Legal Lexikon

REACH


Begriff und rechtlicher Rahmen von REACH

REACH ist die Abkürzung für die „Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien“. Die REACH-Verordnung stellt das grundlegende europäische Chemikalienrecht dar und regelt seit dem 1. Juni 2007 die sichere Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung chemischer Stoffe in der Europäischen Union und dem Europäischen Wirtschaftsraum. Ziel von REACH ist es, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sicherzustellen sowie den freien Handel von Stoffen im Binnenmarkt zu gewährleisten.

Anwendungsbereich der REACH-Verordnung

Der Anwendungsbereich von REACH umfasst grundsätzlich alle chemischen Stoffe, sowohl als einzelne Substanzen als auch in Gemischen und Erzeugnissen. Dabei gilt REACH für Hersteller, Importeure, Händler und nachgeschaltete Anwender in der EU. Nicht vom Anwendungsbereich umfasst sind bestimmte Stoffe und Produktgruppen, etwa radioaktive Stoffe, Abfälle, und einige Arzneimittel und Biozidprodukte, sofern sie bereits unter andere spezifische Rechtsvorschriften fallen.

Stoffe, Gemische und Erzeugnisse

  • Stoff: Ein chemisches Element und seine Verbindungen in natürlicher oder durch ein Herstellungsverfahren gewonnener Form.
  • Gemische: Mischungen oder Lösungen, die aus zwei oder mehr Stoffen bestehen.
  • Erzeugnisse: Gegenstände, denen während der Herstellung eine spezielle Form, Oberfläche oder Gestalt verliehen wird.

Grundlegende Pflichten nach REACH

Registrierungspflicht

Eine zentrale Säule der REACH-Verordnung ist die Registrierungspflicht für Hersteller und Importeure von Stoffen, die in Mengen von mehr als einer Tonne pro Jahr produziert oder importiert werden. Die Stoffe müssen bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) angemeldet werden. Die Registrierung erfordert die Übermittlung umfangreicher Daten zu den Eigenschaften, Verwendungen und Risiken der Stoffe.

Registrierungspflichtige Akteure

  • Hersteller: Jede natürliche oder juristische Person mit Sitz in der EU, die Stoffe herstellt.
  • Importeure: Jede natürliche oder juristische Person mit Sitz in der EU, die Stoffe aus Nicht-EU-Staaten einführt.

Informations- und Dokumentationspflichten

Hersteller, Importeure und Händler müssen Informationen zu den Stoffen entlang der Lieferkette weitergeben, um eine sichere Verwendung sicherzustellen. Hierzu zählen Sicherheitsdatenblätter, Expositionsszenarien sowie Risikomanagementmaßnahmen.

Bewertung (Evaluation)

Die Bewertung erfolgt auf zwei Ebenen:

  • Dossierbewertung: Prüfung der Vollständigkeit und Qualität der Registrierungsdossiers durch die ECHA.
  • Stoffbewertung: Untersuchung von Stoffen mit Verdacht auf schwerwiegende Auswirkungen auf Gesundheit oder Umwelt, durchgeführt von den zuständigen nationalen Behörden.

Zulassungspflicht

Für besonders besorgniserregende Stoffe (SVHC – substances of very high concern) besteht eine Zulassungspflicht. Diese Stoffe dürfen grundsätzlich nur nach vorheriger EU-weiter Zulassung genutzt werden. Ziel ist die schrittweise Substitution dieser gefährlichen Stoffe durch weniger gefährliche Alternativen.

Beschränkung

Bestimmte gefährliche Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse können durch Beschränkungen im Anhang XVII der REACH-Verordnung belegt werden. Diese Beschränkungen können Herstellung, Inverkehrbringen oder bestimmte Verwendungen untersagen oder einschränken.

