Rechtlicher Begriff der „Rasse” und seine Bedeutung für die Gleichbehandlung
Der Begriff „Rasse” ist im Bereich des Diskriminierungsschutzes und der Gleichbehandlung ein zentraler, jedoch zugleich auch streitbarer Terminus, der sowohl in nationalen Gesetzen als auch in internationalen Übereinkommen Verwendung findet. Während der Ausdruck wissenschaftlich betrachtet als überholt gilt und in der gesellschaftlichen Debatte kritisch gesehen wird, bleibt er im Rechtstext in verschiedenen Ländern, einschließlich Deutschlands sowie auf Ebene der Europäischen Union und der Vereinten Nationen, ein maßgeblicher Terminus. Der folgende Artikel beleuchtet die vielschichtigen rechtlichen Aspekte des Begriffs „Rasse” im Kontext der Gleichbehandlung, die einschlägigen Rechtsquellen sowie die aktuelle Diskussion um die Terminologie.
Definition und rechtlicher Kontext des Begriffs „Rasse”
Historischer Hintergrund des Begriffs „Rasse”
Die Verwendung des Begriffs „Rasse” in Gesetzestexten geht auf eine Zeit zurück, in der Menschen aufgrund äußerer Merkmale wie Hautfarbe oder Herkunft in unterschiedliche Kategorien eingeteilt wurden. Diese Einteilung fußte auf pseudowissenschaftlichen Annahmen, die heute als widerlegt gelten. Dennoch hat sich der Begriff in internationalen Menschenrechtserklärungen und nationalen Rechtsordnungen gehalten.
Verwendung in internationalen und nationalen Rechtsnormen
Der Begriff „Rasse” erscheint in einer Vielzahl von grundlegenden Rechtsquellen:
- Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR), Art. 2
– Schützt vor Diskriminierung unter anderem aufgrund der Rasse.
- Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (ICERD)
– Verpflichtet Vertragsstaaten, Diskriminierung aus Gründen der Rasse zu bekämpfen.
- Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG), Art. 3 Abs. 3
– Das Diskriminierungsverbot umfasst die „Rasse”.
- Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
– Schützt vor Benachteiligung aus Gründen der Rasse und ethnischen Herkunft.
Begriffskritik und aktuelle Diskussion
In der modernen Wissenschaft wird das Konzept menschlicher „Rassen” weitgehend abgelehnt. Auch zahlreiche Institutionen, z. B. der Bundestag, diskutieren aktuell eine veränderte Terminologie, z. B. den Ersatz durch Begriffe wie „aus rassistischen Gründen” oder „ethnische Herkunft”, um den biologisch nicht haltbaren Rassebegriff zu vermeiden.
Rechtsquellen: Regelungen und Schutzmechanismen
Grundgesetz (GG)
- Artikel 3 Abs. 3 GG
– „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.”
- Schutzzweck
– Ziel ist die umfassende Gleichstellung aller Menschen und die Abwehr jeglicher Form von Diskriminierung.
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
- § 1 AGG (Ziel des Gesetzes)
– Ziel ist die Verhinderung oder Beseitigung von Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft.
- § 7 ff. AGG (Benachteiligungsverbot und Rechtsfolgen)
– Verbot der Benachteiligung im Arbeitsleben und bei Zugang zu Gütern/Dienstleistungen.
– Opfer können Schadenersatz- und Entschädigungsansprüche geltend machen.
Internationale Regelungen
- ICESCR, ICCPR, EMRK
– Diverse Menschenrechtsverträge enthalten Diskriminierungsverbote (u. a. bezogen auf Rasse).
- Richtlinie 2000/43/EG (Antirassismusrichtlinie)
– Verpflichtet EU-Mitgliedstaaten zur Bekämpfung von Benachteiligung aufgrund der Rasse oder ethnischen Herkunft im Bereich Beschäftigung, Bildung, Sozialschutz und Zugang zu Gütern und Dienstleistungen.
