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Qualifizierungsgeld


Begriff und rechtliche Grundlagen des Qualifizierungsgeldes

Das Qualifizierungsgeld ist eine staatliche Leistung im deutschen Sozialrecht, die im Zuge der Reformen des „Arbeit-von-morgen-Gesetzes“ eingeführt wurde. Ziel dieser Leistung ist die Förderung der beruflichen Weiterbildung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, deren Arbeitsplätze infolge des Strukturwandels oder erheblicher technologischer Veränderungen gefährdet sind. Das Qualifizierungsgeld soll finanzielle Anreize bieten, um Beschäftigte für neue oder veränderte Anforderungen fit zu machen und somit die Beschäftigungsfähigkeit zu sichern.

Gesetzliche Verankerung

Das Qualifizierungsgeld wird durch das Dritte Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) geregelt. Die maßgeblichen Vorschriften befinden sich insbesondere in den §§ 82a ff. SGB III. Diese rechtlichen Bestimmungen konkretisieren Anspruchsvoraussetzungen, Dauer, Höhe und Finanzierung der Leistung sowie die Beteiligung der Arbeitgeber.

Anspruchsvoraussetzungen

Begünstigter Personenkreis

Anspruch auf Qualifizierungsgeld haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die auf Anordnung des Arbeitgebers an einer beruflichen Weiterbildung teilnehmen, um den Arbeitsplatzverlust infolge von Strukturwandel oder Digitalisierung abzuwenden. Für Beamtinnen und Beamte, Auszubildende oder arbeitnehmerähnliche Personen (z. B. freie Mitarbeiter) besteht kein Anspruch.

Erheblicher Strukturwandel

Das Vorliegen eines erheblichen Strukturwandels ist zentrale Voraussetzung für die Gewährung von Qualifizierungsgeld. Strukturwandel im Sinne des SGB III liegt vor, wenn sich betriebliche Anforderungen, Tätigkeitsbereiche oder Qualifikationsprofile durch technologische Entwicklungen, Digitalisierung oder andere tiefgreifende Veränderungen nachhaltig verschieben und dadurch Arbeitsplätze gefährdet sind.

Weiterbildungsbedarf und betriebliche Regelungen

Die Notwendigkeit einer Qualifizierungsmaßnahme muss von der Bundesagentur für Arbeit anerkannt werden. Der Weiterbildungsbedarf ist in einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung festzuhalten. Es muss ein nachvollziehbarer Weiterbildungsplan bestehen, der die Ziele und Inhalte der Maßnahme darlegt.

Bezug und Dauer des Qualifizierungsgeldes

Antragstellung und Verfahren

Der Antrag auf Qualifizierungsgeld wird in der Regel durch die Arbeitgeberin oder den Arbeitgeber bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt. Es ist erforderlich, dass die Weiterbildung vor deren Beginn beantragt wird. Die Bundesagentur entscheidet nach Prüfung der Voraussetzungen über die Gewährung der Leistung.

Höhe des Qualifizierungsgeldes

Das Qualifizierungsgeld bemisst sich nach dem pauschalierten Nettoentgeltausfall während der Teilnahme an der geförderten Weiterbildung. Es beträgt in der Regel 60 % des ausgefallenen Nettoentgelts, bei mindestens einem Kind im Haushalt 67 %. Das Unternehmen zahlt weiterhin die Sozialversicherungsbeiträge.

Bezugsdauer

Das Qualifizierungsgeld wird für die gesamte Dauer der genehmigten Weiterbildungsmaßnahme gezahlt, längstens jedoch bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder zur Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung aus anderen Gründen.

Finanzierung und Beteiligung der Arbeitgeber

Kostenübernahme

Das Qualifizierungsgeld wird von der Bundesagentur für Arbeit aus der Arbeitslosenversicherung finanziert. Der Arbeitgeber trägt sowohl die Sozialversicherungsbeiträge weiter als auch, abhängig von Unternehmensgröße und Wirtschaftslage, einen Anteil der Weiterbildungskosten.

Förderfähige Kosten

Förderfähig sind grundsätzlich auch die Lehrgangskosten der beruflichen Weiterbildung. Die Höhe der Förderung richtet sich nach der Betriebsgröße: Je kleiner der Betrieb, desto höher die mögliche Kostenbeteiligung der Bundesagentur.

Wechselverhältnis zu anderen sozialrechtlichen Leistungen

Abgrenzung zum Kurzarbeitergeld

Das Qualifizierungsgeld unterscheidet sich vom Kurzarbeitergeld im Hinblick auf Zielrichtung und Voraussetzungen. Während das Kurzarbeitergeld Lohnausfälle wegen vorübergehender Arbeitsausfälle abfedert, dient das Qualifizierungsgeld der präventiven Qualifizierung und Sicherung gefährdeter Arbeitsplätze.

