Legal Lexikon

Rating


Begriff und rechtliche Grundlagen des Ratings

Als Rating bezeichnet man ein Verfahren zur systematischen Bewertung der Bonität, Zahlungsfähigkeit und Kreditwürdigkeit von Schuldnern, Unternehmen, Finanzinstrumenten oder Staaten. Das Rating erfolgt meist nach standardisierten Verfahren und wird von spezialisierten Instituten – sogenannten Ratingagenturen – oder durch interne Bewertungen von Kreditinstituten durchgeführt. Das Ziel eines Ratings ist es, eine nachvollziehbare Einschätzung des Ausfallrisikos zu geben, häufig ausgedrückt in einer Buchstabenskala. Das Ergebnis beeinflusst maßgeblich die Konditionen bei Finanzierungen, den Zugang zu Kapitalmärkten sowie aufsichtsrechtliche Maßnahmen.

Rechtlich gesehen stellt das Rating einen zentralen Bestandteil der Finanzmarktarchitektur dar und ist Gegenstand umfangreicher Regulierung auf nationaler und europäischer Ebene. Die rechtliche Bedeutung ergibt sich insbesondere aus dem Zusammenspiel von Aufsichtsrecht, Kapitalmarktrecht, Vertragsrecht und Datenschutz.


Rechtliche Einordnung von Ratingagenturen

Zulassung und Beaufsichtigung

In Europa unterliegen Ratingagenturen einer verbindlichen Regulierung durch die EU-Verordnung Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen (Ratingagentur-Verordnung, CRA-VO). Ein zentrales Element dieser Verordnung ist die Registrierung und laufende Aufsicht der Agenturen durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA). Ohne Registrierung dürfen Ratingagenturen in der EU keine Ratings für aufsichtsrechtliche Zwecke abgeben.

Unabhängigkeit und Interessenkonflikte

Die CRA-VO sieht umfassende Regelungen zur Sicherung der Unabhängigkeit und zur Vermeidung von Interessenkonflikten vor. Beispielsweise schreibt die Verordnung organisatorische Maßnahmen vor, um zu gewährleisten, dass Mitarbeiter von Ratingagenturen unabhängig agieren und weder personelle noch finanzielle Abhängigkeiten bestehen, die zu einer Beeinflussung der Ratingurteile führen könnten.

Haftung und zivilrechtliche Verantwortlichkeit

Ratingagenturen können unter bestimmten Bedingungen zivilrechtlich für fehlerhafte Ratings haftbar gemacht werden. Nach Art. 35a der aktualisierten CRA-VO sind Klagen möglich, wenn ein Verstoß gegen die gesetzlichen Verpflichtungen nachweislich zu einem Schaden geführt hat und der Kläger als Anleger oder Emittent erkennbar auf ein bestimmtes Rating vertraut hat. Die Durchsetzung entsprechender Ansprüche erfordert neben dem Nachweis von Pflichtverletzung und Schaden insbesondere die Beweisbarkeit der Kausalität zwischen fehlerhaftem Rating und eingetretenem Vermögensnachteil.


Rating im aufsichtsrechtlichen Kontext

Bedeutung für Banken und Versicherungen

Banken und Versicherungen sind im Rahmen der Eigenkapital- und Solvabilitätsvorschriften verpflichtet, bestimmte Risiken risikogerecht zu messen und zu steuern. Das Kreditrisiko wird hierbei häufig anhand von externen Ratings bewertet. Die Vorschriften des Basel Framework (Insbesondere Basel II und Basel III) sowie die europäische Kapitaladäquanzverordnung (CRR) verlangen, bei der Eigenkapitalunterlegung von Forderungen gegenüber Unternehmen, Staaten oder Banken das durch Ratingagenturen vergebene Rating einzubeziehen („External Credit Assessment Institutions“, ECAIs).

Verwendung in gesetzlich geregelten Verfahren

Ratings finden Anwendung im Rahmen zahlreicher Gesetzesvorschriften, unter anderem:

  • im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) zur Emission von Finanzinstrumenten,
  • im Investmentgesetz und im Versicherungsaufsichtsgesetz für Risiko- und Liquiditätsbewertungen,
  • für die Festlegung von Grenzwerten im Rahmen von Kreditvergabe- und Anlageentscheidungen durch Banken, Versicherungen und andere Finanzintermediäre.

