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Rechtsvernichtende Einwendungen

Rechtsvernichtende Einwendungen – Begriff und Bedeutung

Rechtsvernichtende Einwendungen sind rechtliche Einwände, die ein bereits entstandenes Recht oder einen Anspruch nachträglich zum Erlöschen bringen. Sie setzen voraus, dass ein Anspruch zunächst wirksam entstanden ist, werden aber durch spätere Umstände oder Gestaltungen wieder aufgehoben. In der Folge kann der Anspruch nicht mehr durchgesetzt werden, weil er nicht nur blockiert, sondern vollständig oder teilweise untergegangen ist.

Der Begriff spielt vor allem im Zivilrecht eine zentrale Rolle, etwa bei vertraglichen Forderungen, Schadensersatzansprüchen oder dinglichen Rechten. Die rechtsvernichtende Einwendung unterscheidet sich von der bloßen zeitweiligen Einrede dadurch, dass sie die Anspruchsgrundlage selbst beseitigt und nicht lediglich deren Durchsetzbarkeit hemmt.

Systematische Einordnung und Abgrenzung

Rechtshindernde Einwendungen

Rechtshindernde Einwendungen verhindern das Entstehen eines Anspruchs von Anfang an. Der Anspruch wird also gar nicht erst wirksam. Im Gegensatz dazu setzt die rechtsvernichtende Einwendung an einem bereits bestehenden Anspruch an und lässt diesen später entfallen.

Rechtshemmende Einwendungen (Einreden)

Rechtshemmende Einwendungen, häufig Einreden genannt, lassen den Anspruch grundsätzlich bestehen, hindern aber vorübergehend oder dauerhaft seine Durchsetzbarkeit, solange die Einrede entgegensteht. Im Unterschied dazu löscht die rechtsvernichtende Einwendung den Anspruch ganz oder teilweise.

Prozessuale Behandlung

Einwendungen werden vom Gericht grundsätzlich von Amts wegen berücksichtigt, wenn die zugrunde liegenden Tatsachen im Prozess feststehen. Einreden müssen demgegenüber regelmäßig ausdrücklich erhoben werden. Wer sich auf eine rechtsvernichtende Einwendung beruft, trägt typischerweise die Verantwortung, die hierfür maßgeblichen Tatsachen vorzutragen und zu untermauern.

Typische rechtsvernichtende Einwendungen

Erfüllung und Leistung an Erfüllungs statt

Wird eine geschuldete Leistung erbracht, erlischt der Anspruch durch Erfüllung. In bestimmten Fällen genügt auch eine andere, als Ersatz akzeptierte Leistung, um den Anspruch untergehen zu lassen (Leistung an Erfüllungs statt).

Erlass und Aufhebungsvereinbarung

Gläubiger und Schuldner können vereinbaren, dass eine Forderung nicht mehr bestehen soll. Ein Erlass oder eine Aufhebungsvereinbarung beseitigt den Anspruch vollständig oder in Teilhöhe.

Aufrechnung

Stehen sich zwei Forderungen gegenüber, kann eine Aufrechnung dazu führen, dass sich diese in der Höhe des geringeren Betrags gegenseitig aufheben. Der Anspruch des einen Teils erlischt insoweit, wie er durch die Gegenforderung ausgeglichen wird.

Rücktritt, Widerruf, Kündigung

Durch die Ausübung bestimmter Gestaltungsrechte kann ein Vertrag gelöst oder beendet werden. Ein Rücktritt lässt die primären Erfüllungsansprüche entfallen und führt häufig zu Rückgewähransprüchen. Ein Widerruf hebt die Bindung an einen Vertrag innerhalb eines bestimmten Rahmens wieder auf. Eine Kündigung beendet Dauerschuldverhältnisse für die Zukunft; fortlaufende Ansprüche erlöschen ab dem Beendigungszeitpunkt.

Anfechtung

Wird ein Vertrag wirksam angefochten, wird er so behandelt, als habe er von Anfang an nicht bestanden. Auf diesem Vertrag beruhende Ansprüche fallen weg; an ihre Stelle können Rückabwicklungsansprüche treten.

Bedingung und Befristung

Ansprüche können an eine auflösende Bedingung oder an eine Befristung geknüpft sein. Tritt die Bedingung ein oder läuft die Frist ab, erlischt der Anspruch automatisch.

Unmöglichkeit und Untergang des Leistungsgegenstands

Wird die geschuldete Leistung nachträglich unmöglich oder geht der Leistungsgegenstand unter, entfällt der Anspruch auf die ursprüngliche Leistung. Je nach Lage können an die Stelle der Primärleistung andere Ansprüche treten.

Verwirkung

Ein Anspruch kann aus Gründen von Treu und Glauben als verwirkt gelten, wenn der Berechtigte ihn über längere Zeit nicht geltend macht und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat, dass dies auch künftig nicht geschehen wird. Verwirkung führt zum Erlöschen des Anspruchs und zählt zu den rechtsvernichtenden Einwendungen.