Verhältnis zu Bildungszeit und anderen Fördermaßnahmen

Das Qualifizierungsgeld ist keine Bildungszeit im Sinne des Bildungsurlaubsgesetzes der Länder. Es besteht daneben zu bundes- und landesrechtlichen Bildungsangeboten, etwa Maßnahmen gefördert durch das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG), kein Konkurrenzverhältnis, sofern die jeweiligen Anforderungen erfüllt werden.

Rechtsfolgen bei Fehlverhalten

Mitwirkungspflichten

Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind verpflichtet, der Bundesagentur für Arbeit alle relevanten Angaben zur Gewährung des Qualifizierungsgeldes zu geben und Veränderungen unverzüglich mitzuteilen. Verletzungen dieser Mitwirkungspflichten können zur Rückforderung von Leistungen führen.

Rückforderung und Sanktionen

Leistungen können ganz oder teilweise zurückgefordert werden, wenn sie auf falschen Angaben beruhen oder wenn die Maßnahme nicht ordnungsgemäß absolviert wird. Es gelten die allgemeinen sozialrechtlichen Vorschriften zur Rückforderung unrechtmäßig erhaltener Leistungen.

Weiterführende Literatur und Rechtsquellen

  • §§ 82a ff. SGB III (Sozialgesetzbuch Drittes Buch)
  • Gesetz zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung („Arbeit-von-morgen-Gesetz“)
  • Bundesagentur für Arbeit: Fachliche Weisungen zu § 82a SGB III

Fazit:
Das Qualifizierungsgeld ist ein zentraler Baustein des deutschen Arbeitsförderungsrechts, um den Herausforderungen des Strukturwandels zu begegnen. Es bietet finanzielle Unterstützung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze durch den Wandel besonders gefährdet sind, und trägt dazu bei, deren Beschäftigungsfähigkeit langfristig zu sichern. Die Ansprüche und Pflichten der Beteiligten sind im SGB III detailliert geregelt.

Häufig gestellte Fragen

Wann besteht ein rechtlicher Anspruch auf Qualifizierungsgeld?

Ein rechtlicher Anspruch auf Qualifizierungsgeld besteht für Arbeitnehmer, wenn sämtliche Voraussetzungen nach § 82a SGB III erfüllt sind. Hierzu zählt zunächst, dass der Arbeitnehmer in einem bestehenden sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis steht. Die Initiative zur Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme muss erheblich mit dem Ziel verbunden sein, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens angesichts des digitalen oder strukturellen Wandels zu sichern oder die Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmer zu verbessern. Die Notwendigkeit einer Qualifizierung muss durch den Arbeitgeber plausibel dargelegt und dokumentiert werden. Ferner ist zwingend erforderlich, dass der Arbeitnehmer während der angekündigten Teilnahme von der Arbeitsleistung teils oder ganz freigestellt wird. Der Antrag auf Qualifizierungsgeld erfolgt durch den Arbeitgeber bei der Agentur für Arbeit und muss rechtzeitig vor Beginn der Maßnahme gestellt werden. Zudem darf kein anderweitiger Anspruch auf Lohnfortzahlung oder vergleichbare Leistungen bestehen; es muss somit ein Einkommensausfall vorliegen. Auch bereits absolvierte Maßnahmen innerhalb eines bestimmten Zeitraums vor Antragstellung können einen erneuten Anspruch ausschließen, sofern kein weitergehender Qualifizierungsbedarf nachgewiesen werden kann.

Wie ist das Verfahren zur Beantragung von Qualifizierungsgeld rechtlich geregelt?

Gemäß den rechtlichen Vorgaben ist der Antrag auf Qualifizierungsgeld vom Arbeitgeber zwingend vor Beginn der Qualifizierungsmaßnahme bei der zuständigen Agentur für Arbeit einzureichen (§ 82a Abs. 3 Satz 1 SGB III). Das Verfahren ist geregelt durch die Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit. Zunächst muss geprüft werden, ob ein struktureller oder digitaler Wandel das Unternehmen betrifft und eine entsprechende Qualifizierungsmaßnahme notwendig ist. Es ist eine Stellungnahme des Betriebsrats (sofern vorhanden) sowie eine individuelle Begründung zur Maßnahme einzureichen. Der Antrag muss sowohl Angaben zur Qualifizierungsmaßnahme, zur Teilnehmerzahl, als auch zur geplanten Dauer enthalten. Nach Eingang des vollständigen Antrags prüft die Agentur für Arbeit die Fördervoraussetzungen. Während der Bearbeitungszeit besteht kein Anspruch auf Vorschuss. Wird der Antrag bewilligt, erhält der Arbeitgeber einen schriftlichen Bescheid, der auch die rechtlichen Grundlagen der Bewilligung sowie etwaige Nebenbestimmungen enthält. Rechtsmittel gegen eine Ablehnung regelt das Sozialgesetzbuch – die Möglichkeit des Widerspruches und ggf. Klage vor dem Sozialgericht besteht.