Datenschutzrechtliche Aspekte beim Rating

Personenbezogene Daten und Bonitätsprüfungen

Beim Rating natürlicher Personen, etwa bei Bonitätsprüfungen durch Auskunfteien (wie die SCHUFA), werden personenbezogene Daten verarbeitet. Die Verarbeitung dieser Daten unterliegt den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Die betroffenen Personen haben gemäß Art. 15 DSGVO das Recht auf Auskunft über die gespeicherten Daten und gemäß Art. 22 das Recht, nicht ausschließlich einer automatisierten Entscheidung einschließlich Profiling unterworfen zu werden.

Informations- und Widerspruchsrechte

Rating- und Scoring-Unternehmen sind verpflichtet, transparent über die Herkunft, die verwendete Methodik und die Empfängerkreise der bewerteten Daten zu informieren. Fehlerhafte oder unvollständige Bonitätsdaten müssen auf Verlangen berichtigt oder gelöscht werden.


Vertragliche und zivilrechtliche Bedeutung von Ratings

Ratings als Vertragsbestandteil

In Kreditverträgen oder Anleihebedingungen kann auf Ratings abgestellt werden, beispielsweise durch Covenants, die bei Verschlechterung des Ratings zu einer Anpassung der Kreditkonditionen führen (sog. Rating-Trigger). Eine Änderung des Ratings nach Vertragsabschluss kann erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Effekte auslösen, beispielsweise vorzeitige Kündigungsrechte, Anhebung von Zinsen oder Stellung zusätzlicher Sicherheiten.

Offenlegung und Haftung gegenüber Dritten

Erhält ein Unternehmen oder ein Finanzprodukt ein Rating, stellt sich die Frage nach der Offenlegung und zivilrechtlichen Haftung gegenüber Dritten. Während das Rating grundsätzlich ein Werturteil darstellt, kann es haftungsbegründend werden, wenn nachweislich falsche Tatsachen behauptet oder wesentliche Informationen verschwiegen werden.


Nationale und internationale Regelungen

Übersicht über relevante Vorschriften

Die rechtlichen Rahmenbedingungen des Ratings sind in verschiedenen nationalen und internationalen Regelwerken verankert – unter anderem:

  • EU-Verordnung Nr. 1060/2009 (Ratingagentur-Verordnung/CRA-VO)
  • Kreditwesengesetz (KWG)
  • Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG)
  • Wertpapierhandelsgesetz (WpHG)
  • Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)

International bestehen vergleichbare Regelungen, etwa durch Vorgaben der US-amerikanischen Börsenaufsicht (SEC).


Kritik und aktuelle Entwicklungen

Bedeutung der Regulierung

Die Regulierung des Ratings ist fortlaufend Gegenstand gesetzgeberischer Initiativen, um Transparenz, Qualität und Unabhängigkeit des Ratingprozesses weiter zu verbessern. Herausforderungen liegen dabei insbesondere in der Sicherung der Objektivität der Urteile, der Beherrschung von Interessenkonflikten, der Transparenz der Bewertungsverfahren sowie der Frage der wirksamen Haftung.

Zukünftige Trends

Mit dem vermehrten Einsatz von künstlicher Intelligenz und Big Data in Ratingverfahren gewinnen auch Fragen der algorithmischen Transparenz und deren regulatorische Einbettung zunehmend an Bedeutung für die rechtliche Beurteilung von Ratings.


Zusammenfassung

Ratings sind systematische Bonitäts- und Kreditwürdigkeitsbewertungen, deren rechtliche Bedeutung weit über die reine Informationsfunktion hinausgeht. Sie sind in einer Vielzahl von gesetzlichen Regelungen verankert, dienen als Entscheidungsbasis im Finanzwesen und unterliegen strengen Vorgaben hinsichtlich Transparenz, Fairness und Datenschutz. Die regulatorische Kontrolle, die Offenlegungspflichten und die zivilrechtliche Verantwortlichkeit stellen dabei zentrale rechtliche Schutzelemente dieses Instruments dar. Aktuelle Entwicklungen und künftige regulatorische Anforderungen werden das Ratingwesen weiterhin maßgeblich prägen.

