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Rehabilitationsleistungen


Begriff und Bedeutung der Rehabilitationsleistungen

Rehabilitationsleistungen bezeichnen im Recht der Bundesrepublik Deutschland alle Maßnahmen, die dazu dienen, die Auswirkungen einer Behinderung oder drohenden Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, Verschlimmerungen zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Sie sollen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in allen Lebensbereichen ermöglichen oder sichern. Die Rehabilitationsleistungen stellen damit einen zentralen Bestandteil des deutschen Sozialrechts dar und sind hauptsächlich im Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) sowie in spezialgesetzlichen Regelungen verankert.


Rechtliche Grundlagen

Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX)

Das SGB IX bildet das zentrale Gesetz zur Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Es unterscheidet grundsätzlich zwischen medizinischer, beruflicher und sozialer Rehabilitation. Ziel ist die selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.

Wesentliche Regelungen:

  • § 1 SGB IX beschreibt die Zielsetzung der Rehabilitationsleistungen.
  • In den §§ 4 ff. SGB IX sind Art und Umfang der zu gewährenden Leistungen festgelegt.
  • § 6 SGB IX benennt die Träger der Rehabilitation.

Weitere wichtige Rechtsquellen

Neben dem SGB IX finden sich detailregelnde Vorschriften u. a. in folgenden Gesetzen und Verordnungen:

  • Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III, Arbeitsförderung)
  • Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V, gesetzliche Krankenversicherung)
  • Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI, gesetzliche Rentenversicherung)
  • Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII, gesetzliche Unfallversicherung)
  • Bundesversorgungsgesetz (BVG)
  • Opferentschädigungsgesetz (OEG)

Arten der Rehabilitationsleistungen

Medizinische Rehabilitation

Medizinische Rehabilitationsleistungen umfassen Maßnahmen zur Wiederherstellung, Besserung und Erhaltung der Gesundheit. Sie orientieren sich am individuellen Bedarf und werden erbracht, wenn Krankheit oder Behinderung die Teilhabe am Leben einschränken oder zu gefährden drohen.

Leistungen umfassen unter anderem:

  • Ärztliche Behandlung
  • Heilmittel und Hilfsmittel
  • Leistungen zur Früherkennung und Früherfassung einer Behinderung
  • Stationäre und ambulante Rehabilitationsmaßnahmen

Berufliche Rehabilitation (Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben)

Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die Erwerbsfähigkeit wiederherzustellen, zu erhalten oder zu verbessern. Sie sollen Menschen mit Behinderung die Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen oder sichern.

Zu den Leistungen zählen beispielsweise:

  • Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen
  • Weiterbildung und Umschulung
  • Arbeitsplatzanpassungen und technische Arbeitshilfen
  • Unterstützung bei der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit

Soziale Rehabilitation (Leistungen zur sozialen Teilhabe)

Leistungen zur sozialen Teilhabe sollen eine Eingliederung in die Gesellschaft ermöglichen. Dazu gehören:

  • Förderung der Mobilität (z. B. Behindertenfahrdienste)
  • Wohnraumanpassung und Wohnhilfen
  • Leistungen zur Förderung von Bildung und Erziehung
  • Hilfen zur Kommunikation und Teilhabe am kulturellen Leben

Träger der Rehabilitationsleistungen

Übersicht der Reha-Träger

Die Gewährung von Rehabilitationsleistungen ist Aufgabe verschiedener Sozialleistungsträger. Die wichtigsten Träger sind:

  • Gesetzliche Krankenkassen
  • Gesetzliche Unfallversicherungsträger
  • Gesetzliche Rentenversicherungsträger
  • Träger der öffentlichen Jugendhilfe
  • Träger der Eingliederungshilfe
  • Träger der Kriegsopferversorgung und Kriegsopferfürsorge
  • Bundesagentur für Arbeit

Die Zuständigkeit ergibt sich aus dem jeweiligen Versicherungs- und Leistungszweck und bedarf im Einzelfall der Prüfung.

Gemeinsame Servicestellen und Rehabilitationsträger

Um die Koordination und Zusammenarbeit zwischen den Reha-Trägern zu gewährleisten, sieht das SGB IX die Einrichtung gemeinsamer Servicestellen vor. Deren zentrale Aufgabe ist es, Antragstellende zu beraten und sie bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche zu unterstützen.


Leistungen zur Teilhabe und das Wunsch- und Wahlrecht

Das Wunsch- und Wahlrecht (§ 8 SGB IX) sichert Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfängern zu, innerhalb der verfügbaren Leistungsangebote eigene Präferenzen hinsichtlich der Art der Leistungen sowie der Rehabilitationseinrichtungen geltend machen zu können. Dies stärkt die Selbstbestimmung und Partizipation.


Anspruchsvoraussetzungen und Verfahren

Voraussetzungen

Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf Rehabilitationsleistungen, wenn eine Behinderung oder von Behinderung bedrohte Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft besteht und durch die Leistungen eine Teilhabe wesentlich ermöglicht, verbessert oder gesichert werden kann.

