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Prokuraindossament


Definition und Grundlagen des Prokuraindossaments

Das Prokuraindossament ist ein Begriff aus dem Wechselrecht, der die Erteilung einer Prokura an einen Dritten durch Indossament, also Übertragung, auf einem Wechsel regelt. Dieser spezielle Indossamenttyp gestattet es, einem Bevollmächtigten die Berechtigung einzuräumen, einen Wechsel im Namen des Indossanten zu vollziehen, ohne dass damit gleichzeitig ein Forderungsübergang verbunden wäre. Das Prokuraindossament basiert auf den Regelungen des deutschen Wechselgesetzes (WG) sowie des Scheckgesetzes (SchG), findet jedoch gleichfalls in weiteren europäischen Rechtsordnungen Anwendung.


Rechtsgrundlagen und gesetzliche Regelung

Wechselgesetz (WG) – §§ 13, 18 und 20 WG

Die zentrale gesetzliche Basis für das Prokuraindossament ergibt sich aus § 18 WG. Dieser regelt das Indossament „an Order“, das rein zur Erteilung einer Vollmacht erfolgt. Im Gegensatz dazu steht das Übertragungsindossament, bei dem die Forderung aus dem Wechsel auf den neuen Inhaber übergeht. Das Prokuraindossament ist ein sogenanntes Vollmachtsindossament: Es begründet ein Recht zur Geltendmachung des Wechsels, enthält aber keinen Eigentumsübergang.

Wortlaut (§ 18 WG):

„Ein Indossament auf den Inhaber, auf den Bezogenen oder auf einen bloßen Bevollmächtigten (Vollmachtsindossament) gilt als Prokuraindossament.“

Abgrenzung: Übertragungsindossament und Prokuraindossament

  • Übertragungsindossament: Führt zu einem Forderungsübergang und macht den Indossatar zum neuen Wechselgläubiger.
  • Prokuraindossament: Begründet lediglich eine Vollmacht, die den Indossatar zur Geltendmachung oder Einziehung des Wechsels im Namen des Indossanten berechtigt. Der Eigentümer bleibt der Indossant.

Merkmale und rechtliche Wirkungen des Prokuraindossaments

Formvorschriften

Das Prokuraindossament wird durch einen entsprechenden Vermerk („Wert zum Inkasso“, „zur Einziehung“, „zum Inkasso“, „Prokura“ oder ähnliches) auf der Rückseite des Wechsels oder auf einem Wechselanhang („Allonge“) angebracht. Die Formulierung muss unmissverständlich die Inkassovollmacht ausdrücken – sonst liegt ein reguläres Übertragungsindossament vor.

Typische Formulierungen:

  • „Wert zum Inkasso“
  • „Wert zur Einziehung“
  • „value in collection“

Wirkungskreis des Bevollmächtigten

Der Bevollmächtigte (Indossatar) kann im Rahmen des Prokuraindossaments sämtliche Rechte aus dem Wechsel im Namen des Indossanten ausüben. Dazu gehören insbesondere:

  • Präsentation zur Zahlung
  • Protesterhebung bei Nichtzahlung
  • Einleitung von Wechselklagen

Er handelt nicht auf eigene Rechnung, sondern als Vertreter des Indossanten. Ansprüche aus dem Wechselrecht stehen weiterhin allein dem Indossanten als Gläubiger zu.


Rechtsfolgen bei Verwendung des Prokuraindossaments

Keine Eigentumsübertragung

Das wesentliche Merkmal des Prokuraindossaments ist der Ausschluss des Forderungsübergangs. Der Inhaber der Vollmacht kann den Wechsel nicht zu eigenen Gunsten geltend machen. Dies unterscheidet das Prokuraindossament von anderen Indossamenten, die regelmäßig den Wechselrechtserwerb vermitteln.

Missbrauch und Gutglaubensschutz

Im Falle eines Missbrauchs der Inkassovollmacht (z.B. Einziehung zu eigenen Gunsten) haftet der Prokuraindossatar gegenüber dem Indossanten auf Schadensersatz. Ein gutgläubiger Erwerb der Wechselrechte ist aufgrund des mangelnden Eigentumsübergangs nicht möglich. Gläubigerschutzinteressen werden so besonders gewahrt.

Rückruf und Widerruf des Prokuraindossaments

Die dem Indossatar erteilte Vollmacht im Sinne des Prokuraindossaments ist grundsätzlich frei widerruflich. Ein Widerruf muss durch eine entsprechende Wechselnotiz auf dem Wertpapier dokumentiert werden, um Dritten gegenüber Wirkung zu entfalten.


