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Raumordnung

Begriff und Funktion der Raumordnung

Raumordnung ist die übergeordnete, vorausschauende Gestaltung und Steuerung der räumlichen Entwicklung eines Landes. Sie legt fest, wie Flächen genutzt, geschützt und entwickelt werden sollen, damit Wohnen, Arbeiten, Verkehr, Energie, Landwirtschaft, Naturschutz und Erholung dauerhaft in Einklang stehen. Ziel ist es, die räumlichen Voraussetzungen für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sichern und Konflikte zwischen unterschiedlichen Nutzungsansprüchen geordnet zu lösen.

Definition und Zweck

Im rechtlichen Sinn umfasst Raumordnung die Gesamtheit der staatlichen Planung und Koordination auf überkommunaler Ebene. Sie schafft einen verbindlichen Rahmen für nachgelagerte Planungen und Genehmigungen, insbesondere für kommunale Bauleitplanung und Fachplanungen großer Infrastruktur. Sie ist nicht auf einzelne Grundstücke gerichtet, sondern auf größere Räume wie Länder, Regionen und Meeresgebiete.

Leitprinzipien

  • Nachhaltigkeit: Schonender Umgang mit Flächen und natürlichen Ressourcen sowie langfristig tragfähige Strukturen.
  • Daseinsvorsorge: Sicherung der Grundversorgung mit Einrichtungen, Verkehrsanbindung und digitalen Netzen.
  • Gleichwertige Lebensverhältnisse: Ausgewogene Entwicklung von Stadt und Land.
  • Ordnung der Raumnutzungen: Räumliche Zuordnung von Funktionen, etwa Siedlung, Gewerbe, Landwirtschaft oder Freiraum.
  • Vorsorge und Schutz: Resilienz gegenüber Klimafolgen, Hochwasser- und Immissionsschutz, Erhalt von Biodiversität.
  • Koordination: Abstimmung konkurrierender Nutzungsinteressen und überörtlicher Vorhaben.

Ebenen und Träger der Raumordnung

Bundesebene

Der Bund setzt übergreifende Leitlinien und Rahmenvorgaben und koordiniert raumbedeutsame Vorhaben von nationaler Bedeutung. Für die Meeresgebiete unter nationaler Zuständigkeit (ausschließliche Wirtschaftszone) erstellt der Bund eigenständige Raumordnungspläne zur Steuerung von Nutzungen wie Schifffahrt, Rohstoffgewinnung und Offshore-Energie.

Landesebene und Regionalplanung

Die Länder tragen die Hauptverantwortung für die Raumordnung an Land. Sie legen landesweite Entwicklungsziele fest (beispielsweise durch Landesentwicklungspläne) und konkretisieren diese in Regionalplänen für Teilräume. Die Regionalplanung vertieft die Vorgaben des Landes auf einer Ebene zwischen Land und Kommune.

Kommunale Ebene und Verhältnis zur Bauleitplanung

Kommunen führen die Bauleitplanung (Flächennutzungs- und Bebauungspläne) durch. Diese muss sich an die verbindlichen Ziele der Raumordnung anpassen. Die Raumordnung setzt damit den Rahmen, innerhalb dessen kommunale Planungen agieren.

Grenzüberschreitende und maritime Dimension

Räumliche Entwicklungen überschreiten administrative Grenzen. Raumordnung koordiniert daher auch länderübergreifende Planungen innerhalb Deutschlands, mit Nachbarstaaten sowie auf See (maritime Raumordnung). Ziel ist eine abgestimmte Entwicklung in Grenzräumen und Meeresgebieten.

Instrumente der Raumordnung

Raumordnungspläne

Raumordnungspläne enthalten textliche und zeichnerische Festlegungen zur räumlichen Entwicklung. Sie ordnen Flächennutzungen, weisen Bereiche für bestimmte Funktionen aus und formulieren übergeordnete Anforderungen an nachgelagerte Planungen.

Ziele, Grundsätze und sonstige Erfordernisse

  • Ziele: Verbindliche, abschließend abgewogene Festlegungen mit Bindungswirkung für Behörden und öffentliche Planungsträger.
  • Grundsätze: Allgemeine Leitlinien, die bei Abwägungen zu berücksichtigen sind und Orientierung geben.
  • Sonstige Erfordernisse: Weitere Hinweise und Informationen, die die Planung fachlich untermauern.