Einzelne Voraussetzungen sind:

  • Vorliegen einer Behinderung oder drohenden Behinderung
  • Rehabilitationsbedarf (medizinisch, beruflich oder sozial)
  • Zuständigkeit des jeweiligen Trägers

Antragsverfahren und Zuständigkeitsklärung

Das Verfahren zur Leistungsgewährung erfolgt auf Antrag. Der Antrag kann formlos gestellt werden. Gemäß § 14 SGB IX ist der erstangegangene Rehabilitationsträger verpflichtet, eine Zuständigkeitsprüfung vorzunehmen und gegebenenfalls den Antrag an den eigentlich zuständigen Träger weiterzuleiten („Leistungsverfahren aus einer Hand“).

An die Bescheidung der Rehabilitationsträger schließen sich gegebenenfalls Widerspruchs- und Klageverfahren nach Maßgabe der Sozialgerichtsbarkeit an.


Verhältnis zu anderen Sozialleistungen und Rangfolge

Nachrang und Subsidiarität

Rehabilitationsleistungen haben grundsätzlich einen eigenen Leistungszweck und greifen unabhängig von anderen Sozialleistungen. Im Einzelfall gelten besondere Koordinierungs- und Nachrangverhältnisse, insbesondere wenn gleichzeitig Leistungen zur Pflege, Grundsicherung oder Altersvorsorge in Betracht kommen.


Finanzierung der Rehabilitationsleistungen

Die Finanzierung der Rehabilitationsleistungen erfolgt durch die jeweils zuständigen Leistungsträger gemäß den jeweiligen Rechtsgrundlagen. Hierbei werden versicherungsbeitragsfinanzierte und steuerfinanzierte Systeme unterschieden. Es finden sich zudem besondere Bestimmungen zur Kostenübernahme für Leistungen außerhalb der eigenen Zuständigkeit.


Bedeutung der Rehabilitationsleistungen im deutschen Sozialrecht

Rehabilitationsleistungen sind ein fundamentaler Bestandteil des deutschen Systems der sozialen Sicherung und des Diskriminierungsschutzes für Menschen mit Behinderungen. Sie gewährleisten den Anspruch auf Chancengleichheit und die gesellschaftliche Teilhabe. Damit tragen sie zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention sowie der Vorgaben des Grundgesetzes bei.


Literaturhinweise

  • Bundesministerium für Arbeit und Soziales: SGB IX – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Kommentierte Ausgabe.
  • Dau, D.: Das neue SGB IX, München 2018.
  • Sozialgesetzbuch (SGB) mit den wesentlichen Einzelgesetzen (SGB IX, SGB III, SGB V, SGB VI, SGB VII)

Weblinks

Häufig gestellte Fragen

Wer ist rechtlich anspruchsberechtigt auf Rehabilitationsleistungen?

Anspruchsberechtigt auf Rehabilitationsleistungen sind grundsätzlich Versicherte der gesetzlichen Kranken-, Renten-, Unfall- und Pflegeversicherung sowie Kinder und Jugendliche, sofern sie die jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen. Im Sozialgesetzbuch (SGB) IX ist geregelt, dass behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe haben, um ihnen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen oder eine Behinderung zu vermeiden, zu beseitigen oder deren Verschlimmerung entgegenzuwirken. Die konkreten Zugangsvoraussetzungen unterscheiden sich dabei je nach Träger: Die Rentenversicherung setzt zum Beispiel eine Mindestversicherungszeit (Wartezeit von 15 Jahren oder Bezug einer Erwerbsminderungsrente) voraus; in der gesetzlichen Unfallversicherung muss ein Arbeitsunfall, Wegeunfall oder eine Berufskrankheit vorliegen; die Krankenkassen werden hingegen tätig, wenn medizinische Rehabilitation zur Heilung, Besserung oder Verhütung einer Verschlimmerung erforderlich ist. Bei Kindern erfolgt die Anspruchsprüfung häufig durch die Krankenkassen oder die Eingliederungshilfe.

Wie stellt man rechtlich einen Antrag auf Rehabilitationsleistungen?

Der Antrag auf Rehabilitationsleistungen ist ein zentrales Element für die Inanspruchnahme von Reha-Maßnahmen. Er muss in Textform (schriftlich oder elektronisch) bei dem vermeintlich zuständigen Leistungsträger eingereicht werden. Die Rechtsgrundlagen hierfür ergeben sich insbesondere aus §§ 14, 15 SGB IX. Wichtig ist, dass das sogenannte „Trägerübergreifende Antragsverfahren“ gilt: Wird der Antrag irrtümlich beim falschen Leistungsträger gestellt, hat dieser binnen zwei Wochen zu prüfen und gegebenenfalls den Antrag an den zuständigen Träger weiterzuleiten; der Antrag gilt dann ab Eingang beim zuerst kontaktierten Träger als gestellt (§ 14 Abs. 2 SGB IX). Zudem besteht die Pflicht der Träger, bei unvollständigen Anträgen Unterstützung zu leisten und nachzufassen. Bei medizinisch dringlichen Fällen kann auch der behandelnde Arzt eine schnellere Einleitung des Prozesses gegenüber der Kasse anregen.

