Begriff und rechtliche Einordnung der Realsteuern
Realsteuern, im deutschen Steuerrecht auch als „Objektsteuern“ bezeichnet, sind eine Unterkategorie der Gemeindesteuern. Sie werden unabhängig von der persönlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen auf bestimmte Objekte (Sachen oder Rechte) erhoben. Die rechtliche Grundlage für Realsteuern bildet das Grundgesetz sowie das Bewertungsgesetz (BewG) und das Grundsteuergesetz (GrStG).
Definition der Realsteuern
Realsteuern sind nach § 3 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) solche Steuern, die an bestimmte wirtschaftliche Güter (insbesondere Grundbesitz und den Betrieb von Gewerbebetrieben) anknüpfen und nicht unmittelbar durch die persönliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen bestimmt sind.
Gemäß Art. 106 Abs. 6 Grundgesetz (GG) stehen das Aufkommen und das Hebesatzrecht für Realsteuern den Gemeinden zu. Wesentliche Merkmale sind die Objektbezogenheit und der Hebesatz, den jede Kommune eigenständig festlegen kann.
Arten der Realsteuern
Grundsteuer
Die Grundsteuer ist die in Deutschland wichtigste Realsteuer und umfasst folgende Bereiche:
- Grundsteuer A: für land- und forstwirtschaftliche Betriebe.
- Grundsteuer B: für bebaute und unbebaute Grundstücke, die nicht land- oder forstwirtschaftlich genutzt werden.
Die Ermittlung der Grundsteuer erfolgt auf Grundlage des jeweiligen Einheitswerts bzw. ab 2025 im Rahmen der Grundsteuerreform nach neuen gesetzlichen Vorgaben.
Gewerbesteuer
Die Gewerbesteuer, ebenfalls eine Realsteuer, wird auf den Gewerbebetrieb erhoben. Die Hebesätze werden von den Gemeinden festgesetzt. Im Gegensatz zur Grundsteuer ist die Gewerbesteuer an die objektive Ertragskraft eines Unternehmens geknüpft und unterliegt eigenen Regelungen im Gewerbesteuergesetz (GewStG).
Gesetzliche Grundlagen
Verfassungsrechtliche Grundlagen
Die Realsteuern sind im Grundgesetz (Art. 106 Abs. 6 GG) geregelt. Das Hebesatzrecht und das Steueraufkommen sind den Gemeinden zugewiesen. Der Bund ist lediglich befugt, das Grundgesetz und das Bewertungsrecht zu erlassen, während die konkrete Steuererhebung und -verwaltung durch die Gemeindeverwaltungen durchgeführt wird.
Steuerrechtliche Normen
- Abgabenordnung (AO): definiert die Realsteuern und grenzt sie von anderen Steuerarten ab.
- Grundsteuergesetz (GrStG) und Gewerbesteuergesetz (GewStG): regeln die rechtlichen Details der Erhebung, Festsetzung und Verwaltung der jeweiligen Realsteuerarten.
- Bewertungsgesetz (BewG): regelt die Bewertung von Immobilien und Grundstücken als Grundlage der Steuerermittlung.
Erhebungs- und Festsetzungsverfahren
Steuergegenstand und Steuerschuldner
Steuergegenstand
- Bei der Grundsteuer ist der Steuergegenstand das Grundstück bzw. dessen wirtschaftliche Einheit.
- Bei der Gewerbesteuer ist es der Gewerbebetrieb (unabhängig von der natürlichen oder juristischen Person, die ihn betreibt).
Steuerschuldner
Der Steuerschuldner ist in beiden Fällen grundsätzlich der Eigentümer bzw. der Inhaber des Betriebes. Es bestehen Sonderregelungen im Fall von Erbbaurechten, Nießbrauch oder sonstigen dinglichen Nutzungsrechten.
Steuererhebung und Verwaltung
Die Erhebung der Realsteuern erfolgt grundsätzlich durch die Gemeinden. Die Berechnung basiert auf dem Einheitswert (bis zum Inkrafttreten der Grundsteuerreform), dem Messbetrag und dem gemeindlichen Hebesatz. Ähnlich verhält es sich mit der Gewerbesteuer, bei der die Gemeinde ebenfalls das Hebesatzrecht innehat.
Die Festsetzung der Steuer erfolgt durch entsprechenden Steuerbescheid der steuerhebenden Gemeinde auf Basis der vom Finanzamt übermittelten Messbetragsbescheide.
