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Räumungsvollstreckung


Räumungsvollstreckung

Die Räumungsvollstreckung ist ein rechtlicher Vorgang zur zwangsweisen Durchsetzung eines Anspruchs auf Herausgabe oder Räumung einer Immobilie. Grundlage hierfür bildet ein vollstreckbarer Titel, der regelmäßig aus einem gerichtlichen Urteil, einem Räumungsurteil oder einem Räumungsvergleich resultiert. Die Räumungsvollstreckung wird in der Regel durch einen Gerichtsvollzieher unter Zuhilfenahme polizeilicher Unterstützung vollzogen, sofern notwendig.

Rechtsgrundlagen der Räumungsvollstreckung

Die Räumungsvollstreckung findet ihre gesetzliche Grundlage im Achten Buch der Zivilprozessordnung (ZPO), insbesondere in den §§ 885 ff. ZPO. Sie ist ein zentrales Mittel zur Durchsetzung des gerichtlichen Herausgabeanspruchs gemäß § 546 BGB im Rahmen des Mietrechts sowie auch zur Durchsetzung anderer Herausgabeansprüche (etwa nach § 985 BGB).

Vollstreckbarer Titel

Voraussetzung der Räumungsvollstreckung ist stets das Vorliegen eines vollstreckbaren Titels, in dem der Schuldner eindeutig zur Herausgabe oder Räumung verpflichtet wird. Diese Voraussetzung bietet insbesondere Schutz vor unrechtmäßiger Selbstjustiz und sichert die Rechte des Schuldners.

Zuständigkeit und Antragstellung

Die Vollstreckung kann ausschließlich durch den Gläubiger (zumeist der Vermieter) beim zuständigen Gerichtsvollzieher am Ort der Belegenheit der Immobilie beantragt werden. Der Gerichtsvollzieher prüft die formellen Voraussetzungen und setzt auf Antrag einen Räumungstermin fest.

Ablauf der Räumungsvollstreckung

Zustellung der Räumungsvollstreckung

Nach Eingang des Antrags stellt der Gerichtsvollzieher dem Schuldner die vollstreckbare Ausfertigung des Räumungstitels und die Androhung der Zwangsräumung zu (§ 750 Abs. 1 ZPO). Hierbei wird in der Regel eine Frist gesetzt, in der der Schuldner die Möglichkeit hat, freiwillig zu räumen.

Durchführung der Zwangsräumung

Nach Ablauf der Frist erfolgt die tatsächliche Räumung. Der Gerichtsvollzieher organisiert und überwacht die Räumung. Er ist berechtigt, zur Durchführung der Räumung geeignete Hilfspersonen (z. B. Umzugsunternehmen, Schlosser) hinzuzuziehen und kann zur Durchsetzung der Maßnahme polizeiliche Unterstützung in Anspruch nehmen (§ 758 ZPO).

Im Zuge der Räumung werden sämtliche in der Immobilie befindlichen Sachen des Schuldners entfernt. Die Sachbehandlung richtet sich nach § 885 Abs. 2 und 3 ZPO: Die Gegenstände können verwertet oder eingelagert werden. Unverwertbare oder wertlose Sachen können vernichtet werden.

Berliner Räumung

Eine besondere Form stellt die sogenannte „Berliner Räumung“ dar, bei der lediglich der Besitz an der Wohn- oder Gewerbeeinheit durch Austausch der Schlösser entzogen wird. Der Gläubiger wird in das Recht zur Besitzverschaffung eingewiesen; eine vollständige Wegschaffung des Mobiliars des Schuldners erfolgt dabei in der Regel nicht. Die Berliner Räumung dient der Kostensenkung und Effizienzsteigerung, ist jedoch nur zulässig, wenn dies auch im Titel angeordnet oder rechtlich möglich ist.

Rechte des Schuldners im Räumungsvollstreckungsverfahren

Schutzvorschriften für den Schuldner

Dem Schuldner stehen im Verfahren diverse Schutzrechte zu. Hierzu zählen Anträge auf Vollstreckungsschutz gemäß § 765a ZPO bei unzumutbarer Härte, die Beantragung einer Räumungsfrist nach § 721 ZPO sowie das Anrecht auf ordnungsgemäße Behandlung und Verwahrung seiner Sachen nach der Räumung.

