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Psychiatrische Verfügung


Psychiatrische Verfügung: Definition und rechtliche Grundlagen

Die psychiatrische Verfügung ist ein rechtliches Instrument, das Einzelpersonen ermöglicht, im Voraus Anordnungen und Wünsche bezüglich ihrer Behandlung im Rahmen der psychiatrischen Versorgung festzulegen. Damit sichert die psychiatrische Verfügung die Selbstbestimmung und die Patientenautonomie auch für den Fall, dass die Entscheidungsfähigkeit durch eine psychische Erkrankung zeitweise eingeschränkt oder aufgehoben ist.

Allgemeine Bedeutung und Rechtsnatur

Die psychiatrische Verfügung stellt eine Unterform der Patientenverfügung dar; sie ist jedoch spezifisch auf Situationen und Maßnahmen im Bereich der psychiatrischen Behandlung zugeschnitten. Ihre rechtliche Grundlage findet sie in Deutschland insbesondere im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), das die Rahmenbedingungen für die Patientenverfügung in den §§ 1901a ff. BGB regelt. Sie steht weiterhin im Kontext des Betreuungsrechts, des Psychisch-Kranken-Gesetzes (PsychKG) der Bundesländer und, je nach Einzelfall, des Straf- und Haftungsrechts.

Zielsetzung und Anwendungsbereiche

Eine psychiatrische Verfügung richtet sich primär an behandelnde Fachkräfte der Psychiatrie und Betreuungsbehörden. Sie ist darauf ausgerichtet, dass die Wünsche des Betroffenen zur Behandlung, insbesondere während psychischer Krisen, beachtet und respektiert werden. Typische Anwendungsbereiche sind:

  • Art und Umfang medizinischer Maßnahmen (z. B. Zustimmung oder Ablehnung bestimmter Medikamente)
  • Festlegungen zur Wahl von Kliniken oder Therapieformen
  • Wünsche zum Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen
  • Festlegung von Kontaktpersonen und Informationsrechten
  • Zustimmung bzw. Ablehnung invasiver oder nicht-invasiver Zwangsmaßnahmen

Inhaltliche Ausgestaltung

Formale Anforderungen

Gemäß § 1901a BGB muss die psychiatrische Verfügung schriftlich abgefasst sein. Der Verfasser muss zum Zeitpunkt der Errichtung volljährig und einwilligungsfähig sein. Eine notarielle Beglaubigung und die Anwesenheit von Zeugen sind für die Wirksamkeit nicht erforderlich, allerdings empfehlenswert zur Sicherheit der Beweiskraft.

Inhaltliche Reichweite

Die psychiatrische Verfügung kann Festlegungen allgemeiner und konkreter Art enthalten. Sie kann spezifische medizinische Maßnahmen ausdrücklich untersagen oder verlangen und hierzu auch Bedingungen formulieren. Ebenso kann sie Wünsche zum Umgang mit bestimmten Krisensituationen, begleitenden Maßnahmen sowie zur Einbindung von Vertrauenspersonen enthalten.

Ergänzende Bestimmungen

Eine psychiatrische Verfügung kann mit einer Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung verknüpft werden. Dadurch kann eine benannte Person bevollmächtigt werden, im Falle der eigenen Einwilligungsunfähigkeit Entscheidungen im Sinne der Verfügung zu treffen oder deren Umsetzung zu überprüfen.

Rechtswirkung und Durchsetzung

Bindungswirkung für Behandelnde

Die psychiatrische Verfügung entfaltet grundsätzlich unmittelbare Bindungswirkung für behandelnde Personen und Einrichtungen, solange die festgelegten Wünsche einen rechtlich zulässigen Rahmen einhalten und der aktuelle Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse beachtet wird. Einschränkungen der Bindungswirkung gelten, wenn akute Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegt und gesetzliche Regelungen, beispielsweise nach dem Psychisch-Kranken-Gesetz (PsychKG), Vorrang erhalten.

