Legal Lexikon

Prospektpflicht


Begriff und Grundlagen der Prospektpflicht

Die Prospektpflicht stellt eine zentrale rechtliche Anforderung im Kapitalmarkt dar. Sie verpflichtet Anbieter von Finanzinstrumenten, Anlageprodukten oder Wertpapieren dazu, vor dem öffentlichen Angebot der Produkte einen Prospekt zu veröffentlichen. Dieser Prospekt enthält umfassende Informationen über das jeweilige Produkt, den Emittenten sowie die Risiken der Investition. Die Prospektpflicht dient dem Anlegerschutz und der Markttransparenz.

Historische Entwicklung der Prospektpflicht

Die Prospektpflicht entwickelte sich historisch im Kontext wachsender Finanzmärkte und wurde in den deutschsprachigen Rechtsordnungen erstmals Anfang des 20. Jahrhunderts eingeführt. Mit der europaweiten Harmonisierung des Kapitalmarktrechts, insbesondere durch einschlägige EU-Richtlinien und -Verordnungen, erfuhr die Prospektpflicht eine verstärkte Vereinheitlichung und Ausdehnung.

Rechtsgrundlagen der Prospektpflicht

Nationale Rechtsvorschriften

In Deutschland ist die Prospektpflicht für Wertpapiere und Vermögensanlagen im Wesentlichen im Wertpapierprospektgesetz (WpPG) und im Vermögensanlagegesetz (VermAnlG) geregelt. Weitere Regelungen finden sich im Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) und im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB).

Europäische und internationale Regelungen

Auf europäischer Ebene bildet die Verordnung (EU) 2017/1129 (sogenannte Prospektverordnung) das maßgebliche Regelwerk. Sie hat die Prospektrichtlinie (2003/71/EG) abgelöst und legt für alle Mitgliedsstaaten einheitliche Mindeststandards fest. Internationale Regelungen, etwa nach US-amerikanischem Recht (Securities Act of 1933), existieren ebenfalls, sind jedoch mit der europäischen Regelung nicht deckungsgleich.

Zweck und Funktion der Prospektpflicht

Schutz der Anleger

Das primäre Ziel der Prospektpflicht besteht darin, Anleger auf Grundlage vollständiger und wahrheitsgemäßer Informationen über Chancen, Risiken und Kosten einer Kapitalanlage zu informieren. Durch die Offenlegungspflichten sollen Informationsasymmetrien reduziert und eine informierte Investitionsentscheidung ermöglicht werden.

Markttransparenz und Funktionsfähigkeit

Darüber hinaus fördert die Prospektpflicht die Transparenz der Märkte und unterstützt deren Funktionsfähigkeit. Anbieter werden angehalten, relevante Informationen frühzeitig offenzulegen. Dies stärkt das Vertrauen in die Integrität von Emittenten und Kapitalmärkten.

Anwendungsbereich der Prospektpflicht

Öffentliche Angebote und Börsenzulassungen

Die Prospektpflicht erfasst insbesondere öffentliche Angebote von Wertpapieren, die in den Verkehr gebracht werden sollen, und Antragstellungen auf Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt. Ein Prospekt ist auch beim sogenannten „Initial Public Offering“ (IPO) zwingend erforderlich.

Vermögensanlagen und sonstige Finanzinstrumente

Neben klassischen Wertpapieren umfasst die Prospektpflicht beispielsweise auch bestimmte Arten von Vermögensanlagen wie Genussrechte, Nachrangdarlehen oder offene und geschlossene Fonds, sofern diese an die breite Öffentlichkeit vertrieben werden.

Anforderungen an den Prospekt

Inhaltliche Anforderungen

Ein Prospekt muss sämtliche maßgeblichen Angaben über das Finanzprodukt, die wirtschaftliche und finanzielle Situation des Anbieters, die mit dem Erwerb und dem Besitz verbundenen Risiken sowie die geplante Mittelverwendung enthalten. Die EU-Prospektverordnung legt dabei detaillierte Mindestinhalte fest, um eine europaweite Vergleichbarkeit zu gewährleisten.

Formelle Anforderungen und Zulassungsverfahren

Vor Veröffentlichung bedarf der Prospekt regelmäßig einer Billigung durch die zuständige Behörde (in Deutschland: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – BaFin). Die BaFin prüft formell die Vollständigkeit, Verständlichkeit und Kohärenz der Angaben. Erst nach erfolgter Billigung darf der Prospekt veröffentlicht und das öffentliche Angebot starten.

Ausnahmen und Befreiungen von der Prospektpflicht

Der Gesetzgeber sieht zahlreiche Ausnahmen von der Prospektpflicht vor, um den Aufwand für kleine Emissionsvolumen oder bestimmte Zielgruppen zu reduzieren.

Wesentliche Ausnahmen

  • Emissionsvolumen: Unterhalb bestimmter Schwellenwerte ist keine Prospektpflicht vorgesehen.
  • Bestimmte Anlegergruppen: Angebote, die sich ausschließlich an professionelle Anleger oder einen eng begrenzten Personenkreis richten, sind häufig prospektfrei.
  • Einzelfälle und Spezialprodukte: Für bestimmte Finanzinstrumente oder Emittenten kann eine Prospektbefreiung gelten.