Wirkungen im Einzelnen

Rückwirkung und Umfang

Die Wirkung rechtsvernichtender Einwendungen kann unterschiedlich ausgestaltet sein: Manche greifen für die Zukunft (etwa bei einer Kündigung), andere lassen den Anspruch rückwirkend entfallen (etwa bei einer wirksamen Anfechtung). Teilweise erlöschen Ansprüche nur in Höhe eines bestimmten Betrags (beispielsweise bei einer teilweisen Aufrechnung).

Ansprüche nach dem Erlöschen

Mit dem Untergang eines Anspruchs können neue, sogenannte Sekundär- oder Rückabwicklungsansprüche entstehen. Dies betrifft etwa Rückgewähransprüche nach Rücktritt oder Anfechtung. Solche Folgeansprüche ersetzen nicht den ursprünglichen Anspruch, sondern ordnen die Rechtsfolgen nach dessen Erlöschen.

Mehrheit von Einwendungen

Mehrere Einwendungen können nebeneinander bestehen. Schon eine durchgreifende rechtsvernichtende Einwendung genügt, um einen Anspruch scheitern zu lassen. Zusätzlich erhobene Einreden können die Durchsetzung weiter einschränken, falls der Anspruch nicht bereits erloschen ist.

Beweislast und Darlegung

Wer sich auf eine rechtsvernichtende Einwendung beruft, muss die hierfür relevanten Tatsachen darlegen und im Streitfall nachweisen. Das betrifft etwa die Erfüllung, die Abgabe einer Aufrechnungserklärung, das Zustandekommen eines Erlassvertrags oder den Eintritt einer Bedingung. Stehen die Tatsachen fest, hat das Gericht die rechtliche Folge des Erlöschens zu berücksichtigen.

Abgrenzung in verschiedenen Rechtsbereichen

Das Konzept rechtsvernichtender Einwendungen begegnet vor allem im Vertrags- und Schuldrecht, spielt jedoch auch in anderen Bereichen eine Rolle. So können dingliche Rechte durch bestimmte Ereignisse erlöschen, und im Familien- oder Erbrecht führen Gestaltungen wie Verzichts- oder Ausschlagungserklärungen zum Wegfall von Rechtspositionen. Der gemeinsame Nenner ist stets die nachträgliche Beseitigung eines zuvor bestehenden Rechts.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was versteht man unter rechtsvernichtenden Einwendungen?

Es handelt sich um Einwände, die einen bereits entstandenen Anspruch nachträglich beseitigen. Der Anspruch besteht danach nicht mehr, weil er etwa erfüllt, erlassen, aufgehoben, aufgerechnet, angefochten oder durch Bedingung, Fristablauf oder Unmöglichkeit erloschen ist.

Worin liegt der Unterschied zu Einreden?

Einreden hindern die Durchsetzbarkeit eines Anspruchs, lassen ihn aber bestehen. Rechtsvernichtende Einwendungen beseitigen den Anspruch selbst. Die Einrede wirkt hemmend, die rechtsvernichtende Einwendung wirkt auflösend.

Muss ein Gericht rechtsvernichtende Einwendungen von sich aus berücksichtigen?

Einwendungen sind grundsätzlich von Amts wegen zu beachten, sobald die maßgeblichen Tatsachen feststehen. Es ist jedoch erforderlich, dass diese Tatsachen im Verfahren vorgetragen und klargestellt werden.

Wer trägt die Beweislast für eine rechtsvernichtende Einwendung?

Die Partei, die sich auf die Einwendung beruft, trägt regelmäßig die Verantwortung, die dafür maßgeblichen Umstände darzulegen und zu belegen. Gelingt dies, hat die Einwendung die rechtliche Folge des Erlöschens.

Können mehrere rechtsvernichtende Einwendungen nebeneinander bestehen?

Ja. Mehrere Einwendungen können sich überschneiden oder nacheinander greifen. Bereits eine durchgreifende Einwendung führt dazu, dass der Anspruch scheitert; weitere Einwendungen verändern daran nichts, können aber ergänzend begründen, warum der Anspruch nicht besteht.

Wirken rechtsvernichtende Einwendungen rückwirkend?

Die Wirkungsrichtung ist verschieden. Manche Einwendungen wirken für die Zukunft (etwa bei Kündigung), andere können rückwirkende Effekte haben (etwa bei wirksamer Anfechtung). Bei der Aufrechnung erlöschen Forderungen in der Höhe, in der sie sich decken.

Welche Rolle spielt Treu und Glauben bei der Verwirkung?

Verwirkung stützt sich auf das Prinzip, dass Rechte redlich auszuüben sind. Wer über längere Zeit untätig bleibt und beim anderen Vertrauen auf die Nichtgeltendmachung weckt, kann sein Recht verlieren. Verwirkung gilt als rechtsvernichtende Einwendung mit strengen Voraussetzungen.