Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Zivilrecht»Prozessbürgschaft

Prozessbürgschaft


Begriff und Wesen der Prozessbürgschaft

Die Prozessbürgschaft ist eine besondere Form der Bürgschaft, die im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens bestellt wird, um ein bestimmtes Risiko abzusichern oder gesetzliche Anforderungen zu erfüllen. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie direkt im Zusammenhang mit einem Prozess steht und häufig zur Absicherung von Ansprüchen dient, die vom Ausgang des Rechtsstreits abhängen. Die Prozessbürgschaft wird bei verschiedenen prozessualen Konstellationen relevant, insbesondere wenn eine Sicherheitsleistung vom Gericht angeordnet wird.

Rechtsgrundlagen der Prozessbürgschaft

Nationales Zivilrecht

Im deutschen Recht ist die Prozessbürgschaft keine eigenständig geregelte Bürgschaftsform, sondern eine Anwendung der allgemeinen Bürgschaftsvorschriften gemäß §§ 765 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Der Begriff ist geprägt durch die prozessuale Verwertung der Bürgschaft und wird insbesondere in Verbindung mit Sicherungsanordnungen nach der Zivilprozessordnung (ZPO) relevant.

Wichtige gesetzliche Grundlagen für die Bestellung einer Prozessbürgschaft sind unter anderem:

  • § 108 ZPO (Sicherheitsleistung durch Bürgschaft)
  • § 769 ZPO (Vollstreckung gegen den Bürgen)
  • § 232 BGB (Geeignete Sicherheitsleistungen)

Gerichtliche Anforderungen

Das Gericht kann während eines Verfahrens verlangen, dass eine Partei eine Sicherheit in Form einer Bürgschaft stellt, wenn eine solche Sicherheitsleistung gesetzlich vorgesehen ist oder als sinnvoll erachtet wird, etwa zur Abwendung der Vollstreckung oder als Voraussetzung für einen gerichtlichen Schutz (z.B. einstweilige Verfügung).

Funktionen und Anwendungsbereiche

Sicherung bei einstweiligen Verfügungen

Eine typische Situation für den Einsatz einer Prozessbürgschaft ist das Verfahren der einstweiligen Verfügung (§§ 935 ff. ZPO). Das Gericht kann dem Antragsteller auferlegen, eine Sicherheit zum Schutz des Antragsgegners zu stellen, etwa für den Fall, dass die Verfügung zu Unrecht ergeht. Häufig geschieht dies in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft.

Abwendung oder Einstellung der Zwangsvollstreckung

Im Rahmen der Abwendung oder Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §§ 711, 769 ZPO kann die Verpflichtung zur Gestellung einer Sicherheit entstehen. Die Prozessbürgschaft dient hier als Garant für eventuelle Schäden, die durch die Nichtdurchführung der Zwangsvollstreckung entstehen könnten.

Hinterlegung nach § 108 ZPO

§ 108 Abs. 1 ZPO erlaubt die Leistung der Sicherheit durch Bürgschaft eines Kreditinstituts. Die Prozessbürgschaft kann dabei verschiedene Vermögensinteressen absichern, beispielsweise die Zahlung eines Kostenvorschusses oder Schadenersatzes.

Weitere Anwendungsbereiche

Prozessbürgschaften werden beispielsweise auch im Zusammenhang mit Kostenentscheidungen zugunsten ausländischer Kläger (§ 110 ZPO, Prozesskostensicherheit) oder zur Sicherung des Rückgriffs wegen überzahlter Beträge eingesetzt.

Voraussetzungen und Form einer Prozessbürgschaft

Erforderliche Form

Nach § 766 BGB und gemäß den Anforderungen prozessualer Sicherheitsleistungen muss die Bürgschaft grundsätzlich schriftlich erklärt werden. In der Praxis wird fast ausschließlich die selbstschuldnerische Bürgschaft verlangt, bei der der Bürge auf die Einrede der Vorausklage verzichtet (§ 773 BGB), um eine effektive Durchsetzbarkeit zu gewährleisten.

Anforderungen an den Bürgen

Regelmäßig werden Prozessbürgschaften nur von leistungsfähigen Kreditinstituten oder Versicherungsunternehmen akzeptiert, da diese eine hinreichende Bonität aufweisen und die Sicherheit realitätsnah gewährleisten können. Das Gericht prüft die Geeignetheit der Bürgschaft gemäß § 232 BGB.

