Begriffsbestimmung: Prozessbevollmächtigter
Ein Prozessbevollmächtigter ist im deutschen Zivilprozessrecht eine Person, die bevollmächtigt ist, eine Partei im gerichtlichen Verfahren vollumfänglich oder beschränkt zu vertreten. Die Prozessvollmacht umfasst in der Regel alle prozessualen Rechtshandlungen, wie sie im jeweils einschlägigen Verfahrensrecht vorgesehen sind. Die Stellung des Prozessbevollmächtigten ist normativ vorrangig in der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt und findet in anderen Gerichtsbarkeiten und Verfahrensordnungen (z.B. VwGO, ArbGG, SGG, FGO, StPO) Entsprechungen und Abweichungen.
Rechtliche Grundlagen
Zivilprozessordnung (ZPO)
Die rechtlichen Anforderungen an einen Prozessbevollmächtigten im Zivilprozess ergeben sich insbesondere aus den §§ 78 ff. ZPO. Nach § 78 Abs. 1 ZPO besteht vor den Landgerichten und den Oberlandesgerichten Vertretungszwang (Anwaltszwang), das heißt, Parteien können nur durch einen schriftlich bevollmächtigten Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigten auftreten. Vor Amtsgerichten ist grundsätzlich auch eine eigenständige Vertretung ohne Bevollmächtigte möglich (§ 78 Abs. 2 ZPO).
Die Prozessvollmacht nach § 81 ZPO ermächtigt den Prozessbevollmächtigten zu allen den Rechtsstreit betreffenden Handlungen, insbesondere zur Klageerhebung, Rechtsmittel- und Rechtsbehelfsanträgen, Abschluss von Vergleichen und zum Empfang von Zustellungen. Ausnahmen und Einschränkungen müssen ausdrücklich in der Vollmachtserklärung geregelt werden.
Strafprozess und weitere Gerichtsbarkeiten
Im Strafprozess entspricht dem Prozessbevollmächtigten der Verteidiger (§ 137 StPO), der Beschuldigte kann sich aber auch durch einen Vertreter im Ermittlungsverfahren unterstützen lassen. In Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichtsverfahren bestimmen die jeweiligen Verfahrensordnungen die Zulässigkeit und den Umfang der Vertretung sowie die Personengruppen der zugelassenen Bevollmächtigten.
Außergerichtliche und internationale Vertretung
Die Befugnisse des Prozessbevollmächtigten beziehen sich grundsätzlich auf gerichtliche Verfahren. Außerhalb des Prozesses spricht man vom Vertreter im weiteren Sinne (z. B. im Verwaltungsverfahren). Auf internationaler Ebene können abweichende Regelungen hinsichtlich der Vertretung und Zulassung bestehen, die im jeweiligen Landesrecht oder in supranationalen Verfahrensordnungen geregelt sind.
Umfang und Inhalt der Prozessvollmacht
Umfang der Vertretung
Die Prozessvollmacht umfasst regelmäßig die gesamte Prozessführung einschließlich Nebenverfahren (wie etwa Zwangsvollstreckung, Kostenfestsetzung oder Sicherheitsleistung). Dazu zählen insbesondere:
- Einreichung und Rücknahme von Klagen und Anträgen
- Abschluss und Anfechtung von Vergleichen
- Erhebung und Rücknahme von Rechtsmitteln
- Anerkennung oder Verzicht im Verfahren
- Empfangnahme von Zustellungen und Mitteilungen
- Stellung und Rücknahme von Beweisanträgen
Der Umfang der Prozessvollmacht kann durch die Partei ausdrücklich beschränkt werden; eine derartige Einschränkung wirkt jedoch grundsätzlich nur im Innenverhältnis zwischen Partei und Prozessbevollmächtigtem.
Grenzen der Prozessvollmacht
Nicht umfasst sind in der Regel:
- Verzicht auf das Rechtsmittel der Berufung oder Revision vor Zustellung des Urteils, sofern dies nicht ausdrücklich bevollmächtigt wurde
- Entgegennahme von Prozesskosten oder anderer finanzwirksamer Leistungen außer Gebühren und Vergütungen (sofern nicht ausdrücklich geregelt)
- Vertretung in persönlicher Anhörung, sofern das Gesetz persönliches Erscheinen anordnet
Bestellung und Wirksamkeit
Form und Ausstellung der Vollmacht
Die Prozessvollmacht ist regelmäßig schriftlich zu erteilen (§ 80 ZPO). Im Zivilprozess kann sie dem Gericht im Original oder in notariell beglaubigter Abschrift vorgelegt werden. Fehlt die Vollmacht, wird die Prozesshandlung in der Regel erst nach Nachreichung wirksam.
Rücknahme, Widerruf und Erlöschen
Die Prozessvollmacht kann jederzeit widerrufen oder vom Bevollmächtigten zurückgegeben werden. Das Erlöschen der Vollmacht bleibt gemäß § 87 ZPO im Außenverhältnis gegenüber dem Gericht und der Gegenpartei so lange unbeachtlich, bis es diesen angezeigt wird. Bereits vorgenommene Prozesshandlungen bleiben jedoch weiterhin wirksam.
