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Realsplitting


Begriff und Wesen des Realsplittings

Das Realsplitting ist ein steuerrechtlich relevantes Verfahren im deutschen Einkommenssteuerrecht, mit dem Unterhaltsleistungen zwischen zusammenveranlagten oder früher zusammenveranlagten Ehegatten steuerlich geltend gemacht werden können. Es handelt sich um einen Mechanismus, der bei der Besteuerung von Ehegatten nach einer Scheidung oder Trennung zur Anwendung kommt und besonders bei der Unterhaltszahlung im Rahmen von § 10 Abs. 1a Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bedeutsam ist. Das Realsplitting kann sowohl steuerliche Vorteile für den Unterhaltsverpflichteten als auch steuerliche Verpflichtungen für den Unterhaltsempfänger mit sich bringen.


Gesetzliche Grundlagen und Voraussetzungen

Rechtsgrundlage

Die rechtliche Grundlage des Realsplittings bildet § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG. Demnach kann ein Steuerpflichtiger bestimmte Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten bis zu einem gesetzlich festgelegten Höchstbetrag als Sonderausgaben von seinem zu versteuernden Einkommen abziehen.

Voraussetzungen des Realsplittings

Folgende Voraussetzungen müssen für die Anwendung des Realsplittings erfüllt sein:

  • Leistung von Unterhalt: Der Steuerpflichtige muss an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten Unterhalt leisten.
  • Lebenspartnerschaften: Die Regelung gilt auch für eingetragene Lebenspartnerschaften im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes.
  • Antrag des Leistenden: Der Unterhaltsleistende muss die Anwendung des Realsplittings beim zuständigen Finanzamt beantragen.
  • Einverständnis des Empfängers: Der Unterhaltsempfänger muss dem Realsplitting zustimmen, da für ihn steuerrechtliche Konsequenzen entstehen (Verpflichtung zur Versteuerung der erhaltenen Zahlungen).
  • Unbeschränkte Steuerpflicht: Beide Ehegatten müssen in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sein.

Steuerliche Wirkung des Realsplittings

Steuerliche Behandlung beim Unterhaltsleistenden

Durch das Realsplitting kann der Unterhaltspflichtige Unterhaltszahlungen bis zu einem festgelegten Höchstbetrag als Sonderausgaben geltend machen (für das Jahr 2024 sind dies bis zu 13.805 EUR, zusätzlich können Beiträge zur Basis-Kranken- und Pflegeversicherung der unterhaltenen Person abziehbar sein). Dies mindert das zu versteuernde Einkommen des Unterhaltszahlers und führt in der Regel zu einer Reduzierung der Steuerlast.

Steuerliche Behandlung beim Unterhaltsempfänger

Im Gegenzug erhöht sich das zu versteuernde Einkommen des Unterhaltsempfängers um die erhaltenen Unterhaltsleistungen, da diese als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 1a EStG zu versteuern sind. Die Unterhaltsleistungen werden also im Jahr des Zuflusses als Einkommen in der Einkommensteuererklärung des Empfängers berücksichtigt.

Zustimmungserfordernis und Mitwirkungspflicht

Ein wesentliches Merkmal des Realsplittings ist das Erfordernis der Zustimmung des Unterhaltsempfängers. Der Empfänger ist verpflichtet, dem Finanzamt entsprechende Auskünfte zu erteilen und der Versteuerung der erhaltenen Unterhaltszahlungen zuzustimmen. Ohne diese Zustimmung kann der Unterhaltspflichtige das Realsplitting nicht in Anspruch nehmen.


Abgrenzungen und praktische Aspekte

Unterschied zum begrenzten Realsplitting

Das sogenannte begrenzte Realsplitting nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG bezieht sich ausschließlich auf Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder getrennt lebenden Ehegatten. Unterhaltsleistungen an andere Personen, wie beispielsweise an Kinder, fallen nicht unter diese steuerliche Regelung und können nur unter bestimmten Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden.

Unterschied zur Zusammenveranlagung

Während bei der Zusammenveranlagung während einer bestehenden Ehe oder Lebenspartnerschaft das Splittingverfahren zur steuerlichen Begünstigung führt, handelt es sich beim Realsplitting um eine Regelung, die nach Trennung oder Scheidung Anwendung findet und die getrennte Veranlagung in steuerlicher Hinsicht kompensiert.

Nachträgliche Änderung und Widerruf

Die Zustimmung des Empfängers zum Realsplitting gilt grundsätzlich für die Zukunft und kann jährlich überprüft werden. Ein Widerruf ist möglich, sodass für Folgejahre kein Realsplitting mehr durchgeführt werden kann. Für bereits abgeschlossene Veranlagungszeiträume bleibt die Zustimmung bindend.