Verhältnis zu Zwangsmaßnahmen

Im Ausnahmefall kann eine psychiatrische Verfügung auch während Unterbringungsmaßnahmen, beispielsweise bei einer Zwangseinweisung nach PsychKG, Berücksichtigung finden. Die Berücksichtigungspflicht besteht jedoch insoweit, als dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung von Zwangsmaßnahmen sowie das Prinzip der Verhältnismäßigkeit beachtet werden.

Befristung und Widerruf

Psychiatrische Verfügungen sind grundsätzlich unbefristet gültig, sofern sie nicht vom Aussteller widerrufen oder durch eine aktuellere Verfügung ersetzt werden. Ein Widerruf kann formlos erfolgen und ist jederzeit möglich, solange der Aussteller einwilligungsfähig ist.

Praktische Umsetzung und Geltungsbereich

Erstellung und Ablage

In der Praxis empfiehlt sich die Hinterlegung der psychiatrischen Verfügung bei einer Vertrauensperson, einer medizinischen Einrichtung, einem behandelnden Arzt oder beim zuständigen Amtsgericht. Ein entsprechender Hinweisausweis kann zusätzlich mitgeführt werden. Ferner besteht die Option, die Verfügung im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer anzumelden.

Bekanntgabe und Kommunikation

Es obliegt dem Aussteller, behandelnde Personen und Einrichtungen aktiv auf das Vorliegen einer psychiatrischen Verfügung hinzuweisen, um die Berücksichtigung zu gewährleisten. Eine regelmäßige Aktualisierung der Inhalte ist im Hinblick auf den medizinischen Fortschritt und individuell veränderte Wünsche anzuempfehlen.

Besonderheiten im internationalen Vergleich

Die rechtliche Anerkennung und Ausgestaltung psychiatrischer Verfügungen unterscheiden sich innerhalb der Europäischen Union und weltweit erheblich. Während in Deutschland und der Schweiz die psychiatrische Verfügung ausdrücklich normiert ist, fehlt eine vergleichbare Regelung beispielsweise in vielen anderen Ländern. Das Recht auf Selbstbestimmung in psychiatrischen Behandlungssituationen wird international unterschiedlich gewichtet.

Fazit

Die psychiatrische Verfügung ist ein wirkungsvolles Instrument zur Wahrung der Selbstbestimmung bei psychischer Erkrankung und trägt zu einer bedürfnisorientierten und respektvollen Behandlung im psychiatrischen Versorgungskontext bei. Ihre rechtliche Bindungswirkung, der präventive Schutzcharakter sowie die Möglichkeit, eigene Wertvorstellungen und Präferenzen verbindlich im Voraus festzulegen, machen sie zu einem zentralen Bestandteil der individuellen Vorsorgeplanung im Gesundheitswesen.

Häufig gestellte Fragen

Wie wird die Wirksamkeit einer psychiatrischen Verfügung rechtlich sichergestellt?

Die Wirksamkeit einer psychiatrischen Verfügung wird durch verschiedene gesetzliche und formale Anforderungen gewährleistet. In Deutschland regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), insbesondere § 1901a BGB, die Voraussetzungen an Patientenverfügungen, zu denen auch psychiatrische Verfügungen zählen. Damit eine psychiatrische Verfügung rechtsgültig ist, muss sie schriftlich verfasst sein, eigenhändig unterschrieben und eindeutig formuliert werden. Es besteht kein Formerfordernis für die notarielle Beglaubigung, jedoch erhöht eine solche Beglaubigung die Beweiskraft im Streitfall. Weiterhin ist es entscheidend, dass der Verfasser zum Zeitpunkt der Erstellung einwilligungsfähig war, also die Bedeutung und Tragweite seiner Verfügung erfassen konnte. Dies kann durch ein ärztliches Gutachten oder Zeugenaussagen im Zweifel belegt werden. Im Falle der Anwendung einer psychiatrischen Verfügung ist das medizinische Personal verpflichtet, zunächst die Wirksamkeit und die Gültigkeit der Verfügung zu prüfen, bevor Maßnahmen eingeleitet werden dürfen. Abschließend kann eine psychiatrische Verfügung jederzeit widerrufen oder geändert werden, solange die Einwilligungsfähigkeit vorliegt.