Besondere Situationen und Sonderformen
Mehrere Prozessbevollmächtigte
Eine Partei kann auch mehrere Prozessbevollmächtigte bevollmächtigen. Diese sind in der Regel jeweils allein vertretungsberechtigt, sofern nichts anderes vereinbart wurde.
Prozesstandschaft und Parteifähigkeit
Ist eine Person nicht selbst prozessfähig, bedarf sie eines gesetzlichen Vertreters oder besonderer Bestellung eines Verfahrensbevollmächtigten. Die Unterscheidung zur Prozesstandschaft ist relevant, wenn eine Partei (z. B. Insolvenzverwalter) nicht eigene, sondern fremde Rechte im eigenen Namen geltend macht.
Haftung und Verantwortlichkeit des Prozessbevollmächtigten
Dem Prozessbevollmächtigten obliegen im Rahmen seines Mandats umfangreiche Pflichten zur Sorgfalt, Information und Rechenschaft. Fehlerhafte oder verspätete Handlungen können zu Ersatzansprüchen der vertretenen Partei führen. Die haftungsrechtlichen Maßstäbe richten sich nach Vertrag zwischen Partei und Bevollmächtigten (Auftrag bzw. Geschäftsbesorgungsvertrag) und nach den einschlägigen gesetzlichen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Prozessbevollmächtigter in anderen Verfahrensarten
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
Vor den Verwaltungsgerichten können neben Rechtsanwälten auch bestimmte Personengruppen als Prozessbevollmächtigte auftreten (§ 67 VwGO), etwa Beamte, sachkundige Angestellte und besonders im Verbandsprozess Vertreter von Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbänden.
Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG)
Im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist die Vertretung durch Personen, die nicht zwingend Rechtsanwälte sein müssen, unter bestimmten Voraussetzungen zulässig (§ 11 ArbGG).
Sozialgerichtsgesetz (SGG) und Finanzgerichtsordnung (FGO)
Die Prozessvertretung vor Sozial- und Finanzgerichten erweitert den Kreis der zulässigen Prozessbevollmächtigten um weitere Gruppen, etwa Rentenberater oder Wirtschaftsprüfer.
Prozessbevollmächtigter im internationalen Kontext
Im internationalen Zivilprozessrecht richtet sich die Zuständigkeit und Zulassung von Prozessbevollmächtigten nach den jeweiligen nationalen Verfahrensvorschriften des Prozessgerichts. Bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten sind regelmäßig weitere Voraussetzungen, wie die Zulassung nach nationalem Recht oder Kooperationsvereinbarungen zwischen Staaten, zu beachten.
Einordnung und Bedeutung
Der Begriff Prozessbevollmächtigter umfasst im deutschen Verfahrensrecht eine zentrale Rolle für die Durchsetzung von Rechten im gerichtlichen Verfahren. Die ordnungsgemäße und umfassende Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten gewährleistet nicht nur die Verfahrenssicherheit, sondern auch die effektive Wahrnehmung der Parteiinteressen im Prozess. Die einschlägigen gesetzlichen Regelungen schaffen den Rahmen für die Vertretung und stellen zugleich sicher, dass Parteien ihre Rechte im gerichtlichen Verfahren sachgerecht wahrnehmen können.
Häufig gestellte Fragen
Wer kann Prozessbevollmächtigter vor Gericht sein?
Als Prozessbevollmächtigter kann grundsätzlich jede Person auftreten, sofern das Gesetz dies zulässt. Im deutschen Zivilprozessrecht ist geregelt, dass Parteien sich vor dem Amtsgericht selbst vertreten oder durch einen volljährigen Bevollmächtigten vertreten lassen können. Vor den Landgerichten und höheren Instanzen besteht dagegen Anwaltszwang: Hier darf nur ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin als Prozessbevollmächtigter auftreten (§ 78 ZPO). Es gibt jedoch Ausnahmen, beispielsweise für bestimmte Institutionen wie Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände oder registrierte Inkassodienstleister bei zulässigen Rechtsdienstleistungen. In Verwaltungs-, Arbeits-, Sozial- und Finanzgerichtsverfahren variieren die Vertretungsregelungen; neben Rechtsanwälten sind hier teils auch andere, speziell zugelassene Personen oder Verbände vertretungsbefugt.
Wie erfolgt die Bevollmächtigung eines Prozessbevollmächtigten?
