Legal Lexikon

Regulierter Markt


Definition und rechtliche Grundlagen des Regulierten Marktes

Der Begriff Regulierter Markt bezeichnet im deutschen Kapitalmarktrecht einen organisierten, vollregulierten Börsenmarkt, der den umfassenden gesetzlichen Anforderungen des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG), des Börsengesetzes (BörsG), der Börsenordnung sowie weiterer einschlägiger Vorschriften unterliegt. Der Regulierte Markt stellt das höchste Transparenzniveau und die größten Publizitäts- sowie Zulassungsanforderungen für Emittenten von Wertpapieren im deutschen Börsenwesen dar.

Begriffseinordnung und Abgrenzung

Der Regulierte Markt ist durch das Börsengesetz (§ 32 ff. BörsG) näher definiert und unterscheidet sich von anderen Marktsegmenten, namentlich dem Freiverkehr (Open Market). Während der Freiverkehr ein weniger strikt regulierter Börsenbereich ist, gilt der Regulierte Markt als EU-reguliertes, sogenanntes „rechtlich geregeltes Marktsegment“ im Sinne der Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II). Zulassungen zum Regulierten Markt implizieren daher eine europaweite Geltung der Vorschriften und einen einheitlichen Anlegerschutzstandard.

Zulassung von Wertpapieren zum Regulierten Markt

Zulassungsvoraussetzungen

Voraussetzung für die Zulassung von Wertpapieren zum Regulierten Markt ist ein förmliches Zulassungsverfahren, das in der Regel durch die Deutsche Börse AG durchgeführt wird, wobei die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eine zentrale Rolle spielt. Maßgebende gesetzliche Grundlagen finden sich hierbei insbesondere in §§ 32 bis 42 BörsG in Verbindung mit den jeweiligen Börsenordnungen.

Für die Zulassung sind umfangreiche Emissionsunterlagen erforderlich, vor allem ein von der BaFin gebilligter Prospekt, der detaillierte Angaben über das Unternehmen, die Wertpapiere, die Finanzlage und die Risiken des Anlegens enthält (vgl. Wertpapierprospektgesetz, WpPG). Zusätzlich zu den Prospektpflichten sind weitere Voraussetzungen einzuhalten, etwa hinsichtlich Innovationsfähigkeit, Mindestkapitalisierung und Streubesitzquote.

Fortlaufende Pflichten der Emittenten

Emittenten, deren Wertpapiere am Regulierter Markt zugelassen wurden, unterliegen während der gesamten Dauer der Zulassung weitgehenden Publizitäts-, Transparenz-, Ad-hoc- und Insiderregelungen. Dazu zählen unter anderem:

  • Ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß Art. 17 MAR (Marktmissbrauchsverordnung)
  • Jahres- und Halbjahresfinanzberichte nach internationalen Rechnungslegungsstandards
  • Directors‘ Dealings-Meldungen über Geschäfte von Führungspersonen, geregelt durch Art. 19 MAR
  • Meldepflichten bei Stimmrechtsanteilen gem. §§ 33 ff. WpHG
  • Corporate Governance-Anforderungen

Diese fortlaufenden Verpflichtungen dienen dem Anlegerschutz und der Sicherstellung höchster Markttransparenz.

Bedeutung im europäischen Kapitalmarktrecht

Die Einordnung des Regulierten Marktes erfolgt nicht nur aus einer nationalen, sondern auch aus unionsrechtlicher Perspektive. Europarechtlich relevant ist insbesondere die Definition des Begriffes „organisierter Markt“ (vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 21 MiFID II), wobei der Regulierte Markt an deutschen Börsen den Vorgaben dieses europäischen Marktsegmentes entspricht und somit europaweiter Anlagestandards unterliegt.

Die Zugehörigkeit zum Regulierten Markt ermöglicht Emittenten auch die Inanspruchnahme von EU-weiter Passfähigkeit bezüglich Wertpapierprospekten (sog. EU-Passporting) und bietet eine Voraussetzung für die Aufnahme in verschiedene Aktienindizes.

Organisation und Funktionsweise

Börsenplätze mit Reguliertem Markt

In Deutschland verfügen unter anderem die Frankfurter Wertpapierbörse, die Börse Stuttgart, die Börse München, die Börse Hamburg und die Börse Berlin über einen Regulierten Markt. Die Regularien und Ausgestaltung sind von der jeweiligen Börsenordnung und den weitergehenden Regelwerken bestimmt, jedoch weitgehend harmonisiert und an die Vorgaben des BörsG und der Europäischen Richtlinien angepasst.

Segmente des Regulierten Marktes

Innerhalb des Regulierten Marktes existieren weitere, teils von den Börsen eigenständig definierte Untersegmente mit unterschiedlich hohen Anforderungen, etwa der „Prime Standard“ und der „General Standard“ an der Frankfurter Wertpapierbörse. Diese Segmente dienen vorrangig der weiteren Erhöhung der Transparenz und richten sich nach den Bedürfnissen institutioneller sowie privater Anleger.

