Legal Lexikon

Preisgefahr


Rechtsbegriff „Preisgefahr“ – Begriffserklärung und Systematik

Die Preisgefahr ist ein zentraler Begriff des deutschen Schuldrechts und beschreibt, welchem Vertragspartner das Risiko der Gegenleistungsgefahr bei gegenseitigen Verträgen – insbesondere Kauf-, Werklieferungs- und Werkverträgen – obliegt. Die Preisgefahr betrifft die Frage, wer den vereinbarten Preis zahlen muss, wenn die Leistung unmöglich geworden ist oder untergeht, obwohl keine Partei den Untergang zu vertreten hat. Sie steht im engen Zusammenhang mit der Leistungsgefahr und der Sachgefahr, bezieht sich jedoch speziell auf das wirtschaftliche Risiko der Gegenleistung.


Allgemeine Grundlagen zur Preisgefahr

Abgrenzung von Leistungsgefahr und Sachgefahr

  • Leistungsgefahr: Umfasst das Risiko des zufälligen Untergangs der Leistung für den Schuldner.
  • Sachgefahr: Beschreibt das Risiko hinsichtlich des zufälligen Untergangs oder der Verschlechterung einer bestimmten Sache.
  • Preisgefahr: Regelt abschließend, welcher Vertragspartei die Pflicht zur Gegenleistung verbleibt, wenn die Leistung infolge eines unverschuldeten Umstands (z.B. zufälliger Untergang, höhere Gewalt) ausbleibt.

Die Preisgefahr ist stets im Kontext des jeweiligen Vertragsverhältnisses und der gesetzlichen Regelungen zum Gefahrübergang zu bestimmen.


Gesetzliche Regelungen zur Preisgefahr im Bürgerlichen Gesetzbuch

Normen aus dem BGB

§§ 275, 326 BGB: Unmöglichkeit der Leistung und ihrer Gegenleistung

  • § 275 BGB: Regelt das Wegfallen der Leistungspflicht des Schuldners im Falle der Unmöglichkeit.
  • § 326 Abs. 1 BGB: Befreit grundsätzlich auch den Gläubiger (Besteller, Käufer) von der Gegenleistungspflicht (Preisgefahr liegt beim Schuldner).
  • § 326 Abs. 2 BGB: Regelt die Ausnahme, dass der Gläubiger trotzdem die Gegenleistung zu erbringen hat, wenn dieser für den Untergang oder die Unmöglichkeit verantwortlich ist.

Gefahrtragung bei verschiedenen Vertragstypen

  • § 446 BGB (Kaufvertrag): Gefahrübergang mit Übergabe der Kaufsache auf den Käufer.
  • § 447 BGB (Versendungskauf): Gefahrübergang beim Versand spätestens mit Übergabe an die Transportperson.
  • § 644 BGB (Werkvertrag): Preisgefahr geht bei Abnahme des Werks auf den Besteller über.

Preisgefahr bei Kaufverträgen

Gefahrtragungsregelungen beim Kauf

  • Vor Gefahrübergang: Verkäufer trägt die Preisgefahr. Wird die Sache vor Übergabe zerstört, entfällt die Kaufpreisforderung.
  • Nach Gefahrübergang: Käufer trägt das volle Preisrisiko. Der Käufer muss auch bei zufälligem Untergang oder zufälliger Verschlechterung den vereinbarten Kaufpreis zahlen.

Versendungskauf

Beim Versendungskauf (§ 447 BGB) trägt der Käufer die Preisgefahr bereits ab Übergabe an die Transportperson, sofern kein Verbrauchsgüterkauf (§ 474 BGB) vorliegt. Beim Verbrauchsgüterkauf verbleibt das Risiko bis zur Übergabe beim Verkäufer.


Preisgefahr bei Werkverträgen

Grundsatz

  • Die Preisgefahr geht gemäß § 644 BGB grundsätzlich mit der Abnahme des Werkes auf den Besteller über. Wird das Werk vor Abnahme durch einen zufälligen Umstand zerstört, hat der Unternehmer keinen Anspruch auf die Vergütung.
  • Nach Abnahme trägt der Besteller das Risiko, und die Vergütung ist zu zahlen, auch wenn das Werk nach Abnahme untergeht.

Besonderheiten

Wird das Werk durch einen Mangel, der vom Besteller verursacht wurde, vor Abnahme zerstört, trägt der Besteller die Preisgefahr.


