarkt an, nicht auf den erlernten oder zuletzt ausgeübten Beruf.
Worin liegt der Unterschied zwischen voller und teilweiser Erwerbsminderung?
Bei voller Erwerbsminderung ist die Leistungsfähigkeit auf unter drei Stunden täglich gesunken. Bei teilweiser Erwerbsminderung liegt sie zwischen drei und unter sechs Stunden. Entsprechend wird eine volle oder hälftige Rente gewährt; besondere Arbeitsmarktkonstellationen können zu einer Zahlung in Höhe der vollen Rente führen.
Wie lange wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gezahlt?
Die Rente wird häufig zunächst befristet bewilligt und kann verlängert werden, solange die Voraussetzungen fortbestehen. Eine unbefristete Bewilligung kommt in Betracht, wenn keine wesentliche Besserung zu erwarten ist. Mit Erreichen der maßgeblichen Altersgrenze erfolgt eine Umwandlung in eine Altersrente.
Wie wird die Rentenhöhe ermittelt?
Die Rentenhöhe hängt von den im Erwerbsleben erworbenen Entgeltpunkten und einer Zurechnungszeit ab. Bei frühzeitigem Rentenbeginn sind gesetzlich bestimmte Abschläge möglich, die die Rente dauerhaft mindern. Anrechnungen und Hinzuverdienst können die Auszahlung beeinflussen.
Darf während des Rentenbezugs gearbeitet werden?
Erwerbstätigkeit ist grundsätzlich möglich, es gelten jedoch Hinzuverdienstgrenzen. Werden diese überschritten, kann die Rente gemindert oder zum Ruhen gebracht werden. Umfang und Art der Tätigkeit dürfen das festgestellte Leistungsvermögen nicht widerspiegeln, das einer Rentengewährung entgegensteht.
Welche Rolle spielt eine Reha im Verfahren?
Rehabilitation hat Vorrang. Vor der Bewilligung prüft der Rentenversicherungsträger, ob medizinische oder berufliche Reha-Maßnahmen geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit wiederherzustellen oder zu verbessern. Diese Prüfung ist Teil des regulären Verfahrens.
Wie verhalten sich andere Leistungen zur Erwerbsminderungsrente?
Leistungen wie Krankengeld, Leistungen der Arbeitsförderung oder Grundsicherung können den Rentenbezug beeinflussen. Es bestehen Anrechnungs- und Ruhensregelungen, um Mehrfachleistungen für denselben Zeitraum oder Zweck zu vermeiden. Bei Schädigungen mit besonderer Ursache können weitere Träger zuständig sein.