Begriff und Bedeutung der Prozesskostenhilfe (PKH)
Die Prozesskostenhilfe (PKH) ist ein zentrales Instrument im deutschen Rechtssystem zur Gewährleistung des Zugangs zum gerichtlichen Rechtsschutz für Personen mit unzureichenden finanziellen Mitteln. Sie ermöglicht es, berechtigte Ansprüche vor Gericht auch dann geltend zu machen oder zu verteidigen, wenn die eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse dies ohne Unterstützung nicht erlauben würden. Hauptziel der PKH ist die Verwirklichung des verfassungsrechtlich verbürgten Justizgewährleistungsanspruchs gemäß Artikel 3 und 20 des Grundgesetzes.
Rechtsgrundlagen
Gesetzliche Verankerung
Die Prozesskostenhilfe ist im 11. Buch der Zivilprozessordnung (ZPO), §§ 114 bis 127 ZPO, geregelt. Ergänzend finden sich Vorschriften insbesondere in den entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), der Finanzgerichtsordnung (FGO), der Arbeitsgerichtsbarkeit (ArbGG) und des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Auch nach dem FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) kommt PKH zum Einsatz.
Anwendungsbereich
PKH gilt in der Regel für alle gerichtlichen Verfahren mit Ausnahme von Strafsachen (hier greift stattdessen die sogenannte Verfahrenskostenhilfe), also beispielsweise Zivil-, Arbeits-, Sozial-, Verwaltungs-, und Finanzgerichtsverfahren.
Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe
Rechtliche Voraussetzungen
Bedürftigkeit
Antragsteller müssen nachweisen, dass sie die Kosten der Prozessführung nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht, nur teilweise, oder nur in Raten aufbringen können (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Maßgebliche Grundlage für die Prüfung ist das monatliche Einkommen abzüglich bestimmter Freibeträge sowie das verwertbare Vermögen. Die Feststellung der Bedürftigkeit erfolgt regelmäßig durch die Vorlage einer aktuellen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Formblatt „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse“).
Erfolgsaussicht
Der beabsichtigte Rechtsschutz muss hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten. Dies bedeutet, dass das Rechtsbegehren nicht offensichtlich unbegründet sein darf. Die Prüfung seitens des Gerichts erfolgt hierbei summarisch.
Keine Mutwilligkeit
Das Verfahren darf nicht mutwillig geführt werden. Mutwilligkeit liegt vor, wenn ein zahlungsfähiger Beteiligter vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten aus die Rechtshilfe nicht in Anspruch nehmen würde, weil etwaige außergerichtliche Regelungen günstiger oder einfacher zu erreichen wären.
Ausschlussgründe
Keine Prozesskostenhilfe wird gewährt, wenn eine Rechtsschutzversicherung für die Kosten haftet oder wenn die Kosten von dritter Seite getragen werden.
Verfahren zur Bewilligung der Prozesskostenhilfe
Antragstellung
Der Antrag ist bei dem Gericht zu stellen, das für die jeweilige Rechtssache zuständig ist. Dem Antrag sind neben der Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen geeignete Nachweise (z. B. Gehaltsbescheinigungen, Nachweise über Miet- und Unterhaltszahlungen) beizufügen.
Prüfungs- und Entscheidungsverfahren
Nach Eingang des Antrags prüft das Gericht, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung der PKH vorliegen. Gegebenenfalls kann das Gericht weitere Unterlagen verlangen oder den Antragsteller zur Ergänzung auffordern. Im Regelfall erfolgt die Entscheidung durch Beschluss.
Bewilligungsumfang
Das Gericht entscheidet, in welchem Umfang PKH bewilligt wird. Dabei kann sie
- vollständig bewilligt werden,
- teilweise (mit Selbstbeteiligung) gewährt werden,
- oder verbunden mit einer Ratenzahlungsverpflichtung erfolgen.
Die Prozesskostenhilfe kann zudem widerrufen oder abgeändert werden, falls sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers nachträglich wesentlich verbessern (§ 120a ZPO).
Kosten, Wirkung und Umfang der Prozesskostenhilfe
Kosten, die von PKH erfasst werden
Die PKH übernimmt folgende Kosten:
- Gerichtskosten (Gerichtsgebühren und gerichtliche Auslagen)
- Kosten des eigenen Bevollmächtigten (z. B. Rechtsanwaltsgebühren)
- Kosten für Zeugen, Sachverständige und Dolmetscher, soweit sie vom Gericht geladen wurden
Nicht umfasst sind grundsätzlich die Kosten des Gegners. Unterliegt der Antragsteller ganz oder teilweise, so können gegnerische Kosten auferlegt werden und müssen selbst getragen werden.
Wirkung der Bewilligung
Mit Bewilligung der PKH werden der Antragsteller von der Zahlung der genannten Kosten freigestellt. Im Fall einer Verurteilung zur Kostentragung ist jedoch zu beachten, dass gegnerische Kosten nicht von der PKH übernommen werden.