Rechtsschutz und Überwachung

Aufsicht und Kontrollinstanzen

Die Überwachung und Durchsetzung der Regelungen am Regulierten Markt obliegt primär der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), den für die jeweiligen Börsen zuständigen Börsenaufsichtsbehörden der Länder und den Börsen selbst. Verantwortlich für die Prospektprüfung ist grundsätzlich die BaFin, während die fortlaufende Aufsicht und Überwachung koordinierend von diesen Instanzen durchgeführt wird.

Sanktionen bei Regelverstößen

Verstöße gegen die Vorschriften des Regulierten Marktes können weitreichende Folgen haben. Das Spektrum möglicher Sanktionen reicht von Bußgeldern, Handelsaussetzungen, Widerruf der Zulassung bis hin zur strafrechtlichen Verfolgung bei schwerwiegenden Verfehlungen, etwa Insiderhandel oder Marktmanipulation.

Relevanz für Anleger und Unternehmen

Vorteile für Unternehmen

Eine Börsennotierung am Regulierten Markt eröffnet Emittenten den Zugang zu einem breiten Investorenkreis, öffentliches Fremd- und Eigenkapital zu beschaffen, und führt durch das hohe Maß an Regulierung zu einer Steigerung des Vertrauens von Aktien- und Anleiheninvestoren.

Schutzmechanismen für Anleger

Für Anleger bietet der Regulierte Markt durch das umfassende Regulierungsumfeld einen erhöhten Schutz vor Fehlverhalten, Marktmanipulation und Informationsasymmetrien.

Literatur und Weiterführende Informationen

  • Börsengesetz (BörsG)
  • Wertpapierhandelsgesetz (WpHG)
  • Marktmissbrauchsverordnung (MAR)
  • Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II)
  • Wertpapierprospektgesetz (WpPG)

Mit dieser umfassenden Darstellung zum Regulierten Markt liegen Zielstellung, rechtliche Grundlagen, Organisation, Pflichten sowie Schutzmechanismen präzise und detailliert vor. Der Regulierter Markt bleibt das zentrale Segment der Kapitalaufnahme und des Wertpapierhandels in Deutschland und setzt Maßstäbe für Transparenz und Anlegerschutz innerhalb der europäischen Kapitalmarktordnung.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für eine Zulassung zum Regulierten Markt erfüllt sein?

Für die Zulassung zum Regulierten Markt müssen Emittenten eine Vielzahl von rechtlichen Voraussetzungen erfüllen, die im Wesentlichen durch das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), das Börsengesetz (BörsG) und die Börsenzulassungsverordnung (BörsZulV) geregelt werden. Zunächst muss ein formeller Zulassungsantrag gestellt werden, der u. a. Angaben zum Emittenten und den Wertpapieren enthält. Für Aktiengesellschaften ist ein Mindestgrundkapital von 1,25 Millionen Euro gesetzlich vorgeschrieben. Darüber hinaus muss ein von der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) gebilligter Wertpapierprospekt vorliegen, der alle relevanten Informationen für potenzielle Anleger enthält. Der Emittent muss in den letzten drei Jahren eigene Jahresabschlüsse veröffentlicht und die entsprechenden gesetzlichen Regelungen eingehalten haben. Zudem ist die Handelbarkeit der Wertpapiere sicherzustellen, zum Beispiel durch eine ausreichende Streuung im Publikum (Mindeststreubesitz). Alle Unterlagen sind in deutscher Sprache oder mit einer Übersetzung einzureichen. Die Zulassungsvoraussetzungen umfassen neben finanziellen und organisatorischen Aspekten auch die Einhaltung von Transparenz- und Publizitätsvorschriften, deren Verletzung empfindliche Sanktionen nach sich ziehen kann.

Welche Transparenzpflichten bestehen für Unternehmen im Regulierten Markt?

Unternehmen, deren Wertpapiere zum Regulierten Markt zugelassen sind, unterliegen umfassenden Transparenzpflichten. Diese sind sowohl im WpHG als auch im BörsG und den jeweiligen EU-Verordnungen, insbesondere der MAR (Market Abuse Regulation) und der Transparenzrichtlinie, geregelt. Zu den zentralen Transparenzpflichten zählt die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität (§ 17 MAR), d. h., Insiderinformationen, die den Kurs maßgeblich beeinflussen könnten, müssen unverzüglich veröffentlicht werden. Hinzu kommen Regelpublizitätspflichten, also die regelmäßige Veröffentlichung von Finanzberichten (Jahres- und Halbjahresfinanzberichte, ggf. Quartalsmitteilungen). Weiterhin bestehen Meldepflichten betreffend Stimmrechtsmitteilungen (sobald relevante Schwellen überschritten werden) und Directors‘ Dealings (Meldung von Eigengeschäften der Führungskräfte mit Unternehmenspapieren). Die Nichteinhaltung dieser Vorschriften kann zu aufsichtsrechtlichen Maßnahmen und erheblichen Bußgeldern führen.