Die Bevollmächtigung eines Prozessbevollmächtigten ist grundsätzlich formfrei möglich, d.h. sie kann mündlich, schriftlich oder stillschweigend erfolgen. Aus Beweisgründen wird jedoch stets eine schriftliche Vollmacht empfohlen. So sieht § 80 ZPO vor, dass das Gericht die Vorlage einer Prozessvollmacht verlangen kann, wobei die Vollmacht spätestens bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung vorgelegt werden sollte. Insbesondere im arbeitsgerichtlichen Verfahren und vor Verwaltungsgerichten ist regelmäßig eine schriftliche Bevollmächtigung notwendig. Wird die Vollmacht nicht ordnungsgemäß nachgewiesen, kann das Gericht eine Frist zur Nachreichung setzen oder sonst die Prozesshandlungen für unwirksam erklären.
Welche Rechte und Pflichten hat ein Prozessbevollmächtigter?
Dem Prozessbevollmächtigten stehen im Rahmen seiner Vollmacht weitreichende Rechte zu. Er kann für die vertretene Partei Prozesshandlungen aller Art vornehmen, etwa Klagen einreichen, Schriftsätze einreichen, Anträge stellen, Vergleiche abschließen und Rechtsmittel einlegen oder zurücknehmen. Die Vollmacht umfasst regelmäßig auch das Recht, Zustellungen entgegenzunehmen sowie die Annahme und Rückgabe von Akten. Der Bevollmächtigte ist zugleich verpflichtet, die Interessen des Mandanten gewissenhaft zu vertreten, die gerichtlichen und gesetzlichen Vorgaben einzuhalten und über alle wesentlichen Vorgänge zu informieren. Zudem unterliegt der anwaltliche Prozessbevollmächtigte einer besonderen Verschwiegenheitspflicht sowie dem Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen.
Kann die Vollmacht eines Prozessbevollmächtigten widerrufen werden?
Die Prozessvollmacht ist als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung jederzeit widerrufbar, solange die Prozessvertretung noch nicht abgeschlossen ist. Der Widerruf kann direkt gegenüber dem Bevollmächtigten oder auch gegenüber dem Gericht erklärt werden; aus Praktikabilitätsgründen empfiehlt sich Letzteres. Nach Zugang des Widerrufs bei Gericht verliert der Prozessbevollmächtigte seine Vertretungsbefugnis für künftige Prozesshandlungen, bereits vorgenommene Handlungen bleiben jedoch wirksam (§ 87 ZPO). Der Widerruf muss dem Gegner zur Kenntnis gebracht werden, ansonsten ist dieser weiterhin berechtigt, Zustellungen an den bisherigen Bevollmächtigten vorzunehmen.
Wer haftet für Fehler des Prozessbevollmächtigten?
Macht der Prozessbevollmächtigte schuldhaft Fehler im Rahmen seiner Mandatsausübung, etwa indem er Fristen versäumt oder unzureichend über Risiken aufklärt, haftet er dem Mandanten grundsätzlich auf Schadensersatz aus dem Mandatsvertrag (§§ 280 ff. BGB). Rechtsanwälte sind verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen, um etwaige Haftungsansprüche abzufedern (§ 51 BRAO). Die Partei bleibt gegenüber dem Gericht und der Gegenseite jedoch stets für das Handeln ihres Bevollmächtigten verantwortlich; Fehler des Bevollmächtigten werden ihr regelmäßig zugerechnet. Ausnahmen gelten nur in wenigen gesetzlich geregelten Fällen.
Müssen Gerichte und Gegner die Bestellung eines Prozessbevollmächtigten gesondert anerkennen?
Sobald ein Prozessbevollmächtigter unter Vorlage einer wirksamen Prozessvollmacht auftritt, sind Gerichte und Verfahrensgegner verpflichtet, mit diesem zu kommunizieren. Alle Zustellungen, Ladungen und Mitteilungen erfolgen dann grundsätzlich an den jeweiligen Bevollmächtigten, nicht mehr an die Partei selbst (§ 172 ZPO). Der Bevollmächtigte ist für das Gericht maßgeblicher Ansprechpartner und Empfänger von Willenserklärungen und Schriftstücken. Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmacht sind jedoch unverzüglich geltend zu machen; andernfalls werden Handlungen des Bevollmächtigten als von der Partei veranlasst behandelt.
Welche Besonderheiten gelten bei Prozessbevollmächtigten im Strafverfahren?
Im Strafverfahren gelten hinsichtlich der Prozessvertretung besondere Regelungen. Der Angeklagte kann sich eines Verteidigers bedienen; im Gegensatz zum Zivilprozess ist hier der Begriff des „Prozessbevollmächtigten“ weniger gebräuchlich. Neben dem Verteidiger können jedoch auch Nebenkläger, Zeugen und andere Beteiligte Bevollmächtigte benennen, die jedoch Anwälte sein müssen. Die Bestellung als Verteidiger bedarf keiner schriftlichen Vollmacht, sofern der Angeklagte oder eine autorisierte Person den Rechtsanwalt mündlich beauftragt (§ 138 StPO). Einige Prozesshandlungen sind allein dem Angeklagten vorbehalten, z.B. ein Geständnis oder die Rücknahme von Rechtsmitteln; diese Rechte sind nicht delegierbar.