Welche formalen Anforderungen bestehen für die psychiatrische Verfügung im rechtlichen Sinne?

Die psychiatrische Verfügung muss in Deutschland schriftlich abgefasst werden. Eine eigenhändige Unterschrift ist zwingend erforderlich, um den Willen des Erklärenden zweifelsfrei zu dokumentieren (§ 1901a BGB). Eine notarielle oder ärztliche Beglaubigung ist nicht zwingend, wird jedoch häufig empfohlen, um spätere Zweifel hinsichtlich der Echtheit oder der Geschäftsfähigkeit des Verfassers bei Abgabe der Erklärung auszuräumen. Weiterhin muss die Verfügung klar formuliert sein, sodass der geäußerte Wille ohne Interpretationsspielraum eindeutig erkennbar ist. Unklare, widersprüchliche oder auslegungsbedürftige Formulierungen können die Verbindlichkeit der psychiatrischen Verfügung gefährden. Zusätzlich ist es ratsam, das Datum der Abfassung sowie Änderungen und Widerrufe zu dokumentieren, um die Aktualität der Verfügung nachzuweisen. Die rechtliche Gültigkeit setzt außerdem voraus, dass die einwilligungsfähige Person die Verfügung zum Zeitpunkt der Erstellung im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte verfasst hat.

Unter welchen Umständen ist die psychiatrische Verfügung für Ärzte und Betreuer bindend?

Für Ärzte und rechtliche Betreuer entfaltet die psychiatrische Verfügung in dem Umfang Bindungswirkung, wie es das geltende Recht vorsieht. Gemäß § 1901a BGB sind die Wünsche des Patienten, die in einer psychiatrischen Verfügung niedergelegt wurden, für den behandelnden Arzt und den rechtlichen Betreuer grundsätzlich verbindlich. Ausnahmen bestehen jedoch, wenn die darin geäußerten Wünsche gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen, etwa wenn sie auf unzulässige Maßnahmen, wie Zwangsbehandlungen ohne richterlichen Beschluss, abzielen oder den Ordre public (öffentliche Ordnung) verletzen würden. Ebenso sind die in der Verfügung festgehaltenen Regelungen dann nicht verpflichtend, wenn sich die Umstände seit Abfassung wesentlich geändert haben und anzunehmen ist, dass der Verfasser die Verfügung in Kenntnis der aktuellen Situation angepasst hätte. Im Zweifel muss ein Gericht über die Anwendung entscheiden. Die ärztliche Sorgfaltspflicht verlangt vor Umsetzung der Verfügung eine sorgfältige Prüfung der Authentizität, des aktuellen Willens und der individuellen Situation.

Welche rechtlichen Optionen bestehen, falls die psychiatrische Verfügung in einer akuten Krise missachtet wird?

Sollte eine psychiatrische Verfügung in einer akuten psychiatrischen Krise nicht beachtet werden, stehen dem Betroffenen oder einer bevollmächtigten Person rechtliche Schutzmechanismen zur Verfügung. In erster Linie kann bei Missachtung der Verfügung eine Beschwerde bei der zuständigen Betreuungsbehörde oder beim Betreuungsgericht eingereicht werden. Im Falle einer Zwangsmaßnahme ohne Beachtung der Verfügung ist zudem ein Antrag auf gerichtliche Überprüfung gemäß § 331 FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) möglich. Hierbei kann das Gericht überprüfen, ob die Maßnahme rechtens war oder ob eine Verletzung der Verfügung vorlag. Zusätzlich kann eine strafrechtliche Überprüfung erfolgen, falls Handlungen gegen den erklärten Willen erfolgen und dadurch die körperliche Unversehrtheit verletzt wird. Im Zivilrecht kann unter Umständen ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Person vorliegen. Betroffene sollten ihre Verfügung regelmäßig überprüfen und aktualisieren sowie Angehörige und Bevollmächtigte unterrichten, um eine bestmögliche Geltendmachung sicherzustellen.