Sonderfälle der Preisgefahr

Unmöglichkeit durch Annahmeverzug oder Gläubigerverzug

  • Die Regelungen der Preisgefahr ändern sich, sobald der Besteller oder Käufer im Annahmeverzug ist (§ 300 BGB). In diesem Fall geht die Gefahr bereits vor Übergabe auf ihn über.
  • Wird nach Eintritt des Annahmeverzugs die Sache zerstört, bleibt die Gegenleistungspflicht bestehen.

Gefahrtragung bei gegenseitigen Verträgen

Im allgemeinen Schuldrecht regelt § 326 BGB die Gegenleistungsgefahr bei gegenseitigen Verträgen. Grundsätzlich gilt: Tritt Unmöglichkeit ohne Vertretenmüssen einer Partei ein, entfällt die Gegenleistungspflicht – es sei denn, die Preisgefahr ist bereits übergegangen.


Praktische Bedeutung der Preisgefahr

Die Regelungen zur Preisgefahr haben für die Vertragsgestaltung und das tägliche Wirtschaftsleben erhebliche Relevanz. Sie bestimmen, in welchem Zeitpunkt und unter welchen Bedingungen das wirtschaftliche Risiko für Leistungshindernisse – unabhängig von Verschulden – von einer Vertragspartei auf die andere übergeht. Insbesondere für Unternehmen im internationalen Warenverkehr spielt die exakte Kenntnis über den Zeitpunkt des Gefahrübergangs und die damit einhergehende Preisgefahr eine erhebliche Rolle.


Zusammenfassung und Bewertung

Die Preisgefahr ist ein wesentlicher Bestandteil des Schuldrechts und zentral für das Verständnis gegenseitiger Verträge. Sie regelt im Zusammenspiel mit gesetzlichen Gefahrtragungsregelungen, wer bei zufälligem Untergang des Leistungsgegenstands dennoch zur Zahlung verpflichtet bleibt. Die Kenntnis der genauen gesetzlichen Grundlagen und des Zeitpunkts des Gefahrübergangs ist für die Risikoverteilung und die Durchsetzung von Ansprüchen von erheblicher Bedeutung. Die Verteilung der Preisgefahr kann nicht nur durch Gesetz, sondern auch durch vertragliche Vereinbarungen, Allgemeine Geschäftsbedingungen oder Handelsbräuche modifiziert werden.


Weiterführende Literatur und Quellen

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere §§ 275, 326, 433, 446, 447, 644
  • Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch
  • Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht
  • Münchener Kommentar zum BGB

Hinweis: Der Begriff Preisgefahr ist vor allem für die Lösung von Leistungsstörungsfällen und bei der Auseinandersetzung um gegenseitige Verträge von zentraler Bedeutung. Im Streitfall empfiehlt es sich, die vertraglichen sowie gesetzlichen Regelungen sorgfältig zu prüfen, um die Risikoallokation eindeutig festzustellen.

Häufig gestellte Fragen

Welche Bedeutung hat der Gefahrübergang für die Preisgefahr im Kaufrecht?

Der Gefahrübergang ist im Kaufrecht ein zentraler Punkt für die Frage, wer das wirtschaftliche Risiko für den zufälligen Untergang oder die Verschlechterung einer Ware trägt. Mit dem Gefahrübergang wechselt die Preisgefahr, das heißt, ab diesem Zeitpunkt haftet der Käufer dafür, den Kaufpreis zu zahlen, selbst wenn die Ware untergeht oder mangelhaft wird, ohne dass eine Partei dies verschuldet hat. Im deutschen Recht ist der Zeitpunkt des Gefahrübergangs sowohl im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) als auch im Handelsrecht geregelt: Beim Verbrauchsgüterkauf geht die Gefahr grundsätzlich erst mit der Übergabe auf den Käufer über (§ 446 BGB), beim Versendungskauf für Unternehmer bereits mit der Übergabe an die Transportperson (§ 447 BGB). Der Gefahrübergang beeinflusst mithin maßgeblich, wer bis bzw. ab welchem Zeitpunkt gegen das Risiko des zufälligen Untergangs, wie etwa Diebstahl, Beschädigung oder Verlust, abgesichert sein muss und ab wann der Käufer trotz Ausbleibens der Lieferung zur Zahlung verpflichtet ist.

Wie unterscheidet sich die Preisgefahr bei Gattungsschulden und Stückschulden?