Bedeutung im kommunalen Haushaltsrecht
Das Steueraufkommen aus Realsteuern bildet einen bedeutenden Bestandteil der kommunalen Finanzierung. Die Ausgestaltung als Gemeindesteuer stellt sicher, dass die jeweilige Kommune über ein eigenes Steueraufkommenssystem verfügt, das weitgehend unabhängig von staatlichen Zuweisungen ist.
Die Festlegung des Hebesatzes gibt den Gemeinden ein maßgebliches Instrument für ihren Haushalt an die Hand. Änderungen der Hebesätze bedingen jedoch haushaltsrechtliche Abwägungen und sind meist mit politischen Entscheidungsfindungen auf kommunaler Ebene verbunden.
Rechtsbehelfe und Rechtsschutz
Gegen Entscheidungen im Zusammenhang mit Realsteuern steht der Verwaltungsrechtsweg offen. Steuerzahler können gegen Steuerbescheide Widerspruch einlegen und anschließend, falls erforderlich, Klage vor den Finanzgerichten erheben.
Erhebliche Bedeutung kommt hierbei der Auslegung des maßgeblichen Bewertungsrechts sowie der Anwendung der einschlägigen Steuergesetze zu. Fehlerhafte Bewertungen oder unzutreffende Berechnungen der Hebesätze können zu Abänderungen oder Aufhebungen der Steuerbescheide führen.
Reformen und aktuelle Entwicklungen
Die Grundsteuerreform, basierend auf dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2018, bringt ab dem 1. Januar 2025 erhebliche Änderungen für die Bewertung von Grundstücken und damit für die Berechnung der Grundsteuern mit sich. Die Gemeinden behalten jedoch das Hebesatzrecht und damit einen zentralen Einfluss auf das Steueraufkommen.
Bei der Gewerbesteuer gibt es laufende Diskussionen über mögliche Entlastungen für Unternehmen sowie über die Beibehaltung der Zinsschrankenregelung und der Hinzurechnungen.
Zusammenfassung
Realsteuern sind zentrale Steuern im deutschen Kommunalfinanzsystem. Ihre rechtliche Ausgestaltung basiert auf dem Grundgesetz und spezifischen Steuergesetzen wie dem Grundsteuergesetz und dem Gewerbesteuergesetz. Besonderes Merkmal der Realsteuern ist ihre Objektbezogenheit und das gemeindliche Hebesatzrecht, das jede Kommune individuell ausübt. Die Realsteuern tragen maßgeblich zur finanziellen Eigenständigkeit der Gemeinden in Deutschland bei und unterliegen sowohl der laufenden Rechtsprechung als auch fortlaufenden gesetzlichen Anpassungen.
Häufig gestellte Fragen
Welche Realsteuern sind im deutschen Steuerrecht im Einzelnen vorgesehen?
Im deutschen Steuerrecht werden als Realsteuern ausschließlich die Grundsteuer und die Gewerbesteuer erhoben. Dies ist in Art. 106 Abs. 6 Grundgesetz (GG) sowie im § 3 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) ausdrücklich geregelt. Die Grundsteuer belastet das Eigentum an Grundstücken unabhängig von den persönlichen Verhältnissen des Steuerschuldners, während die Gewerbesteuer an den Betrieb eines stehenden Gewerbes anknüpft und somit eine objektbezogene Steuer auf die Ertragskraft des Gewerbebetriebs darstellt. Andere Steuerarten, wie etwa die Einkommensteuer, Körperschaftsteuer oder Umsatzsteuer, zählen ausdrücklich nicht zu den Realsteuern, da dort die persönliche Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners eine entscheidende Rolle spielt.
Wie erfolgt die Ermittlung des Steuermessbetrags bei Realsteuern?
Bei Realsteuern wird die Steuer in einem mehrstufigen Verfahren ermittelt. Zunächst wird der sogenannte Steuermessbetrag durch das zuständige Finanzamt festgesetzt. Hierfür werden gesetzlich normierte Grundlagen herangezogen: Bei der Grundsteuer bildet der Einheitswert bzw. ab 2025 der Grundsteuerwert die Bemessungsgrundlage, während bei der Gewerbesteuer der Gewerbeertrag maßgeblich ist. Auf diesen ermittelten Wert wird der Steuermessbetrag nach den Sätzen des Grundsteuergesetzes (GrStG) bzw. Gewerbesteuergesetzes (GewStG) berechnet. Im Anschluss hieran wenden die Gemeinden auf den Steuermessbetrag einen von ihnen festgesetzten Hebesatz an, um die jeweilige Steuerhöhe individuell zu bestimmen. Die zweistufige Ausgestaltung bezieht die Gesetzgebungskompetenz des Bundes und die Ertragskompetenz der Gemeinden mit ein.