Welche Rolle spielt die BaFin im Kontext des Regulierten Marktes?

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) übernimmt im rechtlichen Kontext des Regulierten Marktes zentrale Aufsichtsfunktionen. Sie prüft und billigt insbesondere die Wertpapierprospekte, bevor ein öffentliches Angebot durchgeführt oder eine Zulassung der Wertpapiere beantragt werden kann. Die BaFin überwacht ferner die laufenden Publizitäts- und Insidergeschäfte gemäß WpHG und MAR. Sie kann Ermittlungen durchführen, Verdachtsfälle auf Marktmissbrauch (z. B. Insiderhandel, Marktmanipulation) untersuchen und entsprechende Maßnahmen wie Bußgelder oder Sanktionen verhängen. Außerdem ist sie Anlaufstelle für Meldungen zu Stimmrechtsüberschreitungen und überwacht die Einhaltung der Berichtspflichten börsennotierter Unternehmen. Die BaFin arbeitet dabei eng mit anderen europäischen Aufsichtsbehörden und der jeweiligen Börse zusammen.

Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen rechtliche Vorschriften des Regulierten Marktes?

Verstöße gegen rechtliche Vorschriften im Regulierten Markt können erhebliche Sanktionen nach sich ziehen. Diese reichen von ordnungsrechtlichen Maßnahmen hin zu zivilrechtlichen und sogar strafrechtlichen Konsequenzen. Die BaFin kann bei Verstößen gegen Transparenzpflichten (z. B. verspätete oder unterlassene Ad-hoc-Mitteilungen, Fehler in Finanzberichten) Bußgelder in Höhe von mehreren Millionen Euro verhängen. Bei Verdacht auf Marktmanipulation oder Insiderhandel drohen empfindliche Geldstrafen und sogar Freiheitsstrafen gemäß §§ 119 ff. WpHG. Daneben kann die Börse selbst Disziplinarmaßnahmen ergreifen, bis hin zum Ausschluss der betreffenden Wertpapiere vom Handel. Darüber hinaus besteht für geschädigte Anleger ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch gegen das Unternehmen oder gegen die handelnden Organe, wenn durch fehlerhafte oder unterlassene Kapitalmarktinformationen ein Schaden entstanden ist.

Wie ist der rechtliche Ablauf eines Delistings vom Regulierten Markt geregelt?

Der Prozess des Delistings, also der Widerruf der Zulassung von Wertpapieren zum Regulierten Markt, ist gesetzlich streng geregelt. Nach § 39 BörsG muss der Emittent einen Antrag auf Widerruf bei der betreffenden Börse stellen. Das Delisting setzt voraus, dass die Interessen der Anleger ausreichend gewahrt werden. In der Regel ist vor dem Delisting ein Pflichtangebot an die außenstehenden Aktionäre (Delisting-Erwerbsangebot gemäß WpÜG) zu unterbreiten, um ihnen den Ausstieg aus der Investition zu marktgerechten Bedingungen zu ermöglichen. Die Börse prüft, ob alle rechtlichen und formalen Voraussetzungen erfüllt sind und kann den Widerruf erst nach Abschluss dieser Überprüfungen erteilen. Während und nach dem Delisting sind noch immer bestimmte Publizitäts- und Berichtspflichten zu erfüllen, etwa zur Information der Aktionäre über den Vorgang sowie über den weiteren Verbleib der Gesellschaft.

Welche rechtlichen Unterschiede bestehen zwischen dem Regulierten Markt und dem Freiverkehr?

Der wesentliche rechtliche Unterschied zwischen dem Regulierten Markt und dem Freiverkehr (auch Open Market oder Segmente wie Scale, Basic Board) liegt in der Anwendbarkeit und Strenge der gesetzlichen Vorgaben. Der Regulierte Markt ist ein organisierter Markt im Sinne der MiFID II und unterliegt der vollständigen Anwendung der EU-Kapitalmarktvorschriften, des WpHG und des BörsG. Hier gelten strengere Zulassungsvoraussetzungen, umfassendere Transparenz- und Publizitätspflichten sowie intensivere Aufsicht durch die BaFin. Im Freiverkehr, der kein organisierter Markt, sondern ein multilaterales Handelssystem ist, finden diese gesetzlichen Vorgaben nur eingeschränkt Anwendung; stattdessen gelten die von der jeweiligen Börse festgelegten Regeln. Die Berichtspflichten sind weniger umfassend und die Zugangshürden niedriger, was ihn vor allem für kleinere oder weniger kapitalisierte Unternehmen attraktiv macht. Anleger im Regulierten Markt genießen dadurch einen weitergehenden rechtlichen Schutz als im Freiverkehr.