Legal Lexikon

Prime Standard


Definition und rechtliche Grundlagen des Prime Standard

Begriffserklärung: Prime Standard

Der Prime Standard ist ein gesetzlich definierter und durch die Deutsche Börse AG regulierter Teilbereich des regulierten Marktes (früher amtlicher Markt) an der Frankfurter Wertpapierbörse. Er stellt das Premiumsegment für börsennotierte Unternehmen dar, die neben den gesetzlichen Mindestanforderungen zusätzliche, insbesondere an internationale Standards angelehnte Transparenz- und Publizitätspflichten erfüllen müssen. Der Prime Standard adressiert vor allem Emittenten, die eine internationale Investorenbasis ansprechen und Zugang zu internationalen Kapitalmärkten suchen, darunter Unternehmen, die eine Aufnahme in Auswahlindizes wie den DAX, MDAX, TecDAX oder SDAX anstreben.

Gesetzliche Regelungen und Marktstruktur

Regulierung durch das Börsengesetz und Börsenzulassungsverordnung

Der Prime Standard ist kein eigenständiger Markt, sondern ein Segment des regulierten Markts. Die Grundlage für seine Existenz und Ausgestaltung bildet das Börsengesetz (BörsG), insbesondere die Vorschriften zum regulierten Markt. Ergänzende Bestimmungen finden sich in der Börsenzulassungsverordnung (BörsZulV) sowie den Regelwerken der Deutschen Börse AG, insbesondere der „Börsenordnung für die Frankfurter Wertpapierbörse“ und den „Kriterien für die Indizes DAX, MDAX, TecDAX und SDAX“.

Unterschied zum General Standard

Innerhalb des regulierten Marktes unterscheidet die Deutsche Börse zwischen dem General Standard und dem Prime Standard. Während der General Standard auf die gesetzlichen Mindestanforderungen des Börsengesetzes abstellt, ist der Prime Standard mit weiterreichenden Transparenzvorgaben ausgestattet. Ein Listing im Prime Standard ist Voraussetzung für die Aufnahme in die Auswahlindizes der Deutschen Börse.

Zulassungsvoraussetzungen für den Prime Standard

Mindestanforderungen

Formalrechtliche Kriterien

Unternehmen, die im Prime Standard gelistet werden wollen, müssen zunächst alle erforderlichen Zulassungsvoraussetzungen für den regulierten Markt erfüllen. Hierzu gehören gemäß §§ 32 ff. BörsG unter anderem:
Vorlage eines von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft testierten und gebilligten Wertpapierprospekts,
Mindestbestand an gezeichnetem Kapital,
Mindestanzahl und Streubesitz an Aktien,
Unternehmenssitz in einem EU-/EWR-Mitgliedsstaat.

Zusätzliche Transparenz- und Berichterstattungspflichten

Die Prime Standard-Teilnahme setzt darüber hinaus die Einhaltung erweiterter Transparenzanforderungen voraus, zu denen insbesondere gemäß den Regularien der Deutschen Börse gehören:
Veröffentlichung von Quartalsberichten (zwischen den jährlichen Finanzberichten),
Ad-hoc-Mitteilungspflicht über kursrelevante Ereignisse,
Unternehmenskalender mit relevanten Terminen (bspw. Hauptversammlung, Berichtstermine),
Veröffentlichung der Mitteilungen in deutscher und englischer Sprache,
Pflicht zur Durchführung mindestens einer Analysten- oder Investor-Relations-Konferenz jährlich.

Regelüberwachung und Sanktionsmechanismen

Die Erfüllung dieser Anforderungen wird durch die Deutsche Börse AG laufend überwacht. Bei Verstößen können Verwarnungen ausgesprochen, Ordnungsmaßnahmen verhängt oder im Worst Case das Segmentlisting widerrufen werden. Besteht ein Verstoß gegen gesetzliche Pflichten (z. B. gemäß Wertpapierhandelsgesetz, WpHG), informiert die Deutsche Börse in der Regel die zuständigen Überwachungs- bzw. Aufsichtsbehörden.

Rechtliche Pflichten von Emittenten im Prime Standard

Erweiterte Publizitäts- und Ad-hoc-Pflichten

Offenlegungspflichten gemäß Wertpapierhandelsgesetz (WpHG)

Emittenten im Prime Standard unterliegen besonders strengen Publikationspflichten. Hierzu gehören die fristgerechte Veröffentlichung und Einreichung von:
Jahresabschlüssen und -berichten innerhalb einer festgelegten Frist,
Zwischenberichten (Quartalsberichte) innerhalb von zwei Monaten nach Quartalsende,
Ad-hoc-Mitteilungen über alle kursrelevanten Informationen (gemäß Art. 17 der EU-Marktmissbrauchsverordnung – MAR),
Pflichtmitteilungen bei Veränderungen im Großaktionärsbestand (Directors‘ Dealings nach § 19 MAR, Mitteilungen über Stimmrechtsanteile nach §§ 33 ff. WpHG).

