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Prozesspfleger


Allgemeines zum Begriff Prozesspfleger

Der Prozesspfleger ist eine im deutschen Zivilprozessrecht vorgesehene Person, die zur Vertretung einer Partei im Zivilprozess von Amts wegen bestellt wird, wenn diese prozessunfähig oder aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen an der Wahrnehmung ihrer Rechte gehindert ist und kein gesetzlicher Vertreter vorhanden ist. Die Bestellung erfolgt durch das Gericht und dient in erster Linie dem Schutz der Prozessfähigkeit und dem effektiven Zugang zum Recht.

Der Prozesspfleger handelt im Interesse der prozessunfähigen oder verhinderten Partei und ist ein unbefangener, unabhängiger Vertreter, dessen Aufgabe darin besteht, die für das Verfahren notwendigen prozessualen Handlungen vorzunehmen. Grundsätzlich ist der Prozesspfleger ein Instrument des prozessualen Fairnessgebots, um sicherzustellen, dass alle Parteien ihre rechtlichen Belange wahren können.

Rechtliche Grundlagen

Zivilprozessrechtliche Regelungen

Der prozessuale Begriff des Prozesspflegers und dessen Einsatz ist vor allem in der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt. Die zentrale Norm hierfür bildet § 57 ZPO. Weitere einschlägige Vorschriften finden sich in den Regelungen zur Prozessfähigkeit (§§ 51 ff. ZPO) und den Vorschriften zur ordnungsgemäßen Vertretung einer Partei.

§ 57 ZPO – Bestellung eines Prozesspflegers

Gemäß § 57 ZPO ist das Gericht befugt, einen Prozesspfleger zu bestellen, „wenn infolge Ungewissheit über den Aufenthalt einer Partei eine Zustellung an ihn nicht erfolgen kann und auch ein gesetzlicher Vertreter nicht vorhanden ist“. Dies betrifft vor allem Fälle, in denen die betroffene Partei unbekannten Aufenthalts ist und infolgedessen nicht persönlich am Prozess teilnehmen oder sich vertreten lassen kann.

Unterscheidung zu anderen Verfahrensbeteiligungen

Der Prozesspfleger unterscheidet sich insbesondere vom Betreuer und vom Vormund. Während letztere im materiellen Recht für die allgemeine Vertretung einer Person zuständig sind, ist der Prozesspfleger spezifisch auf das konkrete Verfahren beschränkt und ausschließlich für die Wahrnehmung von Rechten und Pflichten in dem jeweiligen Prozess bestellt. Eine Überschneidung ist möglich, wenn eine Person, die prozessunfähig ist, keinen gesetzlichen Vertreter hat und daher, zusätzlich zum materiellen Vertreter, für die Prozessvertretung ein Prozesspfleger bestellt wird.

Voraussetzungen und Gründe der Bestellung

Notwendigkeit der Prozessvertreterbestellung

Ein Prozesspfleger wird immer dann benötigt, wenn:

  • eine an einem Zivilprozess beteiligte Partei nicht imstande ist, ihre Rechte selbst wahrzunehmen (z.B. wegen Unbekanntheit des Aufenthalts),
  • und kein gesetzlicher Vertreter vorhanden ist, der diese Aufgabe erfüllen könnte.

Antrag und Einleitung des Bestellungsverfahrens

Die Bestellung eines Prozesspflegers ist entweder von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten möglich. Das Gericht überprüft das Vorliegen der prozessrechtlichen Voraussetzungen eigenständig. Im Rahmen der Bestellung findet keine materiell-rechtliche Prüfung der Anspruchsgrundlage des Verfahrens statt.

Rechte und Pflichten des Prozesspflegers

Aufgabenbereich

Der Prozesspfleger hat die Aufgabe, im Verfahren für die betroffene Partei alle notwendigen prozessualen Handlungen vorzunehmen, insbesondere:

  • Entgegennahme und Abgabe von Prozesserklärungen (z.B. Klageerwiderungen, Rechtsmittel),
  • Teilnahme an Verhandlungen,
  • Vertretung der Partei gegenüber dem Gericht und anderen Beteiligten,
  • Wahrnehmung von Zustellungen und Fristen.

Die Vertretungsmacht des Prozesspflegers ist grundsätzlich auf das konkrete Verfahren beschränkt, für das er bestellt wurde.

Rechtsstellung und Unabhängigkeit

Der Prozesspfleger ist zur sachgerechten und loyalen Vertretung der hinderlichen Partei verpflichtet und unterliegt der Aufsicht des Gerichts. Er handelt unabhängig und ist ausschließlich den Interessen der prozessunfähigen oder verhinderten Partei verpflichtet. Weisungen von außen, etwa durch die Partei selbst, sind zu beachten, soweit sie der prozessualen Zielsetzung dienen und dem Schutzauftrag nicht entgegenstehen.