Umfang und Begrenzung der Haftung

Die Prozessbürgschaft umfasst regelmäßig nur den vom Gericht festgesetzten Sicherungsbetrag. Sie kann sich auf Hauptforderung, Zinsen und Nebenforderungen wie Kosten erstrecken. Der Sicherungszweck und die maximale Haftungssumme müssen aus der Bürgschaftserklärung eindeutig hervorgehen.

Rechtsfolgen und Inanspruchnahme der Prozessbürgschaft

Inanspruchnahme im Sicherungsfall

Wird die gesicherte Forderung im Zusammenhang mit dem Prozess fällig (beispielsweise bei rechtskräftig abgewiesener Klage oder aufgehobener einstweiliger Verfügung), kann der Bürgschaftsgläubiger unmittelbar gegen den Bürgen vorgehen. Die Zahlungspflicht des Bürgen tritt ein, sobald der Sicherungsfall nachweisebar eintritt und ggf. durch gerichtliche Entscheidung festgestellt ist.

Rückgabe und Erlöschen der Bürgschaft

Die Prozessbürgschaft erlischt, wenn der Sicherungszweck weggefallen ist, insbesondere durch rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens ohne Eintritt eines Sicherungsfalls oder Leistung der geschuldeten Zahlung durch die Hauptschuldnerin. Das Original der Bürgschaftsurkunde ist an den Bürgen zurückzugeben.

Besonderheiten bei mehreren Sicherheiten

Bestehen mehrere Sicherheiten (z.B. Barhinterlegung und Bürgschaft), so ist das Verfahren analog den gesetzlichen Regelungen zur Auswahl und Anrechnung von Sicherheiten zu handhaben. Das Gericht kann nähere Bestimmungen zur Reihenfolge der Inanspruchnahme treffen.

Abgrenzung zu anderen Bürgschaftsformen

Im Gegensatz zur klassischen Zahlungsbürgschaft sichert die Prozessbürgschaft in erster Linie einen prozessualen Anspruch ab, der vom Ausgang eines gerichtlichen Verfahrens abhängt. Sie ist strikt an ein laufendes oder zu erwartendes Gerichtsverfahren gebunden und unterscheidet sich darin von anderen Sicherungsbürgschaften wie der Miet- oder Gewährleistungsbürgschaft.

Risiken und Rechtsschutzfragen

Einwendungen und Verteidigung des Bürgen

Der Bürge kann Einreden aus dem Bürgschaftsvertrag sowie Ausnahmen nach allgemeinen bürgschaftsrechtlichen Vorschriften geltend machen. Dazu gehören insbesondere die Einrede des nicht eingetretenen Sicherungsfalls sowie Einwendungen aus dem Verhältnis zum Hauptschuldner.

Missbrauchsgefahr und gerichtliche Kontrolle

Um Missbrauch zu verhindern, unterliegt die Annahme und Verwertung der Prozessbürgschaft gerichtlicher Kontrolle. Kommt es zum Streit über die Verwertbarkeit der Bürgschaft, entscheidet das Gericht über die Voraussetzungen einer Auszahlung.

Internationale und grenzüberschreitende Aspekte

Bei internationalen Prozessen mit ausländischen Parteien kommt der Prozessbürgschaft im Zusammenhang mit der Prozesskostensicherheit (§ 110 ZPO) eine besondere Bedeutung zu. Gerichte in Deutschland verlangen von ausländischen Klägern regelmäßig die Stellung einer Sicherheit, oft in Form einer Prozessbürgschaft durch ein inländisches Kreditinstitut.

Fazit

Die Prozessbürgschaft stellt ein zentrales Sicherungsmittel im Zivilprozess dar, das vielfältige prozessuale Interessen schützt. Sie ist an strenge formale und materielle Voraussetzungen gebunden und dient der effektiven Realisierung gerichtlicher Anordnungen. Durch ihre prozessspezifische Ausgestaltung unterscheidet sie sich maßgeblich von anderen Bürgschaftsarten und nimmt in der gerichtlichen Praxis eine unverzichtbare Rolle zur Absicherung prozessualer Risiken ein.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Stellung einer Prozessbürgschaft erfüllt sein?