Rückzahlung und Überprüfung
Die Bewilligung von PKH kann mit der Auflage verbunden sein, die Kosten in zumutbaren Raten zurückzuzahlen. Bis zu vier Jahre nach Beendigung des Verfahrens überprüft das Gericht, ob sich die finanziellen Verhältnisse gebessert haben und eine Rückzahlung (ganz oder teilweise) möglich ist.
Besonderheiten der PKH in einzelnen Verfahrensarten
Zivilprozess
Im Zivilprozess ermöglicht PKH dem Antragsteller, eigene Ansprüche gerichtlich geltend zu machen, ohne das Prozessrisiko zu tragen. Die Erfolgsaussichten werden dabei ebenso überprüft wie in allen anderen Instanzen.
Familienrechtliche Verfahren
Im Familienrecht wird PKH auch im Verfahren der einstweiligen Anordnung, Unterhaltssachen oder Scheidungs- und Folgesachen bewilligt. Hier gilt die Besonderheit, dass unter Umständen auch für das außergerichtliche Verfahren Unterstützung durch die sogenannte Beratungshilfe beantragt werden kann.
Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit
In arbeitsgerichtlichen erstinstanzlichen Verfahren besteht die Besonderheit, dass jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten grundsätzlich selbst trägt. PKH-Leistungen beziehen sich hier vornehmlich auf Gerichtskosten und Sachverständigenkosten.
Abgrenzung zu Beratungshilfe und Verfahrenskostenhilfe
Beratungshilfe
Beratungshilfe dient der außergerichtlichen Rechtsberatung und findet Anwendung, bevor ein gerichtliches Verfahren eingeleitet wird.
Verfahrenskostenhilfe
Im Familien- und Kindschaftsrecht ersetzt die Verfahrenskostenhilfe (VKH) anstelle der Prozesskostenhilfe die Übernahme der Kostenlast. Die materiellen Voraussetzungen entsprechen jedoch im Wesentlichen denen der PKH.
Rechtsmittel und Beschwerden
Gegen ablehnende PKH-Beschlüsse kann binnen einer Frist von vierzehn Tagen ab Zustellung Beschwerde eingelegt werden (§ 127 ZPO). Über die Beschwerde entscheidet das unmittelbar übergeordnete Gericht.
Fazit
Die Prozesskostenhilfe ist ein wesentliches Element des deutschen Rechtsschutzes, um allen Bürgerinnen und Bürgern unabhängig von ihrem Einkommen die gerichtliche Durchsetzung ihrer Rechte zu ermöglichen. Ihre Regelungen sind komplex, aber darauf ausgerichtet, Missbrauch zu verhindern und zugleich den Zugang zum Recht effektiv zu sichern. Die genaue Anwendung orientiert sich dabei stets an den individuellen ökonomischen und sachlichen Voraussetzungen des jeweiligen Antragstellers.
Häufig gestellte Fragen
Welche Voraussetzungen müssen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) vorliegen?
Um Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt zu bekommen, müssen mehrere gesetzliche Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein. Zunächst erfordert § 114 ZPO, dass die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung ganz, nur zum Teil oder nur in Raten aufzubringen. Entscheidend sind hierbei das Einkommen, das Vermögen sowie gesetzlich privilegierte Vermögensfreibeträge und Belastungen der antragstellenden Person. Zusätzlich muss die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten und darf nicht mutwillig erscheinen. Das bedeutet, dass das Gericht zunächst in einer summarischen Prüfung einschätzt, ob das angestrebte Verfahren voraussichtlich zugunsten des Antragstellers ausgehen könnte. Schließlich ist PKH nur zu gewähren, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt gesetzlich geboten oder zweckmäßig ist. Die Bedürftigkeit ist durch eine vollständige und wahrheitsgemäße Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Formular nach § 117 ZPO) sowie durch geeignete Belege zu dokumentieren. Das Gericht prüft alle Angaben sorgfältig und kann weitere Nachweise einfordern.
Muss der Gegner im Prozess informiert werden, wenn PKH beantragt wird?
Wird Prozesskostenhilfe beantragt, so wird der Gegner in der Regel darüber informiert, insbesondere wenn das Gericht vor der Bewilligung eine Stellungnahme zum Antrag oder zum Sachverhalt einholen möchte. Spätestens im Rahmen der Entscheidung über den jeweiligen Antrag wird der Gegner in das PKH-Verfahren einbezogen, sofern die Gewährung der PKH Auswirkungen auf das Hauptsacheverfahren hat. Ausnahmen bestehen etwa in einstweiligen Verfügungsverfahren, in denen eine besondere Eilbedürftigkeit (sogenannte „Soloverfahren“) besteht. Im Übrigen erhält der Gegner auch nachträglich Kenntnis, da die Gewährung der PKH im Urteil oder Beschluss mitgeteilt wird und auch für die Kostenentscheidung im Verfahren relevant ist. Es besteht daher grundsätzlich kein Anspruch auf Geheimhaltung des PKH-Antrags gegenüber dem Gegner.
