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Quälen von Tieren


Definition und Begriffserklärung: Quälen von Tieren

Das Quälen von Tieren bezeichnet jede Handlung, die bestimmt ist, einem Tier ohne vernünftigen Grund erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen. Dieser Begriff ist rechtlich klar definiert und spielt Eine zentrale Rolle im Tierschutzrecht in Deutschland, Österreich, der Schweiz sowie im europäischen Kontext. Unter dem Quälen versteht man eine missbräuchliche Einwirkung auf das Tierwohl, die sich sowohl aktiv (durch Tun) als auch passiv (durch Unterlassen) ausdrücken kann.

Rechtliche Grundlagen in Deutschland

Überblick: Tierschutzgesetz (TierSchG)

Das Quälen von Tieren ist in Deutschland explizit durch das Tierschutzgesetz (TierSchG) geregelt. Ziel des Gesetzes ist es, das Leben und das Wohlbefinden des Tieres als Mitgeschöpf zu schützen und dessen Empfindungsvermögen angemessen zu berücksichtigen.

Strafbarkeit und Ordnungswidrigkeiten

Nach § 17 TierSchG ist es verboten, einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen. Wer diesem Verbot zuwiderhandelt, begeht entweder eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit, abhängig vom Schweregrad der Tat.

§ 17 TierSchG – Strafvorschrift

Demnach macht sich strafbar, wer ein Wirbeltier

  • aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt,
  • länger anhaltenden oder sich wiederholenden Schmerzen oder Leiden aussetzt,
  • oder das Tier ohne vernünftigen Grund tötet.

Die Strafe reicht bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe.

Ordnungswidrigkeiten (§ 18 TierSchG)

Weniger gravierende Verstöße, wie zum Beispiel leichte Vernachlässigung oder das Unterlassen notwendiger Pflege, werden als Ordnungswidrigkeiten geahndet und können mit Geldbußen bis zu 25.000 Euro belegt werden.

Begriffserklärung: Schmerzen, Leiden, Schäden

Für die rechtliche Einordnung ist entscheidend, wie die Begriffe Schmerzen, Leiden und Schäden definiert werden:

  • Schmerzen: Körperliche Beeinträchtigungen, die von sensorischen Reizen ausgehen und für das Tier unangenehm bis unerträglich sind.
  • Leiden: Länger andauernde, intensive Beeinträchtigungen des Wohlbefindens, die nicht unbedingt an Schmerzen gekoppelt sein müssen, etwa Angst, Stress oder Hunger.
  • Schäden: Einwirkungen, die zum Verlust oder zur dauerhaften Beeinträchtigung einer Körperfunktion führen.

Der „vernünftige Grund“

Nicht jede Einwirkung auf das Tierwohl ist strafbar. Die Maßnahme ist nur verboten, wenn kein sogenannter „vernünftiger Grund“ vorliegt. Ein vernünftiger Grund liegt beispielsweise bei tierärztlich notwendigen Eingriffen, bestimmten Zuchtmaßnahmen oder dem Schlachten zur Lebensmittelgewinnung vor, sofern die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden.

Quälen von Tieren im europäischen und internationalen Recht

Europäische Union

Die Europäische Union erkennt Tiere als fühlende Wesen an (Artikel 13 AEUV). Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, dem Schutz der Tiere im Rahmen der Gesetzgebung, Verwaltung und Politikgestaltung in vollem Umfang Rechnung zu tragen. Richtlinien und Verordnungen, etwa zur Haltung von Nutztieren, legen Mindeststandards fest, um Quälerei und Misshandlung vorzubeugen.

Schweiz und Österreich

In der Schweiz regelt das Tierschutzgesetz (TSchG), in Österreich das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz). Beide Länder definieren „Quälen“ ebenfalls als das Zufügen von Schmerzen, Leiden oder Schäden ohne vernünftigen Grund und stellen dieses Verhalten ebenfalls unter Strafe.

Rechtliche Auslegung und Praxis

Tatbestand und Nachweis

Der Nachweis einer Quälerei erfordert im Strafprozess Beweise für die Misshandlung oder Vernachlässigung. Sachverständige (z. B. Tierärzte) werden regelmäßig zur Beurteilung der Verletzungen oder Leiden herangezogen.