Räumungsfrist

Ein schuldnerseitiger Antrag auf Räumungsfrist kann einen Aufschub der Zwangsräumung um bis zu höchstens ein Jahr bewirken, wenn eine besondere Härte vorliegt. Die gerichtliche Entscheidung orientiert sich am Einzelfall.

Einstweiliger Rechtsschutz

Der Schuldner kann versuchen, einstweiligen Rechtsschutz zu erlangen, beispielsweise durch die Einlegung von Erinnerung, sofortiger Beschwerde oder durch Anordnung des Zwangsvollstreckungsschutzes.

Kosten der Räumungsvollstreckung

Die Kosten der Zwangsräumung trägt grundsätzlich der Schuldner. Die Höhe der Kosten richtet sich nach dem Aufwand, dem Umfang der zu räumenden Sachen, den eingesetzten Hilfskräften, Transport- und Einlagerungskosten sowie den Gebühren des Gerichtsvollziehers.

Mit der sogenannten „Berliner Räumung“ lassen sich häufig Kosten reduzieren, da nicht das gesamte Inventar entfernt werden muss. Verwertbare Gegenstände können verwertet oder eingelagert werden, worüber im Einzelfall entschieden wird.

Wirkung und Folgen der Räumungsvollstreckung

Mit dem Vollzug der Räumungsvollstreckung wird der räumungsberechtigte Gläubiger wieder in den Besitz der Immobilie eingesetzt. Die rechtliche Beziehung zwischen den Parteien endet endgültig; der Schuldner verliert alle inhaltlichen Ansprüche auf Nutzung der Räumlichkeiten.

Eintragungen über erfolgte Zwangsräumungen erfolgen im Schuldnerverzeichnis, was sich nachteilig auf dessen Bonität und wirtschaftliche Lage auswirken kann.

Besonderheiten bei der Räumungsvollstreckung

Untermieter und Besitzdritte

Im Rahmen des Zwangsräumungsverfahrens können auch Untermieter oder andere Besitzdritte betroffen sein. Diese haben unter Umständen eigenständige Rechte und können beispielsweise Widerspruch einlegen, wenn sie nicht Partei des Vollstreckungstitels sind.

Teilräumung und Rückgabe von Schlüsseln

Die Vollstreckung kann auf Teilräume beschränkt werden, sofern der Titel dies ausdrücklich vorsieht. Nach abgeschlossener Zwangsräumung ist der Gerichtsvollzieher verpflichtet, dem Gläubiger alle Schlüssel auszuhändigen.

Sonstige Besonderheiten

Im Falle, dass Gefahr für Tiere oder Sachen besteht, muss der Gerichtsvollzieher das zuständige Ordnungsamt oder Veterinäramt informieren. Auch die Mitwirkung von Jugendämtern oder Sozialbehörden kann erforderlich werden, wenn Kinder oder schutzbedürftige Personen von der Räumung betroffen sind.

Zwangsvollstreckungsrechtliche Streitfragen

Drittwiderspruchsklage

Sind Dritte in ihrem Besitzrecht an Gegenständen betroffen, steht ihnen die Möglichkeit der Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO offen.

Erinnerung und Vollstreckungsabwehrklage

Der Schuldner kann gegen Maßnahmen des Gerichtsvollziehers Erinnerung gemäß § 766 ZPO einlegen. Weiterhin kommt die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO in Betracht, sofern Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch geltend gemacht werden.

Zusammenfassung

Die Räumungsvollstreckung ist ein gesetzlich geregeltes Instrument zur zwangsweisen Durchsetzung von Herausgabe- oder Räumungsansprüchen an Wohn- und Gewerbeimmobilien. Sie findet nur auf Grundlage eines vollstreckbaren Titels statt, erfolgt unter strengen gesetzlichen Vorgaben und bietet beiden Parteien – sowohl dem Räumungsberechtigten als auch dem Schuldner – weitgreifende Schutzmechanismen. Neben der klassischen Zwangsräumung existieren sowohl kostengünstigere („Berliner Räumung“) als auch besonders schutzwürdige Verfahren zur Wahrung der Interessen von Betroffenen. Die rechtliche Ausgestaltung und praktische Durchführung der Räumungsvollstreckung bilden im deutschen Zivilrecht einen zentralen Teil des Zwangsvollstreckungsverfahrens.