Festlegungsformen

  • Vorranggebiete: Bestimmte Nutzungen haben dort Priorität; andere, unvereinbare Nutzungen sind ausgeschlossen.
  • Vorbehaltsgebiete: Bestimmte Nutzungen sind besonders zu berücksichtigen; Abwägung bleibt möglich.
  • Eignungsgebiete: Geeignete Räume für spezielle Nutzungen, etwa Windenergie; außerhalb kann eine Ausschlusswirkung vorgesehen sein.
  • Freihalte- und Schutzräume: Bereiche für Natur, Landschaft, Hochwasserschutz oder Kaltluftentstehung.

Raumordnungsverfahren

Für große, raumbedeutsame Vorhaben (z. B. Verkehrs- oder Energietrassen) wird in einem Raumordnungsverfahren geprüft, ob das Vorhaben mit den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung vereinbar ist. Die zuständige Stelle beurteilt die Raumverträglichkeit unter Berücksichtigung öffentlicher und privater Belange und gibt ein zusammenfassendes Ergebnis zur weiteren Planung und Genehmigung.

Verfahren und Beteiligung

Planaufstellung

Raumordnungspläne werden in einem mehrstufigen Verfahren erstellt. Dazu zählen die Ermittlung des Planungsbedarfs, die fachliche Ausarbeitung, die Abstimmung zwischen Behörden und die öffentliche Beteiligung. Der Plan wird anschließend festgestellt oder erlassen und bekannt gemacht.

Strategische Umweltprüfung und Umweltbelange

Bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen wird die voraussichtliche Umweltauswirkung auf einer strategischen Ebene geprüft. Ein Umweltbericht beschreibt wesentliche Auswirkungen auf Schutzgüter wie Mensch, Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima, Landschaft und Kulturgüter. Ergebnisse fließen in die Abwägung ein und werden bei der Planfestlegung berücksichtigt.

Öffentlichkeits- und Trägerbeteiligung

Betroffene Behörden, Träger öffentlicher Belange und die Öffentlichkeit werden beteiligt. Stellungnahmen werden ausgewertet und bei der Abwägung berücksichtigt. Das fördert Transparenz und verbessert die fachliche Qualität des Plans.

Rechtswirkungen und Bindungswirkung

Bindung der öffentlichen Planung und Zulassung

Verbindliche Ziele der Raumordnung binden Behörden, Träger öffentlicher Belange und Planungsträger. Zulassungsentscheidungen und nachgeordnete Planungen dürfen diesen Zielen nicht widersprechen. Grundsätze sind in die Abwägung einzustellen.

Anpassungspflicht der Bauleitplanung

Kommunale Flächennutzungs- und Bebauungspläne müssen an die Ziele der Raumordnung angepasst werden. Dadurch wird die vertikale Kohärenz zwischen überörtlichen Vorgaben und örtlicher Planungssouveränität gesichert.

Abwägung und Konfliktlösung

Die Raumordnung löst Nutzungskonflikte durch Abwägung öffentlicher und privater Belange. Ziele fixieren das Abwägungsergebnis auf übergeordneter Ebene, Grundsätze lenken die weitere Abwägung. Konflikte zwischen Plänen unterschiedlicher Ebenen werden durch Anpassung und Abstimmung entschärft.

Verhältnis zu Fachplanungen

Koordinierung und Zielbindung

Fachplanungen, etwa für Straßen, Schienen, Energieleitungen oder Abbauvorhaben, sind mit der Raumordnung zu koordinieren. Sie müssen Ziele der Raumordnung beachten und in ihren Verfahren berücksichtigen.

Abgrenzung zu Planfeststellung und Zulassungsverfahren

Die Raumordnung bereitet vor und strukturiert, sie ersetzt keine fachrechtlichen Genehmigungen. In Planfeststellungs- und Genehmigungsverfahren sind die raumordnerischen Festlegungen maßgebliche Grundlage und Abwägungsparameter.

Durchsetzung, Änderung und Kontrolle

Planerhaltung und Teilunwirksamkeit

Raumordnungspläne unterliegen rechtlichen Anforderungen an Verfahren, Inhalt und Abwägung. Fehler können unter bestimmten Voraussetzungen unbeachtlich sein oder zur (Teil-)Unwirksamkeit führen. Ziel ist die Planerhaltung, um Planungssicherheit zu wahren.