Abgrenzung zu artgerechter Tierhaltung

Nicht jede Unannehmlichkeit oder Belastung ist rechtlich zu beanstanden. Eine gewisse Belastbarkeit des Tieres (z. B. kurzfristiger Transportstress) ist rechtlich zulässig, solange keine erhebliche und dauerhafte Beeinträchtigung vorliegt. Maßstab ist stets der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zum artgemäßen Verhalten und Empfindungsvermögen der jeweiligen Tierart.

Sonderfälle: Versuch, Unterlassen, Fahrlässigkeit

Auch das Unterlassen von Schutz- oder Pflegemaßnahmen kann den Tatbestand des Quälens erfüllen. Ebenso ist der Versuch strafbar, etwa wenn eine Tierquälerei unmittelbar bevorsteht, aber nicht vollendet wird. Fahrlässige Handlungen unterliegen in der Regel den Ordnungswidrigkeiten, nicht jedoch der Strafbarkeit nach § 17 TierSchG.

Rechtsfolgen und Sanktionen

Sanktionen im Überblick

  • Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bei besonders schwerwiegenden Fällen.
  • Bußgelder bis zu 25.000 Euro.
  • Tierhaltungsverbot: Die Behörde kann ein Tierhaltungs- oder Betreuungsverbot anordnen.
  • Einziehung des Tieres: Im Regelfall kann das Tier einem neuen Halter zugeführt werden, wenn dem bisherigen Halter das Wohl des Tieres dauerhaft nicht sichergestellt werden kann.

Zivilrechtliche Folgen

Neben strafrechtlichen Sanktionen sind auch zivilrechtliche Ansprüche denkbar, zum Beispiel Schadensersatzansprüche wegen Tierquälerei.

Prävention und Durchsetzung

Überwachung und Kontrolle

Die Einhaltung der tierschutzrechtlichen Bestimmungen wird von den Ordnungsbehörden, Veterinärämtern sowie der Polizei überwacht. Meldungen aus der Bevölkerung und Kontrollen in landwirtschaftlichen Betrieben oder Tierhaltungen sind wesentliche Instrumente zur Aufdeckung von Verstößen.

Meldepflichten

Tierärzte und Mitarbeiter in Tierheimen unterliegen in vielen Fällen einer Meldepflicht, wenn sie Verdachtsfälle von Tierquälerei feststellen.

Zusammenfassung

Das Quälen von Tieren stellt einen klar definierten Verstoß gegen das Tierschutzgesetz und ähnliche Regelwerke im europäischen und internationalen Raum dar. Rechtlich betrachtet wird jede vorsätzliche oder grob fahrlässige Zufügung erheblicher Schmerzen, Leiden oder Schäden an Tieren sanktioniert, sofern kein vernünftiger Grund vorliegt. Die konsequente Ahndung und Prävention dienen dem Schutz des Tieres als Mitgeschöpf und spiegeln die ethischen und gesellschaftlichen Werte wider, die dem modernen Tierschutzrecht zugrunde liegen.

Häufig gestellte Fragen

Welche Strafen drohen bei der Misshandlung oder Quälerei von Tieren nach deutschem Recht?

Wer ein Tier ohne vernünftigen Grund quält, ihm erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt oder es gar tötet, macht sich nach § 17 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) strafbar. Die Strafe kann eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe sein. Dabei ist es unerheblich, ob die Handlung vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen wird. Besonders schwere Fälle, beispielsweise wenn ein Tier aus Rohheit oder länger andauernd gequält wird, werden in der Regel mit höheren Strafen geahndet. Zusätzlich kann das Gericht ein Tierhalteverbot aussprechen und die Einziehung der Tiere anordnen. Die Ahndung erfolgt durch die Strafgerichte; daneben können auch Bußgelder von den Verwaltungsbehörden verhängt werden.

Wann gilt das Quälen eines Tieres als Ordnungswidrigkeit?

Nicht jede Form der Misshandlung eines Tieres stellt direkt eine Straftat dar. Leichtere Verstöße gegen das Tierschutzgesetz, wie beispielsweise die Nichtbeachtung von Haltungsvorschriften oder das Unterlassen notwendiger Pflegemaßnahmen, sind gemäß § 18 TierSchG als Ordnungswidrigkeit eingestuft. Diese können mit einer Geldbuße bis zu 25.000 Euro geahndet werden. Ob eine Ordnungswidrigkeit oder bereits eine Straftat vorliegt, hängt oft vom Ausmaß der Schmerzen, Leiden oder Schäden ab, die dem Tier zugefügt wurden. Die Entscheidung darüber trifft die zuständige Behörde oder das Gericht im Einzelfall.