Häufig gestellte Fragen

Welche Fristen müssen bei der Räumungsvollstreckung beachtet werden?

Bei der Räumungsvollstreckung sind verschiedene Fristen zu beachten, die sowohl vom Gericht als auch von den Beteiligten einzuhalten sind. Zunächst muss der Gläubiger, bevor die Vollstreckung überhaupt eingeleitet werden kann, einen vollstreckbaren Räumungstitel (beispielsweise ein rechtskräftiges Räumungsurteil oder einen gerichtlichen Vergleich mit Vollstreckungsklausel) und eine Zustellung an den Schuldner nachweisen (§ 750 ZPO). Nach Zustellung des Titels kann der Gläubiger die Zwangsräumung beim zuständigen Gerichtsvollzieher beantragen. Die Frist zwischen Ankündigung der Räumung und dem Räumungstermin beträgt in der Regel nicht weniger als zwei Wochen, da der Schuldner gemäß § 180 ZVG Gelegenheit zur freiwilligen Herausgabe haben muss. Stellt der Schuldner einen Antrag auf Räumungsschutz nach § 765a ZPO, kann die Vollstreckung durch gerichtliche Entscheidung vorübergehend eingestellt oder beschränkt werden. Ein vollständiger Räumungsschutz kann für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr gewährt werden. Die tatsächliche Dauer des Räumungsverfahrens hängt somit maßgeblich vom Einzelfall, etwaigen Schutzanträgen und gerichtlichen Gestaltungsspielräumen ab.

Welche Rolle spielt der Gerichtsvollzieher bei der Räumungsvollstreckung?

Der Gerichtsvollzieher ist die zentrale Vollstreckungsperson bei der Räumungsvollstreckung und handelt ausschließlich auf Grundlage eines vollstreckbaren Titels. Er erhält vom Gläubiger den Vollstreckungsauftrag und prüft formell die Voraussetzungen, insbesondere das Vorliegen eines Titels, der Vollstreckungsklausel sowie der Zustellung an den Schuldner. Der Gerichtsvollzieher bestimmt den Räumungstermin, informiert die Beteiligten und trifft die erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung der Zwangsräumung. Dazu zählt die Einbestellung eines Schlüsseldiensts, falls ein Zugang zur Wohnung gewaltsam geschaffen werden muss, sowie gegebenenfalls die Zuziehung der Polizei zur Unterstützung. Er dokumentiert die Räumung und übergibt die Räumlichkeiten nach erfolgter Vollstreckung an den Gläubiger. Die Kosten für die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers sind vom Schuldner zu tragen (§ 788 ZPO), werden aber in der Regel vom Gläubiger vorgelegt.

In welchem Umfang darf der Gerichtsvollzieher das Anwesen räumen lassen?

Der Gerichtsvollzieher darf gemäß dem vollstreckbaren Titel die im Titel bezeichneten Räume und Flächen räumen. Die Vollstreckung beschränkt sich grundsätzlich auf die Herausgabe der tatsächlichen Gewalt an den Räumlichkeiten sowie die Entfernung der sich dort befindenden Personen und Sachen. Der Gerichtsvollzieher ist jedoch nicht verpflichtet, die Gegenstände des Schuldners aus der Wohnung zu verbringen, sondern kann diese im Rahmen der „Berliner Räumung“ auch in den Räumlichkeiten belassen und dem Gläubiger lediglich den Besitz verschaffen. In diesem Fall ist es Sache des Gläubigers, eine nachfolgende Herausgabeklage auf Entfernung der Sachen zu erheben. Soll hingegen eine vollständige Räumung erfolgen, beauftragt der Gerichtsvollzieher meist ein Umzugsunternehmen, das die Gegenstände zur Verwahrung einlagert. Die Auswahl, Art und Weise des Abtransports sowie Aufbewahrung regelt er nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorgaben (z.B. Schutz von Wertgegenständen und Dokumenten).

