Begriff und grundlegende Einordnung des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung
Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist ein zentrales Verwertungsrecht im Urheberrecht und bezieht sich auf die Erlaubnis oder das Verbot, ein Werk der Öffentlichkeit so bereitzustellen, dass es für Mitglieder der Öffentlichkeit an individuell gewählten Orten und zu individuell gewählten Zeiten zugänglich ist. Dieser Begriff wurde insbesondere mit der Verbreitung des Internets und neuer digitaler Kommunikationstechnologien von besonderer Relevanz und prägt heute maßgeblich die Rechteklärung bei Online-Nutzungen kreativer Inhalte.
Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist im deutschen Recht in § 19a Urheberrechtsgesetz (UrhG) kodifiziert und findet in europäischen sowie internationalen Rechtsnormen ebenfalls seinen Niederschlag.
Gesetzliche Grundlagen
Nationale Rechtsgrundlage (§ 19a UrhG)
Gemäß § 19a UrhG hat allein der Urheber oder der durch ihn Berechtigte das ausschließliche Recht, ein Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist. Das entscheidende Merkmal dieses Rechts ist die Möglichkeit individueller Abrufbarkeit, wie sie das Internet bietet.
Europäische und internationale Regelungen
EU-Recht
Die Informationsgesellschafts-Richtlinie 2001/29/EG („Copyright Directive“) normiert in Artikel 3 Abs. 2 ein entsprechendes Recht zur „öffentlichen Zugänglichmachung“. Die Harmonisierung auf europäischer Ebene garantiert, dass ein ähnlicher Schutz in sämtlichen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union besteht.
Internationale Ebene
Auch das WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT) von 1996 enthält entsprechende Regelungen zur öffentlichen Zugänglichmachung als Teil des Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechts. Dadurch ist das Recht global weitgehend anerkannt und geschützt.
Umfang und Inhalt des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung
Definition der „Öffentlichkeit“
Als Öffentlichkeit gilt nach herrschender Auffassung der Personenkreis, der nicht durch persönliche Beziehungen, gemeinsame Interessen oder andere verbindende Elemente miteinander verbunden ist. Unerheblich ist dabei die tatsächliche Kenntnisnahme – ausschlaggebend ist allein die technische Abrufbarkeit für die Allgemeinheit.
Beispiele für öffentliche Zugänglichmachung
Klassische Anwendungsfälle sind das Hochladen von Werken auf Webseiten, Plattformen und Server, das Streaming von Audio- oder Videoinhalten, das Bereitstellen von Dateien via Cloud-Diensten oder das Publizieren von Fotos in Soziale Netzwerke. Entscheidend ist, dass die Inhalte auf Abruf für eine Vielzahl von Nutzern bereitgestellt werden.
Abgrenzung zu anderen Verwertungsrechten
Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist abzugrenzen
- Vom Recht der öffentlichen Wiedergabe (§ 19 UrhG), das z. B. das Spielen von Musik auf Konzerten oder das Zeigen von Filmen im Kino umfasst,
- Vom Verbreitungsrecht (§ 17 UrhG), das sich auf die weitergehende körperliche Weitergabe von Werkexemplaren (z. B. Buchverkauf) bezieht,
- Vom Senderecht (§ 20 UrhG), das die drahtlose Übertragung an eine unbestimmte Vielzahl von Empfängern (z. B. Rundfunk) betrifft.
Das Besonderheit des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung liegt in der Abrufmöglichkeit „zu Zeiten und an Orten der eigenen Wahl“.
Umfang und Schranken des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung
Nutzungsrecht und Lizenzierung
Da das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ein ausschließliches Recht des Urhebers ist, dürfen Werke online nur mit ausdrücklicher Erlaubnis (Lizenz) öffentlich zugänglich gemacht werden. Nutzungsrechte können im Rahmen von Lizenzverträgen übertragen oder eingeräumt werden, wobei Art und Umfang im Einzelfall auszulegen sind.
Schrankenregelungen
Es gibt gesetzlich geregelte Schranken, die eine öffentliche Zugänglichmachung auch ohne Zustimmung erlauben, etwa:
- Zitate (§ 51 UrhG)
- Nutzung im Unterricht oder in Forschung (§ 60a ff. UrhG)
- Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG)
Auch hier gelten jedoch Einschränkungen, zum Beispiel in Bezug auf die Menge des genutzten Werkes, die Quelle oder den Zweck.
Schutzdauer
Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung unterliegt der urheberrechtlichen Schutzfrist. Es erlischt 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers (§ 64 UrhG). Danach kann das Werk ohne die Zustimmung der Rechtsnachfolger öffentlich zugänglich gemacht werden.
Verletzung des Rechts und Rechtsfolgen
Arten von Rechtsverletzungen
Eine Rechtsverletzung liegt regelmäßig vor, wenn Werke ohne erforderliche Erlaubnis oder außerhalb der urheberrechtlichen Schranken öffentlich zugänglich gemacht werden, etwa durch unbefugtes Uploaden, Streaming oder Teilen von fremden Inhalten im Internet.