Beendigung der Tätigkeit

Das Amt des Prozesspflegers endet mit dem Abschluss des jeweiligen Verfahrens (z. B. durch rechtskräftige Entscheidung oder Erledigung der Sache). Daneben kann die Bestellung aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Bestellung nachträglich entfallen, beispielsweise durch das Auftauchen eines gesetzlichen Vertreters oder die Wiedererlangung der Prozessfähigkeit der Partei.

Vergütung und Kostentragung

Umfang der Vergütung

Der Prozesspfleger hat gemäß §§ 1915, 1836 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sowie nach dem Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz, VBVG) Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Diese richtet sich in der Praxis entweder nach gerichtlicher Festsetzung oder nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG), soweit der Pfleger Rechtsanwalt ist.

Kostenträger

Die Kosten für die Tätigkeit und Vergütung des Prozesspflegers sind Teil der Prozesskosten und werden grundsätzlich von der unterliegenden Partei getragen, analog zur allgemeinen Kostenregelung im Zivilprozess.

Abgrenzungen zu ähnlichen Institutionen

Unterschied zum gesetzlichen Vertreter

Der gesetzliche Vertreter (z. B. Eltern eines minderjährigen Kindes) besteht unabhängig von einem konkreten Verfahren und ist materiell-rechtlich zur allgemeinen Vertretung berufen, während der Prozesspfleger ausschließlich für den jeweiligen Prozess und in Ermangelung eines gesetzlichen Vertreters tätig wird.

Abgrenzung zum Bevollmächtigten

Ein selbst gewählter Bevollmächtigter setzt eine wirksame Vollmachterteilung durch eine prozessfähige Partei voraus. Fehlt diese Voraussetzung (z. B. bei völliger Handlungsunfähigkeit), ist die Bestellung eines Prozesspflegers erforderlich.

Bedeutung und praktische Relevanz

Die Bestellung eines Prozesspflegers ist im deutschen Zivilprozess ein wesentliches Element des Rechtsschutzsystems. Sie gewährleistet, dass auch Parteien, die vorübergehend oder dauerhaft nicht selbst tätig werden können, gleichberechtigt am Verfahren teilnehmen und ihre Rechte wahren können. Insbesondere in den typischen Konstellationen, wie Verschollenheit oder Unklarheit über den Aufenthaltsort, ist der Prozesspfleger ein zentraler Mechanismus, um Existenzgründer, Unternehmen sowie Privatpersonen rechtsstaatlich zu schützen.

Literaturhinweise

  • Zöller, Zivilprozessordnung, Kommentar, § 57 ZPO
  • Musielak/Voit, Zivilprozessordnung, Kommentar, § 57 ZPO
  • Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung, § 57 ZPO
  • Schwab, Handbuch des Prozessrechts, 4. Aufl.

Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die rechtlichen Aspekte des Begriffs Prozesspfleger und erläutert die strukturellen, funktionalen und verfahrensrechtlichen Rahmenbedingungen anhand der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften und der einschlägigen Rechtsprechung.

Häufig gestellte Fragen

In welchen gerichtlichen Verfahren wird ein Prozesspfleger bestellt?

Ein Prozesspfleger wird typischerweise in gerichtlichen Verfahren bestellt, in denen eine Partei nicht in der Lage ist, ihre eigenen Interessen ausreichend wahrzunehmen und es keine gesetzliche oder rechtliche Vertretung gibt. Dies geschieht insbesondere dann, wenn die Partei unbekannten Aufenthalts ist, oder wenn die zur Führung des Rechtsstreits erforderliche Prozessfähigkeit fehlt und keine andere Vertretung vorhanden ist. Zu den Verfahren, in denen ein Prozesspfleger zum Einsatz kommt, zählen insbesondere Zivilverfahren (§ 57 ZPO), vereinzelt aber auch Verfahren vor den Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichten, sofern die dortigen Prozessordnungen entsprechende Regelungen vorsehen. Die Bestellung eines Prozesspflegers ist ein Sicherungsinstrument, um die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens und die Wahrung der Rechte aller Beteiligten sicherzustellen.

Wer ist zuständig für die Bestellung eines Prozesspflegers?

Die Zuständigkeit für die Bestellung eines Prozesspflegers liegt grundsätzlich beim Gericht, das für das laufende Hauptverfahren zuständig ist. Das bedeutet, dass das sachlich und örtlich zuständige Gericht (im Zivilprozess beispielsweise das Amts-, Land- oder Oberlandesgericht) die Bestellung vornimmt. Die Entscheidung erfolgt in der Regel von Amts wegen, kann jedoch auch auf Antrag einer Partei oder einer beteiligten Behörde getroffen werden. Grundlage bildet hierfür § 57 ZPO, der dem Prozessgericht die Kompetenz zur Anordnung der Pflegerbestellung überträgt. Die Bestellung wird durch einen gerichtlichen Beschluss fixiert, der sowohl den Bestellungsgrund wie auch den Umfang der Vertretungsmacht des Prozesspflegers eindeutig festzulegen hat.