Häufig gestellte Fragen

Wie werden Ratingagenturen in Deutschland und der EU rechtlich reguliert?

Ratingagenturen unterliegen in Deutschland und der Europäischen Union einer umfassenden gesetzlichen Regulierung. Im Zentrum steht hierbei die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen, auch bekannt als Ratingagenturen-Verordnung (CRA-Verordnung). Diese Verordnung wurde seit ihrem Inkrafttreten mehrfach verschärft und angepasst, beispielsweise durch die Verordnungen (EU) Nr. 513/2011 und Nr. 462/2013. Die Aufsicht über Ratingagenturen erfolgt zentral durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) mit Sitz in Paris. Ratingagenturen benötigen für ihre Tätigkeit in der EU eine Registrierung bei der ESMA, wobei umfangreiche Anforderungen an Transparenz, Unabhängigkeit, interne Organisation und Interessenkonflikte bestehen. Die Beauftragung, Vergütung und Veröffentlichung von Ratings unterliegt spezifischen Vorgaben, um eine ausgewogene und faire Bewertung sowie Schutz der Anleger zu gewährleisten. In Deutschland gilt ergänzend das Kreditwesengesetz (KWG), das insbesondere für Banken und Finanzdienstleister weitere Anforderungen bezüglich der Nutzung von Ratings regelt. Sanktionen bei Verstößen gegen die Bestimmungen reichen von Bußgeldern bis hin zum Entzug der Zulassung.

Welche Pflichten treffen Emittenten im Zusammenhang mit Ratings?

Emittenten von Finanzinstrumenten, die von einer Ratingagentur bewertet werden, unterliegen verschiedenen rechtlichen Pflichten. Einerseits müssen sie Ratingagenturen alle relevanten, aktuellen und vollständigen Informationen zur Verfügung stellen, damit eine sachgerechte Bewertung der Kreditwürdigkeit ermöglicht wird. Diese Mitwirkungspflicht ergibt sich unmittelbar aus dem Vertragsverhältnis mit der Ratingagentur und aus aufsichtsrechtlichen Vorgaben, insbesondere aus der CRA-Verordnung. Zudem sind Emittenten verpflichtet, wesentliche Änderungen ihrer wirtschaftlichen Lage unverzüglich zu berichten. Beim Einsatz von Ratings für die Prospekterstellung unterliegen Emittenten gemäß der Prospektverordnung (EU) 2017/1129 zusätzlichen Transparenzanforderungen. Falls Emittenten ein Rating in ihren Wertpapierprospekten verwenden, müssen sie deutlich machen, ob dieses Rating von einer in der EU registrierten Agentur stammt und welche Bedeutung dies für die Anleger hat. Zudem ist die Influenznahme auf das Rating, die etwa durch die gezielte Auswahl besonders günstiger Agenturen (Rating-Shopping) erfolgen könnte, gemäß den regulatorischen Vorgaben untersagt.

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei fehlerhaften oder irreführenden Ratings?

Im Falle fehlerhafter oder irreführender Ratings können sich sowohl zivilrechtliche als auch aufsichtsrechtliche Konsequenzen ergeben. Zivilrechtlich steht insbesondere die Haftung der Ratingagentur nach § 826 BGB (sittenwidrige vorsätzliche Schädigung) sowie aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im Raum, sofern Geschädigte nachweisen können, dass sie aufgrund eines fehlerhaften Ratings Vermögensschäden erlitten und die Agentur gegen ihre Sorgfaltspflichten verstoßen hat. Aufsichtsrechtlich kann die ESMA Maßnahmen bis hin zur Geldbuße, öffentlichen Verwarnung oder, im Extremfall, Entzug der Zulassung ergreifen, wenn systematische Verstöße gegen die CRA-Verordnung festgestellt werden. Auch Emittenten können belangt werden, wenn nachweisbar fehlerhafte oder unvollständige Angaben gemacht wurden, die das Rating verzerren. Für institutionelle Investoren gilt zudem, dass sie bei der Nutzung von Ratings ihrer eigenen Prüfungspflicht nachkommen müssen und sich nicht ausschließlich auf externe Ratings verlassen dürfen.

Wie ist die Nutzung von Ratings bei der Bankenregulierung rechtlich ausgestaltet?