Ansprüche des Berechtigten
Dem Rechteinhaber stehen im Verletzungsfall verschiedene Ansprüche zu, insbesondere
- Anspruch auf Unterlassung (§ 97 UrhG)
- Anspruch auf Schadensersatz (§ 97 UrhG)
- Anspruch auf Vernichtung oder Herausgabe von Vervielfältigungen (§ 98 UrhG)
- Auskunftsansprüche über Herkunft und Vertriebswege
Verantwortlichkeit und Haftung
Nicht nur der unmittelbare Täter, sondern auch Mitstörer oder Plattformbetreiber können unter bestimmten Voraussetzungen in Anspruch genommen werden. Im Bereich der Online-Plattformen (Hosting-Provider, Content-Sharing-Dienste) regeln zusätzliche Vorschriften, inwieweit eine Haftung ausgeschlossen oder eingeschränkt werden kann, zum Beispiel durch das „Provider-Privileg“ (§ 10 TMG, jetzt § 7 TTDSG).
Praxisrelevanz und aktuelle Entwicklungen
Bedeutung für die digitale Wirtschaft
Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung beeinflusst maßgeblich die Lizenzierungspraktiken von Online-Plattformen, Streaming-Diensten, Verlagen sowie in der Software- und Medienbranche. Insbesondere das sogenannte „Upload-Filtering“ durch Plattformanbieter hat an Bedeutung gewonnen.
Herausforderungen der digitalen Verwertung
Durch technische Möglichkeiten wie Cloud-Speicher, Peer-to-Peer-Netzwerke oder Social Media Plattformen werden neue rechtliche Herausforderungen an die Kontrolle und Durchsetzung des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung gestellt.
Rechtsprechung und legislative Tendenzen
Die Rechtsprechung, etwa von deutschen Gerichten, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) und dem Bundesgerichtshof (BGH), konkretisiert fortlaufend die Voraussetzungen und Grenzen der öffentlichen Zugänglichmachung, insbesondere zu Fragen der Mitursächlichkeit und zur Zumutbarkeit technischer Schutzmaßnahmen.
Zusammenfassung
Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist ein fundamentales und weitreichendes Schutzrecht im Urheberrecht. Es bildet die rechtliche Grundlage für die Kontrolle und Lizensierung nahezu aller digitalen Werkzugriffe. Seine Besonderheit liegt in der individuellen Verfügbarkeit über Netzwerke wie das Internet. Die Einhaltung und Durchsetzung dieses Rechts ist angesichts fortschreitender Technologien sowie neuer Geschäftsmodelle Gegenstand ständiger Weiterentwicklung. Im Rahmen von Schrankenregelungen und internationalen Abkommen wird seine Reichweite ausgeglichen und harmonisiert. Das Verständnis und die Beachtung des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung ist für sämtliche Akteure im digitalen Raum von großer Bedeutung.
Häufig gestellte Fragen
Wann liegt eine öffentliche Zugänglichmachung im urheberrechtlichen Sinne vor?
Eine öffentliche Zugänglichmachung im Sinne des § 19a UrhG liegt vor, wenn ein Werk so angeboten wird, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist. Dies bedeutet insbesondere, dass das Werk zum Beispiel durch das Hochladen auf eine allgemein zugängliche Website im Internet der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird. Nicht erforderlich ist, dass tatsächlich eine Vielzahl von Personen das Werk tatsächlich abruft, sondern allein die Möglichkeit, dass beliebige Dritte darauf zugreifen können, genügt. Der Begriff „Öffentlichkeit“ ist von der Rechtsprechung dahingehend konkretisiert worden, dass es sich um eine unbestimmte Anzahl von Personen handelt, die nicht durch persönliche Beziehungen miteinander verbunden sind. Maßgeblich ist also der potentiell unbegrenzte Adressatenkreis, nicht die faktische Anzahl von Zugriffen.
Ist für die öffentliche Zugänglichmachung eine Erlaubnis des Urhebers erforderlich?
Ja, im Grundsatz ist für jede Form der öffentlichen Zugänglichmachung die ausdrückliche Erlaubnis bzw. Lizenz des Urhebers oder Rechteinhabers erforderlich. Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist ein ausschließliches Recht und kann nur vom Urheber selbst oder einem berechtigten Lizenznehmer eingeräumt werden. Ausnahmen bestehen lediglich dann, wenn eine gesetzliche Schranke greift, beispielsweise im Rahmen des Zitatrechts (§ 51 UrhG), bei der Nutzung für Unterricht und Forschung unter bestimmten Voraussetzungen (§ 60a ff. UrhG) oder in Fällen der Privatkopie (§ 53 UrhG), wobei letztere die öffentliche Zugänglichmachung grundsätzlich ausschließt. Die Einholung der Erlaubnis ist insbesondere bei kommerziellen wie auch nicht-kommerziellen Angeboten im Internet erforderlich.
