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Rechtsanwaltsgesellschaft


Definition und rechtliche Einordnung der Rechtsanwaltsgesellschaft

Eine Rechtsanwaltsgesellschaft ist eine Gesellschaft, deren Zweck auf die gemeinschaftliche Ausübung des Rechtsanwaltsberufs durch ihre Gesellschafter gerichtet ist. Der Begriff ist im deutschen Recht fest verankert und umfasst insbesondere bestimmte Gesellschaftsformen, die Rechtsanwälten für die Berufsausübung zur Verfügung stehen. Ziel solcher Zusammenschlüsse ist es, die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für eine kooperative Berufsausübung zu schaffen, ohne die berufsrechtlichen Besonderheiten und Pflichten des Anwaltsstandes zu beeinträchtigen.

Gesetzliche Grundlagen

Berufsrechtliche Grundlagen

Die gesetzliche Grundlage für die Tätigkeit als Rechtsanwaltsgesellschaft ergibt sich in Deutschland aus der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO). Zentrale Normen sind §§ 59c bis 59m BRAO. Diese Vorschriften regeln die Zulässigkeit, Organisation, Berufsausübung und Haftung von Zusammenschlüssen von Rechtsanwälten.

Gesellschaftsrechtliche Grundlagen

Für die Rechtsanwaltsgesellschaften gelten grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften des Gesellschaftsrechts, insbesondere die des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und des Handelsgesetzbuchs (HGB). Darüber hinaus sind weiterführende Regelungen zu beachten, die sich aus spezifischen Gesetzen, wie dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG), dem Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbHG) und dem Aktiengesetz (AktG), ergeben.

Zulässige Gesellschaftsformen

Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)

Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist die einfachste Form des Zusammenschlusses von Rechtsanwälten zur gemeinsamen Berufsausübung. Sie setzt mindestens zwei Gesellschafter voraus und ist durch einen Gesellschaftsvertrag zu begründen. Die GbR ist nicht eintragungspflichtig und zeichnet sich durch eine unmittelbare, gesamtschuldnerische Haftung aller Gesellschafter aus.

Partnerschaftsgesellschaft (PartG)

Die Partnerschaftsgesellschaft erlaubt besonders Freiberuflern, sich rechtlich gebunden zur Berufsausübung zusammenzuschließen. Sie kann auch eine Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartGmbB) bilden. Die PartG fördert die persönliche Haftung der Gesellschafter, ermöglicht es jedoch, die Haftung unter bestimmten Voraussetzungen auf das Gesellschaftsvermögen zu beschränken.

Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)

Die Rechtsanwalts-GmbH ist eine eigenständige Rechtspersönlichkeit mit einer Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen. Die Anforderungen an die Gründung, das Stammkapital sowie die Geschäftsführung richten sich nach dem GmbHG. Die Eintragung im Handelsregister ist zwingend vorgeschrieben.

Aktiengesellschaft (AG)

Auch die Rechtsanwalts-AG wird von der BRAO anerkannt. Hierbei haften die Gesellschafter nur mit ihrem Anteil am Gesellschaftsvermögen. Gründung, Struktur und Geschäftsführung sind streng im AktG geregelt. Die AG eignet sich insbesondere für größere Einheiten mit umfangreicher Mandatsstruktur.

Berufsausübungsgesellschaften im berufsrechtlichen Kontext

Anforderungen an die Gesellschafter

Nach § 59e BRAO müssen Gesellschafter einer Rechtsanwaltsgesellschaft im Regelfall zugelassene Rechtsanwälte sein. Unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen können auch Angehörige anderer, besonders geregelter Berufe (z.B. Steuerberater, Wirtschaftsprüfer) beteiligt werden, wenn eine gemeinschaftliche Ausübung zulässig ist und berufsrechtliche Anforderungen eingehalten werden.

Leitung und Geschäftsführung

Es wird vorausgesetzt, dass die Geschäftsführung der Gesellschaft mehrheitlich durch Rechtsanwälte erfolgt. Damit wird sichergestellt, dass berufsrechtliche Vorgaben, wie Unabhängigkeit, Verschwiegenheitspflicht und das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen beachtet werden.

Zulassungspflicht und Aufsicht

Eine Rechtsanwaltsgesellschaft bedarf zur Ausübung der anwaltlichen Tätigkeit einer besonderen Zulassung gemäß § 59f BRAO. Diese wird unter der Voraussetzung erteilt, dass die Gesellschaft die gesetzlichen Anforderungen an Organisation, Haftung und Berufsausübung erfüllt.