Können psychiatrische Verfügungen im Rahmen einer gesetzlichen Betreuung eingeschränkt werden?

Eine psychiatrische Verfügung bleibt auch im Rahmen einer gesetzlichen Betreuung grundsätzlich wirksam, solange der Inhalt rechtlich zulässig ist und die betroffene Person bei Abfassung einwilligungsfähig war. Der Betreuer ist gesetzlich verpflichtet, die in der Verfügung niedergelegten Wünsche zu respektieren und umzusetzen (§ 1901 BGB). Eine Einschränkung durch den Betreuer ist nur insoweit möglich, wie die Verfügung gegen zwingende Rechtsnormen verstößt, gravierende Interessenkonflikte bestehen oder das Wohl des Betroffenen durch die Umsetzung offensichtlich gefährdet wäre (z.B. Lebensgefahr durch Ablehnung aller notwendigen Behandlungen). In solchen Fällen kann der Betreuer gemeinsam mit dem Arzt eine gerichtliche Klärung herbeiführen, um eine Ausnahme von der Bindung an die Verfügung herbeizuführen.

Wie wirkt sich eine psychiatrische Verfügung auf die Anordnung und Durchführung von Zwangsmaßnahmen aus?

Eine psychiatrische Verfügung kann konkrete Wünsche und Grenzen im Hinblick auf die Anwendung bzw. Ablehnung psychiatrischer Zwangsmaßnahmen enthalten. Rechtlich verpflichtend sind die Angaben, wenn sie klar, aktuell und auf die jeweilige Situation anwendbar sind. Grundsätzlich sind Zwangsbehandlungen in Deutschland nur zulässig, wenn sie das letzte Mittel darstellen und eine richterliche Genehmigung nach §§ 1906a, 1906 BGB oder nach dem jeweiligen Landesgesetz zur Unterbringung vorliegt. Die Verfügung kann einen Willen zur Ablehnung bestimmter Maßnahmen formulieren, der im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten zu berücksichtigen ist. Steht jedoch eine akute Selbst- oder Fremdgefährdung im Raum, kann eine richterlich angeordnete Maßnahme unabhängig von der Verfügung durchgeführt werden, sofern keine andere weniger eingreifende Möglichkeit besteht. Dabei ist stets eine sorgfältige Prüfung und Dokumentation erforderlich, ob die Durchführung einer Zwangsmaßnahme gegen den erklärten Willen in der Verfügung ausnahmsweise rechtlich zulässig ist.

Welche Möglichkeiten zur Änderung oder zum Widerruf einer psychiatrischen Verfügung bestehen?

Jede psychiatrische Verfügung kann jederzeit formfrei widerrufen oder geändert werden, solange die einwilligungsfähige Person dies ausdrücklich will und kommuniziert. Ein Widerruf kann sowohl schriftlich als auch mündlich erfolgen; es empfiehlt sich jedoch die schriftliche Dokumentation zum Nachweis des aktuellen Willens. Bei Änderungen ist zu beachten, dass die neue Fassung wiederum schriftlich vorliegt, unterschrieben und datiert ist. Alte Versionen sollten als ungültig gekennzeichnet oder vernichtet werden, um Missverständnisse zu vermeiden. Im Fall von Zweifel über die Einwilligungsfähigkeit bei Widerruf oder Änderung können ärztliche Gutachten zur Klärung herangezogen werden. Gültig ist stets die aktuellste, eindeutig abgefasste Erklärung.