Governance und Zuständigkeiten unter REACH

Europäische Chemikalienagentur (ECHA)

Die ECHA ist die zentrale Behörde für die Umsetzung der REACH-Verordnung. Sie ist zuständig für den Empfang, die Bewertung und Veröffentlichung der Registrierungsdossiers sowie für die wissenschaftliche Bewertung von Stoffen und die Entwicklung von Beschränkungs- und Zulassungsvorschlägen.

Nationale Vollzugsbehörden

Die Überwachung und Durchsetzung der Vorgaben der REACH-Verordnung obliegen den zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten. Diese Behörden führen Inspektionen durch, ahnden Verstöße und erlassen gegebenenfalls nationale Maßnahmen.

Besondere rechtliche Aspekte von REACH

Grundsatz „No data, no market“

Ohne eine ordnungsgemäße Registrierung darf ein Stoff nicht in Verkehr gebracht oder verwendet werden. Dies wird als Grundsatz „No data, no market“ bezeichnet und stellt eine zentrale Vorgabe der Verordnung dar.

Datenteilung und Konsortien

REACH fordert eine gemeinsame Datennutzung (Data sharing), um Doppelarbeit zu vermeiden und Tierversuche zu minimieren. Unternehmen sind bei der Registrierung desselben Stoffes zur Zusammenarbeit verpflichtet und können dafür Konsortien bilden.

Verhältnis zu anderen Rechtsakten

Die REACH-Verordnung ist als sogenannte horizontale Regelung angelegt und geht sektoralen Regelungen (z. B. Kosmetik-VO, Pflanzenschutzmittelrecht) nur insoweit vor, wie diese nicht bereits abschließende Regelungen für bestimmte Risiken treffen.

Sanktionen und Rechtsfolgen bei Verstößen

Verstöße gegen die Pflichten nach REACH, wie fehlende Registrierung, Nichtbeachtung von Beschränkungen oder mangelnder Informationsweitergabe, stellen Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten dar. Die konkreten Sanktionen werden national geregelt und können Bußgelder, aber auch behördliche Anordnungen zum Rückruf oder zur Vernichtung von Stoffen beinhalten.

Bedeutung und Auswirkungen von REACH

REACH hat weitreichende Folgen für die Hersteller und Verwender von Chemikalien in Europa. Die Verordnung fördert die Entwicklung sicherer Alternativen, erhöht die Transparenz und verbessert den Informationsaustausch in der Lieferkette. Zudem nimmt REACH auch Unternehmen außerhalb der EU in die Pflicht, deren Produkte auf den europäischen Markt gelangen sollen, da diese über einen sogenannten „Alleinvertreter“ die Pflichten erfüllen müssen.

Literatur und weiterführende Informationen


REACH stellt eines der umfassendsten Chemikalienregelwerke weltweit dar. Durch die verbindliche Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung werden Hersteller, Importeure und andere Marktteilnehmer verpflichtet, einen aktiven Beitrag zu einer sicheren Chemikalienpolitik innerhalb der EU und darüber hinaus zu leisten.

Häufig gestellte Fragen

Muss ein Unternehmen nach REACH seine Stoffe registrieren, auch wenn diese importiert werden?

Sobald ein Unternehmen chemische Stoffe als solche, in Gemischen oder in Erzeugnissen aus Ländern außerhalb der EU importiert, besteht grundsätzlich eine Registrierungspflicht nach REACH-Verordnung (EG) Nr. 1907/2006. Das bedeutet, dass Importeure für jeden Stoff, den sie in Mengen von mindestens einer Tonne pro Jahr auf dem EU-Markt bereitstellen, eine vollständige Registrierung vornehmen müssen. Dabei sind umfassende Informationen zur Gefährlichkeit, Verwendung und zum sicheren Umgang mit dem jeweiligen Stoff zu liefern. Es gibt jedoch einige Ausnahmen, etwa für bestimmte Polymere, Abfälle, Zwischenprodukte (unter bestimmten Bedingungen), bereits registrierte Stoffe bei Nutzung derselben Verwendungen, Stoffe mit spezifischen Ausnahmeregelungen laut Anhang IV und V der REACH-Verordnung sowie Stoffe, die bereits durch andere EU-Gesetzgebungen reguliert sind. Besonders zu beachten ist, dass Unternehmen, die ihren Sitz außerhalb der EU haben, ihre Pflichten nicht selbst erfüllen können, sondern einen sogenannten Alleinvertreter (Only Representative) benennen müssen, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden.