Bedeutung in der Praxis und Gestaltungsmöglichkeiten

Das Realsplitting stellt in der Praxis ein zentrales Element der steuerlichen Gestaltung bei Trennung und Scheidung dar. Durch diese Regelung kann der Unterhaltspflichtige steuerliche Vorteile realisieren, während der Unterhaltsempfänger im Gegenzug Steuern auf die erhaltenen Unterhaltszahlungen zu entrichten hat. Bei größeren Einkommensunterschieden kann sich das Verfahren für beide Seiten steuerlich neutral oder sogar vorteilhaft gestalten, insbesondere wenn sich der Steuersatz des Pflichtigen deutlich über dem des Empfängers befindet.


Zusammenfassung und Bedeutung im Steuerrecht

Das Realsplitting ist eines der wichtigsten Instrumente im deutschen Steuerrecht zur steuerlichen Behandlung von Unterhaltsleistungen nach Trennung oder Scheidung. Es regelt die steuerliche Abzugsfähigkeit und die Versteuerung solcher Leistungen, stellt dabei aber hohe Anforderungen an die Mitwirkung und Zustimmung beider beteiligter Parteien. Eine genaue Prüfung der persönlichen und steuerlichen Verhältnisse ist angeraten, um die individuell beste Lösung im Sinne einer steuerlichen Optimierung zu erreichen.


Literatur und weiterführende Hinweise

  • Einkommensteuergesetz (EStG), insbesondere § 10 Abs. 1a und § 22 Nr. 1a
  • Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) zu unterhaltsrechtlichen und steuerlichen Aspekten
  • Kommentarliteratur zum Einkommensteuerrecht

Dieser Artikel bietet eine umfassende Übersicht und hilft, die steuerlichen Auswirkungen sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen des Realsplittings differenziert zu verstehen und im Kontext der Unterhaltsgestaltung zutreffend anzuwenden.

Häufig gestellte Fragen

Wie wirkt sich das Realsplitting auf die Einkommensteuerveranlagung aus?

Das Realsplitting ist eine steuerliche Gestaltungsmöglichkeit im Rahmen der Einkommensteuer, mit der nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG an den geschiedenen oder dauerhaft getrennt lebenden Ehegatten gezahlte Unterhaltsleistungen bis zu einer bestimmten Höchstgrenze (grundsätzlich 13.805 Euro jährlich, Stand 2024) als Sonderausgaben abgezogen werden können. Der zahlende Ehegatte verringert dadurch sein zu versteuerndes Einkommen, was zu einer geringeren Steuerlast führt. Auf der anderen Seite muss der unterhaltsberechtigte Ehegatte die empfangenen Unterhaltsleistungen als „sonstige Einkünfte“ gemäß § 22 Nr. 1a EStG versteuern und sie in seiner eigenen Steuererklärung angeben. Das Realsplitting setzt voraus, dass beide Beteiligten in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind und der unterhaltsberechtigte Ehegatte dem Sonderausgabenabzug ausdrücklich zustimmt, da er im Gegenzug eine steuerliche Belastung erfährt.

Welche Formerfordernisse müssen für das Realsplitting eingehalten werden?

Für das Realsplitting gelten sowohl materiell- als auch formell-rechtliche Voraussetzungen. Zunächst muss eine Unterhaltspflicht nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), insbesondere nach den §§ 1569 ff. BGB (nachehelicher Unterhalt), bestehen. Die Unterhaltsleistungen müssen auf das Kalenderjahr bezogen tatsächlich gezahlt und dokumentiert sein; bloße Ansprüche oder mündliche Zusagen genügen nicht. Zusätzlich bedarf es nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG der schriftlichen Zustimmung des unterhaltsberechtigten Ehegatten zur steuerlichen Berücksichtigung im Rahmen des Realsplittings. Diese Zustimmung ist jedes Jahr neu und gesondert zu erteilen und beim Finanzamt einzureichen. Ferner müssen die Zahlungen auf ein Konto des Empfängers erfolgen und klar als Unterhaltsleistungen zu erkennen sein.

Besteht eine Rücknahmemöglichkeit der Zustimmung zur Anlage U durch den empfangenden Ehegatten?

Die Zustimmung des unterhaltsberechtigten Ehegatten zur steuerlichen Berücksichtigung der Unterhaltszahlungen (Anlage U) ist nach der Abgabe der Steuererklärung grundsätzlich unwiderruflich und wirkt für das jeweilige Steuerjahr. Eine Rücknahme ist nur bis zur formellen Bestandskraft des Steuerbescheids möglich, also bis dieser unanfechtbar geworden ist. Nach Eintritt der Bestandskraft ist ein Widerruf der Zustimmung ausgeschlossen. Die Zustimmung kann jedoch für künftige Jahre grundsätzlich verweigert oder erteilt werden. Es besteht keine Verpflichtung, die Zustimmung auch für weitere Jahre zu geben, sofern keine abweichende vertragliche Regelung, etwa im Scheidungsfolgenvereinbarung, getroffen wurde.