Welche Folgen drohen bei einer unberechtigten öffentlichen Zugänglichmachung?
Wird ein Werk ohne erforderliche Erlaubnis des Urhebers öffentlich zugänglich gemacht, liegt eine Urheberrechtsverletzung vor. Dies kann sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche Folgen haben. Zivilrechtlich können Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche, Auskunftsansprüche im Hinblick auf den Umfang der Nutzung sowie Schadensersatzforderungen von Seiten des berechtigten Urhebers geltend gemacht werden (§§ 97 ff. UrhG). Der Verletzer kann dabei auf Herausgabe des erzielten Gewinns oder auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr in Anspruch genommen werden. Strafrechtlich kann gemäß § 106 UrhG eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe verhängt werden, wenn die Handlung vorsätzlich erfolgt ist.
Gilt das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung auch für Inhalte auf Social-Media-Plattformen?
Ja, das öffentliche Zugänglichmachen über Social-Media-Plattformen wie Facebook, Instagram oder YouTube stellt regelmäßig eine Form der öffentlichen Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG dar. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Nutzerkonto privat oder öffentlich ist, solange das Werk nicht auf eine Weise geteilt wird, dass nur ein eng begrenzter, persönlich verbundener Personenkreis darauf zugreifen kann. Insbesondere sollten Nutzer, die urheberrechtlich geschütztes Material auf solchen Plattformen hochladen oder teilen, vorab sicherstellen, dass sie über die hierfür erforderlichen Nutzungsrechte verfügen oder dass eine einschlägige Schrankenregelung Anwendung findet. Die bloße Registrierung auf einer Plattform gewährt keine umfassenden Nutzungsrechte an dort bereitgestellten Inhalten.
Welche urheberrechtlichen Schranken können die öffentliche Zugänglichmachung ausnahmsweise erlauben?
Es existieren im Urheberrecht bestimmte Schranken, die unter bestimmten Voraussetzungen eine öffentliche Zugänglichmachung ohne die Einwilligung des Rechteinhabers erlauben. Hierzu zählen insbesondere das Zitatrecht (§ 51 UrhG), bestimmte Vorschriften zu Unterricht und Wissenschaft (§§ 60a-60f UrhG) sowie Einzelregelungen für Bibliotheken, Archive und Museen (§ 60e UrhG). Diese Schranken sind allerdings eng auszulegen und setzen voraus, dass der jeweilige Nutzungszweck eingehalten und die Quellenangabe ordnungsgemäß erfolgt. Auch greifen die Schranken grundsätzlich nur, wenn kein kommerzieller Zweck verfolgt wird und die Nutzung in ihrem Umfang gerechtfertigt ist. Die Gesamtbewertung erfolgt stets einzelfallbezogen unter Berücksichtigung des jeweiligen Werks und der Nutzungsart.
Welche Bedeutung hat der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ im Zusammenhang mit der öffentlichen Zugänglichmachung?
Der Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ wird im Urheberrecht als Oberbegriff verwendet, zu dem auch die öffentliche Zugänglichmachung zählt. Nach ständiger Auslegung des Europäischen Gerichtshofs umfasst „öffentliche Wiedergabe“ jede Übertragung, Darbietung oder Verbreitung eines Werkes an ein Publikum außerhalb eines privaten oder familiären Rahmens. Während die öffentliche Vorführung oder Aufführung insbesondere bei Live-Events relevant ist, beziehen sich die Vorschriften zur öffentlichen Zugänglichmachung auf interaktive Angebote, bei denen die Nutzer selbst bestimmen können, wann und wo sie das Werk abrufen. Die Einordnung einer Handlung als „öffentliche Wiedergabe“ hat erhebliche Konsequenzen für die Frage der Erlaubnispflicht sowie die Anwendung urheberrechtlicher Schranken.
Wie lange besteht das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung und wann erlischt es?
Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung besteht für die Dauer des Urheberrechtsschutzes an dem jeweiligen Werk. Grundsätzlich erlischt das Urheberrecht siebzig Jahre nach dem Tod des Urhebers (§ 64 UrhG). Nach Ablauf dieser Frist fällt das Werk in die Gemeinfreiheit, das heißt, es kann ohne Zustimmung der Rechtsnachfolger frei öffentlich zugänglich gemacht werden. Zu beachten ist, dass für verwandte Schutzrechte, wie z.B. bei Lichtbildern oder Datenbankwerken, abweichende Schutzfristen gelten können, die ebenfalls zu berücksichtigen sind. Während der Schutzdauer sollten Nutzer im Zweifel davon ausgehen, dass eine Genehmigung zur öffentlichen Zugänglichmachung eingeholt werden muss.