Anwendungsfelder des Diskriminierungsverbots wegen „Rasse”
Arbeitsrecht
Im Arbeitsrecht schützt das AGG vor Benachteiligung aufgrund rassischer Zuschreibungen sowohl beim Zugang zu Beschäftigung als auch während eines laufenden Arbeitsverhältnisses. Dazu zählen Bewerbung, Einstellung, Beförderung und Arbeitsbedingungen.
Bildung und Zugang zu Gütern und Dienstleistungen
Das Diskriminierungsverbot erstreckt sich auf Bildungseinrichtungen, Wohnungsmärkte, Versicherungen und andere Dienstleistungen, sofern diese öffentlich zugänglich sind.
Strafrechtlicher Schutz
§ 130 Strafgesetzbuch (StGB) – Volksverhetzung:
- Strafbar ist die Aufstachelung zum Hass gegen Teile der Bevölkerung, insbesondere wegen ihrer angehörigen Rasse oder Abstammung.
Rechtsfolgen bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot
Klagemöglichkeiten und Durchsetzung
Betroffene Personen können bei Verstößen gegen das Diskriminierungsverbot Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung, Schadensersatz sowie Entschädigung geltend machen. Die Beschwerde kann beim Arbeitgeber, bei Antidiskriminierungsstellen oder bei den ordentlichen Gerichten erfolgen.
Beweislastregelung
Im Rahmen des AGG tritt eine Beweislastumkehr ein: Legt die betroffene Person Indizien für eine Benachteiligung vor, obliegt es der anderen Partei zu beweisen, dass keine Diskriminierung vorlag.
Entwicklung und Perspektiven des Rechtsbegriffs „Rasse”
Systematische Kritik und Vorschläge zur Gesetzesänderung
Zahlreiche Stimmen aus Politik und Rechtswissenschaft fordern eine Streichung oder Änderung des Begriffs „Rasse” aus deutschen und europäischen Gesetzen. Diskutiert wird ein Ersatz durch Begriffe wie „aus rassistischen Gründen” oder „ethnische Herkunft”, um einerseits dem Schutzauftrag Rechnung zu tragen und andererseits eine moderne, diskriminierungsfreie Terminologie zu nutzen.
Internationale Vergleichsperspektive
Auch in vielen anderen Staaten besteht eine vergleichbare Diskussion. Während in den USA der Begriff „race” im Antidiskriminierungsrecht weiterhin verwendet wird, bemühen sich etwa EU-Staaten zunehmend um eine differenzierte Terminologie.
Zusammenfassung
Der Begriff „Rasse” spielt im Antidiskriminierungsrecht nach wie vor eine bedeutende Rolle und sichert den umfassenden Schutz vor Benachteiligung auf nationaler wie internationaler Ebene. Zugleich ist er in Wissenschaft und Rechtspolitik ein kontinuierlicher Streitpunkt hinsichtlich seiner Angemessenheit und wissenschaftlichen Haltbarkeit. Die künftige Entwicklung der Gesetzgebung und Rechtsprechung steht vor der Aufgabe, einerseits den Schutz vor Diskriminierung effektiv zu gewährleisten und andererseits eine zeitgemäße, diskriminierungsfreie Begriffsverwendung zu etablieren. Bis zu einer möglichen gesetzlichen Anpassung bleibt der Begriff „Rasse” ein wesentlicher, rechtlich relevanter Terminus im Rahmen des Gleichbehandlungsrechts.
Siehe auch
- Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
- Diskriminierung
- Gleichbehandlungsgesetzgebung in Europa
- Menschenrechte
Literatur
- Brosius-Gersdorf/Hoffmann, Gleichbehandlungsrecht in Deutschland und Europa, 2022
- Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Diskriminierungsschutz wegen „Rasse” oder ethnischer Herkunft, 2022
- Beyerlin, Rassendiskriminierung und Menschenrechtsschutz, 2020
Weblinks
- Antidiskriminierungsstelle des Bundes
- Gesetze im Internet – AGG
- Vereinte Nationen – Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung
Dieser Artikel soll einen fundierten Überblick über die rechtlichen Aspekte von „Rasse” im Kontext der Gleichbehandlung bieten und aktuelle Entwicklungen sowie bestehende Herausforderungen aufzeigen.