In welchem Umfang verfügen die Gemeinden über Gestaltungsrechte bei Realsteuern?
Die Gemeinden besitzen bei Realsteuern ein umfassendes Hebesatzrecht nach Art. 106 Abs. 6 GG, das ihnen ermöglicht, den jeweiligen Hebesatz für die Grund- bzw. Gewerbesteuer frei festzulegen. Dies erlaubt es den Kommunen, die tatsächliche Steuerbelastung vor Ort flexibel zu steuern und an ihre Bedürfnisse, etwa zur Kommunalfinanzierung, anzupassen. Die Höhe des Hebesatzes kann jährlich im Rahmen der Haushaltsplanung neu bestimmt werden. Ein Mindesthebesatz ist gesetzlich vorgeschrieben: für die Gewerbesteuer beispielsweise 200 %, für die Grundsteuer seit 2025 je nach Bundesland unterschiedlich geregelt. Die Gemeinden dürfen jedoch keine eigenen Realsteuern erheben, sondern sind auf die Erhebung von Grund- und Gewerbesteuer beschränkt.
Welche Bedeutung kommt der persönlichen Steuerpflicht bei Realsteuern zu?
Im Gegensatz zu den Personensteuern wird bei Realsteuern die persönliche Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners grundsätzlich nicht berücksichtigt. Die Haftung und Pflicht zur Steuerzahlung richtet sich ausschließlich nach dem Gegenstand der Besteuerung, etwa dem Grundstück oder dem Betrieb eines Gewerbes. Lediglich im Gewerbesteuerrecht existieren Sonderregelungen für natürliche Personen und Personengesellschaften, etwa durch die Freibetragsregelung gemäß § 11 GewStG. Im Regelfall bleibt jedoch die sogenannte Subjektsteuerpflicht ausgeblendet und das belastete Objekt (Grundbesitz, Gewerbebetrieb) steht im Mittelpunkt der Besteuerung.
Welche Rechtsmittel stehen gegen Verwaltungsakte der Realsteuerfestsetzung zur Verfügung?
Gegen die Festsetzung von Realsteuern (z.B. Grundsteuerbescheid, Gewerbesteuerbescheid) können Steuerpflichtige innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Einspruch einlegen (§ 347 AO). Der Einspruch ist bei der steuerfestsetzenden Behörde – regelmäßig das Finanzamt bezüglich des Steuermessbescheids, die Gemeinde für den Steuerbescheid – einzureichen. Kommt es auch nach Abschluss des Einspruchsverfahrens zu keiner Abhilfe, besteht die Möglichkeit, Klage beim zuständigen Finanzgericht zu erheben. Im Streitfall sind hierbei sowohl die materielle Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung als auch formale Fehler angreifbar, wie etwa die Verletzung von Anhörungsrechten oder Bewertungsfehlern.
Welche Besonderheiten bestehen bei der Vollstreckung und Sicherung von Realsteuern?
Realsteuerforderungen genießen eine privilegierte Stellung im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung. Ein besonderes Sicherungsinstrument ist das Grundsteuerpfandrecht gemäß § 12 GrStG, das die Gemeinde unmittelbar zur Sicherung ihrer Forderung an dem Grundstück innehat, für das die Grundsteuer festgesetzt wurde. Dieses Pfandrecht entsteht automatisch mit der Entstehung der Grundsteuer und bedarf keines gesonderten Eintrags im Grundbuch. Auch bei der Gewerbesteuer gelten spezielle Pfändungsschutzvorschriften und Rangverhältnisse nach den allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Bestimmungen. Zudem legen Kommunalabgabengesetze der Länder regelmäßig weitere Ausführungen zur Vollstreckung fest.
Wie werden Änderungen der Bemessungsgrundlage bei Realsteuern berücksichtigt?
Veränderungen, die die Bemessungsgrundlage einer Realsteuer betreffen (beispielsweise neue Werte durch Grundsteuerreform, Wegfall eines Gewerbebetriebs, Nutzungsänderung bei Grundstücken), führen zur Anpassung des Steuermessbetrags durch einen neuen Messbescheid. Solche Änderungen wirken regelmäßig mit Beginn des folgenden Kalenderjahres, nachdem die Änderung eingetreten ist. Grundlage für die jeweils geänderte Festsetzung bildet das Steueranmeldungsverfahren oder eine entsprechende Mitteilungsverpflichtung des Steuerpflichtigen. Darüber hinaus regelt § 221 AO den Zeitraum und die Modalitäten der Festsetzungsverjährung, innerhalb derer Änderungen und Korrekturen wirksam werden können.