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Psychosozialer Prozessbegleiter


Begriff und Einordnung: Psychosozialer Prozessbegleiter

Der Begriff Psychosozialer Prozessbegleiter bezeichnet eine Person, die in Strafverfahren besonders schutzbedürftigen Geschädigten und Zeuginnen beziehungsweise Zeugen (insbesondere Kindern, Jugendlichen sowie traumatisierten Erwachsenen) professionelle Unterstützung und Betreuung während des gesamten Strafprozesses bietet. Die psychosoziale Prozessbegleitung ist ein rechtlich geregeltes Unterstützungssystem, das wesentlich dazu beiträgt, die Belastungen der Beteiligten im Gerichtsverfahren zu verringern und ihre Rechte im Strafprozess zu sichern.

Rechtlicher Hintergrund und gesetzliche Grundlagen

Die psychosoziale Prozessbegleitung ist in Deutschland durch das Gesetz zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren (sog. 3. Opferrechtsreformgesetz) seit dem 1. Januar 2017 geregelt. Maßgebliche Bestimmungen finden sich insbesondere in den §§ 406g und 406h der Strafprozessordnung (StPO) sowie in den jeweiligen Psychosoziale-Prozessbegleitungsgesetzen der Bundesländer und entsprechenden Verwaltungsvorschriften.

§ 406g StPO legt die Voraussetzungen für die Bestellung fest. Anspruchsberechtigt sind insbesondere Opfer schwerer Straftaten (zum Beispiel Sexualdelikte, schwere Gewaltverbrechen) sowie deren Angehörige. Die Prozessbegleitung kann auf Antrag durch das Gericht bei besonderen Schutzbedürfnissen bestellt werden.

Gemäß § 397a StPO kann in diesen Fällen zudem ein Anspruch auf Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters auf Kosten der Staatskasse bestehen.

Ziele und Aufgabenbereiche

Die psychosoziale Prozessbegleitung umfasst folgende Kernaufgaben:

  • Information: Aufklärung über Rechte und Abläufe im Strafverfahren, Erläuterung juristischer Begriffe und Gerichtspraxis
  • Unterstützung: Psychosoziale Unterstützung in den verschiedenen Verfahrensphasen, Stabilisierung in Krisensituationen
  • Präsenz: Begleitung zu Terminen bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht, gegebenenfalls bei richterlichen Vernehmungen und Hauptverhandlungen
  • Schutz: Sicherstellung des Schutzes der Betroffenen vor weiterer Belastung oder Retraumatisierung

Wichtig ist dabei: Die psychosoziale Prozessbegleitung tritt ohne eigene rechtliche Vertretungsfunktion auf. Sie ersetzt weder die Verteidigung noch den rechtlichen Beistand, sondern ist eine zusätzliche unterstützende Instanz.

Voraussetzungen und Qualifikation von Psychosozialen Prozessbegleitern

Persönliche Eignung und Qualifikationsanforderungen

Psychosoziale Prozessbegleiter agieren auf Grundlage umfassender psychosozialer und rechtlicher Kenntnisse. Die Anforderungen an die Qualifikation werden durch die Justizministerien der Länder festgelegt. Vorausgesetzt werden meist:

  • Abgeschlossene Ausbildung bzw. Studium im sozialen, psychologischen oder pädagogischen Bereich
  • Zusatzqualifikation in fachlicher und methodischer Hinsicht, erworben durch spezielle Fortbildungsprogramme
  • Kenntnisse zu strafrechtlichen Verfahrensabläufen, Opferschutz und -rechte
  • Persönliche Eignung, insbesondere Einfühlungsvermögen, Stressresistenz sowie die Fähigkeit zur Wahrung von Neutralität und Vertraulichkeit

Einzelne Bundesländer führen Verzeichnisse qualifizierter psychosozialer Prozessbegleiter. Die Aufnahme in diese Listen ist mit der nachgewiesenen Einhaltung entsprechender Qualitätsstandards verbunden.

Schweigepflicht und Zeugnisverweigerungsrecht

Ein zentrales Element der Tätigkeit ist die gesetzlich normierte Verschwiegenheit (§ 406h StPO). Psychosoziale Prozessbegleiter unterliegen der Verschwiegenheitspflicht und haben ein Zeugnisverweigerungsrecht über alle ihnen in Ausübung ihrer Tätigkeit anvertrauten Tatsachen. Diese Regelung dient dem wirksamen Schutz der Betroffenen.