Welche Fristen sind für die Bewilligung von Rehabilitationsleistungen gesetzlich einzuhalten?

Die für die Entscheidung über einen Rehabilitationsantrag maßgeblichen Fristen sind im § 14 Abs. 2 SGB IX geregelt. Der Leistungsträger hat grundsätzlich binnen zwei Wochen nach Antragseingang festzustellen, ob er zuständig ist. Sollte der Antrag an einen anderen Träger weitergeleitet werden, muss dies ebenfalls innerhalb der Zwei-Wochen-Frist geschehen. Der zuständige Leistungsträger hat dann nach § 14 Abs. 2 SGB IX spätestens nach drei Wochen (bei Einholung eines ärztlichen Gutachtens nach fünf Wochen) über die beantragte Leistung zu entscheiden. Kommt er diesen Fristen nicht nach, tritt kraft Gesetzes eine sogenannte „fiktive Bewilligung“ ein, sofern der Antragsteller nach Ablauf der Frist schriftlich nachfragt (§ 18 Abs. 3a SGB IX).

Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen bei Ablehnung einer Rehabilitationsleistung?

Wird eine Rehabilitationsleistung seitens des zuständigen Trägers abgelehnt, erhält der Antragsteller einen schriftlichen Ablehnungsbescheid mit Begründung und Rechtsbehelfsbelehrung (§ 33 SGB X). Gegen diese Ablehnung kann der Betroffene innerhalb eines Monats nach Zugang des Bescheides Widerspruch einlegen (§ 84 SGG). Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, erfolgt ein Widerspruchsbescheid, gegen den binnen eines weiteren Monats Klage beim zuständigen Sozialgericht erhoben werden kann (§ 87 SGG). Während des Widerspruchs- oder Klageverfahrens kann unter bestimmten Umständen eine einstweilige Anordnung zur vorläufigen Leistungserbringung beim Gericht beantragt werden, wenn Eilbedürftigkeit besteht (§ 86b SGG).

Nach welchen rechtlichen Grundsätzen wird die Zuständigkeit des jeweiligen Rehabilitationsträgers bestimmt?

Die Zuständigkeit richtet sich nach der Art und Ursache der gesundheitlichen Einschränkung sowie dem konkreten Rehabilitationsziel. Rechtsgrundlage hierfür ist das SGB IX, insbesondere die §§ 6-7 SGB IX. Die Rentenversicherung ist vorrangig zuständig für Leistungen, die der Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit dienen; die Krankenkasse übernimmt medizinische Rehabilitation, wenn keine rentenversicherungsrechtliche Zuweisung vorliegt; die Unfallversicherung ist bei Arbeitsunfällen, Wegeunfällen und Berufskrankheiten zuständig. Liegen mehrere Zuständigkeiten gleichzeitig vor, ist das „Heranziehungsrecht“ (§ 14 SGB IX) maßgeblich: Der zuerst kontaktierte Träger ist grundsätzlich verpflichtet, das Verfahren einzuleiten und – sofern er nicht zuständig ist – den Antrag fristgerecht weiterzuleiten, ohne dass dem Versicherten hieraus Nachteile entstehen.

Welche Mitwirkungspflichten bestehen rechtlich für Antragsteller von Rehabilitationsleistungen?

Nach den §§ 60 ff. SGB I besteht für Antragsteller die Pflicht zur Mitwirkung. Diese umfasst insbesondere die wahrheitsgemäße und vollständige Angabe aller relevanten Tatsachen und das Einreichen von Unterlagen, wie ärztliche Befunde und Gutachten. Auch sind Termine zum ärztlichen oder medizinischen Gutachten einzuhalten. Kommt der Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten nicht oder nur unzureichend nach, kann die Bewilligung ausgesetzt oder abgelehnt werden (§ 66 SGB I). Gleichzeitig sind die Sozialleistungsträger verpflichtet, über Umfang und Art der Mitwirkungspflichten ausreichend aufzuklären (§ 13 SGB I).

Gibt es rechtliche Besonderheiten bei der Auswahl der Rehabilitationseinrichtung?

Die Auswahl der Rehabilitationseinrichtung wird maßgeblich durch das Wunsch- und Wahlrecht des Versicherten gemäß § 8 SGB IX bestimmt. Der Antragsteller darf eine Einrichtung wählen, wenn sie zugelassen ist und die Maßnahme dort wirtschaftlich, notwendig und zweckmäßig durchgeführt werden kann. Der Leistungsträger muss den berechtigten Wünschen entsprechen, es sei denn, sie verursachen unverhältnismäßig hohe Mehrkosten oder entsprechen nicht dem Rehabilitationsziel. Wünsche, etwa zur Wohnortnähe, familiären Rücksichtnahme oder bestimmten Behandlungsmethoden, sind zu berücksichtigen, soweit sie nicht den gesetzlichen Vorgaben oder dem Wirtschaftlichkeitsgebot widersprechen. Wird ein Wunsch abgelehnt, muss dies im Bescheid besonders begründet werden.