Was passiert mit den zurückgelassenen Sachen des Schuldners nach einer Räumungsvollstreckung?

Für die Behandlung der zurückgelassenen Sachen des Schuldners gibt es gesetzliche Vorgaben, insbesondere aus § 885a ZPO. Die zurückgebliebenen Sachen werden grundsätzlich verwahrt, das heißt, sie dürfen nicht einfach entsorgt werden. Der Schuldner erhält in der Regel eine Frist zur Abholung seines Eigentums; dies wird ihm bekanntgegeben. Holt der Schuldner seine Gegenstände nicht innerhalb der gesetzten Frist ab, kann der Gläubiger nach den gesetzlichen Vorschriften die Verwertung oder Vernichtung beantragen. Wertsachen müssen gesondert gelagert und von minderwertigen Gegenständen getrennt werden. Der Gläubiger muss die Sachen bis zur Verwertung aufbewahren. Für die Kosten der Verwahrung, Verwertung oder Vernichtung haftet der Schuldner.

Kann sich der Schuldner gegen die Räumungsvollstreckung wehren?

Der Schuldner hat verschiedene rechtliche Möglichkeiten, sich gegen eine Räumungsvollstreckung zu wehren. Zunächst kann er, falls er einen Härtefall geltend macht, beim Vollstreckungsgericht Räumungsschutz gemäß § 765a ZPO beantragen. Das Gericht kann zur Abwendung einer „unbilligen Härte“ die Zwangsräumung jedenfalls zeitweise aufschieben oder beschränken, etwa bei Krankheit, drohender Obdachlosigkeit oder ähnlichen schwerwiegenden Gründen. Daneben kann der Schuldner gegen die Zwangsvollstreckung Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO erheben, sofern Einwendungen gegen den titulierten Anspruch bestehen, die nach Erlass des Urteils entstanden sind. Weitere Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen über die Erinnerung (§ 766 ZPO) gegen Maßnahmen des Gerichtsvollziehers oder die Vollstreckungsgegenklage (§ 771 ZPO) von Dritten, deren Rechte durch die Vollstreckung verletzt werden.

Welche Kosten entstehen im Rahmen der Räumungsvollstreckung und wer trägt diese?

Die Kosten der Räumungsvollstreckung umfassen die Kosten des Gerichtsvollziehers, ggf. die Kosten für ein Umzugsunternehmen, Schlüsseldienst, Lagerhaltung der geräumten Gegenstände, eventuelle Polizeiunterstützung sowie Gerichtskosten im Zusammenhang mit Anträgen auf Vollstreckungsschutz bzw. weiteren gerichtlichen Maßnahmen. Grundsätzlich sind nach § 788 ZPO die Kosten der Zwangsvollstreckung vom Schuldner zu tragen, werden aber zunächst vom Gläubiger als Vorschuss eingefordert. Der Gläubiger kann diese Kosten im Rahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner geltend machen. Bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bleibt der Gläubiger jedoch auf den Kosten sitzen, sodass eine sorgfältige Kosten-Nutzen-Abwägung im Vorfeld ratsam ist.

Was versteht man unter der „Berliner Räumung“ im Zusammenhang mit der Räumungsvollstreckung?

Die „Berliner Räumung“ ist eine spezielle Form der Räumungsvollstreckung, bei der der Gerichtsvollzieher lediglich den Schuldner aus den Räumlichkeiten entfernt und dem Gläubiger den Besitz verschafft, ohne dass die in der Wohnung befindlichen Gegenstände des Schuldners abtransportiert oder eingelagert werden. Diese bleiben grundsätzlich vorerst im Objekt und werden dem Gläubiger nicht als Eigentum verschafft. Das Verfahren ist für den Gläubiger in der Regel kostengünstiger, da die umfangreichen Kosten für Transport und Einlagerung entfallen. Der Gläubiger muss jedoch dulden, dass der Schuldner seine Sachen binnen angemessener Frist zurückholt oder eine Herausgabeklage auf Entfernung der Sachen erheben. Die rechtlichen Voraussetzungen und der genaue Ablauf sind im Einzelfall mit dem Gerichtsvollzieher abzuklären.