Beispiele für prospektfreie Angebote

  • Angebote unterhalb eines bestimmten Mindestbetrags (z. B. 1 Mio. Euro Gesamtgegenwert innerhalb von zwölf Monaten).
  • Angebote an weniger als 150 Personen pro Mitgliedstaat (ausgenommen qualifizierte Anleger).
  • Angebote an institutionelle Investoren.

Haftung und Sanktionen bei Verstößen gegen die Prospektpflicht

Zivilrechtliche Haftung

Bei Verstößen gegen die Prospektpflicht einschließlich fehlerhafter oder irreführender Angaben im Prospekt haften Emittenten, Anbieter und gegebenenfalls Konsortialbanken. Geschädigte Anleger können Schadensersatzansprüche geltend machen.

Ordnungswidrigkeiten- und Strafrechtliche Konsequenzen

Das Unterlassen der vorgeschriebenen Prospektveröffentlichung ist als Ordnungswidrigkeit bzw. in besonders schweren Fällen als Straftat ausgestaltet (§ 24 WpPG). Die zuständigen Aufsichtsbehörden können Bußgelder verhängen und das Angebot untersagen.

Prospektpflicht in internationalen Kontexten

Die Umsetzung und Ausgestaltung der Prospektpflicht variiert international erheblich. Während im EU-Raum eine umfassende Harmonisierung angestrebt wird, existieren global vielfach unterschiedliche Schwellenwerte, Offenlegungspflichten und Zulassungsverfahren.

Bedeutung für die Praxis

Die Prospektpflicht beeinflusst das Verhalten von Emittenten, Kapitalmarktteilnehmern und Intermediären maßgeblich. Ihre konsequente Einhaltung ist Voraussetzung für den rechtskonformen Vertrieb zahlreicher Finanzprodukte und stellt einen wichtigen Baustein im Anlegerschutzsystem europäischer und nationaler Märkte dar.


Literaturhinweise

  • Prospektverordnung (EU) 2017/1129
  • Wertpapierprospektgesetz (WpPG)
  • Vermögensanlagegesetz (VermAnlG)
  • Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB)
  • BaFin: Informationen zur Prospektpflicht

Hinweis: Die Prospektpflicht ist ein komplexes Rechtsgebiet, dessen Anforderungen und Ausnahmen im Einzelfall sorgfältig geprüft werden sollten, insbesondere im Hinblick auf die jeweiligen Produktarten und Angebotsstrukturen.

Häufig gestellte Fragen

Wann besteht eine Prospektpflicht nach deutschem Recht?

Die Prospektpflicht besteht im deutschen Recht insbesondere im Zusammenhang mit dem öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder deren Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt. Maßgebliche Grundlage hierfür bilden das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) und die einschlägigen EU-Verordnungen, insbesondere die Prospektverordnung (EU) 2017/1129. Ein Prospekt muss grundsätzlich erstellt und von der zuständigen Behörde, in Deutschland der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), gebilligt werden, sobald Wertpapiere öffentlich angeboten werden. Ein Angebot ist dann öffentlich, wenn es sich an eine unbestimmte Vielzahl von Personen richtet oder entsprechende Kommunikationsmittel (z.B. Internet, Zeitungen) genutzt werden. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um eine erstmalige Emission (Primärmarkt) oder um einen Verkauf bestehender Wertpapiere (Sekundärmarkt) handelt. Die Prospektpflicht dient dem Schutz der Anleger und der Schaffung von Markttransparenz, indem sie umfassende Informationspflichten hinsichtlich der angebotenen Wertpapiere sowie des Emittenten vorsieht. Allerdings gibt es Ausnahmeregelungen, beispielsweise bei Privatplatzierungen, bestimmten Mindeststückelungen oder hohen Mindestanlagebeträgen. Die sorgfältige Prüfung, ob und wann eine Prospektpflicht greift, ist daher im Vorfeld jeder Transaktion essenziell.

Welche Ausnahmen von der Prospektpflicht gibt es?

Das Gesetz sieht zahlreiche Ausnahmen von der Prospektpflicht vor, die insbesondere dem Ziel dienen, den Aufwand für kleinere Angebote oder bestimmte Anlegergruppen zu reduzieren. Zu den wichtigsten Ausnahmen gehören Angebote, die sich ausschließlich an qualifizierte Anleger richten, Angebote mit einem Gesamtgegenwert von weniger als 1 Million Euro innerhalb von zwölf Monaten, oder solche, bei denen der Mindeststückelungswert eines Wertpapiers bei mindestens 100.000 Euro liegt. Auch Angebote an weniger als 150 Personen pro Mitgliedstaat außerhalb qualifizierter Anleger bleiben prospektfrei. Ferner bestehen Ausnahmen für Mitarbeiterbeteiligungsprogramme sowie im Hinblick auf nationale spezielle Regelungen, wie etwa bei Genussscheinen, Namensschuldverschreibungen oder bestimmten Vermögensanlagen. Für jede Ausnahme gelten spezifische Voraussetzungen, die genau geprüft werden müssen, da ein Verstoß gegen die Prospektpflicht erhebliche zivil- und strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei Verstoß gegen die Prospektpflicht?