Bestellung und Kostenübernahme

Beantragung und gerichtliche Bestellung

Die Bestellung eines psychosozialen Prozessbegleiters erfolgt in aller Regel auf Antrag durch die geschädigte Person bzw. deren gesetzlichen Vertreter beim zuständigen Gericht. Das Gericht prüft, ob die Voraussetzungen des § 406g StPO vorliegen und eine besondere Schutzbedürftigkeit besteht. Beispielsweise ist bei Sexualdelikten gegen Minderjährige oder schwerer Gewalt gegen enge Angehörige in der Regel von einem besonderen Schutzbedarf auszugehen.

Die Bestellung erfolgt durch formellen gerichtlichen Beschluss für den gesamten oder einen bestimmten Abschnitt des Strafverfahrens.

Finanzierung und Kostenregelung

Die Kosten für bestellte psychosoziale Prozessbegleiter werden bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen aus der Staatskasse getragen. Die Einzelheiten der Abrechnung regeln die jeweiligen Landesjustizverwaltungen.

Nicht in Rechnung gestellt werden dürfen Hilfs- oder Beratungstätigkeiten, die außerhalb der eigentlichen Prozessbegleitung im Sinne von § 406g StPO liegen. Die genaue Vergütung und die Erstattungsfähigkeit sind durch länderspezifische Regelungen konkretisiert.

Rechtliche Abgrenzung zu anderen Rollen im Strafprozess

Psychosoziale Prozessbegleiter sind deutlich zu unterscheiden von anderen im Strafverfahren tätigen Personen:

  • Sie übernehmen keine Rechtsvertretung und treffen keine eigenständigen rechtlichen Entscheidungen.
  • Sie arbeiten ergänzend zum gesetzlichen Beistand und anderen Unterstützungsleistungen für Geschädigte, insbesondere im Kinder- und Jugendschutz.
  • Ihre Tätigkeit ist auf die Stabilisierung, Information und Unterstützung der betroffenen Personen ausgerichtet.

Bedeutung und Auswirkungen der Psychosozialen Prozessbegleitung

Die psychosoziale Prozessbegleitung leistet einen wichtigen Beitrag zum Opferschutz im Strafverfahren. Sie trägt dazu bei, einer eventuellen sekundären Viktimisierung vorzubeugen, das subjektive Sicherheitsempfinden zu stärken und einen vollständigen Zugang zum Recht zu ermöglichen. Damit ist die psychosoziale Prozessbegleitung heute ein elementarer Bestandteil moderner Opferrechte in Deutschland und anderen europäischen Staaten.

Literatur, Weblinks und weiterführende Informationen

  • §§ 406g, 406h, 397a Strafprozessordnung (StPO)
  • Gesetz zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren (3. Opferrechtsreformgesetz)
  • Informationen der Landesjustizverwaltungen und Listen qualifizierter psychosozialer Prozessbegleiter

Hinweis: Der Artikel bietet einen Überblick zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und Praxis der psychosozialen Prozessbegleitung in Deutschland und richtet sich vorrangig an Personen, die vertiefte Informationen zur Rolle und zum rechtlichen Status psychosozialer Prozessbegleiter suchen.

Häufig gestellte Fragen

Unter welchen Voraussetzungen kann eine psychosoziale Prozessbegleitung beantragt werden?

Eine psychosoziale Prozessbegleitung kann grundsätzlich dann beantragt werden, wenn Betroffene besonders belastender Straftaten – insbesondere Sexualdelikte, schwere Gewalt- und Tötungsdelikte – Unterstützung im Strafverfahren benötigen. Die genauen Voraussetzungen sind im § 406g Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Die Beantragung erfolgt meist über die Staatsanwaltschaft oder das Gericht und ist vor allem für besonders schutzbedürftige Opfer, wie Minderjährige, Menschen mit Behinderung oder solche mit schweren psychischen Belastungen vorgesehen. Auch die Möglichkeit, dass die Begleitung auf Kosten der Staatskasse gewährt wird, ist gesetzlich geregelt. Der Umfang und die Erforderlichkeit der Prozessbegleitung werden unter Berücksichtigung des individuellen Bedarfs der betroffenen Person geprüft.

Welche rechtliche Stellung hat ein psychosozialer Prozessbegleiter im Strafverfahren?

