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Räumungsvollstreckung

Räumungsvollstreckung – Begriff und Einordnung

Die Räumungsvollstreckung ist das staatliche Verfahren zur zwangsweisen Durchsetzung eines Anspruchs auf Herausgabe und Räumung von Wohn- oder Gewerberäumen. Sie schließt an eine vorangegangene Entscheidung oder Vereinbarung an, die die Pflicht zur Rückgabe einer Immobilie verbindlich feststellt. Ziel ist die tatsächliche Verschaffung des Besitzes an den Räumen an die berechtigte Person und die Entfernung der dort befindlichen Personen sowie – je nach Vorgehensart – der eingebrachten Gegenstände.

Räumungsvollstreckung ist Teil der Zwangsvollstreckung im Zivilrecht. Sie kommt vor allem im Mietverhältnis vor, kann aber auch bei anderen Nutzungsverhältnissen, nach Eigentumsstreitigkeiten oder nach Ende eines Nießbrauchs oder Wohnrechts eine Rolle spielen.

Voraussetzungen der Räumungsvollstreckung

Räumungstitel

Voraussetzung ist ein vollstreckbarer Titel, der die Pflicht zur Räumung und Herausgabe konkret festlegt. Typische Titel sind gerichtliche Entscheidungen, gerichtliche Vergleiche oder vollstreckbare notarielle Urkunden. Der Titel muss die zu räumenden Räume so bezeichnen, dass Verwechslungen ausgeschlossen sind, und die Personen benennen, gegen die vollstreckt werden soll.

Vollstreckbarkeit und Zustellung

Vor Beginn der Vollstreckung ist die Ausfertigung des Titels zur Vollstreckung bereit zu machen und der verpflichteten Partei zuzustellen. Erst nach erfolgter Zustellung darf die Durchführung eingeleitet werden.

Vollstreckungssubjekt und -objekt

Vollstreckt wird gegen die Person, die die Räume herausgeben muss. Der Titel kann sich auch gegen unbekannte Nutzer richten, wenn diese ihre Nutzung von der verpflichteten Partei ableiten. Das Vollstreckungsobjekt sind die konkret bezeichneten Räume einschließlich Nebenräume und zugehöriger Flächen, soweit sie vom Titel erfasst sind.

Beteiligte und ihre Rollen

Gerichtsvollzieher

Die Durchführung obliegt dem Gerichtsvollzieher. Er plant und leitet die Maßnahmen, verschafft Zugang, koordiniert Hilfskräfte und setzt die rechtlichen Grenzen der Zwangsanwendung um. Er ist zur Neutralität verpflichtet und achtet auf Verhältnismäßigkeit.

Berechtigte Person (Gläubiger)

Die berechtigte Person veranlasst die Vollstreckung. Sie trägt in der Regel zunächst die anfallenden Vorschüsse und bestimmt das gewünschte Räumungsmodell, etwa die vollständige Räumung oder die bloße Besitzverschaffung.

Verpflichtete Person (Schuldner)

Die verpflichtete Person ist zur Herausgabe und Räumung verpflichtet. Sie kann vor oder während der Vollstreckung Einwendungen vorbringen, soweit hierfür gesetzlich geregelte Wege bestehen. Besondere Schutzgesichtspunkte, etwa eine außergewöhnliche Härte, können zu einem Aufschub führen.

Dritte

Von der Räumung können auch Dritte betroffen sein, etwa Mitbewohner, Untermieter oder Eigentümer einzelner Gegenstände. Diese können Rechte an Sachen oder an der Nutzung geltend machen, die in einem gesonderten Verfahren zu klären sind.

Ablauf der Räumungsvollstreckung

Auftrag und Vorbereitung

Die berechtigte Person beauftragt den Gerichtsvollzieher. Dieser prüft die Unterlagen, fordert erforderlichenfalls Vorschüsse an und terminiert die Durchführung. Je nach Lage wird ein Schlosser, Transport- oder Räumungsunternehmen hinzugezogen. Eine Ankündigung kann erfolgen; in eilbedürftigen Fällen ist auch ein kurzfristiges Vorgehen möglich, soweit die gesetzlichen Anforderungen gewahrt sind.

Terminierung und Rahmenbedingungen

Die Räumung findet an Werktagen und zu üblichen Tageszeiten statt. Nächtliche oder an besonderen Tagen liegende Maßnahmen sind grundsätzlich ausgeschlossen. Bei erkennbaren Gefahren kann der Gerichtsvollzieher unterstützende Stellen hinzuziehen.

Durchführung am Räumungstag

Zugang zu den Räumen

Der Gerichtsvollzieher verschafft sich Zugang, nötigenfalls mit Hilfe eines Schlossers. Widerstand wird nicht eigenmächtig gebrochen, sondern im rechtlichen Rahmen überwunden.