Praktische Bedeutung und Anwendungsbereiche

Verwendungszwecke

Das Prokuraindossament wird insbesondere im kaufmännischen Verkehr eingesetzt, wenn Inkassoinstitute, Banken oder andere Dienstleister in wechselrechtlichen Einziehungsangelegenheiten tätig werden sollen, ohne dass diese selbst zum Gläubiger werden. Dies ist häufig im Rahmen internationalen Handels sowie des Mahn- und Inkassowesens gebräuchlich.

Vergleich zu anderen Vollmachen

Während die Einzelprokura (§ 48 HGB) umfassende Vertretungsmacht gewährt, ist das Prokuraindossament auf die Rechte aus dem Wechsel beschränkt. Eine Vermischung dieser Vollmachten ist zu vermeiden.


Abgrenzung zur Indossamentvollmacht

Obwohl beide Rechtsfiguren eine Bevollmächtigung vorsehen, unterscheiden sie sich strukturell:

  • Indossamentvollmacht: Privatschriftliche Bevollmächtigung, keine Eintragung auf dem Wechsel selbst, sondern durch ein separates Dokument.
  • Prokuraindossament: Vollmacht wird ausdrücklich auf dem Wechsel ausgefertigt, sichert Wechselstrenge und die Legitimation zur Ausübung der Wechselrechte.

Internationale Aspekte des Prokuraindossaments

Rechtsvergleichender Überblick

Die Grundzüge des Prokuraindossaments finden sich in vielen Rechtsordnungen, insbesondere in jenen, die dem Genfer Wechselrechtsübereinkommen folgen. Im englischen Wechselrecht ist das „indorsement by procuration“ (Section 27 Bills of Exchange Act 1882) vergleichbar geregelt.

Auswirkungen bei grenzüberschreitenden Geschäften

Im internationalen Handelsverkehr ist auf die jeweiligen nationalen Anforderungen bei Ausstellung, Form und Widerruf des Prokuraindossaments zu achten. Insbesondere in Fällen inkorporierter, außerhalb Deutschlands ausgestellter Wechsel können abweichende Formerfordernisse gelten.


Zusammenfassung

Das Prokuraindossament ist eine bedeutsame Rechtsfigur des Wechselrechts, durch die ein Dritter zum Einzug der Wechselrechte im Namen des Indossanten bevollmächtigt wird, ohne dass damit ein Forderungsübergang verbunden wäre. Seine rechtlichen Wirkungen betreffen die Vertretung im Wechselrecht, die Sicherstellung der Gläubigerinteressen und die Organisation des bargeldlosen Zahlungsverkehrs im internationalen Handel. Durch seine besonderen Formerfordernisse und die klaren Abgrenzungen gegenüber Übertragungsindossament und Indossamentvollmacht sichert das Prokuraindossament die Rechtssicherheit im Umgang mit Wechseln und Schecks.


Siehe auch

  • Wechselrecht
  • Indossament
  • Scheckrecht
  • Vollmacht im Handelsrecht
  • Prokura

Literatur

  • Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, aktuelle Auflage
  • Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch
  • Baumbach/Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz
  • Münchener Kommentar zum HGB

Weblinks

  • Wechselgesetz (WG) im Volltext
  • Scheckgesetz (SchG) im Volltext
  • Genfer Wechselrechtsübereinkommen

Hinweis: Die in diesem Artikel enthaltenen rechtlichen Informationen zum Begriff Prokuraindossament beschreiben insbesondere die Situation nach deutschem Recht und sind auf Grundlage des aktuellen Gesetzesstandes 2024 verfasst.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für ein wirksames Prokuraindossament erfüllt sein?

Ein wirksames Prokuraindossament setzt voraus, dass ein Inhaberpapier, in der Regel ein Wechsel oder ein Orderpapier nach §§ 363 ff. HGB, durch Indossament übertragen werden kann und das Indossament mit dem ausdrücklichen Zusatz „per Prokura“ oder einer ähnlichen Formulierung versehen ist. Dieses Indossament erfolgt nicht durch den Berechtigten selbst, sondern namens und im Auftrag des Berechtigten durch einen Prokuristen, der dieses Recht durch seine im Handelsregister eingetragene Prokura ausübt. Das Indossament muss schriftlich auf das Papier selbst gesetzt werden und die Vertretungsmacht des Prokuristen eindeutig aus dem Zusatz hervorgehen. Darüber hinaus müssen sämtliche allgemeinen Wirksamkeitserfordernisse des jeweiligen Wertpapierrechts – wie die lückenlose Indossamentenkette und die formwirksame Unterzeichnung – eingehalten werden. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist das Prokuraindossament nicht wirksam, und die sachenrechtliche oder wechselrechtliche Berechtigung geht nicht auf den neuen Erwerber über.

Welche rechtlichen Folgen hat ein Prokuraindossament für den gutgläubigen Erwerber?