Haftung in der Rechtsanwaltsgesellschaft

Gesamtschuldnerische Haftung bei Personengesellschaften

Bei der GbR und der klassischen Partnerschaftsgesellschaft haften alle Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft gesamtschuldnerisch, das heißt, Gläubiger können sich an jeden Gesellschafter in voller Höhe wenden.

Haftungsbeschränkung bei Kapitalgesellschaften

Im Rahmen einer GmbH oder AG ist die Haftung grundsätzlich auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Die persönliche Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsschulden ist ausgeschlossen, außer im Fall vorsätzlichen Handelns oder bei Pflichtverletzungen, etwa einer fehlerhaften Berufsausübung.

Besonderheiten der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartGmbB)

Die PartGmbB ermöglicht eine weitergehende Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen für Fehler bei der Berufsausübung, sofern eine Berufshaftpflichtversicherung mit hinreichender Deckungssumme abgeschlossen wurde.

Pflichten und Verantwortlichkeiten

Einhaltung berufsrechtlicher Pflichten

Rechtsanwaltsgesellschaften sind verpflichtet, die berufsrechtlichen Verhaltensregelungen einzuhalten. Hierzu zählen insbesondere Unabhängigkeit, Verschwiegenheit, Interessenkollisionsverbot und die ordnungsgemäße Mandatsführung.

Berufshaftpflichtversicherung

Bestimmte Gesellschaftsformen unterliegen der Pflicht, eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung vorzuhalten. Die Mindestversicherungssummen sind gesetzlich geregelt und variieren je nach Gesellschaftsform.

Informations- und Offenlegungspflichten

Rechtsanwaltsgesellschaften müssen regelmäßig Informationen über die Zusammensetzung der Gesellschafter, den Geschäftszweck und die Gesellschaftsform offenlegen, insbesondere im Rahmen des Impressums und gegenüber Mandanten.

Steuerliche Behandlung

Gewerbesteuerliche Aspekte

Anders als Einzelanwälte gelten bestimmte Gesellschaftsformen, insbesondere Kapitalgesellschaften, als Gewerbebetrieb und unterliegen der Gewerbesteuerpflicht.

Einkommensbesteuerung

Bei Personengesellschaften wird der Gewinn dem jeweiligen Gesellschafter nach dessen Beteiligung zugerechnet und im Rahmen der Einkommensteuer berücksichtigt.

Internationales Recht und grenzüberschreitende Gesellschaften

Europäische Rahmenbedingungen

Durch die fortschreitende europäische Integration wurden zahlreiche Regelungen hinsichtlich der grenzüberschreitenden Zulässigkeit und der Zusammenarbeit im europäischen Rechtsdienstleistungsmarkt geschaffen, die eine Erweiterung des Tätigkeitsbereichs von Rechtsanwaltsgesellschaften innerhalb der EU ermöglichen.

Internationale Gesellschaftsformen

Zunehmend werden auch internationale Gesellschaftsformen anerkannt oder durch spezielle berufsrechtliche Regelungen ermöglicht, sofern vergleichbare Anforderungen an Unabhängigkeit, Haftung und Berufsaufsicht bestehen.

Literaturhinweise und weiterführende Normen

  • Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO)
  • Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG)
  • Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbHG)
  • Aktiengesetz (AktG)
  • Handelsgesetzbuch (HGB)
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Hinweis: Die hier dargestellten Informationen sind auf dem Stand Juni 2024 und bilden die wesentlichen, rechtlichen Rahmenbedingungen der Rechtsanwaltsgesellschaft ab. Änderungen der Gesetzgebung oder berufsrechtlicher Vorschriften können zukünftige Entwicklungen beeinflussen.

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen für die Gründung einer Rechtsanwaltsgesellschaft erfüllt sein?