Häufig gestellte Fragen
Was regelt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bezüglich der Rasse im rechtlichen Kontext?
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt im rechtlichen Kontext Personen vor Benachteiligungen aus Gründen der “Rasse” sowie der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Hinsichtlich der „Rasse” verbietet das AGG insbesondere im Bereich des Arbeitsrechts und beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen jegliche Benachteiligung, sei sie unmittelbar oder mittelbar. Arbeitgeber, Vermieter, Bildungseinrichtungen oder Anbieter von Dienstleistungen dürfen Personen daher nicht schlechter behandeln, weil sie einer bestimmten „Rasse” zugeordnet werden. Allerdings verwendet das Gesetz den Begriff „Rasse” im historischen Kontext der Antidiskriminierungsgesetzgebung; in der heutigen fachlichen und gesellschaftlichen Debatte wird die Verwendung des Begriffs selbst kritisch gesehen, da „Rasse” als biologische Kategorie abgelehnt wird. Rechtlich bleibt jedoch die Verpflichtung bestehen, Diskriminierungen jeglicher Art, die sich auf die Zuschreibung einer „Rasse” beziehen, zu unterbinden und gegebenenfalls angemessen zu sanktionieren.
Welche Beweiserleichterungen bestehen für Betroffene einer rassistischen Diskriminierung nach dem AGG?
Das AGG bietet Betroffenen von rassistischer Diskriminierung sogenannte Beweiserleichterungen. Konkret muss die benachteiligte Person lediglich Indizien vortragen, die eine Benachteiligung wegen eines der im Gesetz genannten Merkmale, also beispielsweise der „Rasse”, vermuten lassen. Es reicht also, wenn die betroffene Person Tatsachen vorbringt, die aus objektiver Sicht eine Benachteiligung wahrscheinlich machen. Sobald solche Indizien dargelegt wurden, trägt die andere Partei, etwa der Arbeitgeber oder Dienstleister, die sogenannte Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorliegt. Diese Regelung (vgl. § 22 AGG) stellt für diejenigen, die Diskriminierung geltend machen wollen, eine erhebliche Unterstützung dar, da gerade innere Motivationen oder bewusste Einstellungsentscheidungen der Verantwortlichen häufig schwer nachzuweisen sind.
Welche Ansprüche und Rechte haben Personen, die wegen ihrer zugeschriebenen Rasse diskriminiert wurden?
Personen, die im rechtlichen Sinne aufgrund ihrer zugeschriebenen „Rasse” diskriminiert wurden, haben nach dem AGG unterschiedliche Ansprüche und Rechte. Zunächst können sie verlangen, dass die Diskriminierung unterlassen wird und zukünftige Diskriminierungen unterbleiben. Zusätzlich kann ein Anspruch auf Schadensersatz und Entschädigung bestehen – insbesondere in arbeitsrechtlichen, mietrechtlichen oder vertragsrechtlichen Konstellationen (§§ 15, 21 AGG). Die Höhe des Anspruchs bemisst sich nach dem entstandenen Schaden und kann bei immateriellen Schäden, wie sie bei Persönlichkeitsverletzungen durch Diskriminierung häufig vorliegen, in Form einer Entschädigung gewährt werden. In arbeitsrechtlichen Fällen besteht zudem ein besonderer Kündigungsschutz, falls eine Kündigung diskriminierend erfolgt. Betroffene haben außerdem das Recht, sich an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes oder entsprechende Landesstellen zu wenden und dort Beratung sowie Unterstützung einzuholen.
Gibt es Ausnahmen vom Diskriminierungsverbot aus Gründen der Rasse im deutschen Recht?