Ein Verstoß gegen die Prospektpflicht zieht gravierende rechtliche Folgen nach sich. Zivilrechtlich besteht insbesondere die Möglichkeit der Haftung des Emittenten oder Anbieters gegenüber dem Erwerber der Wertpapiere auf Schadensersatz, sofern der Erwerb ohne oder auf Basis eines fehlerhaften Prospekts erfolgte. Daneben drohen strafrechtliche Sanktionen: Das Wertpapierprospektgesetz sieht Geldstrafen oder sogar Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren vor, wenn Wertpapiere ohne erforderlichen, von der BaFin gebilligten Prospekt öffentlich angeboten werden. Zudem handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit, die mit empfindlichen Bußgeldern belegt werden kann. Auch aufsichtsrechtliche Maßnahmen der BaFin, wie Verbote des Angebots und Anordnungen zur Veröffentlichung von Nachträgen, sind möglich.

Welche Anforderungen werden an die Erstellung und den Inhalt eines Prospekts gestellt?

Der Prospekt muss nach gesetzlichen Vorgaben vollständig, sachlich richtig und klar sowie verständlich sein. Im Hinblick auf den Inhalt legt insbesondere die Prospektverordnung detaillierte Mindestangaben fest, darunter umfassende Informationen über den Emittenten, dessen Geschäftstätigkeit, finanzielle Lage, die mit dem Wertpapier verbundenen Rechte und Risiken sowie den geplanten Verwendungszweck des Emissionserlöses. Der Prospekt muss alle Umstände enthalten, die für die Beurteilung des angebotenen Wertpapiers durch einen verständigen Anleger wesentlich sind (sog. „Wesentlichkeitsgrundsatz“). Neben den formellen Vorgaben bestehen auch Sprachanforderungen: Für den Vertrieb in Deutschland muss der Prospekt grundsätzlich in deutscher Sprache oder – unter bestimmten Voraussetzungen – in Englisch vorgelegt werden.

Welche Rolle spielt die BaFin bei der Billigung des Prospekts?

Die BaFin ist zuständige Aufsichtsbehörde für die Billigung von Wertpapierprospekten in Deutschland. Sie prüft die Prospekte daraufhin, ob sie vollständig, verständlich und widerspruchsfrei sind. Die Billigung erfolgt jedoch ausdrücklich ohne inhaltliche Prüfung der Richtigkeit der Angaben. Die Billigung ist Voraussetzung für das öffentliche Angebot oder die Zulassung der Wertpapiere zum Handel. Nach der Billigung veröffentlicht die BaFin die Prospekte auf ihrer Internetseite und schafft damit Transparenz für die Marktteilnehmer. Darüber hinaus kann die BaFin im Falle von erheblichen Fehlern oder Versäumnissen Nachbesserungen oder Nachträge verlangen und bei fortbestehenden Mängeln das Angebot untersagen.

Wie lange gilt ein gebilligter Prospekt und wann muss ein Nachtrag veröffentlicht werden?

Ein gebilligter Prospekt ist grundsätzlich für einen Zeitraum von bis zu zwölf Monaten ab Billigung bzw. ab dem ersten öffentlichen Angebot oder Börsenzulassung wirksam. Kommt es während dieses Zeitraums zu erheblichen neuen Tatsachen oder wesentlichen Veränderungen, die den Prospektinhalt beeinflussen und für die Anleger-Entscheidung wesentlich sind, ist unverzüglich ein Nachtrag zu veröffentlichen. Der Nachtrag unterliegt ebenfalls der Billigungspflicht durch die BaFin. Nach der Veröffentlichung eines Nachtrags besteht für Anleger unter bestimmten Bedingungen ein Rücktrittsrecht, sofern sie ihre Zeichnung vor Veröffentlichung des Nachtrags abgegeben haben und noch nicht ausgeführt wurde.

Welche Folgen hat die Prospektpflicht für den Vertrieb in anderen EU-Mitgliedstaaten?

Basierend auf dem sogenannten EU-Passporting-Prinzip kann ein in einem EU-Mitgliedstaat gebilligter Prospekt auch für den Vertrieb von Wertpapieren in anderen Mitgliedstaaten verwendet werden, sofern der Prospekt gemäß der Prospektverordnung erstellt wurde und die zuständige Aufsichtsbehörde (in Deutschland: BaFin) die Billigung samt etwaiger Übersetzungen der wesentlichen Informationen den betreffenden Zielstaaten übermittelt hat. In diesem Fall sind keine weiteren nationalen Freigabeverfahren für den Prospekt erforderlich. Dennoch können zusätzliche nationale vertriebsrechtliche Bestimmungen, wie etwa zu Werbe- und Informationspflichten, zu beachten sein.