Im Rahmen der Bankenregulierung spielen Ratings eine zentrale Rolle bei der Bestimmung der Eigenkapitalanforderungen für Kreditinstitute. Grundlage hierfür ist vor allem die Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (Capital Requirements Regulation, CRR), die Vorgaben für die Eigenmittelanforderungen von Banken enthält. Nur Ratings von von der ESMA registrierten und anerkannten Ratingagenturen (External Credit Assessment Institutions, ECAIs) dürfen für die Regulierung verwendet werden. Banken müssen streng dokumentieren, wie sie externe Ratings in ihren Risikomodellen verwenden und müssen eine Konsistenzprüfung sicherstellen. Der Gesetzgeber verlangt zudem, dass Banken etwaige Änderungen in den Ratings nachhalten und eigene Einschätzungen ergänzend nutzen („Use Test“). Eine ausschließliche Abstützung auf Ratings ist unzulässig; die Institute müssen eine eigenständige Kreditwürdigkeitsprüfung durchführen.

Welche Datenschutz- und Geheimhaltungspflichten bestehen beim Rating-Prozess?

Sämtliche im Rahmen des Rating-Prozesses übermittelten und verarbeiteten Informationen unterliegen strengen datenschutzrechtlichen Vorgaben nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie ggf. den berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflichten. Ratingagenturen sind verpflichtet, sämtliche erhaltenen Daten ausschließlich zweckgebunden und im Rahmen des Ratingprozesses zu verwenden. Die Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte bedarf grundsätzlich einer expliziten Einwilligung oder einer gesetzlichen Grundlage. Darüber hinaus gelten Geheimhaltungspflichten, die aus Vertraulichkeitsvereinbarungen sowie aus § 203 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen) resultieren können, sofern etwa Rechtsanwälte, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer an der Rating-Erstellung beteiligt sind. Sämtliche Unterlagen und Bewertungen müssen revisionssicher archiviert und gegen unbefugte Zugriffe geschützt werden.

Welche rechtlichen Schutzmechanismen bestehen gegen Interessenkonflikte bei Ratingagenturen?

Für die Vermeidung und das Management von Interessenkonflikten verpflichtet die CRA-Verordnung Ratingagenturen zu detaillierten organisatorischen und verfahrensrechtlichen Maßnahmen. Dazu zählen die Trennung von Analyse und Geschäftsbeziehungen, die Offenlegung von Vergütungsstrukturen sowie regelmäßige Schulungen und Rotationspflichten für Analysten. Es ist untersagt, Ratingentscheidungen von den wirtschaftlichen Interessen einzelner Auftraggeber abhängig zu machen. Alle potentiellen Interessenkonflikte müssen der ESMA sowie – abhängig vom Produkt – auch den Marktteilnehmern offenbart werden. Verstöße gegen diese Vorgaben können mit Bußgeldern, öffentlichen Verwarnungen und letztlich Zulassungsentzug geahndet werden. Zudem haben Investoren klagerechtliche Handhabe, sofern sie nachweisen können, dass ein Interessenkonflikt ursächlich für einen erlittenen Schaden war.

Wie muss die Veröffentlichung und Aktualisierung von Ratings rechtlich erfolgen?

Die rechtlichen Vorgaben zur Veröffentlichung und Aktualisierung von Ratings sind in der CRA-Verordnung geregelt. Ratingagenturen müssen Ratings nach der Fertigstellung unverzüglich veröffentlichen, sofern es sich um öffentlich beauftragte Ratings handelt. Dabei ist Transparenz über Methoden, Annahmen und angewandte Modelle zu wahren. Jede Aktualisierung – etwa infolge neuer Informationen des Emittenten oder geänderter Marktlage – muss zeitnah publiziert und dokumentiert werden. Auch der Rückzug eines Ratings unterliegt strengen Veröffentlichungs- und Begründungspflichten. Eine nachträgliche Korrektur darf ausschließlich mit umfassender Begründung erfolgen. Alle historischen Bewertungen und etwaige Änderungen müssen für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren archiviert und zugänglich gemacht werden. Dies dient dem Schutz der Investoren und der Nachvollziehbarkeit des Bewertungsprozesses aus rechtlicher Sicht.