Das AGG kennt in bestimmten, eng begrenzten Fällen Ausnahmen vom Diskriminierungsverbot. So kann eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt sein, wenn ein bestimmtes Merkmal, etwa die ethnische Herkunft, ausnahmsweise eine „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung” für eine Tätigkeit darstellt (vgl. § 8 AGG). Diese Ausnahme wird jedoch im Zusammenhang mit „Rasse” äußerst restriktiv ausgelegt und ist faktisch nur in sehr engen Sonderfällen denkbar, z.B. wenn Authentizität bei der Darstellung bestimmter historischer Figuren im Theater oder Film benötigt wird. Eine Rechtfertigung aufgrund wirtschaftlicher Interessen oder zur Vereinfachung von Verwaltungsabläufen ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die Rechtsprechung betont, dass derartige Ausnahmen nur äußerst selten greifen dürfen, da das Ziel darin besteht, Diskriminierungen konsequent zu verhindern.
Wie wirkt sich eine unzulässige Benachteiligung aus rassistischen Gründen auf arbeitsrechtliche Kündigungen aus?
Im arbeitsrechtlichen Kontext sind Kündigungen, die zumindest auch auf einer unzulässigen Benachteiligung wegen der „Rasse” beruhen, nach § 134 BGB in Verbindung mit § 1 AGG nichtig. Betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können gegen solche Kündigungen klagen und deren Unwirksamkeit feststellen lassen. Zusätzlich besteht Anspruch auf Schadensersatz in Form einer Entschädigung, die sich nach der Schwere der Diskriminierung bemisst. Zu beachten ist, dass der Kündigungsschutz nach dem AGG auch befristet nachwirkt: Ansprüche müssen in der Regel innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Zugang der Kündigung schriftlich geltend gemacht werden (§ 15 Abs. 4 AGG). Die Gerichte haben in der Vergangenheit mehrfach betont, dass der Schutz vor Diskriminierung Vorrang vor betriebswirtschaftlichen Erwägungen genießt.
Besteht ein Schutz auch im Bereich von Mieten und Verträgen, etwa bei der Wohnungsvermietung?
Ja, das AGG erstreckt den Diskriminierungsschutz ausdrücklich auch auf Vertragsverhältnisse außerhalb des Arbeitsrechts, also auf zivilrechtliche Massenvertragsverhältnisse wie etwa bei der Wohnungsvermietung (§§ 19 ff. AGG). Vermieter dürfen Mietinteressenten daher weder benachteiligen noch vom Vertragsschluss ausschließen, weil sie einer bestimmten „Rasse” oder ethnischen Herkunft zugeschrieben werden. Im Bereich des privaten Wohnraums gibt es jedoch geringfügige Ausnahmen, etwa wenn ein Vermieter einen Wohnraum in einem Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen selbst bewohnt. Auch hier müssen Ausnahmen jedoch eng ausgelegt werden und dürfen nicht pauschal auf rassistische Motive gestützt sein. Verstöße können zur Nichtigkeit von Verträgen, Schadensersatzpflichten und ggf. zu aufsichtsrechtlichen Maßnahmen führen.
Welche Rolle spielen Antidiskriminierungsstellen bei der Durchsetzung der Rechte im Zusammenhang mit rassistischer Diskriminierung?
Antidiskriminierungsstellen wie die Antidiskriminierungsstelle des Bundes nehmen eine zentrale Rolle bei der Information, Beratung und Unterstützung von Menschen ein, die Diskriminierung erfahren haben oder befürchten. Sie beraten vertraulich, klären über Rechte und Handlungsmöglichkeiten auf und unterstützen bei der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche, indem sie beispielsweise Hilfe bei der Formulierung und Geltendmachung von Ansprüchen nach dem AGG bieten. Sie wirken darüber hinaus an der Sensibilisierung von Behörden, Arbeitgebern und Gesellschaft mit und können unter bestimmten Voraussetzungen auch Schlichtungsverfahren durchführen. Ihre Tätigkeiten sind jedoch in der Regel auf außergerichtliche Beratung und Unterstützung beschränkt, sie vertreten keine Parteien vor Gericht, können jedoch auf Wunsch vermitteln, Empfehlungen aussprechen und auf strukturelle Missstände aufmerksam machen.