Im Rahmen der Preisgefahr unterscheidet das Recht zwischen Stückschuld und Gattungsschuld. Bei der Stückschuld – also beim Kauf eines individuell bestimmten Gegenstandes – ist der Gefahrübergang klar an die Übergabe oder die gesonderte Übergabevereinbarung gekoppelt. Bei Gattungsschulden, bei denen eine Sache nach allgemeinen Merkmalen geschuldet wird, geht die Preisgefahr auf den Käufer über, sobald die Ware ausgesondert und zur Lieferung bereitgestellt ist, also die Konkretisierung erfolgt ist (§ 243 Abs. 2 BGB). Das bedeutet, sämtliche für die Leistung erforderlichen Handlungen müssen vorgenommen sein, bevor der Käufer das Risiko des zufälligen Untergangs trägt. Erst ab diesem Moment haftet der Käufer für den Kaufpreis, wenn die Sache ohne Verschulden des Verkäufers untergeht.

Welche gesetzlichen Regelungen bestimmen den Zeitpunkt des Übergangs der Preisgefahr?

Die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen zur Preisgefahr finden sich in den §§ 446, 447 und 326 Abs. 2 BGB. § 446 BGB bestimmt, dass mit der Übergabe der Kaufsache die Gefahr auf den Käufer übergeht. Bei einem Versendungskauf, bei dem die Ware auf Verlangen des Käufers verschickt wird, geht die Gefahr bereits mit der Auslieferung an die Transportperson über (§ 447 BGB). Ab diesem Zeitpunkt trägt der Käufer das Risiko zufälligen Untergangs und ist grundsätzlich weiterhin zur Zahlung verpflichtet. Kommt der Verkäufer in Annahmeverzug oder unterbleibt die Lieferung aus Gründen, die der Käufer zu verantworten hat, bestimmt § 326 Abs. 2 BGB, dass ebenfalls die Preisgefahr auf den Käufer übergeht. Es ergeben sich je nach Vertragstyp und Einzelfall unterschiedliche Zeitpunkte, ab wann der Käufer das Risiko und damit im Zweifel auch die Pflicht zur Bezahlung trägt.

Was passiert mit der Preisgefahr, wenn der Verkäufer mit der Lieferung in Verzug ist?

Kommt der Verkäufer mit der Lieferung in Verzug, verbleibt das Risiko beim Verkäufer und die Preisgefahr geht nicht auf den Käufer über. Grundsätzlich ist es so, dass der Verkäufer das Risiko für die zufällige Verschlechterung oder den Untergang der Kaufsache bis zur tatsächlichen oder rechtlichen Übergabe trägt. Zudem kann der Käufer bei Lieferverzug gegebenenfalls Schadensersatz verlangen oder nach Fristsetzung vom Vertrag zurücktreten. Maßgeblich ist hierbei, dass ein Gläubigerverzug (Annahmeverzug) des Käufers die Preisgefahr auf ihn übergehen lässt, nicht aber ein Lieferverzug des Verkäufers.

Wie verhält sich die Preisgefahr im internationalen Warenkauf (UN-Kaufrecht/CISG)?

Im UN-Kaufrecht (CISG) ist die Preisgefahr in den Artikeln 66 bis 70 geregelt. Die Gefahr geht im Regelfall – ähnlich wie im deutschen Recht – mit der Übergabe an den ersten Beförderer auf den Käufer über (Art. 67 CISG). Erfolgt kein Transport, ist der Zeitpunkt der Übergabe relevant (Art. 69 CISG). Bis zum Gefahrübergang trägt der Verkäufer das Risiko, danach der Käufer. Die Vertragsparteien können hiervon abweichende individuelle Regelungen treffen. Diese internationalen Bestimmungen sind insbesondere dann relevant, wenn Kaufverträge zwischen Parteien aus unterschiedlichen Vertragsstaaten geschlossen werden. Das Ziel ist weltweit einheitliche Regelungen für die Preisgefahr zu schaffen, gleichwohl bleiben nationale Besonderheiten und abweichende Einzelvereinbarungen möglich.

Welche Rolle spielen Vereinbarungen zwischen den Parteien hinsichtlich der Preisgefahr?

Die gesetzlichen Regelungen zur Preisgefahr sind grundsätzlich dispositiv, können also durch vertragliche Absprachen abgeändert werden. Die Parteien haben die Möglichkeit, vertraglich individuelle Zeitpunkte für den Übergang der Preisgefahr festzulegen oder etwa im Rahmen von Incoterms spezifische Regelungen zu treffen, die den Gefahrübergang und die Kostentragungspflichten fest definieren. Zumeist werden solche Vereinbarungen in Rahmenverträgen oder allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffen und sind insbesondere im internationalen Handel von großer Bedeutung. Solche Vereinbarungen gehen in ihrer Wirkung den gesetzlichen Vorschriften vor und werden im Streitfall bei der Auslegung des Vertrages besonders berücksichtigt.