Welche Informationspflichten bestehen für Akteure nachgeschalteter Stufen (Downstream-User) im Rahmen von REACH?

Nachgeschaltete Anwender (Downstream-User), die Stoffe als Teil ihrer industriellen oder gewerblichen Tätigkeiten nutzen, unterliegen zahlreichen rechtlichen Pflichten. Sie müssen sicherstellen, dass ihre Verwendungen durch die Registrierungen der Vorlieferanten abgedeckt und im Sicherheitsdatenblatt aufgeführt sind. Sofern eine Nutzung nicht erfasst ist, können sie entweder zusätzliche Informationen zur Verwendung an den Lieferanten weiterleiten, damit dieser eine Aktualisierung der Registrierung vornimmt, oder selbst ein eigenes „Downstream-User Chemical Safety Report“ einreichen. Zudem bestehen Pflichten zur Weitergabe von Informationen in der Lieferkette, insbesondere wenn neue Erkenntnisse über gefährliche Eigenschaften der Stoffe oder sichere Verwendungen bekannt werden. Der nachgeschaltete Anwender ist ebenfalls verpflichtet, behördliche Informationsanfragen zu beantworten und seine eigene Einhaltung der REACH-Anforderungen sicherzustellen, darunter etwa die Umsetzung von im Sicherheitsdatenblatt empfohlenen Risikomanagementmaßnahmen.

Wie können Unternehmen feststellen, ob für ihre Produkte Beschränkungen oder Zulassungspflichten nach REACH bestehen?

Unternehmen sind rechtlich verpflichtet, regelmäßig zu überprüfen, ob die von ihnen hergestellten, eingeführten oder vertriebenen Stoffe auf den Anhängen XIV (Zulassungspflichtige Stoffe) oder XVII (Beschränkungen) der REACH-Verordnung geführt werden. Die Aufnahme eines Stoffes in Anhang XIV bedeutet, dass dessen Verwendung, unabhängig von der Mengenhöhe, einer vorherigen Zulassung der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) bedarf, es sei denn, es liegen spezifische Ausnahmen vor. In Anhang XVII sind Verwendungsbeschränkungen in Bezug auf bestimmte Stoffe oder Gemische aufgeführt, die unter ihnen festgelegte Bedingungen verkauft oder genutzt werden dürfen oder gar vollständig verboten sind. Unternehmen müssen daher systematisch prüfen, ob Produkte unter diese Anhänge fallen, die Aktualisierungen der Listen verfolgen und die praktische Umsetzung in Form von Anpassung der Rezepturen, Sicherheitsdatenblättern, Etikettierung oder Rücknahmen sicherstellen. Die Missachtung kann zu Verkaufsverboten und rechtlichen Sanktionen führen.

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei Verstößen gegen REACH-Bestimmungen?

Verstöße gegen REACH-Vorschriften stellen Ordnungswidrigkeiten oder sogar Straftaten dar, je nach Schwere des Verstoßes und nationalen Ausführungsgesetzen. Sanktionen können Bußgelder in erheblicher Höhe, Vertriebsverbote für die betroffenen Stoffe oder Produkte, Rückruf- und Rücknahmeverpflichtungen sowie Strafanzeigen umfassen. National zuständige Behörden (wie in Deutschland die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, BAuA) sind zur Überwachung und Durchsetzung der Vorschriften ermächtigt. Besonders schwerwiegend werden Verstöße gegen wesentliche REACH-Pflichten wie etwa das Inverkehrbringen nicht registrierter Stoffe, die Nichteinhaltung von Beschränkungen oder das Versäumnis der Vorlage erforderlicher Sicherheitsdatenblätter bewertet. Neben den unmittelbaren rechtlichen Folgen können auch zivilrechtliche Haftungsrisiken und Reputationsschäden entstehen.