Welche Rechte und Pflichten hat ein Prozesspfleger im Verfahren?

Ein Prozesspfleger hat die Aufgabe, die unbekannten oder prozessunfähigen Parteien im laufenden Verfahren wirksam zu vertreten. Seine Rechte entsprechen dabei im Wesentlichen denen eines gesetzlichen Vertreters: Er kann Anträge stellen, Erklärungen abgeben, Rechtsmittel einlegen oder Erledigungserklärungen abgeben. Auf der Pflichtenseite steht insbesondere die Verpflichtung, das Mandat gewissenhaft und im besten Interesse der Partei auszuüben. Darüber hinaus muss ein Prozesspfleger unter Umständen auch rückwirkend für bereits durchgeführte Verfahrenshandlungen eintreten und diese genehmigen oder ablehnen. Er haftet dabei für eine ordnungsgemäße Ausübung seiner Tätigkeit und unterliegt der Aufsicht des Gerichts. Zudem trifft ihn die Verpflichtung, das Gericht über etwaige Veränderungen zu informieren (zum Beispiel, wenn die Partei wieder auffindbar ist oder prozessfähig wird).

Wie wird ein Prozesspfleger vergütet und wer trägt die Kosten?

Der Prozesspfleger hat einen Anspruch auf Vergütung und Ersatz seiner Aufwendungen, die sich nach den Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) richtet. Die Höhe der Vergütung bemisst sich regelmäßig nach dem Gegenstandswert des Verfahrens und der Art der wahrgenommenen Tätigkeiten. In der Regel ist der Staat vorschusspflichtig, also tritt zunächst die Staatskasse für die Vergütung ein. Letztlich können die Kosten aber auf die vertretene Partei oder auf die unterliegende Partei abgewälzt werden, wenn es zu einer Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren kommt. Das Gericht entscheidet über die Höhe der Vergütung im Rahmen seiner Aufsicht und Bewilligung.

Welche Voraussetzungen müssen für die Bestellung eines Prozesspflegers vorliegen?

Die Bestellung eines Prozesspflegers setzt zwingend voraus, dass eine Partei im Prozess nicht ordnungsgemäß vertreten ist, die Durchführung des Verfahrens jedoch im Interesse des Rechtsschutzes aller Beteiligten oder zur Wahrung des fairen Verfahrens geboten ist. Typische Bestellungsgründe sind die unbekannte Adresse einer Partei oder fehlende Prozessfähigkeit ohne Vorliegen einer gesetzlichen Vertretung. Die Bestellung darf jedoch stets nur das notwendige Maß überschreiten, für das kein anderer Vertreter zur Verfügung steht bzw. auffindbar ist. Vor der Bestellung eines Prozesspflegers prüft das Gericht, ob wirklich kein gesetzlicher Vertreter vorhanden ist oder bestellt werden kann (beispielsweise bei minderjährigen oder geschäftsunfähigen Beteiligten).

Kann die Bestellung eines Prozesspflegers angefochten werden?

Die Bestellung eines Prozesspflegers erfolgt durch einen nicht anfechtbaren Beschluss des Gerichts. Allerdings ist es möglich, die Bestellung mittelbar durch eine sogenannte Erinnerung nach § 11 RPflG oder durch eine Beschwerde (im Ausnahmefall) anzufechten, insbesondere wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestellung nicht erfüllt sind oder wenn sich nachträglich herausstellt, dass die betroffene Partei doch vertreten ist oder selbst auftreten kann. Prozesshandlungen, die durch einen unrechtmäßig bestellten Prozesspfleger vorgenommen wurden, können unter Umständen nach § 579 ZPO als Verfahrensfehler im Rahmen der Wiederaufnahme des Verfahrens gerügt werden.

Wann und wie endet das Amt des Prozesspflegers?

Das Amt des Prozesspflegers endet grundsätzlich mit dem Abschluss des konkreten gerichtlichen Verfahrens, für das er bestellt wurde – also mit Rechtskraft der Entscheidung, mit der beiderseitigen Erledigungserklärung oder durch Vergleich. Eine vorzeitige Beendigung ist möglich, wenn der Bestellungsgrund entfällt, etwa weil der Aufenthaltsort der Partei bekannt wird oder ein gesetzlicher Vertreter die Vertretung übernimmt. In diesen Fällen ist das Gericht gehalten, den Pfleger durch Beschluss aus seinem Amt zu entlassen. Der Prozesspfleger ist verpflichtet, das Gericht über das Eintreten solcher Umstände unverzüglich zu informieren.