Inventarisierung und Umgang mit Sachen

Vorhandene Gegenstände werden, abhängig vom gewählten Modell, entweder vollständig entfernt oder verbleiben vorerst in den Räumen. Der Gerichtsvollzieher kann Verzeichnisse erstellen, Gegenstände sichern lassen und auf die Behandlung besonders schutzwürdiger Güter achten. Persönliche Dokumente und unpfändbare Gegenstände sind gesondert zu berücksichtigen.

Schlüssel und Besitzverschaffung

Mit der Übergabe der Schlüssel oder dem Austausch der Schlösser wird der Besitz an die berechtigte Person verschafft. Bei der vollständigen Räumung werden Gegenstände abtransportiert und verwahrt.

Nachbereitung

Erfolgt eine vollständige Räumung, werden Dinge eingelagert oder verwertet, sofern keine Herausgabe erfolgt. Beim Modell der bloßen Besitzverschaffung trifft die weitere Organisation der Räumung die berechtigte Person, die hierfür zivilrechtliche Regeln zu beachten hat.

Formen der Räumung

Vollräumung

Alle beweglichen Gegenstände werden aus den Räumen entfernt, transportiert und verwahrt. Diese Form ist kostenintensiver, gewährleistet aber eine sofort nutzbare Fläche.

Besitzverschaffung ohne Abtransport (auch bekannt als „Berliner Modell“)

Der Gerichtsvollzieher verschafft den Besitz, entfernt jedoch keine Gegenstände. Die Sache verbleibt in den Räumen, und die berechtigte Person organisiert danach eigenständig die Räumung unter Beachtung fremder Eigentumsrechte und besonderer Schutzvorschriften. Diese Variante reduziert in der Regel die unmittelbaren Vollstreckungskosten.

Teilräumung und Herausgabe einzelner Räume

Ist der Titel auf bestimmte Räume begrenzt oder betrifft er Nebenflächen, erfolgt die Vollstreckung entsprechend dem Umfang des Titels.

Schutzmechanismen und Beschränkungen

Aufschub bei außergewöhnlicher Härte

Bei besonderen Umständen kann die Räumung zeitlich aufgeschoben oder gestuft durchgeführt werden. Hier wird das Interesse der berechtigten Person an der sofortigen Durchsetzung mit den Belangen der verpflichteten Person abgewogen, etwa bei Krankheit, drohender Obdachlosigkeit oder vergleichbaren Situationen.

Zeitliche und tatsächliche Grenzen

Die Durchführung unterliegt zeitlichen Beschränkungen und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Unnötige Eingriffe in Rechte der Betroffenen sind zu vermeiden, und Gefahrenlagen sind zu berücksichtigen.

Rechtsschutz gegen Maßnahmen

Gegen Art und Weise der Durchführung bestehen gerichtliche Kontrollmöglichkeiten. Auch Dritte können Rechtsbehelfe nutzen, wenn eigene Rechte betroffen sind.

Umgang mit zurückgelassenen Sachen

Verwahrung und Verwertung

Werden Gegenstände abtransportiert, erfolgt eine Verwahrung. Nach einer angemessenen Frist kann eine Verwertung in Betracht kommen, wenn keine Abholung oder Klärung erfolgt. Erlöse werden nach den gesetzlichen Vorgaben verteilt; unpfändbare Gegenstände sind besonders geschützt.

Rechte Dritter

Erhebt eine Person Eigentumsansprüche an einzelnen Gegenständen, ist dies gesondert zu klären. Bis zur Klärung ist ein Zugriff auf solche Sachen begrenzt.

Besondere Gegenstände

Mit Medikamenten, wichtigen Urkunden, persönlichen Erinnerungsstücken und Haustieren ist besonders sorgfältig umzugehen. Es kommen spezielle Verwahr- und Übergaberegelungen in Betracht.

Kosten und finanzielle Folgen

Typische Kostenpositionen

Regelmäßig entstehen Kosten für den Gerichtsvollzieher, Schlosser, Spedition, Räumungs- und Reinigungsunternehmen, Transport, Lagerung und gegebenenfalls Entsorgung. Hinzu kommen Auslagen für Protokolle und Zustellungen.

Kostenvorschuss und Kostentragung

Zu Beginn werden häufig Vorschüsse erhoben. Grundsätzlich hat die verpflichtete Person die Kosten zu tragen. Ob und in welchem Umfang eine Erstattung tatsächlich gelingt, hängt von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Durchsetzbarkeit ab.