Welche Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten bestehen nach REACH?

Unternehmen sind verpflichtet, sämtliche Informationen zur Herstellung, zum Import, zur Verwendung und zur Weitergabe von Stoffen mindestens zehn Jahre lang nach der letzten Herstellung, Einfuhr, Lieferung oder Verwendung aufzubewahren. Diese Dokumentationspflicht betrifft unter anderem Registrierungsunterlagen, Sicherheitsdatenblätter, Entscheidungsgrundlagen für verwendete Stoffe, Kommunikation innerhalb der Lieferkette sowie Nachweise über Risiko- und Gefahrenbewertungen. Die Einhaltung dieser Aufbewahrungspflicht ist zentral für die Nachweisbarkeit gegenüber Behörden im Rahmen von Inspektionen oder Audits sowie für mögliche Rückfragen durch nachgeschaltete Anwender. Die Unterlagen müssen jederzeit lesbar, nachvollziehbar und auf Verlangen der zuständigen Behörden unverzüglich zugänglich gemacht werden.

Welche Rolle spielt das Sicherheitsdatenblatt (SDS) im Rahmen von REACH, und welche rechtlichen Anforderungen gelten hierfür?

Das Sicherheitsdatenblatt (SDS) bildet das zentrale Instrument zur Informationsweitergabe entlang der Lieferkette gemäß Artikel 31 der REACH-Verordnung. Es dient der Unterrichtung gewerblicher Anwender über Eigenschaften gefährlicher Stoffe und Gemische sowie notwendige Maßnahmen zum sicheren Umgang. Die rechtlichen Anforderungen umfassen neben dem verpflichtenden Versand, der in Landessprache des Empfängers zu erfolgen hat, die Einhaltung der europaweit harmonisierten Struktur nach Anhang II der REACH-Verordnung. Unternehmen sind zur laufenden Aktualisierung des SDS verpflichtet, sobald neue Erkenntnisse über Gefahren, Verwendungen oder Risikomanagementmaßnahmen vorliegen. Fehlerhafte, unvollständige oder nicht aktualisierte Sicherheitsdatenblätter können sowohl zu regulatorischen als auch zu haftungsrechtlichen Konsequenzen führen. Die korrekte Umsetzung dieser Pflicht ist daher essenzieller Bestandteil der Compliance im Kontext von REACH.

Was ist bei der Kommunikation von besonders besorgniserregenden Stoffen (SVHC) in Erzeugnissen zu beachten?

Erzeugnislieferanten sind gemäß Artikel 33 REACH verpflichtet, ihre Kunden proaktiv zu informieren, wenn ihr Produkt einen besonders besorgniserregenden Stoff (Substance of Very High Concern, SVHC), der auf der Kandidatenliste veröffentlicht wurde, in Konzentrationen über 0,1 Massenprozent enthält. Diese Informationspflicht gilt unabhängig von Mengen und unabhängig davon, ob ein Sicherheitsdatenblatt mitgeliefert wird. Sie müssen mindestens den Namen des SVHC und ausreichende Informationen für eine sichere Verwendung bereitstellen. Zudem sind Lieferanten verpflichtet, auf Anfragen von Verbrauchern innerhalb von 45 Tagen unentgeltlich Auskunft über enthaltene SVHC zu erteilen. Unternehmen müssen daher etablierte Prozesse zur Überwachung der Kandidatenliste sowie zur belegbaren Kommunikation in der Lieferkette sowie Richtung Endverbraucher unterhalten, denn bei Nichtbeachtung drohen ebenfalls behördliche Sanktionen und Verkaufsverbote.