Welche steuerlichen Pflichten und Folgen treffen den unterhaltsberechtigten Ehegatten beim Realsplitting?

Im Rahmen des Realsplittings ist der unterhaltsberechtigte Ehegatte verpflichtet, die vereinnahmten Unterhaltsleistungen in seiner eigenen Einkommensteuererklärung als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 1a EStG anzugeben und zu versteuern. Diese Einkünfte unterliegen der progressiven Einkommensteuer und können gemeinsam mit anderen Einkünften die Steuerlast erhöhen. Der Unterhaltsempfänger kann bei der Versteuerung der Unterhaltsleistungen bestimmte Ausgaben, die in unmittelbarem Zusammenhang mit deren Erlangung stehen (z.B. Rechtsberatungskosten, Kontoführungsgebühren), als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben geltend machen, sofern diese nachweisbar sind. Weiterhin ist er verpflichtet, dem Finanzamt alle relevanten Auskünfte über die erhaltenen Unterhaltsleistungen und eventuelle Werbungskosten zu erteilen.

Welche Auswirkungen hat das Realsplitting auf Sozialleistungen und den Kinderzuschlag?

Das steuerliche Realsplitting kann indirekte Auswirkungen auf bewilligte Sozialleistungen (z.B. Wohngeld, Kinderzuschlag, Elterngeld, BAföG) haben. Da die durch das Realsplitting versteuerten Unterhaltsleistungen das zu berücksichtigende Einkommen des Empfängers erhöhen, kann sich dadurch die Höhe der Sozialleistung verringern oder der Anspruch sogar entfallen. Die Zahlungen sind regelmäßig als Einkommen in sozialrechtlichen Verfahren anzugeben und werden beim Berechnen vieler Sozialleistungen mit einbezogen. Betroffene sollten berücksichtigen, dass auch steuerfreie oder nicht unter das Realsplitting fallende Unterhaltsleistungen einkommenserhöhend wirken können.

Gibt es Einschränkungen beim Realsplitting für Unterhaltsleistungen an im Ausland lebende Ehegatten?

Für den Sonderausgabenabzug beim Realsplitting bestehen Einschränkungen, wenn Unterhaltsleistungen an im Ausland lebende (Ex-)Ehegatten gezahlt werden. Die maßgeblichen Vorschriften verlangen, dass der Empfänger im Ausland unbeschränkt steuerpflichtig ist oder – zumindest in EU/EWR-Staaten – zwischenstaatliche Abkommen bestehen, die eine Besteuerung der Unterhaltsleistungen ermöglichen. In bestimmten Fällen kann der Abzug anteilig oder gar nicht gewährt werden, etwa wenn der Empfänger in einem Nicht-EU/EWR-Staat lebt und dort keiner oder nur ein deutlich geringerer Steuersatz gilt. Ferner setzt das Finanzamt bei Leistungen an im Ausland lebende Personen oftmals erhöhte Nachweispflichten an die tatsächliche Zahlung und die Steuerpflichtigkeit im Empfängerland.

Wann endet der Anspruch auf das Realsplitting bei wiederverheirateten oder dauerhaft getrennt lebenden Ehegatten?

Das Realsplitting ist grundsätzlich nur für Unterhaltsleistungen an geschiedene oder dauerhaft getrennt lebende Ehegatten (Trennungsunterhalt und nachehelicher Unterhalt) zulässig. Sobald einer der Ehegatten wieder heiratet, entfällt der Anspruch auf den steuerlichen Sonderausgabenabzug für die Leistungen an den Erst-Ex-Ehegatten, da die Unterhaltspflicht in der Regel endet. Auch bei dauerhafter Versöhnung bzw. Aufhebung der Trennung ist die Grundlage für das Realsplitting entfallen. Mit dem Tod eines Ehegatten erlischt der Anspruch auf Realsplitting für das betreffende Jahr.

Können nachträgliche Unterhaltszahlungen rückwirkend im Rahmen des Realsplittings geltend gemacht werden?

Unterhaltsleistungen können im Rahmen des Realsplittings nur für das Kalenderjahr berücksichtigt werden, in dem sie tatsächlich gezahlt wurden. Rückwirkende oder nachträgliche Zahlungen für zurückliegende Jahre sind steuerlich grundsätzlich nicht mehr absetzbar. Eine Ausnahme besteht, wenn die Zahlungen rechtzeitig vor Ablauf der Veranlagungsfrist geleistet werden und der Antrag auf Berücksichtigung im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das betreffende Jahr eingereicht wird. In jedem Fall ist der Nachweis durch Kontoauszüge oder andere Zahlungsbelege erforderlich, um die steuerliche Anerkennung zu gewährleisten.