Wer darf eine Anzeige wegen Tierquälerei erstatten?

Grundsätzlich kann jede Person, die Kenntnis von einer Tierquälerei erhält, eine Anzeige bei der Polizei, dem Veterinäramt oder direkt bei der Staatsanwaltschaft erstatten. Es ist nicht erforderlich, dass die anzeigende Person direkt betroffen ist oder das Tier selbst besitzt. Die Behörde ist verpflichtet, jedem Hinweis nachzugehen, insbesondere wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Quälerei vorliegen. Anonyme Meldungen sind ebenfalls möglich, wenngleich eine namentliche Anzeige von Vorteil ist, falls Rückfragen oder Zeugenaussagen notwendig werden.

Welche Rolle spielen Veterinärämter im Zusammenhang mit Tierquälerei?

Veterinärämter sind die unmittelbar zuständigen Behörden für die Kontrolle und Durchsetzung des Tierschutzgesetzes auf kommunaler Ebene. Sie haben das Recht, unangekündigte Kontrollen durchzuführen, Tiere in augenscheinlich schlechten Haltungsbedingungen zu beschlagnahmen und Haltern Auflagen zu erteilen oder die Tierhaltung zu untersagen. Bei festgestellten Verstößen können sie nicht nur ordnungsrechtliche Maßnahmen wie Verwarnungen oder Bußgelder verhängen, sondern auch Strafanzeigen an die Polizei oder Staatsanwaltschaft weiterleiten. Darüber hinaus beraten sie Tierhalter und sensibilisieren für artgerechte Tierhaltung.

Welche gesetzlichen Ausnahmen vom Verbot der Tierquälerei gibt es?

Das Tierschutzgesetz sieht bestimmte Ausnahmen vor, in denen Eingriffe oder Handlungen am Tier zulässig sind, etwa wenn sie durch „vernünftigen Grund“ gerechtfertigt sind. Beispiele hierfür sind medizinisch notwendige Behandlungen, tierschutzgerechte Tötungen im Rahmen der Lebensmittelproduktion oder jagdrechtlich geregelte Eingriffe. Auch die klassische Nutztierhaltung und -nutzung ist unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, solange sie nach den Vorschriften des Tierschutzgesetzes erfolgt. Ein vernünftiger Grund liegt beispielsweise nicht vor, wenn Eingriffe aus reiner Bequemlichkeit oder aus wirtschaftlichem Ehrgeiz erfolgen, ohne dass dem Tierwohl Rechnung getragen wird.

Können auch Unternehmen oder Vereine für Tierquälerei haftbar gemacht werden?

Neben natürlichen Personen können auch juristische Personen, also Unternehmen, Verbände oder Vereine, zur Verantwortung gezogen werden, wenn innerhalb ihrer Sphäre Tierschutzverstöße begangen werden. Gemäß § 30 und § 130 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) kann gegen diese eine Geldbuße verhängt werden, wenn Leitungsorgane die Zuwiderhandlungen begangen oder nicht unterbunden haben. In besonders schweren Fällen kann zudem ein Tierhalte- oder Betätigungsverbot für das Unternehmen oder den Verein ausgesprochen werden. Die Verantwortung erstreckt sich auch auf verantwortliche Angestellte oder Mitglieder, soweit diese die Ordnungswidrigkeit oder Straftat zu vertreten haben.

Wie läuft ein Ermittlungsverfahren wegen Tierquälerei ab?

Nach Eingang einer Anzeige oder einem behördlichen Hinweis leitet die Polizei bzw. die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren ein. In dessen Verlauf werden Zeugen befragt, Beweise gesichert (z.B. Fotos, Gutachten von Amtstierärzten) und der Verdächtigte angehört. Veterinärämter können im Rahmen dieses Verfahrens unterstützend tätig werden, insbesondere bei der fachlichen Bewertung der Tierhaltung bzw. der gesundheitlichen Verfassung der Tiere. Nach Abschluss der Ermittlungen entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob Anklage erhoben, ein Strafbefehl beantragt oder das Verfahren eingestellt wird. Wird Anklage erhoben, folgt ein Strafverfahren vor dem zuständigen Amts- oder Landgericht.