Der psychosoziale Prozessbegleiter ist eine von anderen Verfahrensbeteiligten, wie etwa Beiständen oder Rechtsanwälten, klar abzugrenzende Verfahrensperson. Er/sie ist keine Partei und fungiert auch nicht als Rechtsvertreter des Opfers, sondern hat ausschließlich unterstützende und begleitende Funktionen. Rechtlich ist ausdrücklich ausgeschlossen, dass psychosoziale Prozessbegleiter Verfahrenshandlungen vornehmen, etwa Anträge stellen oder die Aussage verweigern dürfen. Sie sind weder Zeugen noch Sachverständige. Ihr Tätigkeitsrahmen ergibt sich unmittelbar aus der StPO, insbesondere aus dem § 406g, und ist auf die persönliche Unterstützung und Stabilisierung des Opfers gerichtet, ohne Einfluss auf gerichtliche oder staatsanwaltschaftliche Entscheidungen zu nehmen.

In welchem Umfang dürfen psychosoziale Prozessbegleiter an Gerichtsverhandlungen teilnehmen?

Psychosoziale Prozessbegleiter haben gemäß § 406g Abs. 2 StPO das Recht, an sämtlichen Vernehmungen und Hauptverhandlungen teilzunehmen, die das Opfer betreffen – das schließt auch polizeiliche Vernehmungen und Termine außerhalb der eigentlichen Hauptverhandlung ein. Allerdings kann das Gericht in Ausnahmefällen die Anwesenheit einschränken, falls dies aus besonderen Gründen erforderlich erscheint (zum Beispiel zur Wahrung von Verfahrensinteressen oder der Rechte anderer Beteiligter). Grundsätzlich dient das Anwesenheitsrecht dazu, dem Opfer zusätzliche Sicherheit und kontinuierliche Unterstützung im gesamten Strafverfahren zu gewähren.

Wie erfolgt die Auswahl und Bestellung eines psychosozialen Prozessbegleiters?

Die Auswahl und Bestellung eines psychosozialen Prozessbegleiters erfolgt nach Antragstellung durch das Gericht oder die Staatsanwaltschaft. Es bestehen spezielle Listen und Register qualifizierter Fachkräfte, die regelmäßig durch die Landesjustizverwaltungen geführt werden. Die Anforderungen an die Qualifikation und Fortbildung sind bundes- sowie landesrechtlich geregelt. Die Bestellung erfolgt durch einen gerichtlichen oder behördlichen Beschluss, in dem die Person des Begleiters und der Umfang der Begleitung verbindlich festgelegt werden. Es ist auch möglich, Wünsche des Opfers bezüglich einer bestimmten Begleiterin/eines bestimmten Begleiters zu berücksichtigen, sofern keine zwingenden Gründe entgegenstehen.

Welche Kosten entstehen und wie erfolgt die Kostentragung?

Im Falle einer gerichtlichen oder staatsanwaltlichen Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters gemäß § 406g StPO werden die Kosten grundsätzlich von der Staatskasse übernommen. Das umfasst sowohl die Vergütung für die Tätigkeit der Prozessbegleitung im Rahmen der gesetzlichen Regelungen als auch notwendige Auslagen, wie Fahrtkosten oder Tagegelder. Die genaue Höhe der Vergütung richtet sich nach gesetzlichen bzw. landesrechtlichen Bestimmungen (z. B. Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz). Die Übernahme der Kosten ist an die gerichtliche oder behördliche Bestellung und bestimmte Straftatbestände beziehungsweise Opfergruppen gekoppelt. Eine eigenständige oder doppelte Abrechnung ist ausgeschlossen.

Besteht für Opfer ein Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung?

Ein unmittelbarer Rechtsanspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung besteht für besonders schutzbedürftige Opfergruppen, wie etwa Minderjährige, Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen oder Opfer von bestimmten besonders schweren Delikten (§ 406g Abs. 3 StPO). In anderen Fällen kann eine Prozessbegleitung im Ermessen des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft bewilligt werden, sofern besondere Umstände vorliegen und ein erhöhter Unterstützungsbedarf erkennbar ist. Die Entscheidung ist an rechtliche Vorgaben gebunden und in jedem Einzelfall zu prüfen.

Unterliegt der psychosoziale Prozessbegleiter einer Schweigepflicht?

Psychosoziale Prozessbegleiter unterliegen einer spezialgesetzlich geregelten Schweigepflicht (§ 406g Abs. 4 StPO). Alle im Zusammenhang mit der Prozessbegleitung erlangten Informationen dürfen nicht an Dritte weitergegeben werden, sofern nicht eine ausdrückliche Entbindung durch die betroffene Person oder eine gesetzliche Offenbarungspflicht besteht. Diese Verschwiegenheitspflicht gilt sowohl während der Prozessbegleitung als auch nach deren Abschluss und dient dem Schutz der Privatsphäre und der Integrität der unterstützten Personen. Verstöße können disziplinar- und strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.