Für die Gründung einer Rechtsanwaltsgesellschaft müssen nach deutschem Recht eine Vielzahl von rechtlichen Vorgaben beachtet werden. Zunächst ist zu prüfen, welche Gesellschaftsform gewählt werden soll, da Rechtsanwaltsgesellschaften in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), als Partnerschaftsgesellschaft (PartG) oder als Aktiengesellschaft (AG) gegründet werden können. Grundlegend ist nach § 59c BRAO (Bundesrechtsanwaltsordnung) Voraussetzung, dass der Gegenstand der Gesellschaft ausschließlich die Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten ist. Die Mehrheit der Geschäftsanteile und die Stimmenmehrheit müssen Rechtsanwälten zustehen. Ferner muss die Geschäftsführung aus mehrheitlich zugelassenen Rechtsanwälten bestehen. Sämtliche Gesellschafter, die nicht Rechtsanwälte sind, müssen Angehörige einer rechtsberatenden oder rechtsnahen freien Berufssparte sein und unterliegen den Berufspflichten der Rechtsanwälte. Außerdem bedarf die Gründung der Gesellschaft einer Zulassung durch die Rechtsanwaltskammer, bei der die Gesellschaft ihren Sitz haben will. Hierzu sind umfangreiche Unterlagen, wie etwa der Gesellschaftsvertrag, Nachweise über die berufliche Qualifikation der Gesellschafter und die Berufshaftpflichtversicherung der Gesellschaft, vorzulegen. Nicht zuletzt ist die Gesellschaft verpflichtet, eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung nachzuweisen, deren Bedingungen und Umfang im § 59j BRAO geregelt werden.

Wie verhält es sich mit der Haftung der Rechtsanwaltsgesellschaft?

Die Haftung der Rechtsanwaltsgesellschaft richtet sich nach der jeweiligen Gesellschaftsform und den gesetzlichen Regelungen der Bundesrechtsanwaltsordnung. Bei einer Rechtsanwalts-GmbH, also einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, haftet grundsätzlich nur das Gesellschaftsvermögen für etwaige Verbindlichkeiten. Eine persönliche Haftung der Gesellschafter ist ausgeschlossen, sofern keine Pflichtverletzung wie beispielsweise grobe Fahrlässigkeit oder vorsätzliche Schädigung vorliegt. Eine Ausnahme besteht insbesondere dann, wenn die Berufshaftpflichtversicherung den Schaden nicht abdeckt – dann kann eine persönliche Haftung der Verantwortungsträger möglich werden. Die BRAO schreibt für Rechtsanwaltsgesellschaften eine Berufshaftpflichtversicherung mit einer Mindestversicherungssumme (aktuell 2,5 Millionen Euro pro Versicherungsfall) vor, um Mandanten vor Vermögensschäden zu schützen. Zudem haften für berufliche Fehler grundsätzlich nur die Gesellschaft und der unmittelbar am Mandat beteiligte Anwalt persönlich, nicht aber sämtliche Gesellschafter gesamtschuldnerisch, wie es teilweise noch im klassischen Anwaltssozietäts-Modell der Fall war.

Wer darf Gesellschafter einer Rechtsanwaltsgesellschaft werden?

Nach den berufsrechtlichen Vorgaben, insbesondere §§ 59e ff. BRAO, dürfen Gesellschafter einer Rechtsanwaltsgesellschaft grundsätzlich nur natürliche Personen sein, die zur Ausübung von Rechtsberatungs-, Steuerberatungs-, Wirtschaftsprüfungs- oder anderen rechtsberatenden Berufen befugt sind. Dies umfasst insbesondere Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Patentanwälte und vereidigte Buchprüfer. Eine Beteiligung von reinen Kapitalgebern, die keinem dieser Berufe angehören, ist grundsätzlich ausgeschlossen. Ausnahmsweise können Angehörige anderer Berufe Gesellschafter sein, wenn sie ihrerseits gerichtlich zugelassen und berufsrechtlich berechtigt sind, Mandanten umfassend zu beraten und zu vertreten. Dies dient dem Schutz der Mandanteninteressen und der Sicherstellung der Einhaltung berufsrechtlicher Pflichten innerhalb der Gesellschaft.

Welche Pflichten treffen eine Rechtsanwaltsgesellschaft in Bezug auf das Berufsrecht?