Sprache und Veröffentlichungsort

Finanzberichte, Ad-hoc-Mitteilungen und Pflichtmitteilungen müssen sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache publiziert werden. Die Veröffentlichung erfolgt insbesondere auf der Internetseite der Gesellschaft sowie über ein zentrales elektronisches Informationssystem (bspw. DGAP).

Corporate Governance und Good Governance-Grundsätze

Ein weiteres Merkmal des Prime Standard ist die Erwartung an die Emittenten, die Prinzipien einer guten Unternehmensführung einzuhalten, welche im Deutschen Corporate Governance Kodex festgelegt sind. Zwar besteht für die Kodex-Konformität bei börsennotierten Unternehmen generell die „Comply-or-Explain“-Pflicht nach § 161 Aktiengesetz (AktG), im Prime Standard kommt der Erfüllung der Governance-Grundsätze jedoch eine besondere praktische Bedeutung zu.

Bedeutung des Prime Standard für Investoren und Unternehmen

Zugang zu Auswahlindizes und internationalen Kapitalmärkten

Ein Listing im Prime Standard ist Grundvoraussetzung für die Aufnahme in die wichtigsten deutschen Aktienindizes. Daraus ergeben sich erhebliche Vorteile für die Emittenten, insbesondere hinsichtlich:
Erhöhte Sichtbarkeit und Wahrnehmung durch internationale Investoren,
Erleichterte Handelbarkeit der Wertpapiere,
Häufig steigendes Investoreninteresse und damit potenziell höhere Liquidität und Bewertung des Unternehmens.

Schutz der Anleger durch Informations- und Transparenzpflichten

Durch die Einhaltung der erweiterten Publizitäts- und Transparenzpflichten erhalten Investoren einen umfassenderen und zeitnäheren Einblick in die wirtschaftliche Lage des Emittenten. Dies dient dem Schutz des Kapitalmarkts und der Interessen der Anleger auf dem deutschen Finanzplatz.

Beendigung und Widerruf der Prime Standard-Teilnahme

Freiwilliger Segmentwechsel

Unternehmen können sich freiwillig entscheiden, vom Prime Standard in den General Standard zu wechseln. Dies erfolgt durch einen entsprechenden Antrag an die Deutsche Börse und Bekanntmachung. Nach dem Wechsel entfallen die weitergehenden Pflichten des Prime Standard.

Sanktionsmaßnahmen bei Pflichtverstößen

Bei wiederholten oder schwerwiegenden Pflichtverletzungen kann die Deutsche Börse den Ausschluss aus dem Prime Standard beschließen. In diesem Fall verbleibt das Unternehmen im General Standard – damit bleiben die gesetzlichen Mindestanforderungen erhalten.

Zusammenfassung: Rechtliche Einordnung und Bedeutung

Der Prime Standard ist das höchste Transparenzsegment des regulierten Marktes an der Frankfurter Wertpapierbörse und unterliegt besonderen gesetzlichen und börsenseitigen Anforderungen. Die erweiterten Pflichten zielen auf eine erhöhte Transparenz, den Schutz der Anleger und die Anbindung deutscher Emittenten an den internationalen Kapitalmarkt ab. Die Erfüllung dieser Anforderungen ist Voraussetzung für die Aufnahme in bedeutende Aktienindizes und schafft Vertrauen bei Investoren, Marktteilnehmern und der Öffentlichkeit.

Quellen & weiterführende Informationen:
Deutsche Börse AG – Prime Standard
Wertpapierhandelsgesetz (WpHG)
Deutscher Corporate Governance Kodex

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Berichtspflichten bestehen für im Prime Standard gelistete Unternehmen?

Im Prime Standard gelistete Unternehmen unterliegen einer Vielzahl von erweiterten Berichtspflichten, die sich aus den Vorgaben der Frankfurter Wertpapierbörse sowie einschlägigen europäischen und deutschen Gesetzen ergeben, insbesondere dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) und der Marktmissbrauchsverordnung (MAR). Neben den allgemeinen Anforderungen des Regulierten Marktes ergeben sich zusätzliche Pflichten, wie die Veröffentlichung von Konzernquartalsberichten (§ 53 BörsO FWB), von Konzernabschlüssen nach internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS bzw. US-GAAP), und die Ad-hoc-Publizitätspflichten gemäß Art. 17 der MAR. Ferner unterliegen Unternehmen strengeren Transparenzanforderungen in Bezug auf Directors‘ Dealings sowie Stimmrechtsmitteilungen. Für alle diese Veröffentlichungen bestehen detaillierte Fristen und formale Anforderungen, und Verstöße können mit empfindlichen Sanktionen geahndet werden.

Inwiefern müssen Prime Standard Unternehmen das Prinzip der Ad-hoc-Publizität beachten?