Planänderung und Fortschreibung

Aufgrund neuer Rahmenbedingungen, etwa dem Bedarf an erneuerbaren Energien, demografischer Entwicklungen oder veränderter Umweltlagen, werden Pläne fortgeschrieben oder geändert. Auch hierbei gelten die Grundsätze der Beteiligung und Umweltprüfung.

Rechtsschutz und Überprüfbarkeit

Raumordnungspläne und raumordnerische Entscheidungen sind grundsätzlich gerichtlich überprüfbar. Die Überprüfung erfolgt je nach Rechtsnatur des Plans und Verfahrensart im passenden gerichtlichen Verfahren. Ergebnisse von Raumordnungsverfahren entfalten vor allem Bindungswirkungen innerhalb der Verwaltung und können im Rahmen nachfolgender Zulassungsverfahren relevant werden.

Aktuelle Entwicklungen

Digitalisierung, Geodaten und Raumbeobachtung

Digitale Geodaten, Online-Beteiligung und fortlaufende Raumbeobachtung erhöhen Transparenz und Aktualität. Planunterlagen werden häufig in Geoinformationssystemen bereitgestellt, was die Abstimmung zwischen Ebenen erleichtert.

Klimaanpassung und Energiewende

Raumordnung adressiert Klimaanpassung durch Freihalteflächen, Frischluftkorridore und Hochwasservorsorge sowie die Energiewende durch die Ausweisung von Gebieten für Wind- und Solarenergie, Speicher und Netzinfrastruktur.

Innenentwicklung, Flächensparen, Kreislaufwirtschaft

Zur Reduzierung des Flächenverbrauchs stärkt die Raumordnung die Innenentwicklung, Nachverdichtung und Wiedernutzung von Brachflächen. Freiraumschutz und landwirtschaftliche Nutzung werden mit Siedlungsentwicklung abgestimmt.

Häufig gestellte Fragen zur Raumordnung

Was unterscheidet Raumordnung von Bauleitplanung?

Raumordnung ist überörtlich und setzt den Rahmen für die Entwicklung ganzer Länder und Regionen. Bauleitplanung ist kommunal und regelt die städtebauliche Ordnung vor Ort. Kommunale Pläne müssen den Zielen der Raumordnung entsprechen.

Welche Bindungswirkung haben Ziele der Raumordnung?

Ziele der Raumordnung sind für Behörden und öffentliche Planungsträger verbindlich. Nachgelagerte Planungen und Genehmigungen dürfen diesen Festlegungen nicht widersprechen. Grundsätze lenken die Abwägung, sind aber nicht in gleicher Weise zwingend.

Wozu dient ein Raumordnungsverfahren?

Es prüft die räumliche Verträglichkeit großer Vorhaben mit den Festlegungen der Raumordnung. Das Ergebnis gibt vor, wie ein Projekt raumverträglich weiterverfolgt werden kann und welche Konflikte zu beachten sind. Es ersetzt keine nachfolgenden Genehmigungen.

Wie werden Umweltbelange in der Raumordnung berücksichtigt?

Über eine strategische Prüfung werden Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit bereits auf Planungsebene ermittelt und beschrieben. Die Erkenntnisse fließen in die Abwägung ein und prägen Festlegungen etwa zu Schutzräumen oder Eignungsgebieten.

Wie wirken sich regionale Pläne auf kommunale Entscheidungen aus?

Regionale Pläne konkretisieren landesweite Festlegungen und enthalten verbindliche Ziele. Kommunale Flächennutzungs- und Bebauungspläne müssen daran ausgerichtet werden. Dies sichert die Übereinstimmung zwischen regionalen und örtlichen Planungen.

Welche Bedeutung hat die maritime Raumordnung?

Sie steuert Nutzungen in Meeresgebieten, etwa Schifffahrt, Offshore-Energie oder Naturschutz. Durch räumliche Festlegungen werden Konflikte minimiert und eine geordnete Nutzung der Meeresflächen gewährleistet.

Kann gegen raumordnerische Festlegungen vorgegangen werden?

Raumordnungspläne und raumordnerische Entscheidungen sind gerichtlich überprüfbar. Art und Umfang des Rechtsschutzes richten sich nach der Rechtsnatur des Plans und der betroffenen Rechtsposition.