Die Rechtsanwaltsgesellschaft ist verpflichtet, sämtliche berufsrechtlichen Vorschriften einzuhalten, die nach der BRAO und der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) gelten. Dazu zählen unter anderem die Pflicht zur Verschwiegenheit, das Verbot von Interessenkonflikten, die Wahrung der anwaltlichen Unabhängigkeit und die Einhaltung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Mandatsführung. Die Gesellschaft muss sicherstellen, dass auch alle angestellten und mitarbeitenden Rechtsanwälte sowie sonstigen Berufsträger die berufsrechtlichen Regeln beachten. Zudem gilt für die Gesellschaft die Pflicht zum Abschluss einer, dem Umfang der Geschäftstätigkeit angemessenen, Berufshaftpflichtversicherung. Bei Pflichtverletzungen kann sowohl die Gesellschaft als auch der verantwortliche einzel-ne Gesellschafter berufsrechtlich belangt werden. Die Einhaltung dieser Pflichten überwacht die zuständige Rechtsanwaltskammer, der die Gesellschaft berichtspflichtig ist.

In welcher Weise ist die Rechtsanwaltsgesellschaft zulassungspflichtig?

Eine Rechtsanwaltsgesellschaft benötigt vor Aufnahme ihrer Tätigkeit eine gesonderte Zulassung durch die zuständige Rechtsanwaltskammer. Die Zulassung ist, anders als bei einzelnen Rechtsanwälten, auf die Gesellschaft als juristische Person ausgestellt. Voraussetzung hierfür ist die Erfüllung sämtlicher gesetzlicher und berufsrechtlicher Vorgaben, insbesondere die Vorlage eines Gesellschaftsvertrags, der die berufsrechtlichen Vorgaben umsetzt, und der Nachweis einer ausreichenden Berufshaftpflichtversicherung. Die Kammer prüft die Unterlagen auf Einhaltung der BRAO, die Gesellschaft wird dann in das bei der Kammer geführte Gesellschaftsregister eingetragen. Erst mit erfolgter Eintragung und Aushändigung der Zulassungsurkunde darf die Gesellschaft als solche anwaltlich tätig werden. Änderungen in der Zusammensetzung der Gesellschafter, im Gesellschaftsvertrag oder bezüglich der Geschäftsführung müssen der Kammer unverzüglich mitgeteilt werden, da eine Zulassung ansonsten widerrufen werden kann.

Gibt es für die Rechtsanwaltsgesellschaft spezielle Anforderungen an den Namen?

Der Name einer Rechtsanwaltsgesellschaft ist berufsrechtlich streng geregelt. Er muss nach § 59f BRAO den Rechtsformzusatz tragen (z.B. „GmbH“, „Part mbB“), das Wort „Rechtsanwaltsgesellschaft“ oder einen entsprechenden Hinweis und darf keine irreführenden Angaben enthalten. Der Name muss so gewählt sein, dass er die Rechtsform und den Schwerpunkt der Tätigkeit klar erkennen lässt und keine Verwechslungen mit nicht zugelassenen Gesellschaften zulässt. Darüber hinaus darf der Gesellschaftsname keine Hinweise auf Verstorbene oder ehemalige Mitglieder enthalten und keine Anspielungen auf eine besondere Größe, Marktmacht oder unverhältnismäßige Qualifikation beinhalten. Die Einhaltung der Namensvorgaben wird im Zuge des Zulassungsverfahrens von der Rechtsanwaltskammer geprüft, und Verstöße können zu wettbewerbs- und berufsrechtlichen Maßnahmen führen.

Was passiert im Falle einer Änderung bei den Gesellschaftern oder in der Geschäftsführung?

Wesentliche personelle oder gesellschaftsrechtliche Änderungen, etwa der Wechsel von Gesellschaftern, der Verkauf von Geschäftsanteilen oder Änderungen in der Geschäftsführung, müssen nach § 59k BRAO unverzüglich der zuständigen Rechtsanwaltskammer gemeldet werden. Jede Veränderung, die dazu führt, dass die berufsrechtlichen Voraussetzungen – wie z.B. die Mehrheit der Stimmen oder Anteile bei Rechtsanwälten – nicht mehr erfüllt sind, kann zum Widerruf der Zulassung führen. Die Gesellschaft ist verpflichtet, fortlaufend sicherzustellen, dass die Bestimmungen der BRAO insbesondere zur Zusammensetzung der Gesellschafter, zur Geschäftsführung sowie zur Berufshaftpflichtversicherung eingehalten werden. Auch bei Erweiterungen der Geschäftstätigkeit oder Änderungen im Gesellschaftsvertrag ist die vorherige Information und Zustimmung der Kammer erforderlich. Andernfalls drohen Sanktionen bis hin zur Löschung der Gesellschaft aus dem Gesellschaftsregister der Rechtsanwaltskammer.