Im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben, insbesondere nach Art. 17 der Marktmissbrauchsverordnung (MAR), sind Unternehmen des Prime Standard verpflichtet, unverzüglich Insiderinformationen, die sie unmittelbar betreffen, öffentlich zu machen. Die Pflicht zur Ad-hoc-Mitteilung erfordert, dass Informationen, die geeignet sind, den Börsenkurs erheblich zu beeinflussen, ohne schuldhaftes Zögern veröffentlicht und gleichzeitig der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und der jeweiligen Börse gemeldet werden. Eine grundlose Verzögerung oder Unterlassung der Veröffentlichung kann als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Die Mitteilungen müssen zudem auf der eigenen Internetseite für einen Mindestzeitraum von fünf Jahren zugänglich sein.

Welche Vorgaben müssen bezüglich Corporate Governance im Prime Standard beachtet werden?

Im rechtlichen Kontext erfordern die Vorgaben des Prime Standard die Einhaltung besonderer Transparenz- und Offenlegungspflichten im Zusammenhang mit Corporate Governance-Strukturen. Dazu zählt vorrangig die Pflicht zur Veröffentlichung einer Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG im Hinblick auf den Deutschen Corporate Governance Kodex. Weiterhin muss der Bericht über die Corporate Governance mit ausführlichen Erläuterungen zu Geschäftsleitungs- und Kontrollstrukturen im Jahresabschluss veröffentlicht werden. Diese Pflichten dienen dazu, die Einhaltung von Standards guter Unternehmensführung sicherzustellen und sind mit Berichtspflichten über wesentliche Unternehmensführungspraktiken sowohl auf gesetzlicher als auch auf freiwilliger Ebene verbunden.

Welche rechtlichen Anforderungen gibt es an die Finanzberichterstattung im Prime Standard?

Die rechtlichen Anforderungen an die Finanzberichterstattung im Prime Standard überschreiten die gesetzlichen Mindestvorgaben. Es ist verpflichtend, dass Finanzberichte sowohl nach internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS oder US-GAAP) erstellt und veröffentlicht werden. Die Unternehmen sind verpflichtet, neben dem Jahresfinanzbericht auch mindestens einen Halbjahresfinanzbericht und zwei weitere Quartalsmitteilungen (Q1 und Q3) vorzulegen. Die Fristen zur Veröffentlichung sind im Einzelnen festgelegt: Jahresfinanzberichte binnen vier Monaten nach Ende des Geschäftsjahres, Halbjahresberichte binnen drei Monaten nach Ende des Halbjahres, Quartalsmitteilungen binnen zwei Monaten. Alle Berichte müssen sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch veröffentlicht werden.

Welche Pflichten bestehen hinsichtlich der Durchführung und Bekanntmachung der Hauptversammlung?

Im Prime Standard gelten erhöhte rechtliche Anforderungen an die Durchführung und Bekanntmachung der Hauptversammlung. Insbesondere sind Unternehmen verpflichtet, die Einberufung zur Hauptversammlung mindestens 30 Tage vor dem Termin im elektronischen Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Die Tagesordnung, sämtliche Unterlagen und Berichte sowie die Beschlussvorschläge sind rechtzeitig und vollständig offenzulegen. Ferner ist ein ordnungsgemäßes Abstimmungsverfahren und die Teilnahme auch für ausländische Investoren sicherzustellen. Über die Ergebnisse der Hauptversammlung ist unverzüglich in geeigneter Weise, in der Regel durch Veröffentlichung auf der Unternehmenswebsite, Bericht zu erstatten.

Welche Melde- und Veröffentlichungspflichten betreffen Directors‘ Dealings im Prime Standard?

Gemäß den Regelungen der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) müssen alle Geschäfte von Führungspersonen (sog. PDMR – Persons Discharging Managerial Responsibilities) und ihnen nahestehenden Personen mit Finanzinstrumenten des eigenen Unternehmens innerhalb von drei Werktagen an die BaFin und das Unternehmen gemeldet werden. Die Veröffentlichung solcher Directors‘ Dealings muss transparent, ausführlich und zeitnah auf der Unternehmenswebsite erfolgen und für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren zugänglich sein. Diese Anforderungen sollen Insiderhandel verhindern und das Vertrauen in die Transparenz des Kapitalmarktes stärken.

Welche weiteren besonderen rechtlichen Transparenzanforderungen gelten für den Prime Standard?

Zusätzlich zu den bereits genannten gibt es im Prime Standard erweiterte Anforderungen im Hinblick auf die Stimmrechtsmitteilung (§§ 33 ff. WpHG), institutionelle Berichterstattung und freiwillige Unternehmensmitteilungen. Unternehmen müssen Veränderungen bei bedeutenden Beteiligungen ab einer Schwelle von 3 % des stimmberechtigten Kapitals unverzüglich melden. Weiterhin sind Mitteilungspflichten im Zusammenhang mit bestimmten internationalen Finanzinstrumenten unter Beachtung des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes zu beachten. Neben den gesetzlichen Meldepflichten schreibt der Prime Standard auch die Veröffentlichung von Finanzkalendern und Investorenpräsentationen in deutscher und englischer Sprache vor.