Haftungsfragen

Bei Beschädigungen während der Durchführung können Ersatzansprüche in Betracht kommen. Maßgeblich sind die Zuständigkeiten der Beteiligten und die Einhaltung der Sorgfaltspflichten.

Besonderheiten in ausgewählten Konstellationen

Wohnraum

Bei Wohnraum sind Belange des Schutzes der Wohnung, der Familie und besonderer Härtefälle besonders zu berücksichtigen. Fristen, Ankündigungen und die Behandlung persönlicher Gegenstände spielen eine hervorgehobene Rolle.

Gewerberaum

In Gewerbeflächen betreffen Räumungen oft umfangreiche Einrichtungen und Warenbestände. Es stellen sich Fragen zur Sicherung betrieblicher Daten, zur Fortführung oder Beendigung des Geschäftsbetriebs und zur Behandlung von Pfandrechten.

Mit- und Untermieter

Mitmieter und Untermieter können von einem Räumungstitel erfasst sein, wenn sie ihre Nutzung von der verpflichteten Partei ableiten. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach dem Inhalt des Titels und den tatsächlichen Verhältnissen.

Todesfall und Nachlass

Verstirbt die verpflichtete Person, richtet sich die Vollstreckung gegen die Rechtsnachfolge. Dabei sind Zustellung und Umfang des Titels angepasst zu behandeln.

Insolvenz

Bei Insolvenz der verpflichteten Person können Vollstreckungsbeschränkungen bestehen. Ob und in welchem Umfang eine Räumung möglich ist, hängt von der Art der Forderung, dem Zeitpunkt und etwaigen angeordneten Maßnahmen ab.

Abgrenzungen und verwandte Verfahren

Herausgabe beweglicher Sachen

Die Vollstreckung auf Herausgabe einzelner Gegenstände unterscheidet sich von der Räumung ganzer Räume. Sie zielt auf die Erlangung konkreter beweglicher Sachen und folgt eigenen Regeln zur Auffindung und Wegnahme.

Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung

Diese Verfahren betreffen die Verwertung unbeweglichen Vermögens und die Verwaltung von Immobilien. Räumung kann in diesem Zusammenhang begleitend erforderlich werden, ist aber rechtlich ein eigenständiger Akt.

Häufig gestellte Fragen

Was bedeutet Räumungsvollstreckung?

Sie ist das staatliche Verfahren, mit dem ein rechtsverbindlicher Anspruch auf Herausgabe und Räumung von Räumen durchgesetzt wird. Zuständig für die praktische Durchführung ist der Gerichtsvollzieher, der den Besitz an den berechtigten Nutzer verschafft.

Welche Voraussetzungen müssen vorliegen?

Erforderlich ist ein vollstreckbarer Titel, der die Räumung und Herausgabe konkret anordnet, sowie dessen ordnungsgemäße Zustellung. Der Titel muss die betroffenen Räume und Personen hinreichend genau bezeichnen.

Wer führt die Räumung durch?

Die Räumung wird vom Gerichtsvollzieher geleitet. Er koordiniert Hilfskräfte wie Schlosser oder Speditionen, achtet auf Verhältnismäßigkeit und setzt die Maßnahme im rechtlich vorgegebenen Rahmen um.

Was passiert mit Möbeln und persönlichen Gegenständen?

Je nach Vorgehensmodell werden sie entweder vollständig entfernt und verwahrt oder verbleiben zunächst in den Räumen. Bestimmte Gegenstände sind besonders geschützt. Eigentumsrechte Dritter bleiben gewahrt und können geltend gemacht werden.

Kann die Räumung aufgeschoben werden?

Bei außergewöhnlicher Härte ist ein zeitlicher Aufschub oder eine gestufte Durchführung möglich. Dabei werden die Interessen beider Seiten gegeneinander abgewogen.

Wer trägt die Kosten?

Grundsätzlich trägt die verpflichtete Person die Kosten der Räumung. In der Praxis werden zunächst Vorschüsse erhoben; ob eine Erstattung gelingt, hängt von der Durchsetzbarkeit ab.

Betrifft die Räumung auch Untermieter oder Mitbewohner?

Das kann der Fall sein, wenn ihre Nutzung von der verpflichteten Person abgeleitet ist und der Titel dies umfasst. Ob eine Person erfasst ist, ergibt sich aus dem Titel und den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen.

Worin besteht der Unterschied zwischen Vollräumung und Besitzverschaffung ohne Abtransport?

Bei der Vollräumung werden alle Gegenstände entfernt und verwahrt. Bei der bloßen Besitzverschaffung wird der Besitz verschafft, die Gegenstände verbleiben zunächst in den Räumen; die weitere Organisation erfolgt außerhalb der unmittelbaren Vollstreckung.