Was umfasst die Bewilligung von PKH konkret?
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe umfasst gemäß § 122 ZPO in erster Linie die Übernahme der Gerichtskosten sowie gegebenenfalls der Kosten eines beigeordneten Rechtsanwalts durch die Staatskasse. Dies umfasst die Gebühren und Auslagen des Gerichts sowie die Rechtsanwaltsgebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Zu beachten ist, dass die PKH sich nur auf die eigenen Anwaltskosten und die Gerichtskosten bezieht; Kosten des Prozessgegners werden durch die PKH nicht übernommen. Sollte der Antragsteller im Prozess unterliegen, muss er die gegnerischen Kosten ggf. dennoch zahlen. Die Bewilligung kann mit einer Ratenzahlungsverpflichtung oder der Rückforderung im Fall einer späteren Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse verbunden werden. Die PKH gilt zudem nur für das konkret bezeichnete Verfahren und muss für weitere Instanzen oder Folgeverfahren jeweils erneut beantragt werden.
Unter welchen Umständen kann die Bewilligung von PKH aufgehoben oder geändert werden?
Eine bereits bewilligte Prozesskostenhilfe kann gemäß § 124 ZPO aufgehoben oder geändert werden, wenn sich nachträglich ergibt, dass die Bewilligung aufgrund unrichtiger Angaben oder wegen einer wesentlichen Verbesserung der finanziellen Situation des Hilfsbedürftigen erfolgt ist. Auch ein Wegfall der Erfolgsaussichten für die Rechtsverfolgung oder eine rechtsmissbräuchliche Verfahrensführung können eine Aufhebung rechtfertigen. Die Partei ist verpflichtet, jede wesentliche Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse dem Gericht unverzüglich anzuzeigen – hierzu kann das Gericht regelmäßig Nachweise auch nachträglich anfordern (sog. Nachprüfung bis zu vier Jahre nach Abschluss des Verfahrens). Wird die Verpflichtung zur Mitteilung oder zur Ratenzahlung verletzt, kann die Bewilligung entzogen und bereits geleistete Kosten zurückgefordert werden.
Welche Rechte und Pflichten hat eine Partei bei Bewilligung von PKH?
Wird Prozesskostenhilfe bewilligt, hat die Partei das Recht auf kostenfreie (oder ratenweise) Inanspruchnahme der gerichtlichen Dienste und erforderlichen anwaltlichen Vertretung, sofern diese erforderlich ist. Die Partei ist jedoch verpflichtet, sämtliche Angaben zu den eigenen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen wahrheitsgemäß, vollständig und rechtzeitig zu machen sowie spätere wesentliche Änderungen unaufgefordert mitzuteilen (§ 120a ZPO). Kommt die Partei diesen Mitwirkungspflichten nicht nach, kann dies den Widerruf oder die Rücknahme der PKH-Bewilligung nach sich ziehen. Pflichtverletzungen können auch strafrechtliche Konsequenzen wegen Betrugs (§ 263 StGB) oder Falschangaben nach sich ziehen.
Gilt die Prozesskostenhilfe auch für das Berufungs- oder Revisionsverfahren?
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bezieht sich immer nur auf das jeweilige, im Antrag konkret bezeichnete Verfahren – in der Regel ist dies die erste Instanz. Für das Berufungs- oder Revisionsverfahren, also für weitere Instanzen, muss PKH jeweils gesondert beantragt werden (§ 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Dies gilt unabhängig davon, ob bereits in der Vorinstanz PKH bewilligt wurde. Der Antrag auf PKH für weitere Instanzen wird jeweils durch das zuständige Gericht der jeweiligen Instanz geprüft, wobei erneut die Erfolgsaussicht und die Bedürftigkeit zu prüfen sind. Fehlt es an einer Antragstellung, besteht kein Anspruch auf Ausdehnung der PKH auf weitere Verfahren.
Besteht ein Anspruch auf freie Anwaltswahl bei Bewilligung von PKH?
Grundsätzlich besteht bei Gewährung von Prozesskostenhilfe das Recht auf freie Wahl eines Rechtsanwalts. Die PKH deckt jedoch nur die Gebühren eines im eigenen Gerichtsbezirk niedergelassenen Rechtsanwalts ab; wählt der Antragsteller einen auswärtigen Anwalt, werden nur die fiktiven Kosten eines ortsansässigen Anwalts übernommen. Mehrkosten sind selbst zu tragen (§ 121 Abs. 3 ZPO). Zudem wird der Anwalt nicht „bestellt“, sondern „beigeordnet“, was bedeutet, dass kein Direktanspruch gegen das Gericht auf Zuweisung eines bestimmten Anwalts besteht. Bei Differenzen oder im Fall der Mandatsbeendigung kann unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Umbeiordnung erfolgen, was jedoch gesondert begründet werden muss.