Für den gutgläubigen Erwerber ist insbesondere relevant, dass auch beim Prokuraindossament der öffentliche Glaube des Handelsregisters gemäß § 15 HGB gilt. Erscheint im Handelsregister ein Prokurist als vertretungsberechtigt eingetragen, darf der Erwerber auf die Vertretungsmacht dieses Prokuristen vertrauen, es sei denn, ihm ist bekannt oder grob fahrlässig unbekannt, dass die Prokura erloschen ist. Das Prokuraindossament gilt damit für den Erwerber als vom Geschäftsherrn selbst vorgenommen, sofern der Prokurist im Rahmen seiner Vertretungsmacht gehandelt hat. Auch die Haftung aus dem Wechselrecht geht daher bei formal gültigem Indossament auf den Erwerber über; der gute Glaube erstreckt sich auf die Vertretungsbefugnis, nicht jedoch auf die formelle Ordnungsmäßigkeit im Detail, die im Streitfall von Gerichten überprüft werden kann.

Wie unterscheidet sich das Prokuraindossament von anderen Indossamenten aus rechtlicher Sicht?

Das Prokuraindossament unterscheidet sich vor allem durch die Art der Vertretung: Während bei einem normalen Indossament der Indossant als Inhaber oder berechtigter Vertreter agiert, handelt beim Prokuraindossament ein besonderer Vertreter – der Prokurist -, dessen Vertretungsbefugnis streng an das Handelsrecht (§§ 48 ff. HGB) gebunden ist. Rechtlich gesehen ist das Prokuraindossament ein vollwertiges Indossament mit allen schuld- und sachenrechtlichen Wirkungen, sofern alle Formvorschriften erfüllt wurden und das Vertretungsverhältnis ordnungsgemäß offen gelegt ist. Im Gegensatz zu einem Blanko- oder Vollmachtsindossament muss das Prokuraindossament den Handlungsspielraum des Prokuristen explizit klarstellen; nur dann ist es für Dritte eindeutig und erkennbar, dass ein rechtsgeschäftliches Handeln im fremden Namen vorliegt.

Welche Risiken bestehen bei fehlerhaftem Prokuraindossament für die Beteiligten?

Bei einem fehlerhaften Prokuraindossament – etwa fehlendem Vermerk der Prokura, mangelnder Vertretungsbefugnis oder unvollständigen Angaben zum Prokuristen – droht die Unwirksamkeit des Indossaments. Dieses Risiko trifft den Erwerber besonders schwer, da er ohne ein wirksames Indossament keine Rechte aus dem Papier ableiten kann. Daneben entstehen für den bisherigen Inhaber Haftungsrisiken, wenn der Prokurist außerhalb seiner Vertretungsmacht gehandelt hat und dies für den Erwerber nicht erkennbar war. Auch Wechselverpflichtungen oder Rückgriffsrechte können in Frage gestellt werden, sodass unter Umständen Regressansprüche nicht durchsetzbar sind.

Wann und wie kann ein Prokuraindossament im Nachhinein angefochten werden?

Ein Prokuraindossament kann, wie andere Rechtsgeschäfte auch, grundsätzlich wegen Willensmängeln (z. B. Irrtum, Drohung, Täuschung) nach §§ 119 ff. BGB angefochten werden. Rechtsfolge der erfolgreichen Anfechtung ist die Nichtigkeit des Indossaments ex tunc. Die Anfechtungserklärung muss unverzüglich gegenüber dem entsprechenden Vertragspartner abgegeben werden. Im Falle des Prokuraindossaments ist insbesondere zu beachten, wer anfechtungsberechtigt ist: Dies ist neben dem Geschäftsherrn auch der Prokurist, sofern er im Namen des Berechtigten gehandelt hat. Die Wirkungen einer Anfechtung erstrecken sich auch auf Dritte, sofern diese nicht gutgläubig und schutzwürdig auf die Wirksamkeit des Indossaments vertraut haben.

Gibt es besondere Formerfordernisse für das Prokuraindossament über das gesetzliche Schriftformerfordernis hinaus?

Neben dem nach deutschem Recht zwingenden Schriftformerfordernis, das die Unterschrift unmittelbar auf dem Orderpapier verlangt, bestehen für das Prokuraindossament keine weitergehenden Formerfordernisse. Es ist jedoch zwingend erforderlich, dass das Indossament den Zusatz „p.p.“ (per Prokura), „i.V.“ (in Vertretung) oder einen vergleichbaren klarstellenden Hinweis auf die Prokura als Vertretungsform enthält. Aus Beweisgründen empfiehlt es sich, neben der Originalunterschrift des Prokuristen auch dessen Namen und den Zusatz „als Prokurist“ aufzunehmen, da dies im Streitfall die Vertretungsbefugnis unzweifelhaft dokumentiert. Ein Verstoß gegen das Formerfordernis führt zur Nichtigkeit des Indossaments als Verfügungsgeschäft.