Für die Stellung einer Prozessbürgschaft sind mehrere rechtliche Voraussetzungen zu beachten. Zunächst muss ein rechtliches Interesse an der Vermeidung oder Aufhebung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bestehen, welches regelmäßig dann vorliegt, wenn ein gerichtliches Verfahren anhängig ist und eine Partei zur Abwehr oder zur Durchsetzung von Ansprüchen eine Sicherheitsleistung zu erbringen hat. Die Prozessbürgschaft wird häufig gemäß § 108 ZPO („Sicherheitsleistung durch Bürgschaft“) genutzt, wobei das Gericht die Art der Sicherheitsleistung vorgibt und die Bürgschaft ausdrücklich zulassen muss. Die Bürgschaftsurkunde muss bestimmte Formvorschriften einhalten, sie muss insbesondere schriftlich sein und den konkreten zu sichernden Anspruch sowie die Parteien eindeutig bezeichnen. Zudem ist regelmäßig erforderlich, dass die Bürgschaft von einer als tauglich anerkannten Bürgin (z.B. einer inländischen Bank oder Versicherung) ausgestellt wird. Das Gericht prüft die rechtlichen und materiellen Anforderungen, beispielsweise auch im Hinblick auf die wirtschaftliche Bonität der Bürgin, bevor sie als Sicherheitsleistung anerkannt wird. Schließlich darf die Bürgschaft nicht auflösbar oder bedingt ausgestaltet sein, sondern muss auf erste Anforderung, d.h. als unbedingte, selbstschuldnerische Bürgschaft formuliert sein, sofern dies vom Gericht verlangt wird.

Wer ist im rechtlichen Kontext zur Stellung einer Prozessbürgschaft berechtigt?

Grundsätzlich ist jede prozessbeteiligte Partei berechtigt und imstande, eine Prozessbürgschaft zu stellen, sofern das Gericht dies verlangt oder zulässt. Dies betrifft vor allem die Parteien, die in gerichtlichen Verfahren nach §§ 708 ff. ZPO zur Absicherung von Ansprüchen oder zur Abwehr der Zwangsvollstreckung Sicherheiten leisten müssen, häufig der Schuldner, der durch Sicherheitsleistung die Vollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel abwenden möchte. Für die Auswahl der Bürgin bestehen gesetzliche Vorgaben: Sie muss juristisch fähig sein, Bürgschaften zu erteilen (bei juristischen Personen nach den jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften), und genügend Bonität aufweisen, sodass das Gericht sie als tauglich anerkennt, was in der Regel bei Banken, Sparkassen oder Versicherungen der Fall ist. Parteien im Insolvenzverfahren können zudem besonderen Anforderungen unterliegen.

Welche Formerfordernisse stellt die Rechtsprechung an eine wirksame Prozessbürgschaft?

Die wesentlichen Formerfordernisse ergeben sich aus dem materiellen Zivilrecht und den Prozessvorschriften. Die Prozessbürgschaft muss schriftlich erfolgen und die Bürgschaftserklärung die typischen Bestandteile enthalten: Bezeichnung des Gläubigers (begünstigte Partei), des Schuldners, des zu sichernden Anspruchs, der Höchstbetrag und die Bedingung der ersten Anforderung, falls das Gericht dies verlangt. Die Bürgschaftserklärung muss eigenhändig unterschrieben oder notariell beglaubigt sein, abhängig vom Einzelfall und etwaigen Vorgaben des Gerichts. Die Urkunde muss dem Gericht fristgerecht vorgelegt werden; eine bloße Zusicherung oder die Übergabe eines Entwurfs genügt nicht. In einigen Verfahren sind elektronische Dokumente, sofern qualifiziert signiert, zulässig. Für internationale Fälle können zusätzliche Formerfordernisse gelten, insbesondere, wenn ausländische Bürgen beteiligt sind.

In welchen gerichtlichen Situationen kann die Prozessbürgschaft verlangt werden und welche Rechtsfolgen ergeben sich daraus?