Welche rechtlichen Verpflichtungen bestehen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer während des Bezugs von Qualifizierungsgeld?

Rechtlich verpflichtet sich der Arbeitgeber, während des Bezugs von Qualifizierungsgeld die im Bescheid genannten Maßgaben einzuhalten. Dazu gehört insbesondere die ordnungsgemäße Durchführung der bewilligten Bildungsmaßnahme, die ordnungsgemäße Dokumentation des Teilnahmenachweises und die rechtzeitige Mitteilung über etwaige Änderungen (z.B. Abbruch der Maßnahme, Krankheit des Arbeitnehmers, Beendigung des Arbeitsverhältnisses). Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, aktiv und regelmäßig an der Qualifizierung teilzunehmen und etwaige Fehlzeiten ordnungsgemäß zu begründen. Insbesondere bestehen Meldepflichten bei krankheitsbedingter Abwesenheit oder sonstigen Hinderungsgründen. Verletzungen dieser Mitwirkungspflichten können zum Entzug oder zur Rückforderung des Qualifizierungsgeldes führen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind weiterhin verpflichtet, der Agentur für Arbeit Auskünfte zu erteilen und Prüfungen zuzulassen.

Unter welchen rechtlichen Voraussetzungen kann das Qualifizierungsgeld ganz oder teilweise versagt oder zurückgefordert werden?

Eine Versagung oder Rückforderung des Qualifizierungsgeldes ist rechtlich vorgesehen, wenn die Anspruchsvoraussetzungen nachweislich nicht oder nicht mehr vorliegen (§ 82a Abs. 4, SGB III i.V.m. §§ 45, 48, 50 SGB X). So erfolgt eine vollständige oder anteilige Rückforderung insbesondere, wenn der Arbeitnehmer nicht oder nicht ausreichend an der Maßnahme teilnimmt, entweder ohne triftigen Grund aus der Qualifizierung ausscheidet oder bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Falschangabe im Antragsverfahren. Auch Änderungen beim Beschäftigungsverhältnis (wie Kündigung oder Ruhen des Arbeitsverhältnisses), die nicht rechtzeitig angezeigt werden, führen zur Rückforderung. Der Bescheid der Agentur für Arbeit kann darüber hinaus mit Nebenbestimmungen versehen sein, deren Nichtbeachtung ebenfalls zur Rückforderung führen kann. Die Agentur für Arbeit ist befugt, zu Unrecht gezahltes Qualifizierungsgeld rückwirkend bis zu vier Jahre zurückzufordern.

Wie gestaltet sich der rechtliche Schutz bei Streitigkeiten über das Qualifizierungsgeld?

Für Streitigkeiten in Zusammenhang mit dem Qualifizierungsgeld ist nach § 51 Abs. 1 Nr. 4 SGG die Sozialgerichtsbarkeit zuständig. Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Agentur für Arbeit – insbesondere Ablehnungs-, Rückforderungs- oder Aufhebungsbescheide – können innerhalb eines Monats nach Zustellung in Form eines Widerspruchs bei der entscheidenden Agentur für Arbeit eingelegt werden. Sollte dem Widerspruch nicht stattgegeben werden, steht der Klageweg zum Sozialgericht offen. Während des laufenden Rechtsbehelfsverfahrens besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Auszahlung des strittigen Betrages, es sei denn, das Gericht ordnet die aufschiebende Wirkung an oder ergeht eine einstweilige Anordnung. In der gerichtlichen Auseinandersetzung werden sowohl materielle Anspruchsvoraussetzungen als auch Verfahrensfehler geprüft.

Welche Pflichten zur Aufbewahrung und Vorlage von Nachweisen bestehen rechtlich im Zusammenhang mit dem Qualifizierungsgeld?

Arbeitgeber sind nach § 82a Abs. 3 SGB III in Verbindung mit den einschlägigen Verwaltungsvorschriften verpflichtet, sämtliche für den Bezug von Qualifizierungsgeld relevanten Unterlagen, insbesondere Vereinbarungen, Dokumentationen und Teilnahmenachweise, für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren aufzubewahren und auf Verlangen der Agentur für Arbeit vorzulegen. Gleiches gilt für Abrechnungen und Zahlungsnachweise. Verstöße gegen diese Aufbewahrungspflichten können zum Widerruf des Bewilligungsbescheids sowie zur strafrechtlichen Verfolgung bei Verdacht auf Subventions- oder Betrugsdelikte führen. Arbeitnehmer sind verpflichtet, Teilnahmebescheinigungen und etwaige ergänzende Unterlagen ebenso vorzuhalten und bei Aufforderung einzureichen.