Eine Prozessbürgschaft kann in unterschiedlichen gerichtlichen Situationen verlangt werden, insbesondere zum Zwecke der Abwendung der Vollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil (§§ 711, 709 ZPO), im Arrest- oder einstweiligen Verfügungsverfahren (§§ 921 ff. ZPO), bei der Einlegung bestimmter Rechtsmittel oder im Rahmen der Aussetzung der Vollstreckung. Die Rechtsfolge der Stellung einer ordnungsgemäßen Prozessbürgschaft ist, dass Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ausgesetzt oder abgewendet werden, bis eine abschließende gerichtliche Entscheidung getroffen wird. Der Gläubiger hat dann statt eines unmittelbaren Zugriffs auf das Vermögen des Schuldners einen Anspruch gegen die Bürgin. Im Schadensfall kann er die Auszahlung des gesicherten Betrags gegen Vorlage eines Vollstreckungstitels verlangen. Mit rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens wird die Bürgschaft in der Regel gegen Rückgabe der Urkunde an den Bürgen zurückgegeben, sofern der Sicherungsfall nicht eintritt.

Welche Haftungsrisiken bestehen für den Bürgen aus einer Prozessbürgschaft?

Der Bürge trägt aus rechtlicher Sicht erhebliche Risiken, da er für die zu sichernde Schuld akzessorisch, oft aber auch selbstschuldnerisch, haftet. Das bedeutet, der Gläubiger kann den Bürgen unmittelbar und ohne vorherige Inanspruchnahme des Hauptschuldners in Anspruch nehmen, sobald die gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Bedingungen (meist Vorlage eines vollstreckbaren Titels und „auf erste Anforderung“) erfüllt sind. Bei einer Prozessbürgschaft besteht insbesondere die Gefahr, dass der Bürge zahlen muss, obwohl im Hauptsacheverfahren später festgestellt wird, dass die gesicherte Forderung nicht bestand; hier bleiben dem Bürgen ggf. nur Regressmöglichkeiten gegen den Hauptschuldner. Zudem können bei einer fehlerhaften oder nicht eindeutigen Urkundengestaltung Unsicherheiten hinsichtlich der Wirksamkeit oder des Haftungsumfangs entstehen, was zusätzliche rechtliche Risiken birgt. Der Bürge sollte sich der Haftung – insbesondere bei weitergehenden Vereinbarungen – stets bewusst sein und seine Möglichkeiten zur Risikominimierung (z.B. durch Rückgriffsklauseln) sorgfältig prüfen.

Kann eine Prozessbürgschaft nachträglich widerrufen oder abgeändert werden?

Eine einmal wirksam vom Gericht akzeptierte Prozessbürgschaft kann grundsätzlich nicht einseitig widerrufen oder abgeändert werden. Änderungen sind nur mit Zustimmung des Begünstigten (Gläubigers) und gegebenenfalls des Gerichts möglich. Im Einzelfall kann das Gericht gemäß § 769 ZPO über eine Änderung oder Aufhebung der Sicherheitsleistung entscheiden, etwa wenn sich die Umstände wesentlich geändert haben (z.B. durch Erfüllung der zu sichernden Verpflichtung oder Wegfall des Sicherungsbedürfnisses). Die bloße Stellung eines Antrages auf Abänderung durch den Schuldner ist nicht ausreichend; es bedarf stets einer gerichtlichen Entscheidung. Die Bürgschaft erlischt im Regelfall erst, wenn der Sicherungszweck weggefallen oder der Rückgabeanspruch des Bürgen realisiert ist, meist durch Rückgabe der Bürgschaftsurkunde, sofern der Sicherungsfall nicht eingetreten ist.

Wie überprüft das Gericht die Geeignetheit einer angebotenen Prozessbürgschaft?

Das Gericht prüft bei Vorliegen einer Prozessbürgschaft insbesondere, ob die Bürgin die formellen und materiellen Anforderungen erfüllt. Dies betrifft die Bonität der Bürgin – regelmäßig werden nur Kreditinstitute, Versicherungen oder im Einzelfall als solvent anerkannte Unternehmen akzeptiert. Ferner achtet das Gericht auf die inhaltliche Ausgestaltung der Bürgschaftsurkunde, insbesondere muss klargestellt sein, dass es sich um eine unbedingte, selbstschuldnerische Bürgschaft auf erstes Anfordern handelt, sofern das Gericht dies verlangt. Darüber hinaus prüft das Gericht, ob die Bürgschaft alle relevanten Verfahrensparteien und den gesicherten Anspruch korrekt bezeichnet. Bei Zweifeln an der Tauglichkeit oder bei Unklarheiten kann das Gericht die Bürgschaft zurückweisen oder weitere Nachweise verlangen. Die Entscheidung des Gerichts zur Annahme oder Zurückweisung ist dann bestandskräftig, soweit keine gravierenden Rechtsfehler vorliegen.